„Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Wege finden, die Kunden länger zu binden, mehr Umsatz mit bestehenden Kunden zu machen und deren Bedürfnisse besser zu befriedigen.“ berichtet das Wirtschaftsmagazin W&V im Dezember 2005 in einer Revue über das Treffen internationaler Marketingexperten in München.
Eine Möglichkeit zur Kundenbindung ist der Aufbau von Wechselkosten. Wenn der Aufwand für einen Anbieterwechsel aus Kundensicht höher ist als der daraus entstehende Nutzen, wird dieser Wechsel in der Regel nicht erfolgen. Wechselkosten können dabei sehr unterschiedliche Ausprägungen annehmen, bspw. emotionale Verbundenheit mit dem aktuellen Anbieter, Such- und Evaluierungskosten, vertragliche Gebundenheit etc. Die Existenz der gegenseitigen Beeinflussung von Wechselkosten und Kundenwert wird mittlerweile nicht mehr in Frage gestellt. Obgleich Wechselkosten ein fester Bestandteil des Kundenwertmanagements geworden sind, existieren kaum Studien darüber auf welche Treiber des Kundenwertes die Wechselkosten in welcher Weise Einfluss nehmen und vice versa. Wechselkosten müssen nicht immer positive Auswirkungen auf den Kundenwert haben und Kunden mit hohem Wert für das Unternehmen müssen nicht unbedingt hohe Wechselkosten erfahren. Die Auswirkungen, welche diese beiden Größen aufeinander haben, unterscheiden sich teilweise enorm. Um den Kundenwert und damit letztendlich auch die Profite eines Unternehmens zu optimieren, spielt es deshalb eine große Rolle diese beiden Konstrukte und ihre Interaktion im Detail zu verstehen und gezielt beeinflussen und steuern zu können.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Anknüpfungspunkte der beiden Konzepte Kundenwert und Wechselkosten herausgearbeitet werden und gezeigt werden wie ihr Zusammenspiel genau funktioniert. Dabei wird u. a. versucht eine Antwort auf die Frage zu finden inwieweit Wechselkosten einen Anteil daran haben Kundenbeziehungen zu verlängern und gleichzeitig den Umsatz dieser Kunden zu erhöhen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
1.2 Vorgehensweise
2 Wechselkosten
2.1 Definition von Wechselkosten
2.2 Arten von Wechselkosten
2.3 Das Problem der Messbarkeit von Wechselkosten
3 Kundenwert
3.1 Definition von Kundenwert
3.2 Beschreibung von Customer Equity-Modellen
4 Auswirkungen der Wechselkosten auf den Kundenwert
4.1 Cross-Selling und Up-Selling
4.2 Erhöhte Kundenbindung
4.3 Akquisitionskosten
4.4 Reduzierte Volatilität der Kundenbasis
5 Auswirkungen des Kundenwertes auf die Wechselkosten
5.1 Abschöpfen von Wechselkosten
5.2 Kundensegmentierung
5.2.1 Umgang mit den „Gästen“
5.2.2 „Fragezeichen“ entwickeln oder Wechselkosten senken
5.2.3 Entwicklung der „Zielgruppe“
5.2.4 „Stars“ halten, aber nicht um jeden Preis
5.3 Gegenseitiger Lock-in
6 Fazit
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Grundtypen von Wechselkosten
Abbildung 2: Kundenpyramide
Abbildung 3: Entwicklung von Kundensegmenten
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
„Um konkurrenzfähig zu bleiben, müssen die Unternehmen Wege finden, die Kunden länger zu binden, mehr Umsatz mit bestehenden Kunden zu machen und deren Bedürfnisse besser zu befriedigen.“[1] berichtet das Wirtschaftsmagazin W&V im Dezember 2005 in einer Revue über das Treffen internationaler Marketingexperten in München.
Diese Seminararbeit versucht Antworten zu geben auf die Fragen inwieweit die Wechselkosten einen Anteil daran haben Kundenbeziehungen zu verlängern und gleichzeitig den Umsatz dieser Kunden zu erhöhen, denn dies sind mitunter zwei Größen über welche die beiden Konstrukte Wechselkosten und Kundenwert miteinander in Verbindung stehen und sich gegenseitig beeinflussen.
