Wenn ein Student eine Arbeit verfasst, ein Schüler seine Hausaufgaben macht oder für eine Klausur lernt oder eine andere beliebige Person seiner aktuellen Arbeit nachgeht, implizieren diese Handlungen, dass sich die genannten Personen zwischen mehreren Handlungsoptionen für eben genau diese eine entschieden haben. Dadurch muss nun jedoch zumindest während der Primärhandlung auf weitere Handlungsoptionen verzichtet werden. Der Theorie motivationaler Handlungskonflikte (Hofer et al., 2004), aber auch weiteren Theorien der Lernmotivation zufolge, ist hierbei aber das Problem gegeben, dass eine mögliche Handlungsalternative einen negativen Effekt auf die aktuelle Handlung ausübt, da die alternativen Tätigkeiten zu einer Konkurrenz für die Primärhandlung werden und diese in ihrer Qualität leiden muss.
Verschiedene Theorien der Lernmotivation versuchen zu erklären, aus welchen Gründen unterschiedliche Personen eine Lernhandlung entweder ausführen oder unterlassen. In dieser Arbeit gilt es herauszufinden, unter welchen Bedingungen es zu Konflikten während einer Lernhandlung kommen kann und wie sich diese wiederum auf die Lernaktivität auswirken
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Abbildungsverzeichnis:
Tabellenverzeichnis:
Zusammenfassung
1. Einleitung: Die motivationale Interferenz als Phänomen
2. Theorie
2.1. Die Rolle der motivationalen Interferenz in der Motivationspsychologie
2. 2. Das Phänomen der motivationalen Interferenz
Personale Faktoren:
Situationale Faktoren:
2. 3. Motivationale Konflikte in der Motivationsforschung
2. 4. Motivationsforschung und der Bezug zur motivationalen Interferenz
2. 5 Motivationale Handlungskonflikte in klassischen Motivationstheorien
2. 5. 1 Das Rubikonmodell
2. 5. 2. Die Fiat-Tendenz im Rubikon-Modell
2. 5. 3. Motivationale Handlungskonflikte im Rubikon-Modell
2. 5. 4. Die dynamische Handlungstheorie von Atkinson und Birch
2. 5. 5. Motivationale Handlungskonflikte in der Dynamischen Handlungstheorie von Atkinson & Birch
2. 5. 6. Das Erwartungs-Wert-Modell von Wigfield & Eccles
2. 5. 7. Motivationale Handlungskonflikte in der Goal System Theory
2. 6. Allgemeine Entstehungsfaktoren motivationaler Interferenz
2. 7. Motivationale Interferenz bei der Untersuchungsgruppe
3. Das Experiment: Lernen bei Präsenz von Ablenkungen
3.1. Methode
3. 1. 1. Fragestellung und Hypothesenbildung
3. 1. 2. Versuchspersonen:
3. 1. 3. Operationalisierung und Variation der Versuchsbedingungen:
3. 2. Durchführung
3. 3. Versuchsablauf:
4. Ergebnisse
5. Fazit und Diskussion
Literaturverzeichnis:
Anhang:
Waldsterben (1) & (2)
Instruktion und Information zur Durchführung des Experiments
Instruktion und Information zur Durchführung des Experiments
Fragen zum Experiment
Thema: Treibhauseffekt
Vorwort
An dieser Stelle möchte ich mich bei den Personen bedanken, die mich sowohl bei der Vorbereitung, der Durchführung und der Erstellung meiner Magisterarbeit unterstützt haben.
An erster Stelle gilt mein Dank meinem Betreuer Dr. ?, der mich einerseits auf dieses interessante Thema aufmerksam gemacht und mich andererseits während der Erstellung der Arbeit unterstützt und fachlich beraten hat.
Weiterhin danke ich Herrn Fabian Jaspers und Herrn Sebastian Schmid für die Unterstützung bei der Erstellung des der Untersuchung zugrunde liegenden Programms Inquisit und den dabei auftretenden Fragen und Problemen.
Ohne die Versuchspersonen, die an dem Experiment teilgenommen haben, wäre dies hier nicht möglich gewesen. Mein Dank gilt auch ihnen.
Nicht zuletzt danke ich meiner Freundin, die mich während meiner Arbeit immer unterstützt und bei Laune gehalten hat und natürlich meinen Eltern, die mir mein Studium überhaupt erst ermöglicht haben und mir immer hilfreich zur Seite standen.
Ich bitte der Einfachheit und des besseren Leseflusses wegen den in dieser Arbeit ausschließlich benutzten männlichen Artikel und die männliche Ausdrucksform zu entschuldigen. Dies soll nicht diskriminierend wirken.
Abbildungsverzeichnis:
Abbildung 1: Ein Rahmenmodell der Lernmotivation
Abbildung 2: Das Grundmodell der Motivation
Abbildung 3: Das Grundmodell der Motivation nach Krapp
Abbildung 4: Das erweiterte kognitive Motivationsmodell
Abbildung 5: Das Rubikon-Modell
Abbildung 6: Operationalisierung der Untersuchungsgruppen
Abbildung 7: Versuchsdesign
Abbildung 8: Darstellung Zeit der Bildbeschreibung
Abbildung 9: Darstellung durchschnittliche motivationale Interferenz
Tabellenverzeichnis:
Tabelle 1: Ablauf der Untersuchung
Tabelle 2: Ergebnisse bei Videoclips und Zeit der Bildbeschreibung
Tabelle 3: Ergebnisse bei Interferenzerleben und Valenz der Abbildungen
Tabelle 4: Ergebnisse bei Leistungsvariablen, Textqualität und Wissenstest
Zusammenfassung
Wenn ein Student eine Arbeit verfasst, ein Schüler seine Hausaufgaben macht oder für eine Klausur lernt oder eine andere beliebige Person seiner aktuellen Arbeit nachgeht, implizieren diese Handlungen, dass sich die genannten Personen zwischen mehreren Handlungsoptionen für eben genau diese eine entschieden haben. Dadurch muss nun jedoch zumindest während der Primärhandlung auf weitere Handlungsoptionen verzichtet werden. Der Theorie motivationaler Handlungskonflikte (Hofer et al., 2004), aber auch weiteren Theorien der Lernmotivation zufolge, ist hierbei aber das Problem gegeben, dass eine mögliche Handlungsalternative einen negativen Effekt auf die aktuelle Handlung ausübt, da die alternativen Tätigkeiten zu einer Konkurrenz für die Primärhandlung werden und diese in ihrer Qualität leiden muss.
Verschiedene Theorien der Lernmotivation versuchen zu erklären, aus welchen Gründen unterschiedliche Personen eine Lernhandlung entweder ausführen oder unterlassen. In dieser Arbeit gilt es herauszufinden, unter welchen Bedingungen es zu Konflikten während einer Lernhandlung kommen kann und wie sich diese wiederum auf die Lernaktivität auswirken.
Viele Theorien der Lernmotivation ignorieren oder vernachlässigen zumindest den Aspekt der individuellen Relevanz von möglichen Handlungsalternativen. Lernen kann nicht als ein von der Umwelt und anderen Tätigkeitsangeboten isolierter Handlungsprozess angesehen werden. Der Lernprozess steht in einem ständigen Konkurrenzverhältnis zu anderen attraktiven Handlungsangeboten, die stattdessen ausgeführt werden könnten. Für welche der dargebotenen Handlungsmöglichkeiten sich jedoch eine Person entscheidet, hängt unter anderem von den Eigenschaften der Lernhandlung (u.a. ihre Anreize und die Bedeutung der Ergebnisse und der damit verbundenen Folgen), aber auch von den Überzeugungen und den Wertorientierungen der handelnden Personen und der individuellen Anreizstärke der Alternativmöglichkeiten ab.
