Das Thema Globalisierung ist in den Medien omnipräsent. Die Veränderungen der Gesellschaft zu einer Weltgesellschaft und der Erde zu einem globalen Dorf werden zunehmend spürbar.
Globales Lernen stellt die pädagogische Antwort auf den Globalisierungsprozess und die damit einhergehenden Chancen und Risiken dar. Der Geographieunterricht macht Globales Lernen in besonderem Maße möglich.
Die Umsetzung des Konzeptes ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Anlass und Ziel der Arbeit
1.2 Überblick
1.3 Lesebemerkungen
2 Erste Einordnung
2.1 Vorläufiger Definitionsversuch
2.2 Begriffsentwicklung
2.3 Zusammenfassung
3 Theoretische Ansätze
3.1 Das Konzept Globalen Lernens nach BÜHLER
3.2 Das Konzept Globalen Lernens nach SELBY
3.3 Ansatz des Schweizer Forums „Schule für Eine Welt“
3.3.1 Leitideen
3.3.2 Definition
3.4 Zusammenfassung
4 Globales Lernen als Auftrag des Geographieunterrichts
4.1 Globalisierung als Anstoß für ein didaktisches Konzept
4.1.1 Veränderte Lebensbedingungen
4.1.2 Veränderte Unterrichtsbedingungen
4.2 Globalisierung als Gegenstand des GU
4.3 Globales Lernen im GU
4.4 Zusammenfassung
5 Bestandsaufnahme
5.1 Globales Lernen in der Bildungspolitik
5.1.1 Agenda
5.1.2 Das BLK-Programm „“
5.1.3 Globales Lernen in der europäischen Bildungspolitik .
5.1.4 Globales Lernen in der deutschen Bildungspolitik
5.2 Globales Lernen in Rahmenplänen
5.2.1 Globales Lernen im Hamburger Rahmenplan
5.2.1.1 Die Hamburger Bildungsagenda
5.2.1.2 Der Hamburger Rahmenplan Geographie
5.2.1.3 Empirische Analyse der Unterrichtsinhalte
5.2.2 Globales Lernen im nordrh.-westf. Rahmenplan
5.2.3 Globales Lernen im saarländischen Rahmenplan
5.2.3.1 Inhaltliche Analyse
5.2.3.2 Empirische Analyse der Unterrichtinhalte
5.3 Empirische Untersuchung zur Umsetzung Globalen Lernens im Geographieunterricht
5.3.1 Fragestellung und Zielsetzung der Untersuchung
5.3.2 Methodische Vorgehensweise
5.3.2.1 Aufbau des Fragebogens
5.3.2.2 Konstruktion des Fragebogens
5.3.3 Durchführung der Untersuchung
5.3.4 Ergebnisse der Untersuchung
5.3.4.1 Definition des Globalen Lernens
5.3.4.2 Stellenwert Globalen Lernens
5.3.4.3 Verankerung Globalen Lernens in Rahmenplänen
5.3.4.4 Globales Lernen im GU
5.4 Zusammenfassung
6 Fazit
Literaturverzeichnis
Internetquellen
Anhang
Abstract
Das Thema Globalisierung ist in den Medien omnipräsent. Die Veränderungen der Gesellschaft zu einer Weltgesellschaft und der Erde zu einem globalen Dorf werden zunehmend spürbar.
Globales Lernen stellt die pädagogische Antwort auf den Globalisierungsprozess und die damit einhergehenden Chancen und Risiken dar. Der Geographieunterricht macht Globales Lernen in besonderem Maße möglich.
Die Umsetzung des Konzeptes ist Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Organigramm der Begriffsentwicklung Globalen Lernens
Abbildung 2: Aspekte Globalen Lernens (Seitz 2002)
Abbildung 3: Traditionelles Lernen vs. Globales Lernen (Forum Schule für eine Welt 1996)
Abbildung 4: Die Karriere des Wortes „Globalisierung“ (Weizsäcker v., 2003)
Abbildung 5: Das Netz der Weltprobleme (Capra, 1990)
Abbildung 6: Veränderte Kinder und Jugendliche - Konsequenzen für den Geographieunterricht (Kirchberg 1998)
Abbildung 7: Magisches Viereck der Globalisierungsprobleme (Kroß 1995, S. 6)
Abbildung 8: Dimensionen der Globalisierung (Schulprojektstelle Globales Lernen 1997)
Abbildung 9: Bundestagsdrucksache 15/6012
Abbildung 10: Anteil der Themenfelder Globalen Lernens im GU in Hamburg nach Jahrgängen
Abbildung 11: Anteil der Themenfelder Globalen Lernens im GU im Saarland nach Klassenstufen
Abbildung 12: Übersicht der befragten LehrerInnen nach Bundesländern
Abbildung 13: Übersicht der befragten LehrerInnen nach Geschlecht und Alter
Abbildung 14: Erste Begegnung mit Globalem Lernen
Abbildung 15: Stellenwert Globalen Lernens allgemein
Abbildung 16: Stellenwert Globalen Lernens an Schulen
Abbildung 17: Stellenwert Globalen Lernens im Unterricht
Abbildung 18: Gewichtung der, den Stellenwert Globalen Lernens, beeinflussenden Faktoren
Abbildung 19: Einschätzung zur besonderen Eignung des GUs zur Umsetzung des Globalen Lernens
Abbildung 20: Selbsteinschätzung zur Aufgabenerfüllung des eigenen Unterrichts
Abbildung 21: Graphische Darstellung der Eignung bestimmter Methoden für Globales Lernen
Abbildung 22: Grafische Darstellung zum Methodeneinsatz im GU ...78
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beeinflussende Faktoren Globalen Lernens
Tabelle 2: Eignung bestimmter Unterrichtsmethoden für Globales Lernen
Tabelle 3: Methodeneinsatz im GU
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Anlass und Ziel der Arbeit
In Anbetracht der Tatsache, dass der Globalisierungsprozess immer schneller voranschreitet und nunmehr alle Lebensbereiche tangiert, steht auch die Bildung und Erziehung vor ganz neuen Aufgaben. Globales Lernen ist ein didaktisches Konzept, das zum Ziel hat, die gegenwärtigen Veränderungsprozesse pädagogisch aufzugreifen und SchülerInnen1 auf das Leben in einer globalen Weltgesellschaft vorzubereiten.
