Die Begrifflichkeit der „Schule als Lebensraum“ mutet auf den ersten Blick etwas seltsam an, schließlich war man selbst einmal Schüler und dieser Begriff erwirkt keine spontane Assoziation zu dem wie man Schule erlebt hat. Und doch muss man bei erstmaligem Überlegen erkennen, dass es tatsächlich ein Schulleben gibt, das der eine mehr aktiv, der andere jedoch eher passiv miterlebt. Dabei ist das Schulleben allgegenwärtig: kein Schüler könnte sich diesem entziehen. Es ist maßgeblicher Bestandteil unserer Schule. Doch was rechnet man genau dem Schulleben zu? Und wie kam es überhaupt zur Ausbildung eines solchen? Das sind die wesentlichen Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen werden soll.
Im ersten Kapitel wird das Augenmerk auf das Schulleben im Wandel der Geschichte gelegt. Die wichtigen Pädagogen, Pestalozzi und Herbart, werden in ihren wesentlichen Gründzügen dargestellt, wobei bei Pestalozzi etwas näher auf das Werk „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ eingegangen werden soll. Hierzu befindet sich ein Textausschnitt im Anhang, der Gesagtes zusätzlich dokumentieren soll. Danach soll dem Werdegang des Begriffs Schulwesen Aufmerksamkeit geschenkt werden, wobei auf eine ausführliche Darstellung der reformpädagogischen Bewegung hier aus Platzgründen verzichtet werden soll. Im letzten Kapitel werden die verschiedenen Dimensionen des Schullebens kurz vorgestellt. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Schullebensformen betrachtet, die stellvertretend für die Fülle der weiteren Möglichkeiten zur Umsetzung von Schulleben stehen sollen. Im Anschluss möchte ich dann mit einer kurzen Zusammenfassung schließen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Schulleben im Wandel der Geschichte
2.1. Erstmalige Thematisierung des Schullebens durch Pestalozzi
2.2. Der Weg zum staatlichen Schulwesen
2.3. Einfluss von Herbart: Abschwächung des Schullebens
2.4. Von der reformpädagogischen Bewegung zur Wiederentdeckung des Schullebens
3. Die verschiedenen Dimensionen des Schullebens
3.1. Beheimatung in der Schule
3.1.1. Schulhaus und Schulhof
3.1.2. Akzentuierung des Zeitablaufs
3.2. Begegnungen
3.3. Gemeinschaft und Verantwortung
3.4. Arbeit und Freizeit
4. Zusammenfassung
5. Bibliographie
6. Anlage
1. Einleitung
Die Begrifflichkeit der „Schule als Lebensraum“ mutet auf den ersten Blick etwas seltsam an, schließlich war man selbst einmal Schüler und dieser Begriff erwirkt keine spontane Assoziation zu dem wie man Schule erlebt hat. Und doch muss man bei erstmaligem Überlegen erkennen, dass es tatsächlich ein Schulleben gibt, das der eine mehr aktiv, der andere jedoch eher passiv miterlebt. Dabei ist das Schulleben allgegenwärtig: kein Schüler könnte sich diesem entziehen. Es ist maßgeblicher Bestandteil unserer Schule. Doch was rechnet man genau dem Schulleben zu? Und wie kam es überhaupt zur Ausbildung eines solchen? Das sind die wesentlichen Fragen, denen in dieser Arbeit nachgegangen werden soll.
Im ersten Kapitel wird das Augenmerk auf das Schulleben im Wandel der Geschichte gelegt. Die wichtigen Pädagogen, Pestalozzi und Herbart, werden in ihren wesentlichen Gründzügen dargestellt, wobei bei Pestalozzi etwas näher auf das Werk „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“ eingegangen werden soll. Hierzu befindet sich ein Textausschnitt im Anhang, der Gesagtes zusätzlich dokumentieren soll. Danach soll dem Werdegang des Begriffs Schulwesen Aufmerksamkeit geschenkt werden, wobei auf eine ausführliche Darstellung der reformpädagogischen Bewegung hier aus Platzgründen verzichtet werden soll. Im letzten Kapitel werden die verschiedenen Dimensionen des Schullebens kurz vorgestellt. In diesem Kapitel werden die wichtigsten Schullebensformen betrachtet, die stellvertretend für die Fülle der weiteren Möglichkeiten zur Umsetzung von Schulleben stehen sollen. Im Anschluss möchte ich dann mit einer kurzen Zusammenfassung schließen.