Nach der Einordnung der für diese Arbeit zentralen Theorie motivationaler Handlungskonflikte (Hofer 2004) und einigen weiteren inhaltsverwandten weiteren Theorien der (Lern-) Motivation in den Bereich der Motivationspsychologie wird anhand eines Experimentes versucht, mehr über das Phänomen der motivationalen Interferenz auf empirischer Basis herauszufinden.
In diesem später ausführlicher beschriebenen Experiment, in dem n = 60 Studenten/innen zunächst verschieden Fragebogen zu ihren Lern- und Arbeitsgewohnheiten vorgelegt wurden und im weiteren Verlauf einen Wissenstest zu vorher präsentiertem Material absolvieren mussten, wird der hypothetischen Grundannahme nachgegangen, dass alternative Handlungsmöglichkeiten einen negativen Einfluss auf die Qualität, Ausführung, Intensität, Performanz und Stimmung einer aktuellen Lernhandlung haben. Es wird versucht herauszufinden, ob die aktuelle Lernmotivation und die damit verbundenen Ergebnisse in einem folgenden Leistungstest der Teilnehmer während der Untersuchung aufgrund der den beiden Experimentalgruppen gegebenen Möglichkeit eines Handlungswechsels tatsächlich signifikant in Mitleidenschaft gezogen wird. Es soll hierdurch getestet werden, ob, wie in der Theorie motivationaler Handlungskonflikte (Hofer et al 2005) postuliert, bereits durch das Vorhandensein einer möglichen Alternativhandlung die eigentliche Primärhandlung einer Person hierdurch in Mitleidenschaft gezogen wird. Diesen Annahmen folgend, müssten zwischen den beiden verwendeten Experimentalgruppen und der Kontrollgruppe deutliche Leistungsunterschiede vorhanden sein. Bei den Experimentalgruppen wird die Präsenz einer attraktiven Alternative (das Ansehen von Musikvideos) mit einer unterschiedlichen Zeitfrequenz dargeboten, während die Kontrollgruppe die gleiche Untersuchung ohne die Möglichkeit einer Ablenkung absolviert. Anhand dieser Unterteilung soll der Frage nachgegangen werden, ob und wenn ja in welcher Intensität die Existenz einer ansprechenden Handlungsalternative einen Einfluss auf die Qualität der ursprünglichen Primärhandlung hat. Die Auswirkungen einer angenommenen steigenden motivationalen Interferenz bei den Teilnehmern der beiden Experimentalgruppen sollten sich in einem signifikant schlechteren Abschneiden bei vor allem dem abschließenden Wissenstest manifestieren. Dabei sollte es unwichtig sein, ob die zur Verfügung gestellte Alternativhandlung von den Versuchspersonen auch entsprechend genutzt wird, allein das Wissen um ihr Vorhandensein sollte ein Defizit und eine Beeinträchtigung der Motivation und Leistung bewirken.
Die Befunde des Experiments weisen jedoch darauf hin, dass zumindest in dieser hier vorliegenden Untersuchung die Präsenz und die auch genutzte Möglichkeit einer zur Verfügung stehenden Konkurrenzhandlung keinen signifikanten Einfluss auf die Motivation und die Leistung der getesteten Versuchspersonen hatte. Es konnten (leider) keine bedeutenden Unterschiede bezüglich einer auftretenden motivationalen Interferenz und einem damit verbundenen schlechteren Ergebnis bei dem durchgeführten Wissenstest seitens der Testpersonen aus den beiden Experimentalgruppen festgestellt werden. Die Leistungsunterschiede wurden von der Alternativhandlung nicht signifikant negativ beeinflusst. Die erhaltenen Ergebnisse weisen zwar tendenziell in die prognostizierte Richtung, werden aber leider statistisch nicht signifikant. Fraglich ist hier aber, ob das Ergebnis der Untersuchung bei einer größeren Stichprobe nicht vielleicht die Hypothesen verifiziert hätte und die mangelnde Signifikanz lediglich auf die zu geringe Stichprobengröße zurückzuführen ist. Doch auf diesen Aspekt wird im weiteren Verlauf noch genauer eingegangen.
1. Einleitung: Die motivationale Interferenz als Phänomen
Stellen Sie sich doch einmal folgende Situation vor: Sie sitzen an einem wunderschönen Sommervormittag in Ihrem Büro und erledigen die ungeliebte, schon viel zu lange vor Ihnen hergeschobene Arbeit, die eigentlich schon längst fertiggestellt sein sollte. Plötzlich klopft es an der Tür und zwei Kollegen fragen Sie, ob Sie eventuell Lust haben eine Pause einzulegen und mit ihnen einen Kaffee auf der sonnigen Terrasse trinken zu gehen. Sie kommen kurzzeitig ins Grübeln, beschließen dann jedoch, lieber im Büro zu bleiben und die angefangene Arbeit zu beenden. Sie lehnen das Angebot dankbar ab. Kurze Zeit später bemerken Sie, dass es Ihnen immer schwerer fällt, konzentriert bei der Arbeit zu bleiben. Sie werden unaufmerksam und Ihre Gedanken schweifen zu den Kollegen ab, die wahrscheinlich gerade in diesem Moment auf der sonnigen Terrasse sitzen, miteinander plaudern und einen frisch gebrühten Kaffee trinken. Sie können schon beinahe den Kaffee riechen. Auf einmal erscheint Ihnen Ihre Arbeit weitaus langweiliger und anstrengender. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen? An Ihrer eigentlichen Grundsituation hat sich nichts geändert. Sie machen weiterhin Ihre Arbeit wie zuvor. An Ihrer Handlung und der zu erledigenden Arbeit hat sich doch nichts verändert. Doch eine nicht zu vernachlässigende Kleinigkeit hat sich sehr wohl geändert: Sie wissen nun über eine attraktive Alternativtätigkeit bescheid, an der Sie ohne einen großen Aufwand auch teilnehmen könnten. Lediglich die Kenntnis über eine weitere Handlungsmöglichkeit bringt Sie dazu, nun wesentlich unkonzentrierter zu arbeiten und einen motivationalen Konflikt ans Tageslicht zu befördern, der die Performanz der ursprünglich begonnenen Tätigkeit negativ beeinflusst. Doch wie ist dieser Konflikt zustande gekommen? Hat das Alternativangebot der Kollegen eine derart störende Auswirkung auf Ihre Konzentration und das Arbeitsverhalten? Der Theorie motivationaler Handlungskonflikte (Hofer et al. 2004) zu Folge lautet die Antwort auf diese Frage schlicht und ergreifend: Ja.
Dieses hier beschriebene Phänomen - die Beeinträchtigung der aktuellen Motivation einer Person bei einer aktuell ausgeführten Handlung aufgrund des Wissens über eine attraktive Alternativtätigkeit – wird im weiteren Verlauf als motivationale Interferenz gekennzeichnet.
Höchstwahrscheinlich kann sich jeder Einzelne in seinem Erfahrungsschatz an ein derartiges Ereignis erinnern und vielen geht es doch tagtäglich ebenso. Die meisten Menschen sind doch davon überzeugt, dass ihnen ihre tägliche Arbeit an einem schönen sonnigen Tag wesentlich schwerer fällt, als wenn sie an einem verregneten Nachmittag in ihrem Büro sitzen, draußen der Wind heult und der Regen an die Fensterscheiben prasselt. Und von den attraktiven Tätigkeiten der Freunde, die sich gerade am Badesee treffen und eine Menge Spaß haben möchte man in diesem Fall doch am besten erst gar nichts wissen.