Während im angloamerikanischen Sprachraum bereits seit den 1980er Jahren eine ‚global education’ existiert, die sich pädagogisch mit den gegenwärtigen und bevorstehenden Veränderungsprozessen im Zuge der Globalisierung beschäftigt, gewinnt das Thema nun seit etwa zehn Jahren auch im deutschsprachigen Raum an Bedeutung. Globales Lernen ist inzwischen auch hier theoretisch aufgearbeitet worden und hat sogar in einige deutsche Rahmenpläne Einzug erhalten, was Anlass zu vorliegen-der Arbeit ist.
Diese Arbeit richtet den Blick auf die praktische Umsetzung des Globa-len Lernens im Sachfach Geographie. Zunächst werden hierzu konzepti-onelle Herangehensweisen und der spezielle Beitrag des Geographieun-terrichts2 zum Globalen Lernen vorgestellt. In einer Bestandsaufnahme werden bildungspolitische Rahmenbedingungen abgesteckt, die Veranke-rung des Konzeptes in deutschen Rahmenplänen untersucht und schließ-lich eine quantitative Erhebung zur Umsetzung des Globalen Lernens im Geographieunterricht durchgeführt. Dabei werden gymnasiale Geogra-phielehrerInnen vorrangig aus dem Saarland, aber auch aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu ihrer Einschätzung und den praktischen Umsetzungsformen des Globalen Lernens befragt.
Die vorliegende Arbeit strebt in ihrem besonderen Blickwinkel auf den Geographieunterricht Evaluation und Exploration an.
1.2 Überblick
Die Arbeit ist in sechs Kapitel gegliedert. Dabei dienen die Kapitel 2 und 3 der vorläufigen Einordnung und der Präsentation theoretischer Konzep-te des deutschsprachigen und angloamerikanischen Sprachraums, um so eine theoretische Grundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. In den Kapiteln 4 und 5 wird der Blick explizit auf den Geographieunterricht gerichtet und die dortige Umsetzung des Globalen Lernens untersucht. Kapitel 5 stellt hierbei die praktische Forschungsarbeit vor.
Kapitel 2 nimmt nach der Einleitung eine erste Einordnung des Konzeptes vor. Hierzu wird sich Globalem Lernen zunächst seinem Wortsinn nach genähert und allgemeine sowie pädagogische Nachschlagewerke nach einer gültigen Definition befragt. Dem folgt ein kurzer Abriss über die Entwicklung des Begriffs ‚Globales Lernen’.
In Kapitel 3 werden theoretische Konzepte zum Globalen Lernen vorge-stellt. Dabei wird bewusst unterschieden zwischen einem Konzept aus dem deutschsprachigen Raum von Hans Bühler (1996) und einem Kon-zept aus dem angloamerikanischen Sprachraum von David Selby (2000; 2003). Ziel des Kapitels ist die Findung einer allgemeingültigen Definiti-on für Globales Lernen im Vergleich der unterschiedlichen Ansätze.
Kapitel 4 befasst sich mit dem Globalen Lernen als Auftrag des Geographieunterrichts. Anstoß zur Entwicklung des Konzeptes sind die, durch die Globalisierung bedingten, Veränderungsprozesse sämtlicher Lebensbereiche. Daher werden die gewandelten Lebens- und Unterrichtsbedingungen und die Konsequenzen für einen zeitgemäßen Geographieunterricht thematisiert. Ein weiteres Teilkapitel stellt die Globalisierung als Gegenstand des Geographieunterrichts vor.
Die praktische Forschungsarbeit stellt Kapitel 5 vor. In einer Be-standsaufnahme werden zunächst die bildungspolitischen Rahmenbedin-gungen Globalen Lernens abgesteckt. Anschließend werden die Rah-menpläne Geographie der Bundesländer Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Saarland auf die Verankerung des Konzeptes hin untersucht. Die vertiefende Exploration der vorliegenden Arbeit bildet eine quantitative Erhebung zur praktischen Umsetzung des Globalen Lernens im Geogra-phieunterricht. Hierzu wurde eine Fragebogenuntersuchung unter gymna-sialen GeographielehrerInnen durchgeführt. Die Studie beschränkt sich größtenteils auf das Saarland, wird aber ergänzt durch Meinungen aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Leider weist die Untersuchung aufgrund der geringen Stichprobe keinen repräsentativen Charakter auf, vermag aber wohl Tendenzen aufzuzeigen.