Auswirkungen der Wechselkosten auf den Kundenwert werden mittlerweile nicht mehr in Frage gestellt. Obgleich Wechselkosten ein fester Bestandteil des Kundenwertmanagements geworden sind, existieren kaum Studien darüber auf welche Treiber des Kundenwertes die Wechselkosten in welcher Weise Einfluss nehmen und vice versa. Wechselkosten müssen nicht immer positive Auswirkungen auf den Kundenwert haben und Kunden mit hohem Wert müssen nicht unbedingt hohe Wechselkosten erfahren. Auch die Auswirkungen, welche die beiden Größen aufeinander haben, unterscheiden sich enorm. Um den Kundenwert und damit letztendlich auch die Profite eines Unternehmens zu optimieren, spielt es deshalb eine große Rolle diese beiden Konstrukte und ihre Interaktion im Detail zu verstehen und gezielt beeinflussen und steuern zu können.
Im Rahmen dieser Arbeit sollen die Anknüpfungspunkte der beiden Konzepte Kundenwert und Wechselkosten herausgearbeitet werden, um gleichzeitig zu zeigen wie das Zusammenspiel der Konstrukte genau funktioniert.
1.2 Vorgehensweise
Um die gemeinsamen Knotenpunkte zwischen Kundenwert und Wechselkosten identifizieren und bewerten zu können, werden diese beiden Konstrukte zunächst näher erläutert. Eine erschöpfende Beschreibung wird im Rahmen dieser Arbeit nicht angestrebt. Kundenwert und Wechselkosten werden lediglich insofern dargelegt als dieses für das Verständnis und das weitere Vorgehen notwendig ist.
Kapitel 2 beginnt mit der Definition von Wechselkosten und gibt im Folgenden einen Überblick über die einzelnen Arten von Wechselbarrieren. Der letzte Teil dieses Abschnittes befasst sich mit dem Problem der Messbarkeit von Wechselkosten.
In Kapitel 3 wird zuerst der Kundenwert definiert, um im Anschluss die wichtigsten Ansätze zur Messung und Prognose dieser Konzepte vorzustellen sowie deren Einschränkungen zu diskutieren.
Nachdem in Kapitel 2 die Wirkungsweise von Wechselkosten und in Kapitel 3 die Treiber des Kundenwertes aufgezeigt wurden, soll in Kapitel 4 und dem folgenden Kapitel nun die Synthese der Konzepte erfolgen. Es wird gezeigt auf welche Weise Wechselkosten die Determinanten des Kundenwertes beeinflussen.
In Kapitel 5 werden die Auswirkungen des Kundenwertes, insbesondere des individuellen Kundenwertes, auf die Wechselkosten untersucht. Da Wechselkosten vorrangig ein Instrument sind um letztlich Kundenwert zu erzeugen bzw. auszubauen, hat diese Betrachtungsweise vor allem strategische Implikationen. Es sollen Aussagen darüber getroffen werden wie die Wechselkosten gesteuert werden können um den Kundenwert weiter zu erhöhen. Da für diese Betrachtung eine Differenzierung der Kundenbasis vorgenommen werden muss, wird in Kapitel 5.2 zunächst die ABC-Methode zur Segmentierung der Kundenbasis angewandt um in den anschließenden Unterpunkten auf das empfohlene Verfahren mit den verschiedenen Segmenten einzugehen. Dieser Informationsfluss kann sozusagen als „Feedback“ des Kundenwertes an die Wechselkosten verstanden werden.
Im Fazit des letzen Teils der Arbeit, Kapitel 6, werden die vorangegangenen Erkenntnisse noch einmal zusammengefasst.