So gesehen überrascht es nicht, wenn auch Schüler und Studenten dieser Situation ausgesetzt sind und über eine mangelnde Konzentration und Aufmerksamkeit klagen, wenn sie beim Lernen oder Arbeiten plötzlich über spannende Freizeitaktivitäten informiert werden. Auch sie haben nun Schwierigkeiten, diese Gedanken so weit wie möglich auszublenden und sich wieder auf ihre Tätigkeit zu konzentrieren. Somit entsteht zwangsläufig eine Konkurrenzsituation zwischen den beiden Themengebieten Lernen und Freizeit. Trotz der fest geplanten Lernabsicht, der Intention, und sogar der Ausführung, der Initiierung, eben dieser Lernhandlung, bleiben die möglichen Handlungsalternativen einer Person doch weiterhin zumindest mental präsent genug, um die Primärhandlung in ihrer Ausführung negativ zu beeinflussen. Folglich scheint der Lernerfolg einer Person nicht nur von der tatsächlichen Lernhandlung und Art und Weise derselben abzuhängen. Einen wesentlichen, wenn auch negativen, Teil des Lernerfolges steuert also das Wissen um eine attraktive Alternative während des Lernprozesses einer Person bei. Es liegt nun an der Person des Lernenden selbst, inwieweit er diese motivationalen Störungen unter Kontrolle behalten oder im besten Fall sogar so weit wie möglich ignorieren kann. Dieser Teilaspekt einer Lernhandlung ist bis jetzt weder in der Motivationspsychologie noch in dem Teilgebiet der Lerntheorien angemessen bedacht worden.
Dem Phänomen der Entstehung von Konflikten während einer Handlung sind bislang vornehmlich Atkinson und Birch (1974) weiter nachgegangen, während es von vielen anderen kaum in dieser Art und Weise zur Kenntnis genommen wurde. In aktuellen Studien bezüglich der Konsequenzen von aktuellen Handlungskonflikten wurde offensichtlich, dass die Konflikte einer handelnden Person zwischen einer Lern- und einer Freizeithandlung zu einer Verschlechterung der Ausführungsqualität und dem subjektiven Erleben während der jeweils gewählten Handlung führen (Dietz, Schmid & Fries 2005). Der Bereich der Motivationsforschung, der in dieser Arbeit von Bedeutung sein wird, ist konträr dazu bis dato jedoch noch relativ unerforscht, weshalb es doppelt spannend ist, sich mit diesem Themengebiet zu befassen. Es gilt in dieser Arbeit herauszufinden, welchen Einfluss motivationale Interferenzen auf das Ergebnis von Lernprozessen haben. In der Auswertung eines Wissenstests wird im weiteren Verlauf nachgeprüft werden, ob und falls ja welche Auswirkung die permanent gegebene Alternativtätigkeit während des Lernvorgangs innerhalb eines Experiments auf das Lernergebnis der teilnehmenden Personen hatte. Eventuell können die aus dem später noch näher erläuterten Experiment gewonnenen Erkenntnisse unter Umständen dazu beitragen, herauszufinden, auf welche Art und Weise die Ergebnisse von Lernsituationen –und Prozessen verbessert werden und die Lernmotivation gesteigert werden können.
Betrachtet man die negativen Konsequenzen dieses Phänomens etwas genauer, kann es nur vorteilhaft sein, die exakten Begleitumstände der entstehenden Konflikte bei der lernenden Person näher zu analysieren und die Umstände hervorzuheben, unter denen es zu einer motivationalen Interferenz kommt. Nur so kann man versuchen, die kontraproduktiven Begleiterscheinungen dieses Phänomens besser zu verstehen und ihnen künftig vielleicht kontrollierend entgegenzuwirken. Dies soll auch das Ziel dieser hier vorliegenden Arbeit sein.
Im theoretischen Teil dieser Arbeit wird zu Beginn in einem ersten Kapitel die für die anvisierte Fragestellung zentrale Theorie der motivationalen Handlungskonflikte (Hofer et al., 2004) vorgestellt. In diesem Ansatz aus dem Bereich der Motivationspsychologie wird auf die Probleme und die damit verbundenen Folgen von konkurrierenden Handlungen aufmerksam gemacht. Der Fokus dieser Theorie liegt auf den Ursachen und Konsequenzen von zwei oder mehreren zeitgleich zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen, speziell beim Lernprozess von Schülern und Schülerinnen. Im Anschluss daran (Kapitel 2) erfolgt eine Einordnung des Phänomens der motivationalen Interferenz und diesem wird hier detaillierter Aufmerksamkeit geschenkt. Darauf folgt in Kapitel 3 eine Beschreibung prototypischer motivationaler Konflikte in der Motivationsforschung. In dem darauf anknüpfenden Kapitel 4 wird intensiver auf die Motivationsforschung im generellen und den daraus resultierenden Bezug zum Themengebiet der motivationalen Interferenz im speziellen eingegangen. Nach einer einführenden Begriffsdefinition werden weitere Modelle der Motivationsforschung vorgestellt und diskutiert. In Kapitel 5 werden die motivationalen Handlungskonflikte in den klassischen Motivationstheorien näher betrachtet und analysiert. Im folgenden Kapitel 6 werden allgemeine Entstehungsfaktoren motivationaler Interferenz identifiziert und ihre Wirkung in bezug auf die Entstehung von Konflikten erarbeitet. Schließlich wird in Kapitel 7 die motivationale Interferenz der Untersuchungsgruppe in den Fokus der Betrachtung gesetzt und kommentiert.
In dem Experimentalteil der vorliegenden Arbeit wird in dem zuerst erläuterten Methodenteil intensiver auf die dieser Arbeit zugrunde liegenden Fragestellung, der Hypothesenbildung und schließlich auf die Versuchspersonen eingegangen. Im folgenden Abschnitt des Methodenteils geht es um die Operationalisierung des Experiments und die Variation der Untersuchungsbedingungen, die in diesem Abschnitt ausführlich dargestellt werden. Darauf aufbauend wird schließlich die Durchführung der Untersuchung anhand des verwendeten Versuchsdesigns verdeutlicht und ausführlich erklärt. Damit verbunden ist auch die anschließende detaillierte Beschreibung des Versuchsablaufs. Auf der Basis dieser Untersuchungspunkte wird in dem daran anknüpfenden Ergebnisteil den vorab gestellten Hypothesen in einem Analyseverfahren nachgegangen. Hier wird mittels statistischer Auswertung der Frage nachgegangen, ob eine eventuell erlebte motivationale Interferenz seitens der beiden Experimentalgruppen sich in bezug auf die Qualität einer Lernhandlung gegenüber einer Kontrollgruppe negativ auswirkt. In dem abschließenden Fazit- und Diskussionsteil soll am Ende ein noch einmal ein inhaltlicher Bogen über die gesamte Arbeit gespannt und ein Ausblick auf das Feld der Motivationspsychologie gegeben werden.
2. Theorie
2.1. Die Rolle der motivationalen Interferenz in der Motivationspsychologie
In der klassischen Motivationspsychologie wurde der Themenbereich der motivationalen Interferenz bisher stark vernachlässigt. In diesen Theorien (vgl. Heckhausen 1989; McClelland 1985) wurde das Augenmerk lediglich auf einzelne Handlungsepisoden gelegt, während Alternativmöglichkeiten während Handlungsprozessen bisher nicht oder nur ansatzweise beachtet wurden. Dies ist umso erstaunlicher, da die Analyse von Handlungskonflikten schon im Jahr 1935 mit Lewin begann. In seiner Konzeptualisierung wurden Motivationskonflikte jedoch einzig in bezug auf die Wahl von Handlungen und deren Initiierung untersucht, während der Auswirkung von Konflikten auf die Ausübung einer Tätigkeit keinerlei Beachtung teil wurde. Im Gegensatz zu der hier angeführten Hypothese nahm Lewin seinerzeit an, dass mit dem Beginn der Ausführung einer bestimmten Alternative der Handlungskonflikt eines Akteurs aufgelöst wird. Der Einfluss einer Alternativtätigkeit sollte mit dem Einsetzen einer einmal gestarteten Handlung verschwunden sein. Doch genau an diesem Punkt gilt es anzusetzen. Der Einfluss ist keineswegs verschwunden, sondern zieht sich durch die gesamte Handlungsausführung einer Person durch, ganz gleich für welche Alternative er oder sie sich entscheidet.