Da am Ende der einzelnen Kapitel jeweils eine stichpunktartige Zusammenfassung vorgenommen wird, enthält Kapitel 6 abschließend wesentliche Schlussfolgerungen der gesamten vorliegenden Arbeit.
1.3 Lesebemerkungen
In den Ausführungen wird durchgehend der Terminus ‚Geographieunterricht’ (GU) verwendet, wie es in der geographiedidaktischen Forschung üblich ist. Auf ministerieller Ebene wird zumeist der Terminus ‚Erdkundeunterricht’ gebraucht. Auf das Schulfach bezogen erscheinen je nach Bundesland beide Begriffe.
Die übliche männliche Schreibweise schließt meines Erachtens die weibliche Perspektive nicht unbedingt mit ein. Im Sinne der Geschlechtergleichstellung habe ich mich dazu entschieden in der vorliegenden Arbeit sowohl die männliche als auch die weibliche Schreibweise zu verwenden. Daraus resultieren die Schreibweisen ‚SchülerInnen’, ‚LehrerInnen’, etc. Gleiches gilt für Zusammensetzungen.
Zitate sind jeweils kursiv gedruckt, solche, die sich über mehr als drei Zeilen erstrecken wurden eingerückt. Dabei sind Auslassungen durch eckige Klammern gekennzeichnet.
Fußnoten finden dort Verwendung, wo ergänzende oder vertiefende Bemerkungen den Textfluss unnötig gestört hätten.
2 Erste Einordnung
2.1 Vorläufiger Definitionsversuch
Um sich dem Thema ‚Globales Lernen’ zu nähern, ist zunächst die Frage zu stellen: Was ist unter diesem Begriff überhaupt zu verstehen? Wie sich im Folgenden zeigen wird, gestaltet sich die Findung einer eindeutigen Definition schwierig. Im ersten Schritt soll sich dem Begriff zunächst seinem Wortsinn nach genähert werden.
Der Brockhaus (1996) definiert den Begriff ‚global’ als „die gesamte Erde, umfassend, weltweit“ und weiter als „nicht ins Detail gehend, allgemein“. Lernen stellt demselben Werk nach einen „dauerhaften Erwerb, Aneignung von Kenntnissen, Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstel-lungen und Verhaltensweisen oder ihre Änderung aufgrund von Erfah-rung“ dar.
Die Kombination der beiden Definitionen ergibt eine erste vorläufige Begriffklärung für Globales Lernen. Es müsste sich demnach um einen weltweiten und allgemeinen Wissenserwerb und die Aneignung von Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen oder ihre Änderung aufgrund von erworbenen Erfahrungen handeln. Oder, allge-meiner formuliert, Globales Lernen zielt darauf ab, einem Lerner die Möglichkeit zu geben, sich an jedem Ort der Welt ein möglichst umfas-sendes Wissen über die Gegebenheiten auf der ganzen Erde aneignen zu können und mit diesem selbstbestimmt zu handeln.
Eine gültige Definition für den Begriff ‚Globales Lernen’ findet sich weder im Brockhaus noch in pädagogischen Nachschlagewerken, wie bspw. dem Wörterbuch Pädagogik von Schaub/Zenke (2000). Diese Tatsache lässt den Schluss zu, dass ‚Globales Lernen’ als pädagogisches Konzept noch sehr neu und wenig verbreitet ist. Interessanterweise ent-hält das Didaktische Wörterbuch der Pädagogik (2001) den folgenden Eintrag: „Mit globalem Lernen ist gemeint, die Bedeutung des eigenen Handelns für die Probleme der Welt, die auf uns selbst zurückwirken und uns in der ‚Einen Welt’ betreffen, kennen zu lernen“ (ebd., S.139). Dabei wird ‚Globales Lernen’ ausdrücklich in den schulischen Kontext gesetzt „Der Schüler soll sensibilisiert werden für die Einsicht, dass Armut, Energieverschwendung, Schuldenlast […] nicht mehr länger die Angelegenheiten anderer sind, sondern in der Verantwortung jedes Einzelnen liegen“ (ebd.). Es soll Ziel dieser Arbeit sein, die besondere Bedeutung Globalen Lernens für den Kontext Schule und insbesondere den Unterricht im Sachfach Geographie herauszustellen.
Befragt man abschließend die Suchmaschine www.google.de zum Stich-wort ‚Globales Lernen’ werden im Dezember 2006 1.270.000 Seiten gefunden. Im Praxishandbuch: Globales Lernen (2002) erhielt Martin Geisz vor vier Jahren lediglich 9000 Treffer, was auf eine immense Entwicklung des Themas im Internet hinweist. Hier scheint ein ausge-prägterer Diskurs stattzufinden. So findet sich beispielsweise auch in der freien Enzyklopädie www.wikipedia.de ein etwa einseitiger Eintrag zu Globalem Lernen.
Insgesamt gesehen hat ‚Globales Lernen’ als Begriff bisher kaum Einzug in die gängigen allgemeinen Nachschlagewerke gehalten. In pädagogi-schen Wörterbüchern ist er ebenfalls nicht aufgeführt. Lediglich das Didaktische Wörterbuch der Pädagogik (2001) beinhaltet eine Vorstel-lung des Konzeptes. Dies kann zum Einen daraus resultieren, dass der Begriff ‚Globales Lernen’ aus vielen unterschiedlichen Strömungen hervorgegangenen ist, wie im anschließenden Kapitel deutlich werden wird. Zum anderen ist das Konzept noch sehr neu und hat sich erst wenig etabliert. Im Internet dagegen findet eine stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema statt.
