Die Bewohner der mittelalterlichen Stadt stellen sich uns heute als ein Konglomerat unterschiedlich konstituierter Gruppen dar, deren jeweiligen spezifischen Wertesysteme die Art und Weise ihres Verhaltens im sozialen Umfeld bestimmten. Neben der exakten archivartigen Darstellung der Ergebnisse dieses Handelns sollte die Geschichtswissenschaft aber noch einen weiteren Schritt leisten, sie muss der Beobachtung eine Erklärung, das ‚Warum’ gewisser Entscheidungen und daraus resultierender Ereignisse, anheim stellen, wobei sie zur eigentlichen Forschung, dem Suchen nach Gründen übergeht.
Die Feststellung von Gilden als eine europäische Erscheinung des Mittelalters und Phänomen der okzidentalen Kultur, lässt eine zusätzliche Problemebene erkennen. Eine die Fragen nach der Verbindung von bestimmten Gesellschaften und Religionen sowie deren immanentes Verständnis von einer ‚gottgewollten harmonischen Ordnung der Dinge’ aufwirft. Dabei stellt die Einteilung der Welt in unterschiedliche Schichten, Klassen oder Stände jeweils nur eine Deutung einer angenommenen Wirklichkeit dar, welche denn auch den historischen Figuren selbst oder dem Begriffsfundus eines Historikers entstammen kann.
Diese Arbeit soll die weiter oben aufgeworfenen Fragen exemplarisch anhand einungsrechtlicher Verbandsstrukturen, des 11. bis 13. Jahrhunderts, im nordwesteuropäischen Raum untersuchen. Sie wird sich dabei auf sog. ‚Sekundärliteratur’ stützen und so die durch die Bearbeitung konkreter historischer Statute aufkommenden Probleme einer Generalisierung, für den genannten Zeitrahmen und das geografische Einzugsgebiet, zu umschiffen versuchen. Dem Hauptteil soll bei der Beantwortung der Fragen die eigentliche Aufmerksamkeit zufallen, die vier Unterpunkte dieses Kapitels können dabei als eine im Komplexitätsgrad kontinuierlich ansteigende Untersuchungskurve aufgefasst werden. Die von einer recht allgemeinen Beschreibung des Begriffes der ‚sozialen Gruppen’ im eigentlichen speziellen Untersuchungsfeld dieser Arbeit, der Funktion einungsrechtlicher kaufmännischer Verbindungen in der städtischen Bürgerkommune, mündet. Den Abschluss soll daraufhin eine letzte überblicksartige Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse bilden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Merkmale kaufmännischer Gilden des norddeutschen Raumes
- Soziale Gruppen und ihre rechtliche Manifestation in der Schwurgemeinschaft
- Begriffsklärung – Gilde, „Alte Gilde”, „Neue Gilde”
- Strukturen und Aufgaben einer Gilde(-Verfassung)
- Zur Funktion der kaufmännischen Gilden in der Bürgerkommune
- Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Entstehung und Funktion von „neuen Gilden“ in spätmittelalterlichen Städten, insbesondere im nordwesteuropäischen Raum. Ziel ist es, die geschichtlichen Hintergründe dieser kaufmännisch-einungsrechtlichen Bindungen zu erforschen und ihre Rolle im städtischen Umfeld zu beleuchten.
- Entstehung und Entwicklung von kaufmännischen Gilden im Mittelalter
- Rechtliche Strukturen und Funktionsweise von Gilden
- Die Rolle von Gilden in der städtischen Bürgerkommune
- Soziale Gruppen und ihre Beziehungen zueinander im mittelalterlichen Kontext
- Der Einfluss von Religion und Politik auf die Entwicklung von Gilden
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung führt in das Thema der Gruppenkultur im mittelalterlichen Europa ein. Die Arbeit setzt sich mit den spezifischen Wertesystemen und dem Verhalten von Menschen in diesem Kontext auseinander. Dabei werden die Auswirkungen der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppen, die Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb von Gruppen und die wechselseitigen Einflüsse zwischen verschiedenen Gruppen beleuchtet.
Merkmale kaufmännischer Gilden des norddeutschen Raumes
Dieses Kapitel untersucht die Eigenschaften von kaufmännischen Gilden im norddeutschen Raum. Es werden die fünf wichtigsten Faktoren, die eine soziale Gruppe definieren, vorgestellt: gemeinsames Interesse, Regelkatalog, gewünschtes Verhalten, interne Differenzierung und Dauerhaftigkeit.
Des Weiteren wird die Rolle des Christentums in der Entwicklung von Gruppenstrukturen im Mittelalter hervorgehoben. Die Einleitung beleuchtet die Bedeutung von Selbsthilfe und Genossenschaft in der mittelalterlichen Gesellschaft als Reaktion auf den Zerfall des Römischen Reiches.
Schlüsselwörter
Kaufmännische Gilden, spätmittelalterliche Stadt, Einungsrecht, soziale Gruppen, Bürgerkommune, Schwurgemeinschaft, norddeutscher Raum, mittelalterliche Gesellschaft, Christentum, Selbsthilfe, Genossenschaft, Rechtliche Strukturen, Funktion, Entstehung, Entwicklung.
- Citation du texte
- Lars Wegner (Auteur), 2006, "Neue Gilden" in der spätmittelalterlichen Stadt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77397