"A creole arises when a pidgin becomes the mother tongue of a speech community. The simple structure that characterized the pidgin is carried over into the creole but since a creole, as a mother tongue, must be capable of expressing the whole range of human experience, the lexicon is expanded and frequently a more elaborate syntactic system evolves." (Todd 1974: 3)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem, was Todd mit „the lexicon is expanded“ umschreibt. Wie erweitern Kreolsprachen ihren Wortschatz und auf welche Modelle greifen sie zurück? Wie stark ist dabei der Einfluss der Basissprache, wie stark der von Substratsprachen? Als Basissprache gilt in diesem Fall das Französische; man kann jedoch davon ausgehen, dass Kreolsprachen auf englischer oder portugiesischer Basis ähnliche, wenn nicht sogar die selben Mechanismen zur Wortschatzerweiterung benutzen.
Die Arbeit soll ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen Überblick über die Neologie-Modelle geben, derer sich die (französisch-basierten) Kreolsprachen bedienen, gleichzeitig aber auch Besonderheiten aufzeigen, die den Kreolsprachen bei der Erweiterung ihres Wortschatzes eigen sind.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wortschatzerweiterung in französisch-basierten Kreolsprachen
2.1 durch Entlehnung
2.2 durch Bedeutungswandel
2.2.1 Bedeutungserweiterung und Bedeutungsverengung
2.2.2 Metapher und Metonymie
2.2.3 Kohyponymische Übertragung
2.2.4 Volksetymologie
2.3 durch Wortbildung
2.3.1 Konversion
2.3.2 Komposition
2.3.3 Derivation
2.3.4 Reduplikation
3 Zusammenfassung
4 Bibliographie
Abkürzungsverzeichnis
Anmerkung zu Graphie und Phonie
Die Graphie der in dieser Arbeit vorkommenden Beispiele entspricht der Quelle, der sie entnommen wurden. Meist handelt es sich um eine phonologisch ausgerichtete Orthographie, d.h. die Graphie entspricht so weit wie möglich der Phonie. In manchen Quellen findet man auch eine dem Französischen angepasste Graphie:
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1 Einleitung
A creole arises when a pidgin[1] becomes the mother tongue of a speech community. The simple structure that characterized the pidgin is carried over into the creole but since a creole, as a mother tongue, must be capable of expressing the whole range of human experience, the lexicon is expanded and frequently a more elaborate syntactic system evolves. (Todd 1974: 3)
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit dem, was Todd mit „the lexicon is expanded“ umschreibt. Wie erweitern Kreolsprachen ihren Wortschatz und auf welche Modelle greifen sie zurück? Wie stark ist dabei der Einfluss der Basissprache, wie stark der von Substratsprachen? Als Basissprache gilt in diesem Fall das Französische; man kann jedoch davon ausgehen, dass Kreolsprachen auf englischer oder portugiesischer Basis ähnliche, wenn nicht sogar dieselben Mechanismen zur Wortschatzerweiterung benutzen.
Grundsätzlich wurde der Wortschatz französisch-basierter Kreolsprachen bisher nicht so stark erforscht wie beispielsweise deren Phonologie oder Morphologie (vgl. Stein 1984: 33). Chaudenson (1974) hat 2211 Wörter aus dem Kr Réu auf ihre Etymologie hin untersucht, wobei er diejenigen Wörter nicht berücksichtigt hat, die nicht oder nur phonetisch von den französischen Entsprechungen abweichen:
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Abb. 1: Herkunft des Wortschatzes des Kr Réu (Chaudenson 1974: 1082, adaptiert nach Stein 1984: 33)
Die Tabelle zeigt, dass der untersuchte Wortschatz zu mehr als der Hälfte aus Neologismen besteht, die aus Wörtern französischer Herkunft gebildet wurden. Es handelt sich dabei um „Neubildungen mit dem aus dem Französischen übernommenen Sprachmaterial (…), die aber im Französischen selbst nicht existieren“ (Stein 1984: 35).
Eine ähnliche Untersuchung stammt von Annegret Bollée (1981): Sie hat sämtliche Einträge für den Buchstaben K in jeweils einem Wörterbuch des Kr Hai und des Kr Sey miteinander verglichen und im Kr Hai 15,6 Prozent als „néologismes créoles“ betitelt, im Kr Sey sogar 21,8 Prozent (vgl. Stein 1984: 34). Zwar war die Zahl der von Bollée untersuchten Wörter geringer als von Chaudenson, trotzdem sagen die sehr unterschiedlichen Prozentzahlen an kreolischen Neologismen Wichtiges aus: Zweifellos verfügt jede Kreolsprache über selbst kreierte Neubildungen, jedoch ist deren Anzahl für jede Sprache einzeln zu bestimmen. Ebenso müssen die Modelle, nach denen Neologismen gebildet werden, in jeder Kreolsprache eigens untersucht werden – nicht jedes Modell muss zwangsläufig in jeder Kreolsprache Anwendung finden. Die im Folgenden vorgestellten Möglichkeiten zur Wortschatzerweiterung können jedoch als übereinzelsprachlich betrachtet werden, zumal sich zu den meisten Phänomenen Beispiele in verschiedenen Kreolsprachen finden ließen.