Andere Theoriebeiträge, die sich mit der Stabilisierung von Tätigkeitsausführungen beschäftigten, zielten dagegen schon früh in diesen Themenbereich der Motivationspsychologie ab (Vgl. Festinger 1957). In diesem Ansatz führt der Autor an, dass die Herabsetzung der kognitiven Dissonanz dazu führt, dass die handelnde Person eine Aufwertung der gewählten Handlung und zugleich eine Abwertung der nicht gewählten Handlung erfährt, wodurch schließlich die Motivationsstärke der aktuell ausgeführten Handlung steigen sollte.
Zusammengenommen behandelten die meisten bisherigen Ansätze der Motivationspsychologie entweder lediglich eine Konfliktlösung durch das Fällen einer bestimmten Entscheidung oder sie konzentrierten sich auf die Handlungsstabilisation. Das Thema der Handlungsalternativen ist jedoch immer noch ein etwas unbekannteres Feld. Die motivationale Interferenz bezieht sich auf Handlungsausführungen, die durch die Erwägung von Handlungsalternativen negativ beeinflusst werden. Diese Beeinträchtigung besteht im Verlust der positiven Anreize der nicht gewählten Handlungsalternative und können als Opportunitätskosten bezeichnet werden. Diese Opportunitätskosten entstehen aufgrund der begrenzten Zeit der handelnden Person als Wirkung des subjektiven Anreizwertes der nicht gewählten Tätigkeiten und beeinträchtigt die Ausführung der zuerst gewählten Primärhandlung. Der Grad dieser erlebten motivationalen Interferenz hängt demnach von dem angenommenen Wert einer bestimmten Alternative für die jeweilige Person ab. Je wertvoller und bedeutender sie ist, umso höher werden auch der Handlungskonflikt und die Opportunitätskosten.
Die motivationale Interferenz hängt, wie schon erwähnt, auch wesentlich von der Motivationsstärke der handelnden Person ab. Hochmotivierte Menschen lernen beispielsweise länger, sind weniger ablenkbar und benutzen bessere Lernstrategien. Bei gering motivierten Personen führt die Möglichkeit einer Alternativhandlung leichter zu einer Senkung der eigenen Motivationsstärke und Ausdauer, erhöhen jedoch deren Ablenkung und die Gefahr eines Handlungswechsels. Gleichzeitig verringern sie auch den Gebrauch von Lernstrategien und verschlechtern die Stimmung der handelnden Person.
Eine weitere Unterscheidung bezüglich verschiedener Anreiztypen besteht in der Differenzierung zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation, die unterschiedliche Auswirkungen auf die Wahl von verschiedenen attraktiven Handlungsmöglichkeiten haben. Intrinsisch motivierte Verhaltensweisen gelten als der Prototyp selbstbestimmten Verhaltens. Das Handeln stimmt hier mit der eigenen Auffassung überein. Intrinsische Verhaltensweisen sind interessenbestimmte Handlungen, deren Aufrechterhaltung keine externen oder intrapsychischen Anstöße wie Versprechungen oder Drohungen benötigen. Intrinsische Motivation beinhaltet solche Aspekte wie Neugier, Exploration, Spontaneität und Interesse an den unmittelbaren Gegebenheiten der Umwelt. Um die zugrunde liegende intrinsische Motivation einer Handlung aufrecht zu halten, muss die agierende Person ein Gefühl der Selbstbestimmung haben. Fremdbestimmung wird unter anderem durch Kontrolle von außen und externe Verstärker empfunden. Der Idealfall intrinsisch motivierter Handlungen ist das Flow – Erleben (Vgl. Csikszentmihalyi 1987), ein Zustand höchster intrinsischer Motivation, von anderen Autoren auch als autotelisch bezeichnet. Extrinsisch motivierte Verhaltensweisen sind Handlungen, die mit instrumenteller Absicht durchgeführt werden, um eine von der Handlung separierbare Konsequenz zu erlangen. Sie treten in der Regel nicht spontan auf, sie werden vielmehr durch Aufforderungen in Gang gesetzt, deren Befolgung eine (positive) Bekräftigung erwarten lässt, oder die auf andere Weise instrumentelle Funktion besitzen. Aufgrund dieser Unterscheidung wird deutlich, dass diese beiden Motivationsformen einen starken Einfluss auf das Durchführen oder Unterlassen einer Handlung haben. Intrinsische, meist freizeitbezogene, Anreize von Alternativhandlungen, haben eine größere Auswirkung auf eine aktuell ausgeführte Handlung. Diese Alternativhandlungen verschlechtern auch bei einer unterlassenen Handlungsausführung die eigentliche Primärhandlung. Eine motivationale Interferenz ist somit das Resultat eines motivationalen Konflikts einer handelnden Person, der zeitgleich mit dem Handlungskonflikt auftritt. Die Alternativhandlung hat die Form eines Kostenparameters, der die Motivationsstärke der aktuell ausgeführten Handlung verschlechtert. Die Stärke dieser motivationalen Interferenz hängt nun in hohem Ausmaß von der Attraktivitätsstärke der möglichen Alternativhandlung ab. Eine hohe Attraktivität erhöht ebenso die motivationale Interferenz, wobei die Effekte einer intrinsisch motivierten Handlung zusätzlich schwerwiegend erscheinen. Weiterhin sollten Personen, welche Aktivitäten mit niedrigen oder sogar negativen intrinsischen Anreizen ausführen, eine verstärkte motivationale Interferenz erleben, wenn konkurrierende Handlungsmöglichkeiten nicht zu einem gemeinsamen Ziel führen.
2. 2. Das Phänomen der motivationalen Interferenz
Nicht nur im Laufe der Studienzeit kommt es häufig vor, dass man sich mehreren verschiedenen Handlungsmöglichkeiten gegenübersieht, die allesamt von großer Bedeutung sind. Diese Situation, in welcher Art und Weise sie auch immer auftreten mag, kennt wahrscheinlich jeder. Immer wenn eine Person sich zwei oder mehreren Handlungsmöglichkeiten gegenübersieht, die nicht kombinierbar jedoch alle von großer Bedeutung für die Person sind, sieht sie sich einem Motivationskonflikt ausgeliefert.
