Die wissenschaftlichen und sozialkritischen Analysen des Soziologen, Kulturphilosophen und Zeitkritikers Pierre Bourdieu haben nicht nur für Frankreich eine große Bedeutung gewonnen, sondern die Forschungsschwerpunkte des Franzosen erlangten auch in Deutschland im Bereich der Kultur- und Bildungssoziologie eine immer größere Bedeutung. Besonders das Thema „Bildung und soziale Ungleichheit“ steht im Mittelpunkt dieser Debatte.
Der Begriff des Habitus erhielt durch Bourdieu seine Prägung. Seine Erklärung der „Habitus-Theorie“ wird im Zusammenhang mit „Bildung und sozialer Ungleichheit“ von Wichtigkeit, da er die „Klassenkulturen“ für die Aufrechterhaltung von sozialer Ungleichheit verantwortlich macht. Bourdieu geht von einer Ungleichverteilung dreier Ressourcen unter der Bevölkerung aus: dem ökonomischen Kapital, dem Bildungskapital und dem sozialen Kapital. Dadurch gliedern sich die Gesellschaftsmitglieder in eine vertikale Klassenordnung. Das Aufwachsen innerhalb der jeweiligen Lebensbedingungen bestimmter Klassen, lässt Bourdieu zufolge „automatisch“ und weitgehend unbewusst bestimmte Habitusformen entstehen, die dann die Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen in ihrem Verhalten begrenzen.
Dem Bildungssystem einer Gesellschaft unterstellt Bourdieu eine zentrale Bedeutung in der Reproduktion sozialer Ungleichheiten. Für Bourdieu geht es in der Schule nicht nur um Erziehung, sondern sie dient als Selektionsmittel und produziert demnach nicht nur Wissen, sondern auch Stile, Haltungen, Meinungen und Urteile, ohne das es den Individuen bewusst wird. Nach Bourdieu wird die pädagogische Arbeit als „Einprägungsarbeit“ gesehen, die durch „magische Weiherituale“ legitimiert wird. Nach Bourdieu sind es die Unterrichtsmethoden und Beurteilungsverfahren in den Schulen und Universitäten, die vorhandene Ungleichheiten, indem sie ungleiche Eintrittsbedingungen von SchülerInnen und StudentInnen systematisch ignorieren, bestätigen.
Im Rahmen dieser Arbeit, die den Titel „Soziale Ungleichheit im Bildungssystem: Das Beispiel Frankreich“ trägt, soll betrachtet werden, in wieweit es einen Zusammenhang zwischen schulischen und familiären Habitusformen gibt und wie sie im direkten Zusammenhang mit dem Bildungssystem und Bildungschancen stehen und insbesondere, wie sich die französische „Eliteklasse“ ihren Erhalt sichert.
Bevor ich auf Bourdieu eingehe, werde ich zunächst allgemeine Punkte zum Thema der „sozialen Ungleichheit“ erläutern.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Der Begriff der sozialen Ungleichheit
2. Die Habitus-Theorie Pierre Bourdiues
3. Bildungsungleichheit im Bildungssystem
3.1. Die Schule ein Institutionsritus
3.2. Bildungschancen und Bildungsungleichheit
4. Bildungschancenungleichheit durch ein anerkanntes System: Das Beispiel Frankreich
4.1. Concours général : Ein Elitenrekrutierungsprogramm
4.2. Die Konstruktion des Adels?
5. Kommentar
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die wissenschaftlichen und sozialkritischen Analysen des Soziologen, Kulturphilo-sophen und Zeitkritikers Pierre Bourdieu haben nicht nur für Frankreich eine große Bedeutung gewonnen, sondern die Forschungsschwerpunkte des Franzosen erlangten auch in Deutschland im Bereich der Kultur- und Bildungssoziologie eine immer größere Bedeutung. Besonders das Thema „Bildung und soziale Ungleichheit“ steht im Mittelpunkt dieser Debatte.
Der Begriff des Habitus erhielt durch Bourdieu seine Prägung. Seine Erklärung der „Habitus-Theorie“ wird im Zusammenhang mit „Bildung und sozialer Ungleichheit“ von Wichtigkeit, da er die „Klassenkulturen“ für die Aufrechterhaltung von sozialer Ungleichheit verantwortlich macht. Bourdieu geht von einer Ungleichverteilung dreier Ressourcen unter der Bevölkerung aus: dem ökonomischen Kapital, dem Bildungskapital und dem sozialen Kapital. Dadurch gliedern sich die Gesellschaftsmitglieder in eine vertikale Klassenordnung. Das Aufwachsen innerhalb der jeweiligen Lebensbedingungen bestimmter Klassen, lässt Bourdieu zufolge „automatisch“ und weitgehend unbewusst bestimmte Habitusformen entstehen, die dann die Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen in ihrem Verhalten begrenzen.