2.2 Begriffsentwicklung
‚Globales Lernen’ als Terminus steht am Ende der langjährigen Ausbildung einer entwicklungspolitischen, international orientierten Bildung. Wenn auch diese Entwicklung gerade etwas mehr als 40 Jahre andauert, haben sich doch verschiedene Ansätze herausgebildet, die nun unter ‚Globalem Lernen’ zusammengefasst werden.
Die Zeit um 1960 war geprägt von einer „Institutionalisierung der deut-schen Entwicklungshilfe, sowohl im nichtstaatlichen, wie auch im staatli-chen Bereich“ (Scheunpflug/Seitz 1995, S. 200). 1961 wurde das Bun-desministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) gegründet, 1963 folgte der deutsche Entwicklungsdienst (vgl. ebd.). Ebenfalls bedeutend für die Entstehung einer „Entwicklungspäda-gogik“ ist die Ausbildung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit der kirchlichen Kinder- und Jugendverbände.
Die „Entwicklungspädagogik“ bzw. „Pädagogik der Entwicklungslän-der“ beschäftigt sich mit den Bildungsproblemen und ihren Verbesse-rungsmöglichkeiten in den Entwicklungsländern, während die „Internati-onale Pädagogik“ die internationale Verständigung und Kooperation, sowie die Friedenssicherung im Blick hat (vgl. Seitz 1993, S. 44). In Anlehnung an das UNESCO Programm „Education for international understanding“ der 1950er und 1960er Jahre bildete die „Erziehung zur internationalen Verständigung“ einen weiteren Begriff im deutschspra-chigen Raum (ebd., S. 45).
In den 1980er Jahren stehen „Dritte-Welt-Pädagogik“, „Entwicklungs-pädagogik“, „Friedenserziehung“ und „Umwelterziehung“ nebeneinan-der. Pauschal gesehen besteht „angesichts der fortgesetzten Verzweigung und Zersplitterung der Diskussion […] in der Dritte-Welt-Pädagogik über die Identität der ‚Disziplin’ kein Konsens“ (Scheunpflug/Seitz 1995, S. 229f). Zudem gewinnt der durch die Medien geprägte Begriff „Eine Welt“ an Bedeutung, sodass sich Ende der 1980er Jahre zusätzlich die „Eine-Welt-Pädagogik“ begründet.
Zu Beginn der 1990er Jahre sah man sich gezwungen die globalen Prob-leme als Herausforderung für eine allgemeine Pädagogik anzunehmen. Im deutschsprachigen Raum war die theoretische Ausarbeitung noch nicht sehr weit fortgeschritten, sodass vorrangig die englischsprachige Literatur rezipiert wurde (Scheunpflug/Seitz 1995, S. 237). Unter der pädagogischen Anforderung einer Vorbereitung auf das Leben in der Weltgesellschaft mit all ihren Hindernissen etablierten sich die „Eine-Welt-Pädagogik“ und das „Globale Lernen“ (ebd., S.239).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Organigramm der Begriffsentwicklung Globalen Lernens (eigener Entwurf)
Globales Lernen steht gewissermaßen als Oberbegriff und integriert damit verschiedene, teils schon ältere Ansätze, die sich mit weltbürgerli-chen Perspektiven beschäftigen. Als solche nennt Tye (1999): “peace education, environmental education, intercultural education, develop-ment education, human rights education, education for democracy, hu-man geography, world studies” (ebd., Kap. 8).3 Die Entstehung des Begriffs ‚Globales Lernen’ lässt sich demnach auf verschiedene Entwick-lungslinien zurückführen, die unterschiedlichen Ansätzen folgen. Diese unter einem Konzept zu vereinen, soll Aufgabe des Globalen Lernens sein.
Über die differenten Entwicklungslinien erklärt sich auch die bisherige scheinbare Wenig-Beachtung in gängigen Nachschlagewerken. Zu den einzelnen Unterbegriffen, also z.B. der Umwelterziehung oder der Ent-wicklungspädagogik, gibt es natürlich mannigfache Publikationen.
2.3 Zusammenfassung
a) Vorläufige Definition für Globales Lernen: Weltweiter und allgemeiner Wissenserwerb und die Aneignung von Fertigkeiten, Fähigkeiten, Einstellungen und Verhaltensweisen oder ihre Änderung aufgrund von erworbenen Erfahrungen.
b) Globales Lernen ist als Didaktisches Konzept sehr neu und wenig etabliert. Aus diesem Grund erscheinen hierzu in allgemeinen und den meisten pädagogischen Nachschlagewerken keine Einträge.
c) Ein ausgeprägterer Diskurs zum Thema findet im Internet statt.
d) Globales Lernen hat sich aus verschiedenen international und entwick-lungspolitisch orientierten pädagogischen Strömungen herausgebildet.
3 Theoretische Ansätze
Im vorangegangenen Kapitel wurde über die Teilbegriffe ‚global’ und ‚lernen’ ein vorläufige Definition formuliert und zusammen mit der Entstehungsgeschichte des Begriffs ‚Globales Lernen’ eine erste Einordnung vorgenommen. Dieses Kapitel verfolgt nun die Absicht die Vorstellung von Globalem Lernen zu konkretisieren und eventuell zum Abschluss eine eindeutige Definition auszuarbeiten.