Die Konkurrenz verschiedener Handlungsmöglichkeiten wird weiterhin auch nach der Wahl für eine bestimmte Möglichkeit und die Initiierung derselben deutlich. Hier geht es nun darum, sich mit möglichst geringen Opportunitätskosten[1], die durch das Vorhandensein mehrerer Handlungsalternativen entstanden, für eine der gebotenen Handlungen zu entscheiden, ohne dass die nicht gewählten Alternativen einen negativen Einfluss auf die aktuelle Handlung haben. Dies ist jedoch leider, wenn überhaupt, nur sehr schwer möglich. Im psychologischen Verständnis entsprechen die Opportunitätskosten dem entgangenen Nutzen einer nicht zur Ausführung gelangten Handlung. Der Theorie motivationaler Handlungskonflikte folgend bewirkt dies eine Verschlechterung der aktuellen Motivation bei der initiierten Aktivität. Es kommt zu einer motivationalen Interferenz. Die Auswirkungen dieser sind, wie bereits erwähnt, unter anderem in einer verschlechterten Stimmung, einer geringeren Verarbeitungstiefe und einem beeinträchtigten Zeitmanagement mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Handlungswechsels zu sehen. Im Falle der Lernhandlung eines Jugendlichen ist somit ein Defizit hinsichtlich des Lernerfolgs garantiert. Da das Entstehen einer motivationalen Interferenz als handlungsunspezifisch deklariert wird (Hofer et al 2004), sollte dieses Phänomen also sowohl bei einer primär handlungsorientierten als auch einer leistungsorientierten Tätigkeit auftreten. Unabhängig davon sollte es jedoch auch bei der Initiierung einer Freizeitaktivität und dem Wissen über den entgangenen Nutzen einer ignorierten Lernhandlung zu einem Defizit hinsichtlich der Freude und der Performanz an der gewählten Aktivität führen. Jeder, der sich einmal dieser Situation gegenübergesehen hat, weiß, dass man unfreiwillig meist dennoch an die verpasste Alternative denkt und diese nun einen kontraproduktiven Einfluss auf die Motivation der gegenwärtigen Handlung ausübt. Die gerade angesprochenen Opportunitätskosten sorgen während der aktuell ausgeführten Handlung dafür, dass sich die Stimmung der handelnden Person und die Ausführung in ihrer Qualität drastisch verschlechtern. Die Frage ist nun, herauszufinden, welche explizite Auswirkung diese nicht gewählten Handlungsalternativen auf die aktuell ausgeführten haben. Um den Auswirkungen einer geringen Motivationsstärke sowohl beim Lernen als auch bei einer Freizeitaktivität entgegen wirken zu können, muss beachtet werden, welche Faktoren die motivationale Interferenz verstärken oder vermindern können. Hierzu werden in der Theorie motivationaler Handlungskonflikte von Hofer et al Argumentationen zur Entstehung von verschiedenen verstärkenden oder vermindernden Faktoren gemacht. Die Autoren unterteilen die Entstehungsfaktoren einer motivationalen Interferenz in personale und situationale Faktoren.
Personale Faktoren:
Die Auswahl einer bestimmten Tätigkeit aus einem Handlungspool hängt sehr stark von den Wertvorstellungen und der als wünschenswert eingestuften Aktivität der agierenden Person ab. Die unterschiedliche Valenz von möglichen Aktivitäten setzt sich aus der subjektiven Einstellung der Person zur Bedeutung von einerseits primär leistungsorientierten und andererseits primär wohlbefindensorientierten thematischen Unterscheidungen zusammen.
Motivationale Handlungskonflikte sollten sich dem entsprechend vor allem bei Jugendlichen mit einer hohen Ausprägung auf beiden Bereichen wesentlich häufiger einstellen. Bei der klaren Vormachtstellung einer der beiden Wertebereiche oder einer generell niedrigen Bestrebung zu beiden Bereichen sollte es daraus folgend wesentlich seltener zu diesen Konflikten kommen. Die Höhe der Valenz der zur Verfügung stehenden Handlung spiegelt sich nach dem Postulat der Autoren direkt in dem Ausmaß der Opportunitätskosten wieder.
Je bedeutender die Ausführung einer bestimmten Aktivität für eine Person ist, umso höher ist dementsprechend auch der individuell entgangene Nutzen dieser Handlung. Dies schlägt sich nun wiederum in einer deutlich niedrigeren Motivationsstärke bei der aktuell initiierten Handlung dieser Person nieder. Der entgangene Nutzen und die entgangene Freude an der Ausführung einer vernachlässigten Handlung wirkt sich nun negativ auf die Höhe der Motivation bei der aktuell ausgeführten Handlung aus. Bei einer niedrig valenzierten Aktivität dürfte sich folgerichtig so gut wie keine motivationale Interferenz nachweisen lassen.
Situationale Faktoren:
Damit es zu einer Entstehung von motivationalen Konflikten überhaupt erst kommen kann, müssen der handelnden Person logischerweise mehrere Alternativen zur Verfügung stehen. Eine Unterscheidung ist hierbei jedoch bezüglich der freiwilligen Wahl einer Person oder der Aufforderung zur Initiierung einer Tätigkeit zu treffen. Es wird dabei von der typischen Entscheidungssituation ausgegangen, dass einer bestimmten Person die verschiedenen Alternativen zeitgleich zugänglich sind und somit auch zur Wahl stehen. Dies vermittelt der Person das Gefühl der Entscheidungsfreiheit über die möglichen Handlungsalternativen und sie kann selbst beurteilen, welche Tätigkeit ausgeführt oder beibehalten werden soll.
Die Einzelwerte der entgangenen Nutzen der nicht gewählten Handlungen summieren sich in den hierdurch entstehenden Opportunitätskosten. Je mehr hoch valenzierte Tätigkeiten also nicht zur Initiierung gelangen, umso höher sind auch die Opportunitätskosten. Bei niedrig valenzierten Handlungen, denen somit kaum eine ernsthafte Initiierungsabsicht zukommt, dürften sich somit auch kein entgangener Nutzen und keine Opportunitätskosten nachweisen lassen. Von Vorteil wäre nach Ansicht der Autoren eine rechtzeitige zeitliche Strukturierung von mehreren hoch valenzierten Tätigkeiten. Durch die feste Einplanung einer gewissen Lernspanne sollte ein motivationaler Konflikt wesentlich an seiner Intensität verlieren. Eine Handlungsalternative sollte allerdings während der fest eingeplanten Lernhandlung für die Person nicht präsent sein oder zumindest so gering wie möglich gehalten werden.
Diese Bedingungen haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf die Handlungssituationen. Es kommt somit also immer auf die Angebote aber auch die Anforderungen des Umfeldes der Handlungssituationen an, ob sich eine Person mit einer höheren oder niedrigeren Wahrscheinlichkeit einem motivationalen Konflikt ausgesetzt sieht.
Zusammenfassend gesagt, reicht eine Handlungsalternative auf Seiten des situationalen Faktors nicht allein für einen motivationalen Konflikt aus. Erst in Kombination mit den Wertvorstellungen, dem personalen Faktor einer Person und seinen Präferenzen wächst die Einflussgröße deutlich an. Ein Zusammenspiel der Faktoren Valenz, Wertvorstellungen und personalen Faktoren ist weitgehend unbestritten und führt schließlich dazu, dass eine hohe Leistungsorientierung in einer als sehr wichtig erachteten Beurteilung des Leistungssektors resultiert.
Folgerichtig muss es für die Entstehung eines motivationalen Konfliktes zu einem Zusammenwirken von sowohl personalen als auch situationalen Faktoren kommen.