2 Wechselkosten
2.1 Definition von Wechselkosten
Wechselkosten sind monetäre und nicht-monetäre Barrieren, die ein Kunde überwinden muss, wenn er von einem Anbieter zum nächsten wechseln will. Porter beschreibt Wechselkosten allgemein als einmalige Kosten, die ein Kunde mit dem Prozess des Wechsels von einem Anbieter zu einem anderen assoziiert,[2] während Jackson detaillierter von psychischen, physischen und ökonomischen Kosten spricht, die ein Kunde bei einem Anbieterwechsel erfährt[3]. Ist der mit einem Anbieter- oder Produktwechsel verbundene Aufwand groß genug um den Kunden an seinen Anbieter zu binden, so wird von „Lock-in“ gesprochen. Durch Wechselbarrieren entsteht also eine Abhängigkeit des Kunden vom Anbieter.[4] In bestimmten Situationen kann auch eine gegenseitige Abhängigkeit entstehen. Dies wird als gegenseitiger Lock-in bzw. „Mutual Lock-in“ bezeichnet. Wechselkosten und daraus resultierender Lock-in existieren nicht per se, sondern sie gehen aus Entscheidungen von Kunden für bestimmte Produkte hervor. Unabhängig davon ob Wechselkosten natürlich entstehen oder vom Unternehmen künstlich geschaffen werden, reduzieren sie in jedem Fall die Nachfrageelastizität und damit die Rivalität zwischen den Unternehmen, was diesen eine gewisse Monopolmacht verleiht.[5]
2.2 Arten von Wechselkosten
Es existiert eine Vielzahl verschiedener Arten von Wechselkosten und Kategorisierungen dieser Arten. So unterscheiden z.B. Hess und Ricart zwischen bereits getätigten Investitionen, potenziellen Investitionen und Opportunitätskosten[6], Büschken unterteilt Wechselkosten in transaktionale Kosten, Lernkosten, den Verlust von Treuerabatten, markenspezifischen Investitionen und Kompatibilitätsverlusten[7], während Burnham,
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Grundtypen von Wechselkosten[8] in Anlehnung an: Hess/Ricart (2002), S.8, Burnham/Frels/Mahajan (2003), S.111f., Büschken (2004), S.18-27, 117ff.
Frels und Mahajan eine Dreiteilung in prozessbedingte, finanzielle und relationale Wechselkosten vornehmen[9].
In dem hier zu untersuchenden Zusammenhang erscheint es am sinnvollsten eine elementare Betrachtung der wichtigsten Wechselkostenelemente vorzunehmen, da eine Zusammenfassung zu übergeordneten Gruppen zum Verständnis von Wechselkosten nicht unbedingt notwendig ist und im weiteren Verlauf der Arbeit wiederholt Bezug auf konkrete Ausprägungen von Wechselkosten genommen wird. In Abbildung 1 werden deshalb die wichtigsten Grundtypen von Wechselkosten aufgezählt und erläutert.
Die Aufzählung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da differenziert nach Branchen, B2B oder B2C-Beziehungen sowie nach Produkten und Dienstleistungen Wechselkosten viele unterschiedliche und auch sehr spezifische Formen annehmen können. Diese Spezialformen tragen aber zum allgemeinen Verständnis der Interaktion von Wechselkosten und Kundenwert wenig bei und werden deshalb hier auch nicht aufgelistet.
2.3 Das Problem der Messbarkeit von Wechselkosten
Probleme bei der Beurteilung der Auswirkungen von Wechselkosten auf den Kundenwert ergeben sich bereits bei der Messung dieser Kosten.
Während sich z.B. der Kaufpreis eines alternativen Produktes, vertragliche Kosten, der Verlust von Treuerabatten etc. relativ einfach bestimmen lassen, sind emotionale Kosten, Lernkosten, relationale Kosten etc. von Kunde zu Kunde sehr stark unterschiedlich ausgeprägt und quantitativ nur mit großem Aufwand messbar. So schwanken mitunter die Lernkosten verschiedener Kunden in Abhängigkeit davon, für wie kostbar diese ihre Zeit bewerten.[10] Dies führt dazu, dass die meisten Modelle die Wechselkosten nur indirekt bestimmen. Die Wechselkosten des Kundenstammes werden also nicht über eine Aufsummierung der einzelnen gemessenen kundenindividuellen Beträge berechnet, sondern über die Differenz zwischen den Kosten eines Wechsels auf einem Markt mit Wechselkosten und den Bedingungen eines Marktes ohne Wechselkosten.[11] Die Höhe der errechneten Wechselbarriere für den gesamten Kundenstamm eines Unternehmens, oder gar einer Branche, kann also immer nur einen Durchschnittswert und damit eine Annäherung an die tatsächlichen Wechselkosten darstellen. Informationen über die Bandbreite, in der sich diese Kosten bewegen können bzw. die Abweichungen vom Mittelwert, gehen verloren.