Es erweist sich jedoch als schwierig, die einzelnen, auf verschiedenen Theorien basierenden, Ansätze zu vereinen. Eine Vereinigung der unterschiedlichen Entwicklungsströmungen zu einer allgemeingültigen Auslegung erscheint vorerst kaum möglich zu sein.
Seitz (2002) benennt zwei wesentliche Hindernisse: Erstens ist Globales Lernen nicht „am grünen Tisch von Bildungspolitikern und Erziehungs-wissenschaftlerinnen entworfen“ worden, was bedeutet, dass es keinen Mainstream-Gedanken zu diesem Konzept gibt. Zweitens macht die „Ambivalenz seines Kontextes und seines Gegenstandes“ eine „präzise Bestimmung der Grundsätze Globalen Lernens“ diffizil (ebd., S. 378). Rathenow (2000) denkt hierüber: „Eine allumfassende Theorie des Glo-balen Lernens kann nicht angestrebt werden, sie würde sich selbst ad absurdum führen“ (ebd., S. 337).
Um dem Ziel dieses Kapitels, der Findung einer eindeutigen und allge-meingültigen Definition, dennoch gerecht zu werden, soll im Folgenden ein Konzept aus dem deutschsprachigen Raum von Hans Bühler (1996), einem Konzept aus dem englischsprachigen Raum von David Selby (2000; 2003) in Bezug auf ihre Definition und ihre Zielvorstellungen von Globalem Lernen und die Einordnung in den Kontext Schule gegenüber-gestellt werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Aspekte Globalen Lernens (Seitz 2002)
3.1 Das Konzept Globalen Lernens nach BÜHLER
Hans Bühler bietet mit seinem Werk „Perspektivenwechsel? - unterwegs zu globalem Lernen“ (1996) eine sehr umfassende Ausarbeitung zum Thema, die häufig in der Literatur zitiert wird (vgl. Geisz 2002, S. 156; Scheunpflug/Schröck 2002, S. 14; Seitz 2002; S. 366). Daher scheint es sinnvoll, dieses als Beispiel für einen Ansatz aus dem deutschsprachigen Raum hinzuzuziehen.
Auf eine knappe Begriffsklärung lässt sich Bühler nicht ein. Er sieht im Erkennen globaler Zusammenhänge das wesentliche Ziel Globalen Lernens, welches sich auf vier Dimensionen begründet, die in Symbiose zueinander stehen (Bühler 1996, S.196f):
- „Globale Verantwortung“ - Diskussion um nachhaltige Entwick lung (ebd.);
- „Globaler Erkenntnismodus“ - Verbindung von inklusivem und exklusivem Denken, sowie Denken und Handeln (ebd.);
- „Fähigkeiten für Globalität“ - Selbstbestimmung, Mitbestim- mung und Abstraktionsfähigkeit (ebd., S. 197);
- „Globaler Lernmodus“ - holistisches Lernen, angetrieben durch das Interesse an der Lebensweise anderer Kulturen (ebd.).
Bühler versteht Globales Lernen als Bildung im Sinne Klafkis, die zur Aufgabe hat, „auf gesellschaftliche Verhältnisse und Entwicklun- gen nicht nur zu reagieren, sondern sie unter dem Gesichtspunkt der pädagogischen Verantwortung für gegenwärtige und zukünfti- ge Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten […] zu beurteilen und mitzugestalten“ (Klafki 1991, S. 51).
Seitz (2002) ordnet den Ansatz von Bühler denjenigen zu, „die für einen grundlegenden Paradigmenwechsel plädieren und Globales Lernen als Konsequenz der pädagogischen Anwendung des ganzheitlichen, holistischen Paradigmas definieren“ (ebd., S. 366).
Bühlers Ansatz richtet sich ausdrücklich an Schule und Unterricht. In der Einleitung heißt es: „Diese Arbeit ist für deutsche und mitteleuropäische Globales Lernen im Geographieunterricht. 13
Eine fachdidaktische Studie zur Umsetzung im Gymnasium
[allgemeinbildende; Verf.] Schulen gemeint“ (Bühler 1996, S. 14). Er widmet zudem ein Kapitel der Spurensuche u.a. in Rahmenrichtlinien und Unterrichtsmedien (vgl. ebd., S. 233f)
In seinen Schlussbemerkungen fordert Bühler u.a. die Öffnung der Schu-le in Form von Parteilichkeit, Lehr- und Lernwerkstätten und Initiativen, wie bspw. eine Ausstellung. Internationale Schulpartnerschaften sollen mehr Austausch bringen. Unterricht sollte nach Bühlers Ansicht „zuneh-mend handlungsorientiert und partizipatorisch und nicht lernzielorien-tiert sein“ (ebd., S. 258).
3.2 Das Konzept Globalen Lernens nach SELBY
David Selby ist einer der wenigen Inhaber eines pädagogischen Lehrstuhls für Globales Lernen weltweit. Er gründete 1992 das International Institute for Global Education an der Universität von Toronto und leitete dieses bis August 2003.
Sein Modell Globalen Lernens stellt vor allem die Modifikation der individuellen Perspektive in den Vordergrund. Er geht davon aus, dass in der Gesellschaft ein eingeschränkter Horizont vorherrscht, der im Zuge Globalen Lernens in Richtung Ganzheitlichkeit erweitert werden soll. Die Behandlung globaler Probleme vollzieht sich eher am Rande des Modells.