2. Das Schulleben im Wandel der Geschichte
Die Schule hat im Laufe der Zeit einen langen Wandel durchgemacht. Schon seit langer Zeit existiert eine nicht wegzudenkende Einheit von Unterricht und Erziehung, die durch die Kloster- und Lateinschulen schon im Mittelalter begründet wurde. Zur damaligen Zeit herrschte die Vorstellung, dass der Mensch und die Welt ein Produkt eigener Praxis sind. Das Wissen und der Glaube beginnen, sich voneinander wegzubewegen und Erziehung wird zum Mittel des Tradierens von Lebensform. In der Aufklärung wird man sich der Erziehung weiter bewusst und Kinder werden ab diesem Zeitpunkt als Kinder gesehen. Die Schule beginnt sich langsam aus der Bevormundung der Kirche zu befreien. Wichtige Vertreter dieser Zeit waren Emanuel Kant[1] (1724-1804) und Jean Jaques Rousseau (1712-1778), die die nachfolgenden Reformer maßgeblich beeinflussten[2].
2.1. Erstmalige Thematisierung des Schullebens durch Pestalozzi
Pestalozzi wurde 1746 in Zürich geboren und starb 1827 in Brugg. Er war Pädagoge in einer Zeit des Umbruchs durch Französische Revolution und Restauration. Er leitete Waisenanstalten und Armenschulen[3]. Sein Hauptwerk ist „Wie Gertrud ihre Kinder lehrt“[4], das er 1801 in Burgdorf verfasste.
Dieses Werk ist eine Folge von 14 Briefen an den Verleger Heinrich Geßner[5]. Es sind jedoch keine persönlichen Briefe, sondern Kapitel eines in Briefform abgefassten Buchs. Er schrieb dieses Buch mit der Intention den Müttern eine Anleitung zu geben, wie sie ihre Kinder selbst erziehen können. Denn Pestalozzi war davon überzeugt, dass jede Mutter von einem natürlichen Instinkt angetrieben wird, das Beste für ihr Kind zu wollen, und dass es nicht an gutem Willen, sondern allenfalls an der nötigen Einsicht in die Zusammenhänge und insbesondere an praktischen Hilfsmitteln fehlt. Dieses Werk richtet sich an die unteren Bevölkerungsschichten, war er doch ein starker Förderer derer. Das Werk stellte demnach eine nahezu präzise Anleitung für Lehrende dar, den Unterricht zu gestalten und Wissen zu vermitteln. Im Mittelpunkt steht Gertrud, eine liebende erziehende Mutter, sozusagen die Seele der Familie, die Kindern Schritt für Schritt Wissen vermittelt. Sie versucht dies mit gezielten Fragen und ständigen Wiederholungen des vermittelten Wissens, um das Kind dazu zu bewegen, diese neuen Kenntnisse zu verinnerlichen und selbständig Schlüsse zu ziehen[6].
Pestalozzi greift Rousseaus Überlegungen kritisch auf, entwickelt dann praxisbezogen einen eigenen Ansatz zur sittlichen Elementarerziehung, der bis heute prägend ist. Die anthropologischen Grundlagen des Ansatzes klingen zunächst sehr optimistisch, sind später dann auch mit Skepsis verbunden[7]. Der Mensch gilt Pestalozzi als Werk der Natur[8], der Gesellschaft[9] und seiner eigenen Erziehung[10].
Sittlichkeit entsteht nach Pestalozzi in einem steten Streben und Bemühen. Sie ist das Ziel bzw. das Ideal des Menschen. Die pädagogische Aufgabe besteht deshalb darin, das Streben des Menschen zu veredeln bzw. sein Gewissen zu bilden. Das Ziel ist dabei, einen Zustand innerer und äußerer Harmonie zu erlangen. Es handelt sich hierbei um eine von Gott gegebene natürliche Bestimmung des Menschen zur Liebe.