Shy modelliert Wechselkosten in Abhängigkeit von Preis und Marktanteil in einem Markt mit mehreren konkurrierenden Unternehmen.[12] Da annahmegemäß die Gewinne des Unternehmens mit dem größten Marktanteil am größten ausfallen, hat die kleinste Firma im Markt einen Anreiz die Preise der anderen Unternehmen zu unterbieten um Marktanteile zu gewinnen. Jedes Unternehmen, auch das kleinste, setzt dementsprechend seine Preise so, dass ein Unterbieten aus der Sicht des jeweils betrachteten Konkurrenten nicht mehr profitabel für diesen wäre. Die Wechselkosten einer Firma ergeben sich dann aus der Differenz zwischen ihren Preisen und den Preisen des betrachteten Konkurrenzunternehmens in Abhängigkeit der Marktanteile der beiden Wettbewerber. Die Ergebnisse von Shy sind allerdings unter den angeführten Restriktionen, wie der Annahme einheitlicher Wechselkosten, dem Wissen sämtlicher Unternehmen um die exakte Höhe dieser Wechselkosten und der Einschränkung, dass jede Firma im Preiskampf um Marktanteile nur jeweils genau eine andere Firma versucht im Preis zu unterbieten, kritisch zu betrachten.
Shapiro und Varian[13] stellen in einem einfachen Modell dar, dass einem Kunden, unter der Annahme ansonsten homogener Produkte, mindestens ein Preisnachlass in Höhe seiner Wechselkosten gewährt werden muss, um ihn zum Anbieterwechsel zu bewegen. Dieses Wissen bringt uns zwar der Berechnung von Wechselkosten nicht viel näher, aber die Beobachtung von Wechselkosten in bestimmten Märkten wird damit erleichtert. Eine gewisse Marketingerfahrung der etablierten Unternehmen vorausgesetzt, werden spezielle Wechselangebote für Konkurrenzkunden bei relativ homogenen Produkten oder Dienstleistungen immer den geschätzten Wechselkosten eines gewissen Kundenanteils des Wettbewerbers entsprechen müssen, da die Aktion ansonsten nicht erfolgreich wäre.
3 Kundenwert
3.1 Definition von Kundenwert
Der Kapitalwert einer einzelnen Kundenbeziehung über die gesamte Kundenlebensdauer wird als Customer Lifetime Value bzw. Kundenlebenszeitwert bezeichnet.[14] Kundenwert (bzw. Customer Equity) ist die Summe aller bereits abdiskontierten CLVs von aktuellen und je nach Modell auch potenziellen Kunden einer Firma.[15] Der Kundenwert umfasst also die Summe der individuellen Kundenbeiträge zur Zielerreichung des Unternehmens.[16] Diese Beiträge beinhalten neben den monetären Komponenten auch nicht-monetäre Wertbeiträge, wie z.B. das Weiterempfehlungspotenzial eines Kunden.
„Die zwei zentralen Probleme bei der Berechnung des Customer Lifetime Values und des Customer Equity liegen in der Schätzung der kundenindividuellen Kundenlebensdauer und Einzahlungsüberschüsse.“[17] Kundenlebensdauer und Einzahlungsüberschüsse sind Variablen auf welche das Unternehmen durch Generierung von Wechselkosten Einfluss nehmen kann, wie in den folgenden Kapiteln gezeigt wird.