Selby (2000) fasst Globales Lernen in seiner „Essenz“ folgendermaßen zusammen: „Global education is a holistic paradigm of education predicated upon the interconnectedness of communities, lands, and peoples, the interrelatedness of all social, cultural and natural phenomena, the interpenetrative nature of past, present and future, and the complementary nature of the cognitive, affective, physical and spiritual dimensions of the human being. It addresses issues of development, equity, peace, social and environmental sustainabil- ity. Its scope encompasses the personal, the local, the national and Globales Lernen im Geographieunterricht. 14
Eine fachdidaktische Studie zur Umsetzung im Gymnasium the planetary. Congruent with its precepts and principles, its pedagogy is experiential, interactive, children-centred, democratic, convivial, participatory, and change-oriented. Global education is nothing less than the educational expression of an ecological, holistic or systemic paradigm.” (Selby 2000, S. 2)
Demnach steht bei Globalem Lernen die Vernetzung des Miteinanderle-bens zwischen Menschen mit ihren gesellschaftlich-kulturellen Phäno-menen, aber auch die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur im Vordergrund. Die Prozesse des Denkens, Fühlens und Handelns sollen dabei gleichermaßen angesprochen werden. In der Gegenüberstellung „Global education as transformative education“ ist transformatorisch als Ausrichtung auf persönliche und gesellschaftliche Veränderung zu ver-stehen.
Selby / Rathenow (2003) formulieren für Globales Lernen fünf Zielvorstellungen (ebd., S. 25f):
- „system´s consciousness“ Dualitäten vermeiden, Vernetzungen und Zusammenhänge betonen, systemisches Denken entwickeln (ebd.);
- „perspective consciousness Persönliche Perspektive entwickelt sich aus der Summe von Sozialisationserfahrungen, Perspektivenwechsel fördern (ebd.);
- „health of planet awareness“ Urteilskraft über globale Entwicklungen herausbilden, persönlichen politischen Standpunkt beziehen, der sich am ‚Wohl des Planeten’ orientiert (ebd., S. 26);
- „involvement consciousness and preparedness“ Verantwortung übernehmen für gegenwärtige und zukünftige Auswirkungen aktueller Handlungen (ebd.);
- „process mindedness“ Lernen als dauerhaften Prozess und erforderliche Voraussetzung für soziale Veränderung verstehen, aufgeschlossen sein für neue Wege und Ziele (ebd.);
Diese Auffassung von Globalem Lernen plädiert eindeutig für eine Änderung des Weltverständnisses in Richtung Ganzheitlichkeit. Sie stellt eine Kritik am naturwissenschaftlichen Weltbild dar.
Selby (2000) richtet sich mit seinem Konzept nicht ausschließlich an Schule und Unterricht. Er erweitert die Adressierung:
„My final suggestion is that the global education approach […] has implications not only for the classroom but for the administration, management, relations, decision-making processes and community relations of the school as a whole” (ebd., S.9).
Er formuliert für die Schule acht Prinzipien, die im Sinne Globalen Lernens eingehalten werden sollen (vgl. ebd.)
Die Gegenüberstellung der beiden Ansätze ergibt im Wesentlichen eine übereinstimmende Aufforderung zum Paradigmenwechsel innerhalb Globalen Lernens. Bühler (1996) definiert Globales Lernen über den Klafki´schen Bildungsbegriff. Selby/Rathenow (2003) stellen präzise Anforderungen an einen Unterricht im Sinne Globalen Lernens und einen eindeutigen Bezug zum Kontext ‚Schule’ her.
Eine Kombination der beiden Ansätze könnte folgende Definition erge-ben: Globales Lernen ist darauf ausgerichtet, globale Zusammenhänge zu erkennen und auf das Miteinanderleben unter gesellschaftlich-kulturellen und naturgegebenen Bedingungen vorzubereiten. Dabei sollte im holisti-schen Sinne Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Abstraktionsfähig-keit gefördert werden. Richtziele Globalen Lernens sind die Herausbil-dung einer argumentativ gestützten, individuellen Einstellung und die Übernahme von Verantwortung für gegenwärtige und zukünftige Aus-wirkungen aktueller Handlungen.
3.3 Ansatz des Schweizer Forums „Schule für Eine Welt“
3.3.1 Leitideen
Das Schweizer Forum „Schule für Eine Welt“ hat für Globales Lernen vier Leitideen und dazugehörige Richtziele formuliert (n. Bühler 1996, S. 192f). Der Kerngedanke der nachstehenden Leitideen ist ganzheitliches Lernen, das eine globale Weltsicht, die Verknüpfung von Globalem und Lokalem, ein Denken in Zusammenhängen sowie Zusammenarbeit und Solidarität fördert.
Die erste Leitidee beschäftigt sich mit dem Thema Bildung. Bildung macht die Einheit der menschlichen Gesellschaft, globale Zusammen-hänge und vor allem die eigene Position deutlich und fördert selbststän-dige Partizipation. Hierzu sollten die Lerner unterschiedliche Traditionen und damit verbundene Weltbilder kennen und akzeptieren lernen. Außer-dem soll die Position der Menschen in der Umwelt und als Teil ihrer deutlich werden. Eine wesentliche Erkenntnis ist, dass der Einzelne Mitglied der menschlichen Gattung ist, was sich in gleichen Grundbe-dürfnissen und kongruenten Problemen ausdrückt. So wirkt das Indivi-duum an sämtlichen gesellschaftlichen und kulturellen Strukturen mit.