Dem Bildungssystem einer Gesellschaft unterstellt Bourdieu eine zentrale Bedeutung in der Reproduktion sozialer Ungleichheiten. Für Bourdieu geht es in der Schule nicht nur um Erziehung, sondern sie dient als Selektionsmittel und produziert demnach nicht nur Wissen, sondern auch Stile, Haltungen, Meinungen und Urteile, ohne das es den Individuen bewusst wird. Nach Bourdieu wird die pädagogische Arbeit als „Einprägungsarbeit“ gesehen, die durch „magische Weiherituale“ legitimiert wird. Nach Bourdieu sind es die Unterrichtsmethoden und Beurteilungsverfahren in den Schulen und Universitäten, die vorhandene Ungleichheiten, indem sie ungleiche Eintrittsbedingungen von SchülerInnen und StudentInnen systematisch ignorieren, bestätigen.
Im Rahmen dieser Arbeit, die den Titel „Soziale Ungleichheit im Bildungssystem: Das Beispiel Frankreich“ trägt, soll betrachtet werden, in wieweit es einen Zusammenhang zwischen schulischen und familiären Habitusformen gibt und wie sie im direkten Zusammenhang mit dem Bildungssystem und Bildungschancen stehen und insbesondere, wie sich die französische „Eliteklasse“ ihren Erhalt sichert.
Bevor ich auf Bourdieu eingehe, werde ich zunächst allgemeine Punkte zum Thema der „sozialen Ungleichheit“ erläutern.
1. Der Begriff der sozialen Ungleichheit
„Als soziale Ungleichheiten bezeichnet man Lebensbedingungen (Arbeitsbedingungen, Einkommen, Vermögen, Bildungsgrad etc.), die es Menschen erlauben, in ihrem alltäglichen Handeln allgemein geteilte Ziele eines „guten Lebens“ (wie z.B. Gesundheit, Sicherheit, Wohlstand, Ansehen) besser als andere Menschen zu erreichen.“[1]
Erstens bezieht sich der Begriff der sozialen Ungleichheit auf „Güter“, die innerhalb einer Gesellschaft als „wertvoll“ gelten. Als „wertvoll“ können Güter bezeichnet werden, wenn sie dazu geeignet sind ein „gutes Leben“ zu führen und zum anderen auch dann, wenn sie als „verknappt“ gelten. Zweitens beziehen sich soziale Ungleichheiten auf solche wertvollen Güter, die bestimmten Gesellschaftsmitgliedern in einem größeren Umfang zur Verfügung stehen als anderen. Und drittens beziehen sich soziale Ungleichheiten auf solche „wertvollen Güter“, die Menschen auf Grund ihrer gesellschaftlichen Positionen und sozialen Beziehungen zugeordnet werden.[2]
In der Soziologie wird immer dann von „sozialer Ungleichheit“ gesprochen, wenn als „wertvoll“ geltende „Güter“ ungleich verteilt sind. Zu differenzieren ist die „soziale Ungleichheit“ von der „Ungleichheit“, mit der man im Allgemeinen eine „Ungerechtig-keit“ verbindet. Für die sozialwissenschaftliche Betrachtung von „sozialer Ungleich-heit“ sind nur solche Ungleichheiten von Interesse, die in einer „regelmäßigen Form“ ungleich verteilt sind. D.h. nicht alle Vor- und Nachteile können als „soziale Ungleichheiten bezeichnet werden. Zusammenfassend ist zu sagen, dass nicht als soziale Ungleichheiten gelten: „natürliche“, „individuelle“, „momentane“ und „zufällige“ Ungleichheiten.
Es gibt eine große Anzahl von un- und vorteilhaften Lebensbedingungen, darum werden solche Lebensbedingungen um sie für die soziologische Betrachtung übersichtlich zu halten, in „Dimensionen“ eingeteilt. Die wichtigsten Dimensionen sind: Bildung, materieller Wohlstand, Macht und Prestige. Höhere, niedrigere Stellungen im Beruf, Macht und Prestige von Menschen, werden als „Status“ bezeichnet. Menschen mit ähnlichem Status bezeichnet man als Schichten.