Liebe wird nach Pestalozzi konkret erworben, nicht nur abstrakt gedacht. Sie ist der göttliche Funke im Herzen. Grundlage für die Fähigkeit zu lieben ist die Liebe der Eltern, also eine sozial vermittelte Liebe, die erfahren wurde. Dankbarkeit und Vertrauen sind die Wurzeln des eigenen Liebenkönnens. Es handelt sich also um eine religiöse Begründung der Sittlichkeit, denn sie bedarf einer gläubigen Liebe des Menschen. Aus diesen Vorüberlegungen lassen sich Folgerungen für eine sittliche Elementarerziehung ziehen: Es soll elementar, d.h. von grundlegenden Bausteinen her, gelernt werden, auch in Bezug auf die sittliche Erziehung: Es geht um die Erschließung grundlegender Muster des sittlich handelnden Subjekts. Pestalozzi geht von der Theorie der Lebenskreise aus, die sich in einem konzentrischen Modell darstellen lässt.
Die Theorie besagt, dass ein junger Mensch in Lebenskreisen seiner Umwelt lebt und lernt. Der innerste Kreis ist die Familie (Wohnstube), der nächste die Schule (gewissermaßen als Weiterführung der Wohnstube), der dritte Kreis stellt den Beruf und die Standeswelt des handwerklichen Schaffens dar, der äußerste den Staat als Lebensgemeinschaft des Volkes, das Vaterland. Dahinter steht die Theorie des ganzheitlichen Lernens: Der Mensch soll durch die Erziehung zur wahren Menschheit und zu seiner Bestimmung gelangen, alle seine Kräfte sollen zu ihrer Entfaltung gebracht werden können. Diese lassen sich in der berühmt gewordenen Trias von Kopf, Herz und Hand zusammenfassen. Dabei steht der Kopf für das Wissen und Verstehen des Menschen und betrifft damit die intellektuelle Erziehung. Das Herz umschreibt das Wollen des Menschen, das einer sittlichen Erziehung bedarf. Mit der Hand ist das Können gemeint, das körperlich erzogen werden kann. Daraus ergeben sich verschiedene Erziehungswege oder –mittel: Die Übung wird gelernt durch Gebrauch und Praxis, die Anschauung ist das Fundament aller Erkenntnis gemäß der aristotelischen Erkenntnistheorie und die Selbsttätigkeit ist das erklärte Ziel der Erziehung. Sie ist die Bildung des Gewissens und die Entwicklung einer gläubigen Liebe, die sich in Vertrauen und Hingabe zeigt. Es geht also um eine umfassende „Herzensbildung“. Das Stufenmodell sittlicher Elementarbildung betont vor allem drei Momente:
1. Erziehung durch Gefühle
Der gelebte Umgang mit anderen Menschen, die sittlich gebundenen Besorgungen des Alltags, sollen Vertrauen, Liebe und Weitherzigkeit wecken als sittliche Grundstimmungen.
2. Sittliche Übungen durch Selbstüberwindung und Anstrengung
Die sittlichen Handlungserfahrungen führen zu einer Zuwendung zu anderen aus Liebe und Weitherzigkeit, die weiteres erfahrungsbezogenes Lernen und Tun ermöglichen.
3. Sittliche Einsicht durch Vergleichen
Die Reflexionsstufe der begrifflichen Einsicht und Erkenntnis bezieht sich auf die vorgängigen Handlungserfahrungen. Es sollen möglichst große und umfassende Begriffe gewonnen werden. Bei Pestalozzi entspricht die sittliche Bildung einem gestuften Lernprozess, der aus Disposition, Aktion und Reflexion besteht. Innerhalb dieses Lernprozesses soll die gläubige Liebe als Voraussetzung und Ziel der Erfahrung entfaltet werden. Um dies zu erreichen, bedarf es sowohl einer gewissen Nüchternheit als auch einer Zuversicht. Der Mensch neigt zwar zu Destruktion und Zerstörung von Natur aus, doch gilt es, diese Natur zu veredeln durch die Hingabe zum Wohl des anderen. Die Wirkungsgeschichte der sittlichen Elementarerziehung von Pestalozzi ist weit reichend: Das Konzept der Volksschulbildung knüpfte an seine Theorien an, ebenso wie das preußische Schulwesen. Friedrich Fröbel (1782-1852), Begründer der Kindergartenerziehung im deutschen Raum, orientiert sich am „Wohnstubenmodell“ Pestalozzis. Gustav Friedrich Dinter (1760-1833) verwendet Pestalozzis Ansatz für den evangelischen Religionsunterricht und für die Unterstufe der Volksschule. Friedrich Adolf Wilhelm Diesterweg (1790-1866) entfaltet das Prinzip der Anschauung und Selbsttätigkeit in seiner Didaktik der Volksschule, um eine Erziehung mündiger Staatsbürger zu erreichen[11].