Atkinson und Birch postulierten schon 1970, dass eine Lernhandlung immer in einen gewissen Zusammenhang mit anderen Aktivitäten eingebettet ist und nicht als eine von der Umgebung isolierte Verhaltensweise zu betrachten sei. Somit haben sowohl frühere als auch der Lernhandlung folgende Aktivitäten einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die aktuell ausgeführte Lernhandlung. Es ist anzunehmen, dass der beispielsweise ignorierte Kinoabend sich sehr wohl auf die stattdessen gewählte Lernhandlung in bezug auf Leistung, Motivation, Intensität, Anstrengung und Dauer auswirkt. Das Lernen wird nicht das gleiche Ergebnis haben, als wenn eine Lernhandlung ohne die Möglichkeit oder das Wissen um eine Ablenkung stattfindet. Diese Möglichkeit der Ablenkung muss noch nicht einmal wirklich ausgeführt werden, allein die Vorstellung der umsetzbaren Alternative sollte der Theorie motivationaler Handlungskonflikte von Hofer et al. (2004) zufolge für eine Beeinträchtigung der Primärhandlung ausschlaggebend sein. Dieser Annahme folgend wird dementsprechend das Auftreten von Handlungskonflikten während einer Lernhandlung aufgrund der mannigfaltigen Ablenkungsmöglichkeiten in den zentralen Mittelpunkt gerückt. Allein das Vorhandensein attraktiver Alternativmöglichkeiten führt den Akteur zu einem innerlichen Konflikt. Er verbringt die folgende Zeit weitaus unkonzentrierter und schweift mit seinen Gedanken zu der möglichen Handlungsalternative ab, die plötzlich wesentlich reizvoller als die zuvor begonnene Arbeit erscheint. Daraus resultieren eine verschlechterte Stimmung und Konzentrationsschwächen der Person, die von ihrer eigentlichen Primärhandlung abgelenkt wird. Hieraus entsteht nun eine motivationale Interferenz der handelnden Person, die sich aus dem Bewusstsein einer attraktiven Handlungsalternative und dem negativen Einfluss auf die aktuell ausgeführte Handlung ergibt. Anhand einer Vielzahl empirischer Untersuchungen (z.B. Schwartz 2004; Schwartz et al. 2002) ließ sich dieser Effekt auch praktisch nachweisen. Die Auswahl zwischen Aktivitäten mit verschiedenen Zielen ist sogar noch schwieriger, da ein Handlungsbedürfnis, das für die handelnde Person von großer Bedeutung ist, unerfüllt zurückbleibt. Die Theorie bezieht die Lernmotivation einer Person auf die individuellen Werthaltungen derselben. Während der Ausführung der neu gewählten Handlung werden die Gedanken der handelnden Person auch wieder an die ursprüngliche Handlung, die eigentliche Primärhandlung, zurückkehren und nun die Ausführung der aktuellen Tätigkeit negativ beeinflussen. Auf die Frage, welche Art von Handlungen, leistungs- oder freizeitorientiert, von verschiedenen Personen bevorzugt werden lässt sich eine Antwort mit Hilfe Inglehart’s Ausführungen zur Postmoderne (Inglehart 1998) finden. In der Unterscheidung zwischen Moderne und Postmoderne wird hier im Wesentlichen zwischen im Vordergrund stehenden Leistungs- oder Wohlbefindenswerten differenziert. Nach Annahme des Autors führt das Zusammenspiel von hohen Ausprägungen auf beiden Seiten dieser Wertdimensionen zu Konflikten bei der Wahl und Ausführung einer Handlung.
Eine motivationale Interferenz entsteht nun hierbei, wenn mehrere subjektiv hoch bewertete Aktivitäten aufeinander treffen, die nicht in einer Handlung kombiniert werden können. Beispielsweise ist es nicht möglich zugleich für eine Prüfung zu lernen und andererseits mit Freunden auszugehen. Das entscheidende Merkmal der motivationalen Interferenz sind die entstehenden Opportunitätskosten. Diese manifestieren sich in dem Verlust der Vorteile, die eine bestimmte Handlungsalternative für eine Person haben könnte, wie beispielsweise der entgangene Spaß an einem gemeinsamen Kinoabend. Die wesentliche Wirkung hieraus resultiert in einer Verminderung der Motivationsstärke der handelnden Person während der aktuell ausgeführten Handlung. Der negative Einfluss verstärkt sich weiterhin bei für eine Person attraktiven Tätigkeiten. Aber auch wenn sich eine Person dafür entscheidet, ihre ursprüngliche Handlung aufzugeben und sich für eine Handlungsalternative entscheidet, hat dies negative Folgen für den Akteur.
Das Phänomen dieser Handlungskonflikte tritt in mehreren Formen auf. Eine auch im Alltagsbereich weit verbreitete Angewohnheit ist hier ebenso das häufige Hin- und Herspringen von Personen zwischen verschiedenen Handlungen, um auch ja nichts zu verpassen. Nüchtern betrachtet bringt dies der handelnden Person aber auch nicht den erhofften Nutzen. Die Konsequenz dieser Art und Weise der Handlungsausführung bewirkt nun jedoch, dass nicht einmal eine der vielen gleichzeitig ausgeführten Handlungen korrekt oder zur Zufriedenheit der handelnden Person ausgeführt wird. Dies kann nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die möglichen Handlungsalternativen überwacht werden, um die Primärhandlung nicht zu beeinträchtigen. Motivationale Interferenzen entstehen bei Handlungsgelegenheiten, die mit jeweils verschiedenen Zielen verbunden sind. Der Theorie motivationaler Handlungskonflikte zufolge sehen sich Jugendliche aufgrund ihrer gleichzeitigen Bestrebungen nach Leistung und Wohlbefinden in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite wollen sie den Anforderungen ihrer gesellschaftlichen Umgebung entsprechen, auf der anderen Seite aber auch nicht auf die attraktiven Freizeithandlungen verzichten. Somit befinden sie sich in einer Konkurrenzsituation verschiedener Handlungsmöglichkeiten, die jedoch leider nicht parallel ausgeführt werden können. Wenn beide Bestrebungen hoch ausgeprägt sind, versuchen Jugendliche sowohl wohlbefindens- als auch leistungsorientierte Tätigkeiten gleichzeitig auszuführen und miteinander zu verbinden. Jedoch kann im günstigsten Fall immer nur ein Teil der einen Bestrebung mit einer Handlung aus dem konkurrierenden Bereich kombiniert werden. Ein Beispiel wäre hier, wenn ein Jugendlicher etwa an einer bestimmten Arbeitsgemeinschaft, beispielsweise der Theater-AG, Interesse und auch großen Spaß hat. Normalerweise dürfte es allerdings der Fall sein, dass sich ein Jugendlicher zwischen einer hauptsächlich lernbezogenen oder einer primär freizeitorientierten Handlung entscheiden muss. Dieser individuell wahrgenommene Handlungskonflikt zieht jedoch weitere Konsequenzen mit sich. Gemäß der Theorie motivationaler Handlungskonflikte wird dem Schüler durch die Qual der Wahl die Entscheidung für eine bestimmte Tätigkeit erschwert. Aufgrund der Tatsache, dass eine Person nicht weiß, für welche Aktivität sie sich entscheiden soll, entsteht ein Initiierungskonflikt auf Seiten der handelnden Person. Dieser rührt daher, dass keine endgültige Entscheidung über die Initiierung einer Handlung getroffen wird. Man schwankt zwischen der Wahl für Alternative A oder B und empfindet es als schwierig, sich auf eine einzige Tätigkeit festzulegen. Es geht also hauptsächlich um konkrete Handlungsmöglichkeiten, die jedoch gleichzeitig nicht vereinbar sind. Diese Handlungen haben primär den Konflikt zwischen lernthematischen und freizeitorientierten Aktivitäten im Fokus. Dieser angesprochene Konflikt lässt sich in zwei Bereiche aufteilen. Den ersten Bereich bilden manifeste Konflikte. Diese können von einem außenstehenden Beobachter sofort erkannt werden. Sie schlagen sich meist in einem spontanen Verlassen der aktuell ausgeführten Handlung nieder. Der Beobachter kann somit erkennen, wann eine Person eine Handlung beendet und eine andere beginnt. Den zweiten Konfliktbereich bilden die latenten Konflikte. In der Theorie motivationaler Handlungskonflikte haben wir es hauptsächlich mit latenten Konflikten seitens der agierenden Person zu tun. Sie sind von außen nicht erkennbar und lediglich dem handelnden Individuum zugänglich, da sie sich hauptsächlich auf der kognitiven Ebene abspielen. Latente Konflikte finden nur in der Person selbst statt und ein Handlungsabbruch oder Handlungswechsel ist hierfür keine Bedingung. Für den externen Beobachter hat keine Veränderung stattgefunden, die handelnde Person jedoch sieht sich einem motivationalen Konflikt gegenüber, der sich in dem Erleben, der Verarbeitungstiefe und der Qualität der Tätigkeit niederschlägt. Ein latenter Konflikt geht meist einem manifesten voraus und kann somit auch leicht zu einem solchen werden. Die Person wird nun ihre aktuelle Tätigkeit frühzeitig beenden oder sie spontan abbrechen.
