Das Thema Kapitalismus und die Frage nach seinen gesellschaftlichen Konsequenzen erscheint zu Beginn des 21. Jahrhunderts, insbesondere im Hinblick auf die Globalisierung, aktueller denn je. Spätestens mit dem Niedergang des Kommunismus durch den Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1990 trat der Kapitalismus seinen Siegeszug auch auf globaler Ebene an. Unter Kapitalismus wird dabei eine Wirtschaftsordnung verstanden, die sich durch Privateigentum an Produktionsmitteln sowie durch Produktion für einen den Preis bestimmenden Markt auszeichnet. Der Marktmechanismus ist dabei die zentrale ordnende Instanz, oder - nach Adam Smith, dem berühmten schottischen Theoretiker des Kapitalismus - die unsichtbare Hand, die für eine gerechte Verteilung des Wohlstands sorgt. Worauf Smith im 18. Jahrhundert noch vertraute –soziale Gerechtigkeit durch den Marktmechanismus - wird durch die moderne Entwicklung jedoch zunehmend in Frage gestellt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird im Zuge der Globalisierung immer größer. Zudem scheint sich das kapitalistische System immer weiter auszudehnen und sich dabei zu verselbstständigen. So stellt nicht nur der deutsche Philosoph Jürgen Habermas fest, dass die kapitalistischen Imperative immer weiter in die private Existenz des Einzelnen vordringen, sein Leben bestimmen und seine Lebenswelt bedrohen.
Im Rahmen dieser Arbeit soll nach den (ideen-)geschichtlichen Wurzeln des kapitalistischen Systems gefragt werden. Der Soziologe Max Weber stellt in seinem Buch » Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus « die These auf, dass der Kapitalismus in Europa aus religiösen Gründen entstanden sei und sich dann gewissermaßen verselbständigt habe. Dieser These soll im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen werden, mit dem Ziel, Webers Argumentationsgang nachzuzeichnen. Neben der ideengeschichtlichen Entstehung des Kapitalismus interessiert auch seine sozio-historische Umsetzung und Weiterentwicklung. Die Ausführungen dieser Arbeit münden schließlich in Max Webers düsterer Diagnose der Moderne.
INhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Der Einfluss religiöser Faktoren bei der Entstehung des Kapitalismus
1. DER PROTESTANTISMUS ALS IDEELLE VORRAUSSETZUNG
1.1. Der Geist des Kapitalismus
1.2. Der Traditionalismus als Widersacher, den es zu überwinden gilt
1.3. Die protestantische Ethik als Nährboden des Kapitalismus
1.3.1. Der Berufs-Gedanke
1.3.2. Der asketische Protestantismus
2. DIE WIRKUNG DER PURITANISCHEN BERUFSIDEE AUF DAS KAPITALISTISCHE ERWERBSLEBEN
3. WEBERS DIAGNOSE DER MODERNE : » EINE GOTTFREMDE UND PROPHETENLOSE ZEIT «
C. Fazit
Literaturverzeichnis
A Einleitung
Das Thema Kapitalismus ist heute weit verbreiteter und aktueller denn je. Spätestens mit dem Niedergang des Kommunismus durch den Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahre 1990 trat der Kapitalismus seinen Siegeszug auch auf globaler Ebene an. Unter Kapitalismus wird dabei eineWirtschaftsordnung verstanden, die sich durchPrivateigentum an Produktionsmitteln sowie durch Produktion für einen den Preis bestimmenden Markt auszeichnet. Der Marktmechanismus ist dabei die zentrale ordnende Instanz – oder nach Adam Smith, dem berühmten schottischen Theoretiker des Kapitalismus, die unsichtbare Hand, die für eine gerechte Verteilung des Wohlstands sorgt. So schreibt er in seinem 1759 erschienenem philosophischen Hauptwerk » Theorie der ethischen Gefühle «: » Trotz der natürlichen Selbstsucht und Raubgier der Reichen […] teilen sie doch mit den