Die Arbeit soll ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen Überblick über die Neologie-Modelle geben, derer sich die (französisch-basierten) Kreolsprachen bedienen, gleichzeitig aber auch Besonderheiten aufzeigen, die den Kreolsprachen bei der Erweiterung ihres Wortschatzes eigen sind.
2 Wortschatzerweiterung in französisch-basierten Kreolsprachen
2.1 durch Entlehnung
Dass Kreolsprachen – genauso wie alle anderen Sprachen – ihr Lexikon durch Entlehnungen bereichern, ist nahe liegend. Als Entlehnungen sollen hier diejenigen Wörter verstanden werden, die aus dem Lexikon einer anderen Sprache ohne morphologische, syntaktische, semantische und mit nur geringfügigen phonetischen Veränderungen in das Lexikon der Kreolsprache übernommen werden. Das Lexikon der Kreolsprache ist hierbei das im jeweiligen Land gesprochene und geschriebene Standard-Kreol ohne Berücksichtigung diverser Varietäten, während in das Lexikon der Gebersprache auch Fachsprachen und diastratisch hohe Varietäten eingeschlossen sein können. Im Falle der französisch-basierten Kreolsprachen ist das Französische die hauptsächliche Gebersprache, die high variety, auf die zurückgegriffen wird, „wenn es darum geht, irgendeinen im Kreol nicht vorhandenen spezifischen Begriff auszudrücken“ (Ludwig 1996: 160). Vor allem bei neuen, eher abstrakten Themen, für die der vorhandene Wortschatz nicht ausreicht, sowie bei bestimmten, konzeptionell schriftsprachlich geprägten Textsorten wie politischen Reden besteht ein Hang zur Entlehnung (vgl. Stein 1984: 36; Ludwig 1996: 162). Das Französische als „weiter entwickelte und mit einem höheren Prestigewert versehene Sprache dient als ‚Lieferant’ neuer Wörter und ist damit Vorbild für eine (oder auch mehrere) andere Sprache(n)“ (Stein 1984: 37).
Der folgende Textauszug aus der haitianischen Verfassung, die 1987 auf französisch verfasst und 1996 inoffiziell ins Kr Hai übersetzt sowie als Buch verlegt wurde, zeigt einige eindeutige Entlehnungen, aber auch Möglichkeiten des Kr Hai, unbekannte französische Lexeme mit bekanntem Wortschatz zu versprachlichen. Die rechte Spalte enthält das französische Original, die linke Spalte die Übersetzung ins Kr Hai. Die Entlehnungen sowie deren französische Basis sind hervorgehoben.
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Abb. 2: Auszug aus der Verfassung von Haiti, übersetzt ins Kr Hai von M. Pól Dejan, 1996 (Quelle: Internet)
Im ersten Abschnitt (Artikel 9) finden sich besonders viele Entlehnungen, was damit zu erklären ist, dass das haitianische Staatsgebiet genauso untergliedert ist wie das französische, nämlich in Départements, Arrondissements, Gemeinden, Viertel und kommunale Zonen. Es handelt sich hierbei also um so genannte denotative Entlehnungen:
Les [emprunts] dénotatifs sont les désignations de produits, de concepts qui ont été créés dans un pays étranger. L’introduction du terme étranger se fait alors avec la chose selon la formule du poète latin Horace : ‘Res verba sequuntur’ (les mots suivent les choses). (Guilbert 1975: 91)
Zusammen mit der Aufteilung des haitianischen Gebiets nach französischem Modell gelangte auch das dafür vorgesehene Vokabular in den Wortschatz des Kr Hai. Auch das Verb diviser (Z.1) ist übernommen worden, jedoch nicht die Derivation subdiviser (Z.2), da dies aufgrund der parataktischen Struktur, wie sie in Artikel 9 zu sehen ist, nicht notwendig war: In jedem nachfolgenden Satz wiederholt sich das Objekt des jeweils vorhergehenden Satzes als Subjekt, so dass diviser in jedem Satz als Prädikat benutzt werden kann und dadurch die selbe Wirkung erzielt wie das in der französischen Version eingesetzte subdiviser. Des weiteren werden in Kreolsprachen Derivationen vermieden, sofern sie nicht zur Klärung des Kontextes dringend notwendig sind (siehe 2.3.3).
Im zweiten Abschnitt (Artikel 13) lassen sich zunächst lediglich zwei Begriffe erkennen, die sich in beiden Texten entsprechen und damit als Entlehnungen gelten können: à l’étranger / aletranje (Z.7 bzw. 8) sowie autorité / otorite (Z.11 bzw. 10). Bei aletranje fällt die Agglutination der Präposition à sowie des Artikels auf; dies entspricht der Beobachtung Ludwigs, „dass eine große Anzahl von Entlehnungen auch die Übernahme morphosyntaktischer Erscheinungen wie z.B. des französischen Artikels mit sich bringt“ (Ludwig 1996: 164).