Weitergedacht sollte dieser Konkurrenzkampf nach der Theorie von Inglehart (1998) zwischen verschiedenen realisierbaren Handlungen dazu führen, dass in vornehmlich postmodern geprägten Ländern, wozu auch Deutschland gezählt wird, bei einer ansprechenden Freizeitaktivität meist die Lernhandlung zu kurz kommt. Die postmoderne Einstellung von vielen Jugendlichen aber auch Erwachsenen sollte somit eher zu der Initiierung einer wohlbefindensorientierten Tätigkeit als einer Lernaktivität führen. Auf Kosten dieser Entscheidung wird die leistungsorientierte Handlung nun entweder gar nicht erst in Betracht gezogen oder zumindest weiter nach hinten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Auswirkungen dieser Entscheidung zu Gunsten der attraktiveren Freizeithandlung auf Kosten der verbrachten Zeit und Intensität mit einem thematischen Lerngegenstand haben die Folge, dass Lernhandlungen immer mehr in den Hintergrund rücken und letztendlich vielleicht zu kurz kommen. Dies könnte unter Umständen ein, wenn auch bestimmt nicht entscheidender, Aspekt sein, weshalb die deutschen Schüler in den aktuellen internationalen Schulleistungsuntersuchungen wie TIMSS und PISA nicht über einen mittelmäßigen Platz im unteren Mittelfeld der getesteten Nationen hinaus kamen. Die deutschen Ergebnisse brachten ein in diesem Ausmaß nicht erwartetes und somit doch erschreckendes Defizit deutscher Schüler in den untersuchten Fähigkeiten und Fertigkeiten ans Tageslicht.
Diesen Themenbereich abschließend kategorisierend kann also gesagt werden, dass es sich bei der motivationalen Interferenz um die Konsequenz eines motivationalen Konfliktes eines Individuums handelt, der aufgrund von mehreren gleichzeitig zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen entsteht. Hierdurch kommt es zu einer verschlechterten Stimmung, einer geringeren Verarbeitungstiefe, einer erhöhten Ablenkbarkeit und einer beeinträchtigten Qualität mit der erhöhten Wahrscheinlichkeit eines Handlungswechsels. Dieser Konflikt basiert im Regelfall auf konkreten Tätigkeiten. Manifeste Konflikte, als Folge der vorherigen motivationalen Interferenz, sind für den Außenstehenden eindeutig zu erkennen, das Augenmerk wird hier jedoch auf die latenten Konflikte gelegt, die normalerweise zuvor entstehen. Sie sind nicht sichtbar, schlagen sich jedoch auf Seiten der handelnden Person in genannter Art und Weise nieder.
2. 3. Motivationale Konflikte in der Motivationsforschung
Im folgenden Abschnitt wird ein Überblick über das breite Feld der Motivationsforschung im Allgemeinen in den Fokus der Betrachtung gesetzt. Der Bereich der Motivationsforschung ist mittlerweile gut untersucht worden. Vor allem das leistungsmotivierte Verhalten gilt in der Motivationspsychologie als das am besten untersuchte Phänomen. McClelland, Atkinson, Clark und Lowell (1953) betonen in ihrer klassischen Definition der Leistungsmotivation eine „Auseinandersetzung mit einem Gütemaßstab“ (S.110). McClelland et al. griffen schon 1953 auf den sogenannten „Thematischen Auffassungstest“ (TAT) in ihren Arbeiten zurück. Dieser wurde zwar bereits 1938 von Murray in der Erforschung der Leistungsmotivation („need achievement“) entwickelt, also deutlich früher, aber dennoch werden McClelland und Atkinson als Urheber der Leistungsmotivationsforschung betrachtet. Das zentrale Instrument hierzu entwickelte Murray schon 1943 mit seinem Thematischen Auffassungstest. Dieser wurde zuvor nur in der klinisch-psychologischen Persönlichkeitsdiagnostik genutzt, sollte nun jedoch auf den Bereich der Leistungsmotivation ausgeweitet werden. Mit dieser Arbeit stand nun der Leistungsmotivationsforschung ein Motivmessinstrument zur Verfügung. Eine weitere Verbesserung kam 1963 durch Heckhausen. Er entwickelte ein TAT-Verfahren zur Messung des Leistungsmotivs, das nun auch die „Hoffnung auf Erfolg“ und die „Furcht vor Misserfolg“ erfasste. Dieses Modell erfuhr eine weite Verbreitung in der deutschen Motivationspsychologie (vgl. Fries 2002). McClelland und Atkinson führen in ihrer Arbeit an, dass sich leistungsmotiviertes Verhalten immer auf Anforderungen an das eigene Leistungsvermögen bezieht. So wird das Leistungsmotiv von den Autoren als ein relativ zeitstabiles Personenmerkmal definiert, welches die Tendenz einer bestimmten Person angibt, sich mit eigenen Gütemaßstäben zu beschäftigen. Sobald nun dieses Motiv durch eine Situation mit den entsprechenden Merkmalen angeregt wird, entsteht Leistungsmotivation. Heckhausen (1989) führt hierbei jedoch ergänzend an, dass eben dieser erwähnte Gütemaßstab von der handelnden Person aber auch als verbindlich angesehen werden muss und somit zumindest erreicht wenn nicht sogar übertroffen werden möchte. Er definiert das Leistungsmotiv folglich als „das Bestreben, die eigene Tüchtigkeit in all jenen Tätigkeiten zu steigern oder möglichst hoch zu halten, in denen man einen Gütemaßstab für verbindlich hält, und deren Ausführung deshalb gelingen oder misslingen kann“ (Heckhausen, 1965, S. 604). Eine Bewertung der eigenen Tüchtigkeit wird jedoch erst dann möglich, wenn dieser Gütemaßstab als verbindlich erachtet wird. Nur so führt ein erlebter Erfolg zu positiven Gefühlen wie Zufriedenheit oder gar Stolz, aber auch Misserfolge bringen nun negative Affekte wie Niedergeschlagenheit oder Scham. „Beim leistungsmotivierten Verhalten versucht die Person also, ihre eigene Tüchtigkeit hinsichtlich der aktuellen Tätigkeit auf der Grundlage eines von ihr als verbindlich angesehenen Gütemaßstabes zu bewertenLiegt kein Selbstbewertungsansatz vor, so sprechen wir auch nicht von einem leistungsmotivierten Verhalten“ (Fries, 2002, S. 78).
Die Motivationsforschung ist nach wie vor ein sehr gefragter Teilbereich der pädagogischen Psychologie, der auch einen besonders wichtigen Stellenwert im Bereich des Lernens einnimmt. Ohne entsprechende Lernmotivation seitens der Lernenden lässt sich ein zu vorbestimmter Lehrstoff in beispielsweise einem Lehrplan nur unter sehr schwierigen Begleitumständen vermitteln (vgl. Kromrey 1996). Lernmotivation muss als ein Konstrukt von Wechselwirkungen angesehen werden. Hierunter werden alle für das Lernen relevanten motivationalen Zustände als Lernmotivation zusammengefasst. Genauer genommen kann man zwischen einer engen handlungstheoretischen und einer eher lose gehaltenen verhaltensorientierten Definition unterscheiden. „In der weitgefassten Definition ist Lernmotivation eine Tendenz zum Ausführen von Aktivitäten, die einen Lerneffekt erzielen, wobei es keine Rolle spielt, ob dem Verhalten eine auf den Lernzuwachs gerichtete Intention zugrunde liegt“ (Fries, 2002, S.128). Eng gefasst muss jedoch bei der lernenden Person eine zielgerichtete Intention auf einen beabsichtigten Lernzuwachs vorhanden sein, damit das Verhalten dieser Person als lernmotiviert bezeichnet werden kann. Folglich muss eine Handlung hauptsächlich mit dem Ziel eines Anstiegs der eigenen Kompetenz in Angriff genommen werden. Hierbei ist es unwichtig, ob die handelnde Person diesen Anstieg auch tatsächlich anstrebt oder nicht.