Armen den Ertrag aller Verbesserungen, die sie in der Landwirtschaft einführen. Von einer unsichtbaren Hand werden sie dahin geführt, beinahe die gleiche Verteilung der zum Leben notwendigen Güter zu verwirklichen, die zustande gekommen wäre, wenn die Erde zu gleichen Teilen unter alle ihre Bewohner verteilt worden wäre, und so fördern sie, ohne es zu beabsichtigen, ja ohne es zu wissen, das Interesse der Gesellschaft und gewähren die Mittel zur Vermehrung der Gattung. Als die Vorsehung die Erde unter eine geringe Zahl von Herren und Besitzern, verteilte, da hat sie diejenigen, die sie scheinbar bei ihrer Teilung übergangen hat, doch nicht vergessen und nicht ganz verlassen. « [1] Worauf Smith im 18. Jahrhundert noch vertraute –soziale Gerechtigkeit durch den Marktmechanismus - wird durch die moderne Entwicklung jedoch zunehmend in Frage gestellt. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird im Zuge der Globalisierung immer größer. Zudem scheint sich das kapitalistische System immer weiter zu verselbstständigen. So stellt nicht nur der deutsche Philosoph Jürgen Habermas fest, dass die kapitalistischen Imperative immer weiter in die private Existenz des Einzelnen vordringen, sein Leben bestimmen und seine Lebenswelt bedrohen.[2]
Im Rahmen dieser Arbeit soll nach den geschichtlichen Wurzeln des kapitalistischen Systems gefragt werden. DerSoziologe Max Weber stellt in seinem Buch » Die protestantische Ethik und der 'Geist' des Kapitalismus « die These auf, dass der Kapitalismus in Europa aus religiösen Gründen entstanden sei und sich dann gewissermaßen verselbständigt habe. Dieser These soll im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen werden. Ziel dabei ist es, den Argumentationsgang Webers nachzuzeichnen, um die Entwicklung des kapitalistischen Systems besser zu verstehen. Diese Ausführungen münden dann in einer Darstellung Max Webers Diagnose der Moderne, bevor die Arbeit schließlich mit einem Fazit endet.
B Der Einfluss religiöser Faktoren bei der Konstituierung des Kapitalismus
1. DER PROTESTANTISMUS ALS IDEELLE VORRAUSSETZUNG
1.1. Der Geist des Kapitalismus
» Bedenke, dass die Zeit Geld ist; wer täglich zehn Schillinge durch seine Arbeit erwerben könnte und den halben Tag spazieren geht, oder auf seinem Zimmer faulenzt, der darf, auch wenn er nur sechs Pence für sein Vergnügen ausgibt, nicht dies allein berechnen, er hat nebendem noch fünf Schillinge ausgegeben oder vielmehr weggeworfen.
Bedenke, dass Kredit Geld ist. Lässt jemand sein Geld nachdem es zahlbar ist, bei mir stehen, so schenkt er mir die Interessen, oder so viel als ich während dieser Zeit damit anfangen kann. Dies beläuft sich auf eine beträchtliche Summe, wenn ein Mann guten und großen Kredit hat und guten Gebrauch davon macht.
Bedenke, dass Geld von einer zeugungsfähigen und fruchtbaren Natur ist. Geld kann Geld erzeugen und die Sprösslinge können noch mehr erzeugen und so fort(...)Wer ein Mutterschwein tötet, vernichtet dessen Nachkommenschaft bis ins tausendste Glied. Wer ein Fünfschillingstück umbringt, mordet alles, was damit hätte produziert werden können, ganze Kolonien von Pfund Sterling.
Bedenke, dass – nach dem Sprichwort – ein guter Zahler der Herr von jedermanns Beutel ist.(...)Neben Fleiß und Mäßigkeit trägt nichts so sehr dazu bei, einen jungen Mann in der Welt vorwärts zu bringen, als Pünktlichkeit und Gerechtigkeit bei all seinen Geschäften. Deshalb behalte niemals erborgtes Geld eine Stunde länger als du versprachst, damit nicht der Ärger darüber deines Freundes Börse dir auf immer verschließe.