Die zweite Leitidee beinhaltet die Reflexion der eigenen Identität und die Reformierung von Kommunikation. Den Lernern wird durch offenen Kontakt mit anderen Kulturen und Denkweisen die Möglichkeit gegeben, die Welt unter verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Auf dieser Basis können sie sich eigene Urteile bilden. Hierfür ist ein Bewusstsein über die verschiedenen Handlungsalternativen in Bezug auf die grundlegends-ten Weltprobleme notwendig. Lerner sollten sich hierzu selbstständig Informationen beschaffen, diese auswerten und daraus einen eigenen Standpunkt entwickeln können. Außerdem sollen sie erkennen, dass das bereits bestehende menschliche Erfahrungspotential auch für sie selbst relevant und für Gegenwart und Zukunft hilfreich sein kann. Alternative Zukunftsmodelle sollen von den Lernern analysiert, bewertet und neu gestaltet werden. Meinungen zu unterschiedlichen Themen und Proble men sollen dabei kritisch betrachtet werden.
Ein weiterer Leitgedanke beinhaltet die Reflektion über den eigenen Lebensstil, also die Bewusstmachung der sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen einer individuellen Entscheidung und daraus resul-tierender Handlungen auf die globale Gesellschaft, auch langfristig gese-hen.
Leitidee vier befasst sich mit der Verbindung von lokal und global und der aktiven Gestaltung des Lebens. Jeder Einzelne sollte auf der Grund-lage von Erfahrungen und erworbener Kenntnis durch lokale Aktionen einen Beitrag zur Bewältigung globaler Herausforderungen leisten. Ge-meinschaftliche Aktivitäten stehen dabei im Vordergrund. Die Lerner sollen sich schließlich als Mitglieder der globalen Gesellschaft begreifen und globale Herausforderungen gemeinschaftlich annehmen.
3.3.2 Definition
Um abschließend eine allgemeingültige Definition zu nennen, sei die des Schweizer Forums zitiert, auf die sich auch Bühler stützt und die generell in der Forschungsliteratur anerkannt wird: „Globales Lernen ist die Vermittlung einer globalen Weltsicht und die Hinführung zum persönlichen Urteilen und Handeln in globaler Perspek-tive auf allen Stufen der Bildungsarbeit. Die Fähigkeit, Sachlagen und Probleme in einem weltweiten und ganzheitlichen Zusammenhang zu se-hen, bezieht sich nicht auf einzelne Themenbereiche. Sie ist vielmehr eine Perspektive des Denkens, Urteilens, Fühlens und Handelns, eine Be-schreibung wichtiger sozialer Fähigkeiten für die Zukunft“
(Forum Schule für eine Welt 1996, S.19).
Diese Darstellung fasst alle wesentlichen Ansprüche der unterschiedli-chen Ansätze an Globales Lernen zusammen und stellt damit eine weit-gehend eindeutige Definition dar. Natürlich gewichten die einzelnen Pädagogiken verschiedene Aspekte aufgrund ihres spezifischen Aus-gangspunktes stärker bzw. stellen andere zurück, sodass eine Allge meingültigkeit im Grunde nie gegeben sein kann. Für die Zielsetzung der Arbeit ist diese Definition jedoch hinreichend.
Um abschließend die wesentlichen Unterschiede zwischen globalem und traditionellem Lernen herauszustellen, sei auf die Gegenüberstellung des Schweizer Forums (Abb. 3) verwiesen, die sich ebenfalls bei Graf-Zumsteg (1995, S. 27) findet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Traditionelles Lernen vs. Globales Lernen (Forum Schule für eine Welt 1996)
3.4 Zusammenfassung
a) Bühler (1996) definiert als wesentliches Ziel Globalen Lernens das Erkennen globaler Zusammenhänge, welches aus den vier Dimensio-nen „Globale Verantwortung“, „Globaler Erkenntnismodus“, „Fä-higkeiten für Globalität“ und „Globaler Lernmodus“ zusammensetzt.
b) Selby (2000; 2003) stellt die Modifikation der individuellen Perspektive in den Vordergrund. Der, in der Gesellschaft vorherrschende, eingeschränkte Horizont soll im Zuge Globalen Lernens in Richtung Ganzheitlichkeit erweitert werden.
c) Selby (2000; 2003) betont die Vernetzung des Miteinanderlebens zwischen Menschen mit ihren gesellschaftlich-kulturellen Phänomenen und die Wechselbeziehung zwischen Mensch und Natur.
d) In der komparativen Betrachtung ergeben sich zwei entscheidende Richtziele für Globales Lernen:
- Herausbildung einer argumentativ gestützten, individuel- len Einstellung;
- Übernahme von Verantwortung für gegenwärtige und zu- künftige Auswirkungen aktueller Handlungen.
e) Beide Ansätze beziehen sich auf den Kontext ‚Schule’ und fordern die Umsetzung Globalen Lernens im Unterricht.
4 Globales Lernen als Auftrag des Geographieunterrichts
Bislang wurde Globales Lernen als didaktisches Konzept vorgestellt, in den historischen Kontext eingeordnet und theoretische Ansätze betrach-tet. Im Folgenden soll der Bezug zum Unterrichtsfach Geographie stärker fokussiert werden.