Die beiden Lexeme pèmisyon (Z.9) und kondisyon (Z. 12) sind zwar nicht als permission bzw. condition im französischen Text zu finden, dürfen aber aufgrund ihrer starken morphologischen und phonetischen Ähnlichkeit zum französischen „Original“ ebenfalls als Entlehnungen betrachtet werden. Pèmisyon ist zur Übersetzung von frz. autorisation (Z.10) verwendet worden, woraus sich schließen lässt, dass pèmisyon zur Zeit der Übersetzung bereits im Kr Hai lexifiziert war und das Sem [+offiziell] enthält, das im Französischen lediglich autorisation (‚Erlaubnis, (offizielle) Genehmigung, Ermächtigung’) anhaftet – frz. permission bedeutet nur ‚Erlaubnis’. Dadurch war eine erneute Entlehnung von frz. autorisation hinfällig.
In Artikel 13 zeigt das Kr Hai noch weitere Möglichkeiten, französische Abstrakta mit bekanntem Wortschatz zu umschreiben: Frz. naturalisé (Z.9) wird durch fèt Ayisyen (Z.8), gebildet aus frz. fait Haitien, übersetzt und frz. perd (Z.11) ist mit vin pa Ayisyen ankò (Z.12) wiedergegeben, das wörtlich in etwa frz. il ne vient pas Haitien encore entsprechen könnte.
Anhand dieser Beispiele ist gut zu sehen, dass Kreolsprachen möglichst auf das in ihrem Lexikon vorhandene Vokabular zurückgreifen, um komplexere Sachverhalte zu versprachlichen, und sich dies dann auch in längeren Umschreibungen äußern kann. Dadurch ist eine gewisse Sprachökonomie gewährleistet. Sobald jedoch das vorhandene Vokabular nicht mehr ausreicht oder neue Konzepte nach einem Ausdruck verlangen, muss aus einer anderen Sprache entlehnt werden. Je nach Basissprache, Sprachkontakt und Einfluss ist dies vor allem das Französische oder auch Englische. Bezüglich des Englischen führt Ludwig (1996: 161) einen Transkriptausschnitt aus einem dominicakreolischen Rundfunkinterview an, anhand dessen zu erkennen ist, dass Entlehnungen aus dem Englischen trotz der Basissprache Französisch ohne weiteres möglich sind. Er schreibt hierzu: „Die Nicht-Identität von aktueller Quellensprache und lexikalischer Basissprache bedeutet im Bereich der Lexik kein prinzipielles Hindernis für die Entlehnung“ (Ludwig 1996: 161). Stein führt jedoch an, dass der Umfang der Entlehnungen aus dem Englischen weit geringer sei als der aus dem Französischen (vgl. Stein 1984: 37).
2.2 durch Bedeutungswandel
Der Begriff Bedeutungswandel mag implizieren, dass es sich dabei um die Veränderung einer einzigen Bedeutung eines Wortes handelt. Dem ist jedoch nicht so: Beim so genannten innovativen Bedeutungswandel (auch semantische Innovation) kommt zu der oder den vorhandenen Bedeutungen eines Wortes eine weitere hinzu und wird lexikalisiert. Die ursprüngliche(n) Wortbedeutung(en) bleibt/ bleiben also, zumindest zunächst, erhalten. Eine Ausnahme diesbezüglich stellen Bedeutungsverengung und kohyponymische Übertragung dar: hier gehen die ursprünglichen Bedeutungen zu Gunsten der neu entstandenen verloren.
Bedeutungswandel kann durch unterschiedliche Mechanismen entstehen, von denen die im Folgenden aufgeführten am häufigsten auftreten.
2.2.1 Bedeutungserweiterung und Bedeutungsverengung
Bei der Bedeutungserweiterung, auch Generalisierung genannt, spielt die Prototypen-Semantik eine entscheidende Rolle. Zunächst ein Beispiel: Das französische nègre ‚Schwarzer’ wird im Kr Gua zu nèg ‚Mann’ (vgl. Ludwig 1990: 236). Ausgehend von der Tatsache, dass der größte Teil der Bevölkerung Guadeloupes eine schwarze Hautfarbe besitzt, ist der prototypische Mann ein Schwarzer. Dieser dominante Prototyp wird zum Oberbegriff seiner Kategorie und sein Sprachzeichen damit auf alle weiteren Mitglieder der Kategorie übertragen. Die Zielbedeutung ist nun also Hyperonym der Ausgangsbedeutung: sie ist weiter gefasst und genereller, da das ursprüngliche semantische Merkmal [+schwarze Hautfarbe], das bedeutungseinschränkend wirkte, weggefallen ist.
[...]
[1] “A pidgin is a marginal language which arises to fulfil certain restricted communication needs among people who have no common language” (Todd 1974: 1).
- Citar trabajo
- Evelyn Glose (Autor), 2007, Die Erweiterung des Wortschatzes in französisch-basierten Kreolsprachen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77966
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