Die unbedeutendsten Handlungen, die den Kredit eines Mannes beeinflussen, müssen von ihm beachtet werden. Der Schlag deines Hammers, den dein Gläubiger um 5 Uhr morgens oder um 8 Uhr abends vernimmt, stellt ihn auf sechs Monate zufrieden; sieht er dich am Billardtisch oder hört er deine Stimme im Wirtshause, wenn du bei der Arbeit sein solltest, so lässt er dich am nächsten Morgen um die Zahlung mahnen, und fordert sein Geld, bevor du es zur Verfügung hast(...) «[3]
Dieser Auszug aus einem Zitat von Benjamin Franklin (ein Dokument zur Anleitung junger Kaufleute) dient Max Weber in seinem Werk » Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus « zur Veranschaulichung des kapitalistischen Geistes westlicher Prägung. Es zeigt eine » ethisch gefärbte Maxime der Lebensführung «[4] die speziell für diese Form des Kapitalismus charakteristisch war und die ihn von anderen Formen in China, Indien, Babylon, in der Antike und im Mittelalter unterschied, da diesen eine solche Eigenschaft fehlte. Der Mensch arbeitet nicht um zu leben, sondern er lebt um zu arbeiten - Anhäufung von Vermögen ist dem idealtypischem Kapitalisten Selbstzweck und Leitmotiv. Weber entwirft in seiner Arbeit einen Idealtypus des kapitalistischen Unternehmers, der sich vor allem durch eine asketische Lebensführung im Verbund mit einer Selbstverpflichtung zur harten, rastlosen Arbeit auszeichnet. Das einzige, was er von erlangtem Reichtum für sich selbst hat ist ein irrationales Empfinden guter Berufserfüllung. Weber führt diese wesentlichen Elemente auf eine ethisch-religiöse Komponente, eine religiös-motivierte Form der Lebensführung zurück. Diese religiöse Maxime ist für den heutigen Kapitalismus zwar keine Bedingung der Fortexistenz mehr - für die Entstehung des kapitalistischen Geistes und den Sieg des kapitalistischen Systems über seinen Hauptgegner, den Traditionalismus, war jedoch eine historische Entwicklung dieser Lebensauffassung, die in einer religiösen Überzeugung gründet, unabdingbar.[5] Bevor auf den Protestantismus als Wegbereiter des Kapitalismus eingegangen wird, erfolgt aber erst noch eine kurze Charakterisierung seines größten Widersachers, des Traditionalismus.
1.2. Der Traditionalismus als Widersacher des kapitalistischen Systems, den es zu überwinden gilt
» Dies ist nun dasjenige Verhalten, welches (...) als „Traditionalismus“ bezeichnet werden soll: der Mensch will „von Natur“ nicht Geld und mehr Geld verdienen, sondern einfach leben, so wie er zu leben gewohnt ist und soviel erwerben, wie dazu erforderlich ist.«[6]
Erwerbstrieb und Geldgier gab es auch schon in vor-kapitalistischen Zeiten und laut Weber waren dies nicht die Eigenschaften, welche im Altertum oder im Mittelalter an Gesinnungen wie der Benjamin Franklins von der Bevölkerung als anrüchig und würdelos empfunden worden wären. Die Lebensauffassung jedoch, der Beruf als solches sei reiner Selbstzweck, kann nichts Naturgegebenes sein - und genau Gegenteiliges, nämlich in seinem Beruf mit möglichst wenig Aufwand den gewohnten Standard zu halten, war zentrale Maxime der traditionalistischen Lebensführung. Von seinem Beruf erfüllt zu sein war für die Menschen präkapitalistischer Prägung nicht nachvollziehbar, galt als schmutzig und verächtlich.[7]
» Daß jemand zum Zweck seiner Lebensarbeit ausschließlich den Gedanken machen könne, dereinst mit hohem materiellen Gewicht an Geld und Gut belastet ins Grab zu sinken, scheint ihm (dem traditionalistischen Menschen) nur als Produkt perverser Triebe: der „ auri sacra fames“ (= Geldgier) erklärlich «[8]
Diese dem Traditionalismus eigentümliche Haltung stand somit in tiefen Gegensatz zur aufkommenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung und der damit verbundenen Gesellschaftsform. Für Max Weber stand es demnach außer Frage, dass die dem kapitalistischen Geist eigentümliche Auffassung von Berufsleben an sich unnatürlich war und nur als Produkt eines lange währenden Erziehungsprozesses erklärt werden kann. Beobachtungen aus seiner Zeit führen Weber zu der Schlussfolgerung, dass bestimmte Bevölkerungsgruppen kaum Integrationsschwierigkeiten hatten und damit für das kapitalistische System besser geeignet waren als andere. Der Nährboden für den Kapitalismus war dort am ehesten vorhanden, wo bestimmte religiöse Grundhaltungen und konfessionelle Eigenheiten Merkmale aufwiesen, die dem kapitalistischen Geist förderlich waren bzw. mit seinen Zügen übereinstimmten[9]. Dies war für Weber Grund genug der Sache auf den Grund zu gehen und