3.2 Beschreibung von Customer Equity-Modellen
Zur Prognose zukünftiger Kundenwertbeiträge sind zusätzlich zu den klassischen Modellen der ABC-Analyse und des RFM-Ansatzes[18] in der jüngeren Vergangenheit diverse Konzepte entwickelt worden, deren Funktionsweisen und zugrunde liegende Werttreiber kurz dargestellt werden sollen, ohne die formalen Aspekte der Modelle im Detail zu diskutieren:
1. Black-Box-Modelle: „Die Kundenbeziehungen eines Unternehmens werden bei Black-Box-Modellen wie klassische Investitionsobjekte in der dynamischen Investitionsrechnung bewertet. Alle Modelle bestimmen zunächst den disaggregierten Kundenlebenszeitwert für jeden einzelnen Kunden und kumulieren diesen im zweiten Schritt zum Wert des gesamten Kundenstammes eines Unternehmens.“[19] Diese Modelle projizieren also vergangenheitsbezogene Daten in die Zukunft, berücksichtigen damit auch nur den aktuellen Kundenstamm und liefern keine Erklärung für die ermittelten Werte. Da diese Modelle rein transaktionsorientiert sind, vernachlässigen sie sowohl nicht-monetäre Wertbeiträge als auch ein mögliches Wertsteigerungspotenzial der Kunden. Die bestimmenden Variablen in diesem Modell sind die Nettomarge, die der Kunde pro Periode generiert (der Bruttowertbeitrag abzüglich sämtlicher kundenindividuellen Aufwendungen wie Akquisitions- und Bindungskosten usw.), die Kapitalkosten, mit denen zukünftige Umsätze auf die betrachtete Periode abgezinst werden müssen sowie die Kundenbindungsrate (die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Kunde in der jeweils betrachteten Zukunftsperiode überhaupt noch ein aktueller Kunde ist). Der große Vorteil von Black-Box-Modellen liegt in ihrer verhältnismäßig einfachen Anwendung und der relativ leicht zu beschaffenden Datenbasis. Zu den Black-Box-Modellen zählen auch die ABC-Analyse, auf die in Kapitel 5.2 im Zuge der Kundensegmentierung noch näher eingegangen wird, sowie die RFM-Analyse.
2. Verhaltenstheoretische CE-Modelle: Dieser Modelltyp ähnelt den Black-Box-Modellen, bezieht aber im Gegensatz zu diesen auch nicht-monetäre Werttreiber in die Berechnung des individuellen Kundenwertes mit ein. Gemeint ist damit das Referenzpotenzial eines Kunden, also die Fähigkeit andere Personen zum Kauf der eigenen Marke zu bewegen, das Cross-Selling-Potenzial, womit die Wahrscheinlichkeit des Verkaufes weiterer Produkte aus dem Sortiment gemeint ist sowie das Informationspotenzial, also das Feedback welches das Unternehmen von dem jeweiligen Kunden in einem bestimmten Zeitintervall erhält, was natürlich ebenfalls eine wertvolle Ressource für Änderungen und Verbesserungen darstellt.[20] Genau wie bei den Black-Box-Modellen fehlen bei den verhaltenstheoretischen CE-Modellen Informationen bezüglich der Neukundenakquisition.[21]
3. Hybride CE-Modelle: Die jüngste Generation dieser Modelle stellen die hybriden CE-Modelle dar, die wie die Black-Box-Modelle den CLV und das CE aus monetären Größen berechnen, dann aber das CE zusätzlich mit Marktbearbeitungsinstrumenten verknüpfen.[22] Hybride Modelle prognostizieren den Kundenwertbeitrag aus psychographischen Variablen mit monetären Größen über bedingte Kaufwahrscheinlichkeiten.[23] Es werden also in Interviews Kunden nach ihrer persönlichen Einschätzung gefragt, mit welcher Wahrscheinlichkeit sie in der Zukunft ein bestimmtes Produkt zu einem bestimmten Preis kaufen werden. Diese Ergebnisse werden dann auf sämtliche potenzielle Kunden im Markt übertragen und liefern damit eine Prognose für die Veränderungen in der Kundenbasis und deren Wert. Da sich die Ergebnisse auf aktuelle zukunftsbezogene Aussagen von Kunden beziehen, bieten sie auch eine Begründung für den ausgewiesenen Wert. Im Vergleich mit den beiden vorhergehenden Modelltypen liefert dieser Modelltyp durch die Extrapolation der Befragungsergebnisse auf sämtliche bestehenden und potenziellen Kunden zudem eine Vorhersage der Zuwanderung von Neukunden. Deshalb ist diese Art von Modellen auch in „Always a share“-Märkten anwendbar, in welchen eine Kundenbindung bzw. Wechselkosten kaum aufgebaut werden können. Die teure und aufwändige Erhebung dieser Kundendaten stellt auf der anderen Seite, zusammen mit der methodisch komplizierten Auswertung, den größten Nachteil dieses Modelltyps dar.