Was macht Globales Lernen in der Umsetzung im GU aus? Ist der GU nicht per se Globales Lernen? Geographie ist doch das Unterrichtsfach, in dem der Raum auf lokaler und globaler Ebene behandelt wird. Globa-lisierung ist thematisch in den Themenkanon des GUs integriert.
Kroß (1991) formuliert mit „Global denken - lokal handeln“ eine zentrale Aufgabe des Geographieunterrichts (ebd. S.40). Um diese Aussage ihrem Wesensgehalt nach zu überprüfen, wird im Folgenden die „Globalisierung als Anstoß für ein didaktisches Konzept“ und die „Globalisierung als Gegenstand des GU“ in Augenschein genommen, um schließlich „Globales Lernen im GU“ zu thematisieren.
4.1 Globalisierung als Anstoß für ein didaktisches Konzept
Globalisierung ist zunächst einmal ein wirtschaftliches Phänomen, in dessen Folge sich jedoch auch gesellschaftliche Strukturveränderungen ergeben. Globalisierung bezeichnet nach Hübner (1998) das verstärkte Anwachsen grenzüberschreitender quantitativer und qualitativer Aktivitä-ten, wie Kapitalströme, Nachrichten oder Gütertransport, die einer enor-men Beschleunigungstendenz unterliegen. Dabei wird die Bildung von Effizienz- und Kompetenzzentren jeglicher Art begleitet von finanziel-len, technologischen und unternehmerischen Allianzbildungen (vgl. ebd. S. 12f).
Sie ist verbunden mit Chancen, wie der Teilhabe an Möglichkeiten außerhalb des individuellen Wirkungsfeldes, dem Aufbau vielfältiger Netzwerke mit stetigem Informationsaustausch. Dem gegenüber stehen die offensichtlichen Risiken, wie der zunehmenden Ent - Individualisierung, der steigenden Anonymität, der zunehmenden Machtakkumulation und den wachsenden Ungleichheiten.
Globalisierung ist “ eine der erfolgreichsten Neologismen der jüngsten Zeit” (Seitz 2002, S. 50). Das Phänomen Globalisierung ist in den Me-dien omnipräsent, es ist zum Gegenstand der alltäglichen Nachrichten geworden. Sei es der in den letzten Monaten verstärkt wahrgenommene Klimawandel, die deutlich gewordene Abhängigkeit von den russischen Erdöllieferanten oder die Bilder von den sich immer weiter ausdehnen-den Marginalsiedlungen und Slums der Megacities. Das alles ist Globali-sierung. Auf der anderen Seite ist der Begriff zum Synonym für die „schöne neue Welt“ geworden: Er drückt die Freude an der verbesserten weltweiten Kommunikation, an den erweiterten Möglichkeiten des Kon-sums, an den „spielerischen“ Seiten des Lebens aus. Auch das ist Globa-lisierung.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Die Karriere des Wortes „Globalisierung“ (Weizsäcker v., 2003)
Globalisierung vollzieht sich in mehreren Dimensionen. Ulrich Beck nennt u. a. die kommunikationstechnische, die ökologische, die arbeits-organisatorische, die zivilgesellschaftliche und die kulturelle Dimension (ebd., S. 42). Auch Asit Datta (2000) weist auf die Mehrdimensionalität des Globalisierungsphänomens hin: “Das Phänomen der ‘Globalisie-rung’ beschränkt sich nicht nur auf den Bereich der Ökonomie, sondern umfasst auch alle anderen Lebensbereiche” (ebd., S. 115).
Annette Scheunpflug (2003) spricht von einer “Beschleunigung des sozialen Wandels” (ebd., S. 160). Als Globalisierungsmerkmale sieht sie die “gleichzeitige Bedeutungszunahme von lokalen wie globalen Prozes-sen” und “Problemen von hoher Komplexität” (ebd., S.161). Sie weist zudem daraufhin, dass der Begriff Globalisierung nicht lediglich globale Veränderungen bezeichnet, sondern zugleich die Erzeugung eines Be-wusstseins von Globalisierung und einem Denken in globalen Zusam-menhängen gründet (vgl. ebd.).
Globalisierung ist Thema politischer Konferenzen, wie zum Beispiel dem World Economic Forum am 24. Januar 2007 in Davos, dort sprach Bun-deskanzlerin Angela Merkel von einer Änderung der Perspektive, die zu Unübersichtlichkeit, aber auch Chancenreichtum unter den Bedingungen eines „völlig neuen globalen Kräfteverhältnisses“ führt. Der Umgang mit den neuartigen Lebensbedingungen stellt die Menschen vor ganz neue Aufgaben. „Mit den Folgen der Globalisierung umzugehen, ist vor allem eine geistige Herausforderung“.
4.1.1 Veränderte Lebensbedingungen
Der Prozess der Globalisierung bestimmt die Lebensbedingungen der Menschen und wird sich vor allem auf zukünftige Generationen auswirken. Die Vorbereitung der Schüler auf diese Lebensumstände stellt die(!) Herausforderung für eine umfassende Didaktik dar.
[...]
1 Zur geschlechterspezifischen Schreibweise siehe Kapitel 1.3 Lesebemerkungen.
2 Zum Terminus ‚Geographieunterricht’ siehe ebenfalls Kapitel 1.3.
3 Interessant für den Gegenstand dieser Arbeit ist die Tatsache, dass Tye (1999) als einen Unterbegriff Globalen Lernens die Humangeographie aufführt.
- Quote paper
- Marie Burger (Author), 2006, Globales Lernen im Geographieunterricht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77821
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