Der größte Einschnitt in die Geschichte des Bildungswesens bahnte sich durch das staatlich reglementierte Schulwesen an, das noch zu Lebzeiten Pestalozzis begann. Die Institution Schule veränderte sich durch das unaufhaltsame Weltwachstum und verstärkten und erweiterten somit den Funktionsbereich der Schule[12].
2.2. Der Weg zum staatlichen Schulwesen
Eine bedeutende Zeitepoche für die Entstehung des deutschen Bildungssystems war das erste Drittel des 19. Jahrhunderts. Hier wurden aufbauend auf den Entwicklungen im späten 18. Jahrhundert die Weichen für das heutige Bildungswesen gestellt. In der Zeit der preußischen Reformära, wie auch im nachfolgenden Zeitalter der Restauration wurden zahlreiche Reformen zur Modernisierung des preußischen Staates in Angriff genommen – und dies nicht nur im Bereich des preußischen Schulwesens. Nach dem Zusammenbruch des alten Reiches im Jahre 1806 erschien eine grundlegende Reformierung des überkommenen Staats- und Gesellschaftssystems dringend erforderlich. Triebkräfte waren liberale Staatsbeamte, die sich von der Erneuerung des Schulwesens als einem bedeutenden gesellschaftlichen Teilbereich positive Impulse für das gesamtstaatliche bzw. gesamtgesellschaftliche Reformprojekt versprachen[13].
Schüler von Pestalozzi wirkten am preußischen Kultusministerium vor allem gegen den Erziehungsdrill, wie er an Volkshochschulen vorherrschte, aber das neu entstehende Schulwesen fußte auf dem Kant-Schüler Herbart[14].
[...]
[1] Herbart war ein Kant-Schüler.
[2] Vgl. Günter, W.: „Schule als Lebensraum“. In: Frommer, H. (Hrsg.): Handbuch Praxis des Vorbereitungsdienstes. Band 1. Erziehungswissenschaftliche Grundlegungen. 3. Aufl., Düsseldorf 1986, S. 325. ; Wikipedia: Die freie Enzyklopädie: URL: http://www.wikipedia.de, besucht am 5.5.05.
[3] 1771 nahmen Pestalozzi und seine Frau circa 40 Kinder auf ihr Landgut (Armenanstalt auf dem Neuhof) auf und verbanden industrielle Tätigkeit (Spinnen, Weben) mit Schulunterricht und sittlicher Erziehung.
[4] Siehe Anlage mit Textauszügen aus diesem Werk.
[5] Der dem Werk schließlich auch den Titel gab.
[6] Vgl. Pestalozzi, J.H.: Wie Gertrud ihre Kinder lehrt : ein Versuch, den Müttern Anleitung zu geben, ihre Kinder selbst zu unterrichten, in Briefen. Hrsg. von Albert Reble. - 2. Aufl. - Bad Heilbrunn, 1964.
[7] Vgl. Wikipedia, op. cit.
[8] Der Mensch ist bestimmt durch einen natürlichen Egoismus, der auch als „Tierzustand“ des Menschen bezeichnet werden kann.
[9] Der Mensch ist bestimmt durch gesellschaftliche Determinanten, Milieus, Umstände, d.h. das Verhältnis zwischen Einzelnem und der Gesellschaft wird dialektisch gesehen.
[10] Der Mensch ist Werk seiner selbst und seinem Streben nach Vollendung, die einen unabgeschlossenen Zielpunkt darstellt.
[11] Vgl. Pestalozzi, J.H.: Sämtliche Werke. Kritische Ausgabe. Begründet von Artur Buchenau; Eduard Spranger; Hans Stettbacher. Berlin/Zürich, 1927-1996.
[12] Vgl. Günter, op. cit., S. 326.
[13] Vgl. Wikipedia, op. cit.
[14] Vgl. Günter, op. cit., S. 327 f.
- Citar trabajo
- Larissa Neuefeind (Autor), 2005, Schule als Lebensraum im Spiegel der pädagogischen Fachliteratur, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77606
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