4 Auswirkungen der Wechselkosten auf den Kundenwert
4.1 Cross-Selling und Up-Selling
Cross Selling bezeichnet im Marketing den Verkauf passender, ergänzender Produkte oder Dienstleistungen an bestehende Kunden. Käufe zusätzlicher Güter und Dienstleistungen bei demselben Anbieter können mehrere Ursachen haben. Besonders bei geringwertigen[24] Produkten und Kunden mit knapper bzw. wertvoller Zeit sind die zusätzlichen Such- und Evaluierungskosten oft höher als eine eventuelle Einsparung beim Kaufpreis. In diesem Fall erfahren die Kunden meist nur geringe Wechselkosten und versuchen aus Bequemlichkeit Zeit zu sparen.[25] Im Vergleich dazu können Wechselkosten in Form von Inkompatibilität des Produktes mit den Schnittstellen anderer Anbieter oder erneuten Initialisierungs- und Lernkosten beachtliche Größen annehmen. In einer solchen Situation wird der Kunde ebenfalls komplementäre Käufe bei demselben Anbieter tätigen, da seine Entscheidungs- und Handlungsfreiheit eingeschränkt ist.
Up-Selling bedeutet den Kunden in der Leistungs- bzw. Produktpalette des Unternehmens nach oben zu führen, d.h. von günstigeren Einsteigerangeboten hin zu teureren Produkten und Leistungen. In der Regel verfügen hochpreisigere Produkte einer Produktlinie auch über höhere Gewinnspannen für das Unternehmen. Da Wechselkosten am Ende der Produktlebensdauer im Normalfall ihren tiefsten Stand erreicht haben, nämlich nachdem sich das markenspezifische Investment ausgezahlt hat,[26] spielen bei einer erneuten Produktentscheidung bzw. einem Neukauf vor allem emotionale Wechselkosten sowie Lernkosten, relationale Kosten, Kundenzufriedenheit und die Reputation des Anbieters eine entscheidende Rolle.
Durch Cross-Selling von verschiedenen Produkten und Dienstleistungen bzw. dem Up-Selling werden die Beziehungen zwischen der Firma und dem Kunden weiter ausgebaut, genau wie das markenspezifische Lernen.[27] Zudem können viele weitere Facetten, der in Abbildung 1 beschriebenen Wechselkosten, über die Zeit hinweg in vielfältigen Ausprägungen entstehen. Diese zusätzliche Bindung erhöht die Dauer des Kundenlebenszyklus, während sich die zusätzlich generierten Umsätze positiv auf die Marge und damit auch auf den Kundenwert auswirken.
4.2 Erhöhte Kundenbindung
Die Kundenloyalität eines Käufers bezeichnet die gesamte Bindung an ein Produkt, eine Dienstleistung, Marke oder Organisation.[28] Der natürlichste Grund für Kundenloyaltiät ist Kundenzufriedenheit. Allerdings ist Kundenzufriedenheit eine sehr schwache Form der Kundenbindung. Wenn ein Wettbewerber dasselbe Produkt zu einem günstigeren Preis anbietet, oder denselben Preis für ein differenziertes Produkt verlangt, kann erwarten werden, dass der Kunde die Marke wechselt.[29] Büschken spricht in diesem Zusammenhang von „precarious brand loyalty“[30], also von gefährlicher Markenloyalität, da diese Loyalität mit
großer Unsicherheit behaftet ist.[31] Neben der Verbesserung der Kundenzufriedenheit ist auch der Aufbau von Wechselkosten eine verbreitete Strategie um die Kundenbindung zu erhöhen, da die Kosten eines Wechsels zu alternativen Anbietern den Kunden davon abhalten können diese Anbieter in Anspruch zu nehmen.[32] Lam, Shankar und Murthy[33] weisen nach, dass sich sowohl Kundenzufriedenheit als auch Wechselkosten positiv auf die Loyalität eines Kunden auswirken.