» einmal zu fragen, wie diese Zusammenhänge kapitalistischer Anpassungsfähigkeit mit religiösen Momenten sich denn in der Zeit seiner Jugend gestaltet haben mögen.«[10]
1.3. die protestantische Ethik als Nährboden für den Kapitalismus
1.3.1. DER BERUFS-GEDANKE
Max Webers zentraler Gedanke im Rahmen seiner Analyse kreist um den Beruf als solchen. Dabei sucht er die Ursachen für den Übergang von einer traditionalistisch gefärbten Berufsauffassung zu einer kapitalistischen:
» Wie ist nun aus diesem, im günstigsten Fall, sittlich tolerierten Gebahren (des Gelderwerbs im Sinne eines dem Menschen sich verpflichtenden Selbstzwecks) ein Beruf im Sinne von Benjamin Franklin geworden? Wie ist es historisch zu erklären, dass im Zentrum der „kapitalistischen“ Entwicklung der damaligen Welt, in Florenz im 14. und 15. Jahrhundert, dem Geld- und Kapitalmarkt aller politischen Großmächte, als sittlich bedenklich galt, was in den hinterwäldlerisch-kleinbürgerlichen Verhältnissen von Pennsylvanien im 18. Jahrhundert, wo die Wirtschaft aus purem Geldmangel stets in Naturaltausch zu kollabieren drohte,(...), als Inhalt einer sittlich löblichen, ja gebotenen Lebensführung gelten konnte? «[11]
Weber sah den Rationalisierungsprozess als das Grundmotiv der modernen Wirtschaft an. Ihn interessierte jedoch primär das irrationale Moment der kapitalistischen Struktur, nämlich die Auffassung von Beruf im Sinne von Berufung. Für ihn war klar, dass dieser Berufs-Begriff ein Produkt der Reformation war.[12]
Die Reformation betonte den sittlich-religiösen Wert des Berufes: in ihm äußert sich der Wille Gottes - jeder Beruf hat somit als gleichviel zu gelten, und die Erfüllung dieses Berufs als diesseitige Pflicht ist der einzige Weg, Gott zu gefallen. Im Zuge der Reformation erfolgte somit erstmalig eine sittliche Qualifizierung des weltlichen Berufslebens, die jedoch traditionalistisch gebunden blieb, insofern der Mensch den Beruf als göttliche Fügung hinzunehmen hat. Der Berufsbegriff hatte damit eine religiöse Konnotation, die ihm bezüglich der konkreten Postulate für die Lebensführung sehr viel Interpretationsspielraum ließ - mit unterschiedlich starken Konsequenzen auf die damit einhergehende Lebenspraxis der Menschen. Je strenger die Auslegung durch die jeweilige Reformationskirche als der zentralen Interpretationsinstanz war, desto drastischer waren die Auswirkungen auf das Berufs- und Alltagsleben ihrer Anhänger. Der auf Luther zurückgehende reformatorische Berufsbegriff war Weber zufolge letztlich nur schwer greifbar in seinen konkreten Auswirkungen auf die gesellschaftliche Praxis und somit von zu geringer Tragweite für sein zentrales Erkenntnisinteresse. [13] Im Fortgang der Untersuchungen wendet er sich daher verstärkt demasketischen Protestantismus zu.
[...]
[1] Smith, A., Theorie der ethischen Gefühle, 1759
[2] Vgl. Habermas, J., Kommunikatives Handeln, 1981
[3] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S. 12
[4] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S. 13/14
[5] Käsler, D., Max Weber, 1995, S. 104/105
[6] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S.20
[7] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S. 15-21
[8] Weber, M. protestantische Ethik, 2000, S. 29
[9] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S.15-21
[10] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S. 23
[11] Weber, M., protestantische Ethik, 2000, S. 31
[12] Der Begriff des Berufs erscheint erstmalig im Rahmen der Bibelübersetzung Luthers
[13] Käsler, D., 1995, Max Weber, S. 106/107
- Citation du texte
- Helmut Wagner (Auteur), 2002, Der Einfluss religiöser Faktoren bei der Entstehung des Kapitalismus - Max Webers Kapitalismustheorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77837
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