Ein Gefüge sozialer Ungleichheit ergibt sich aus einer bestimmten Struktur von den genannten Dimensionen sozialer Ungleichheit. Die wichtigsten Gefüge sozialer Ungleichheit sind: Stände, Klassen, Schichten und soziale Lagen. Diese Begriffe können an dieser Stelle allerdings nicht näher erläutert werden.[3]
2. Die Habitus-Theorie Pierre Bourdiues
Da es für Bourdieu gerade die „Klassenkulturen“ sind, die das Gefüge der sozialen Ungleichheit aufrechterhalten, werde ich zunächst auf die Habitus-Theorie von Bourdieu eingehen. Generell geht Bourdieu von einer ungleichen Verteilung dreier Ressourcen innerhalb der Gesellschaft aus: dem ökonomischen Kapital, dem Bildungskapital und dem sozialen Kapital. Je nach dem, über welchen „Kapitalbesitz“ Gesellschafts-mitglieder verfügen, ordnen sie sich in einer „vertikalen Form“ bestimmten Klassen zu. Sie gehören demnach entweder der „Arbeiterklasse“, dem „Kleinbürgertum“ oder der „Bourgeoisie“ an. Das Wichtige hierbei ist, dass die jeweiligen Lebensbedingungen, in denen Menschen aufwachsen, für die spezifischen Habitusformen verantwortlich sind. Denn laut Bourdieu entstehen diese Habitusformen weitgehend unbewusst. Mit Habitusformen sind latente Denk-, Wahrnehmungs- und Bewertungsmuster der Menschen gemeint.[4]
Der Begriff des „Habitus“ ist seit langem tradiert und findet sich bei unterschiedlichen philosophischen und soziologischen Autoren wie Aristoteles, Max Weber, Marcel Mauss, Emile Durkheim etc., er ist also keine begriffliche Erfindung Bourdieus selbst. Jedoch ist der Begriff für Bourdieus Sozialtheorie ein „Schlüsselbegriff“. Der Habitus lässt sich dadurch beschreiben, dass aus ihm Handlungen, Wahrnehmungen und Beurteilungen entspringen. Er erzeugt sie, also kann man den Habitus als eine Art Generator bezeichnen. Bourdieu geht davon aus, dass wir in Dreiviertel unserer Handlungen automatisiert handeln. „Wir sind sowohl Automat als auch Geist. Daher kommt es, dass es nicht bloß eines rationalen Beweises bedarf, um uns von etwas zu überzeugen. Beweise wirken nur auf den Geist. Die eingelebte Gewohnheit aber überzeugt uns am massivsten und eindringlichsten. Sie bringt den Automaten dazu nachzugeben. Er reißt den Geist mit, ohne Gewalt. Ohne Kunst, ohne Argument die Dinge glaubhaft macht.“[5]
Die Habitusformen sind einerseits handlungsbegrenzend, andererseits aber auch handlungsermöglichend. Der Habitus der Arbeiterklasse entsteht nach Bourdieu in einer Situation „harter Notwendigkeiten“. Dieser Habitus zieht ein Funktionsdenken nach sich, wie z.B. beim Kauf von Kleidungsstücken oder Wohnungseinrichtungen, d.h. hier überwiegt der funktionale Aspekt dem der Ästhetik. Der Habitus des Kleinbürgertums äußert sich in einem „angestrengtem Bemühen“ immer „das Richtige“ zu tun. Vorgegebene Normen werden peinlich genau erfüllt. Hingegen ermöglicht es der Habitus der Bourgeoisie einen eigenen kulturellen Stil zu entwickeln und sich nicht kulturellen Standards anzupassen. Es ist dieser Klasse sogar möglich, den eigenen Stil als eine gesellschaftliche Norm zu propagieren und durchzusetzen.
Bourdieu hat die Konsequenzen dieser Habitusformen mit Hilfe von Lebensstil-merkmalen erforscht. Wie z.B. die bevorzugte Wohnungseinrichtung und Speisen, beliebteste Sänger oder Musikwerke, die Häufigkeit von Theaterbesuchen.[6]
Derartige Lebensstile wirken sich auf die Habitualisierung von Menschen aus und begleiten sie im alltäglichen Leben. Besonders im Bezug auf Bildungschancen kann man sagen, dass das soziale Umfeld die Sozialisation und somit auch die Chancen auf Bildung erhöht, respektive verringert. Dieses Problem greift Bourdieu in seinen Ausführungen über die Ungleichen Chancen in unserem Bildungssystem auf.
[...]
[1] Hradil, S.: Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. VS-Verlag, Wiesbaden 2004, S.195.
[2] Vgl.: Hradil, S. Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. VS-Verlag, Wiesbaden 2004, S.196.
[3] Vgl.: Hradil, S.: Die Sozialstruktur Deutschlands im internationalen Vergleich. VS-Verlag, Wiesbaden 2004, S.197
[4] Vgl.: Hradil, S.: Soziale Ungleichheit in Deutschland. UTB, Opladen 2001, S.90.
[5] Kaesler, D.: Klassiker der Soziologie. Band II, Von Talcott Parsons bis Pierre Bourdieu, Beck, München 2000, S.259f.
[6] Vgl.: Hradil, S.: Soziale Ungleichheit in Deutschland. UTB, Opladen 2001, S.90f.
- Arbeit zitieren
- Dipl.-Soz.-Wiss. Nicole König (Autor:in), 2007, Soziale Ungleichheit im Bildungssystem: Das Beispiel Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77528
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