[34] Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Auswirkungen der Wechselkosten auf die Kundenloyalität erwartungsgemäß stärker sind als die Auswirkungen der Kundenzufriedenheit. Allerdings betrachten die Autoren auch die Kundenloyalität in Hinsicht auf das Weiterempfehlungsverhalten. Hier zeigt sich, dass Kundenzufriedenheit einen stärkeren Treiber darstellt als die Wechselkosten. Dies ist auch nachvollziehbar, da die Beziehung von Wechselkosten und Weiterempfehlungsverhalten aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden muss. Auf der einen Seite können positive Wechselkosten, wie die Beziehung zum Verkaufspersonal oder der Erhalt von Treuerabatten, positive Resonanz hervorrufen, während unzufriedene und wechselwillige Kunden mit hohen Wechselkosten ein ebenso negatives Bild von ihrem Anbieter kommunizieren können.[35]
Es kann also festgehalten werden, dass sich Wechselkosten in positivem Sinne auf die Kundenbindung und damit auf die Kundenlebensdauer auswirkt. Da die Kundenlebensdauer eine beeinflussende Variable in allen CLV-Modellen ist, erhöht sich auch der Kundenwert. Der Kundenlebenszyklus hängt bei Vorhandensein von Wechselkosten nicht mehr nur von der Kundenzufriedenheit ab. Dies bedeutet, dass z. T. auch unzufriedene Käufer ihren Anbieter nicht wechseln können, obwohl sie es gerne tun würden. Das negative Referenzpotenzial, das diesen Kunden zugeschrieben werden muss, wirkt sich in verhaltenstheoretischen und hybriden Modellen negativ auf den CE aus.
[...]
[1] Braunschweig (2005), S.20.
[2] Vgl. Porter (1980), S.10.
[3] Vgl. Jackson (1985), S.13.
[4] Vgl. Morgan/Hunt (1994), S.26ff.
[5] Vgl. Klemperer (1987), S.377.
[6] Vgl. Hess/Ricart (2002), S.8.
[7] Vgl. Büschken (2004), S.18-27.
[8] Für die Erstellung dieser Liste wurden die Kategorien von Wechselkosten der zitierten Autoren nach ihren Grundelementen durchsucht, diese miteinander abgeglichen und die allgemeingültigsten Wechselkosten aufgeführt. Überschneidungen einzelner Grundtypen von Wechselkosten können auch hier nicht ganz ausgeschlossen werden, da auch auf dieser elementarsten Ebene die Grenzen z. T. verschwimmen.
[9] Vgl. Burnham/Frels/Mahajan (2003), S.112.
[10] Vgl. Shy (2002), S.77.
[11] Vgl. Shy (2002), S.73ff. und Klemperer (1987), S. 378ff.
[12] Vgl. Shy (2002), S.71ff.
[13] Vgl. Shapiro/Varian (1998), S.1ff.
[14] Vgl. Berger/Nasr (1998), S.18f.
[15] Vgl. Rust/Lemon/Zeihaml (2003), S.2.
[16] Vgl. Cornelsen (2000), S.38.
[17] Burmann (2002), S.115.
[18] RFM steht für Recency, Frequency und Monetary Value
[19] Burmann (2002), S.117.
[20] Vgl. Cornelsen (2000), S.171ff.
[21] Vgl. Burmann (2002), S.121.
[22] Vgl. Burmann (2002), S. 122.
[23] Vgl. Burmann (2002), S.122.
[24] Der Ausdruck „geringwertig“ soll hier ein niedriges Preisniveau ausdrücken und ist nicht abwertend zu verstehen.
[25] Vgl. Li/Sun/Wilcox (2005), S.15.
[26] Vgl. Büschken (2004), S.58ff.
[27] Vgl. Srivastava/Shervani/Fahey (1998), S.12.
[28] Vgl. Oliver (1999), S. 34.
[29] Vgl. Hess/Ricart (2002), S.10.
[30] Büschken (2004), S.73.
[31] Vgl. Büschken (2004), S.73.
[32] Vgl. Heide/Weiss (1995), S.31.
[33] Die Studie von Lam/Shankar/Murhty ist zwar auf den B2B-Bereich bezogen, die Ergebnisse sollten allerdings auch für den B2C-Bereich von Relevanz sein.
[34] Vgl. Lam/Shankar/Murhty (2004), S.303ff.
[35] Vgl. Lam/Shankar/Murhty (2004), S.297.
- Citation du texte
- Thimo Hemberle (Auteur), 2005, Eine wissenschaftliche Analyse des Zusammenhangs zwischen Wechselkosten und Kundenwert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77349
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