Rheinberg und Fries entwickelten hierzu ein Modell, welches den Sachverhalt sehr anschaulich verdeutlicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Ein Rahmenmodell der Lernmotivation (nach Rheinberg und Fries, 1998, S.170)
Aus der obigen Abbildung wird deutlich, dass eine Lernhandlung immer einen beabsichtigten Lernzuwachs zum Ziel haben muss. Die Bedingungsfaktoren einer Lernhandlung lassen sich sowohl auf der personalen Seite mit vorhandenen Motiven und Kompetenzen, als auch auf der situationalen Seite mit den Anforderungen und Folgen einer Lernhandlung. Die mit einer Lernhandlung beabsichtigten Ziele, Ergebnisse und Folgen bestimmen zusammen mit der Stärke der individuellen Lernmotivation die Ausdauer während und die Qualität der beabsichtigten Lernhandlung. Bei entsprechend hoher Ausprägung dieser Faktoren lässt sich die Höhe der Opportunitätskosten weitgehend auf einem niedrigen Niveau halten. Durch ein optimales Zusammenspiel der oben genannten Faktoren steht einem qualitativ hochwertigen Kompetenz- und Wissenszuwachs der lernenden Person nun nichts mehr im Weg.
In dieser Arbeit soll aufgezeigt werden, auf welche Art und Weise es möglich ist, dass sich die aktuelle Lernmotivation, Aufmerksamkeit und Konzentration stark verringern oder sogar gänzlich verschwinden und einer attraktiven Alternativtätigkeit einen Spielraum ermöglichen. Die Frage hierbei ist, wie sich die handelnden Personen aus ihren Handlungsdilemmata befreien und mit welcher Begründung sie sich für welche Handlungsoption entscheiden. Was bringt einen Schüler beispielsweise dazu, am Vortag einer wichtigen Klausur mit dem Lernen aufzuhören und stattdessen mit seinen Freunden ins Kino zu gehen? Als erste grobe Antwort kann hierfür die These des Postmaterialismus von Inglehart (1998) angeführt werden. Diese besagt, dass wir uns heutzutage mitten in der Wechselphase von einer materialistischen zu einer postmaterialistischen Gesellschaft befinden, in der Faktoren wie Freude und Selbsterfüllung wesentlich höhere Werte einnehmen als zuvor Fleiß, Eifer und Leistung.
2. 4. Motivationsforschung und der Bezug zur motivationalen Interferenz
Im folgenden möchte ich als erstes näher auf die Begrifflichkeiten der Motivation und der Motive eingehen, damit im folgenden unter verschiedenen Definitionen und Fachbegriffen das gleiche verstanden werden kann.
Mit einer sehr allgemein gehaltenen Definition kann man sich normalerweise am besten in ein neues Thema einarbeiten. Eine allgemeine, jedoch allseits anerkannte Definition des Begriffes Motivation, ist die oftmals zitierte von Rheinberg. „Durch den Begriff der Motivation sollen die Richtung, die Intensität und die Dauer von Verhalten erklärt werden“ (Rheinberg, 2002, S. 65). Ebenda sagt er weiterhin „Motive beeinflussen, wie jemand eine bestimmte Klasse von Handlungssituationen wahrnimmt und bewertet..Das Motiv ist also so etwas wie eine spezifisch eingefärbte Brille, die ganz bestimmte Aspekte von Situationen auffällig macht und als wichtig hervorhebt“ (ebenda, S. 65f).
Jedoch gehen andere Forscher auch mit anderen treffenden Definitionen an den Themenkomplex heran. Eine ähnliche Herangehensweise lässt sich beispielsweise bei einer weiteren Definition feststellen, in der Motivation als „so etwas wie eine milde Form der Besessenheit“ betrachtet wird (De Charms 1979, S.55 in Rheinberg 2002).
Gemeinsam ist diesen beiden Definitionen jedoch, dass Motivation nicht unmittelbar erkennbar, sondern nur über äußere Anzeichen erschließbar ist. Motivation wird hierbei lediglich als eine gedankliche Konstruktion und Hilfsgröße, sozusagen als hypothetisches Konstrukt betrachtet. Hierdurch wird dann versucht, besondere Verhaltensweisen zu erkennen und zu erklären. Motivation kann jedoch nicht als das Erzeugnis von kognitiven Prozessen angesehen werden, sondern setzt sich primär aus den Ausprägungen der Einzelkomponenten Richtung, Dauer und Intensität von Verhaltensweisen zusammen. Somit kann man Motivation als ein Konstrukt erfassen, durch das man die Verhaltensweisen von Menschen zu erklären versucht.
„Der Motivationsbegriff ist vielmehr eine Abstraktionsleistung , mit der von vielen verschiedenen Prozessen des Lebensvollzugs jeweils diejenigen Komponenten oder Teilsaspekte herausgegriffen und behandelt werden, die mit der ausdauernden Zielausrichtung unseres Verhaltens zu tun haben..
Aufgabe der wissenschaftlichen Motivationspsychologie ist es, diese verschiedenen Komponenten in ihrem Zusammenspiel zu beschreiben und erfassen, ihre Abhängigkeiten und Beeinflussbarkeiten zu bestimmen und ihre Auswirkungen im Erleben und nachfolgenden Verhalten näher aufzuklären.“ (Heckhausen 1989, zitiert nach Rheinberg, 2004, S. 15)
Merkmale der Motivation sind beispielsweise das zielgebundene Streben, Wollen, Wünschen, Hoffen und die entsprechenden kognitiven Auswirkungen wie Anstrengung und Ausdauer. Motivation ist eine mögliche in einer Situation auftretende Verhaltensausprägung von handelnden Akteuren mit der immer gemeinsamen Komponente einer „aktivierenden Ausrichtung des momentanen Lebensvollzugs auf einen positiv bewerteten Zielzustand“ (Rheinberg, 2004, S. 16). Dies kann man an dem folgenden Grundmodell der Motivation sehr gut anschaulich verdeutlichen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Grundmodell der Motivation (Rheinberg, 2000, S.70)
In diesem Grundmodell der Motivation wird deutlich, dass sich ein individuelles Verhalten aus dem Zusammenspiel von einer handelnden Person mit gegebenen Motiven und einer Situation mit spezifischen Handlungsanreizen kombiniert mit der daraus resultierenden aktuellen Motivation ergibt. Dieses Grundmodell bildet auch die Basis für das hier untersuchte Themengebiet. Die Motivation der Versuchspersonen in der später beschriebenen Untersuchung sehen sich genau dieser Situation gegenüber. Der bedeutende Unterschied ist jedoch, dass in einem Experiment versucht wird, die aktuelle Motivation der Teilnehmer aus den beiden Experimentalgruppen auf eine induzierte Art und Weise in beabsichtigte Bahnen zu lenken. Hier wird die aktuelle Motivation der Probanden durch die Präsentation von attraktiven Alternativhandlungen versucht zu beeinflussen und im weiteren Verlauf gemessen, ob dies eine negative Auswirkung auf die Qualität und Verarbeitungstiefe der beabsichtigten Primärhandlung hatte.
Ähnlich wie im Grundmodell der Motivation sieht es auch bei Krapp (1998) aus. Er unterscheidet jedoch strenger zwischen einem individuellen und einem situationalen Interesse. Er visualisiert sein Modell folgendermaßen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten Abbildung 3: Grundmodell der Motivation nach Krapp (Krapp, 1998, S. 191)
[...]
[1] Der Begriff stammt ursprünglich aus den Wirtschaftswissenschaften. Hier sind damit Kosten gemeint, die dadurch entstehen, dass Möglichkeiten zur Nutzung von Ressourcen nicht angenommen werden. Opportunitätskosten werden als Nutzenentgang verstanden. Im psychologischen Bereich stehen sie eher für den entgangenen Nutzen einer nicht gewählten Alternativtätigkeit.
- Arbeit zitieren
- Christian Krizak (Autor:in), 2006, Lernen bei Präsenz von Ablenkungen - Ein Experiment, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77680
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