Die Entwicklung der Städte in Deutschland ist seit vielen Jahren durch Stadt-Umland-Wanderungen der Wohnbevölkerung und der Arbeitsstätten geprägt. Zwar hat die Suburbanisierung ihren Höhepunkt überschritten, dennoch ist sie ein bis heute anhaltender Trend. Es gibt insgesamt noch wenig empirische Befunde und Belege, dennoch ist seit einiger Zeit wieder ein zunehmendes Interesse am Wohnen in der Stadt zu beobachten. Hierbei bestehen regionale Unterschiede. Da die Entwicklungen in den Bereichen Wohnen und Stadtentwicklung in Westdeutschland nicht mit denen in den neuen Bundesländern verglichen werden können, liegt der Fokus dieser Arbeit auf der Entwicklung in den alten Bundesländern.
Vor dem Hintergrund der aktuellen strukturellen Rahmenbedingungen und sich ändernder gesellschaftlicher Trends in Deutschland, werden Belege für eine verstärkte Rückkehr der Wohnfunktion zurück in die Zentren deutscher Städte herausgearbeitet. Es soll geklärt werden, welche Gruppen der Bevölkerung entgegen des lange Zeit andauernden Trends „Raus aus der Stadt“, wieder zurück in die Innenstädte ziehen. Gibt es hierbei bestimmte Haushalts- oder Lebensstilgruppen? Handelt es sich um innerstädtische Wanderungen, oder kommen die Zugezogenen von außerhalb? Des Weiteren sollen in dieser Arbeit die Gründe für die Attraktivität des Wohnens im Zentrum aufgezeigt werden. Die Attraktivität eines Ortes umfasst die verschiedensten Aspekte und Dimensionen. Sind es nur individuelle und subjektive Gründe, die Menschen dazu bewegen in die Innenstädte zu ziehen? Tragen Aufwertungsprozesse dazu bei, das Interesse des Wohnens in der Innenstadt zu erhöhen? Ist die Veränderung der Haushaltsstruktur und -größe ein Grund für innerstädtisches Wohnen? Inwiefern haben sich Wohnleitbilder und das Image der Innenstadt als Wohnstandort geändert? Wie ist innerstädtisches Wohnen unter finanziellen Gesichtspunkten zu beurteilen? Das Ziel dieser Arbeit soll somit sein, einen eventuell bestehenden Trend „Zurück ins Zentrum“, bzw. die gestiegene Attraktivität des Wohnens in der Innenstadt zunächst allgemein für Deutschland und speziell für den zentralen Stadtteil Südstadt in Karlsruhe aufzuzeigen sowie die möglichen Hintergründe dieser Entwicklung zu verstehen. Für die Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung kann dies eine entscheidende Hilfe für die Planung sein.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
I. Einleitung
1. Anlass und Zielsetzung
2. Aufbau und Methodik
II. Konzeptioneller Teil
1. Begriffe und Grundlagen
1.1 Urbanität
1.2 City, Zentrum und Innenstadt
1.3 Wohnen, Wohnstandortentscheidungen und Wohnungsmarkt
1.4 Theorien der Stadtentwicklung und Wanderungsmodelle
1.5 Historischer Abriss der Wohnfunktion im Zentrum
2. Belege für die neue Attraktivität des Wohnens im Zentrum
2.1 Zunahme der Wohnbevölkerung in den Zentren
2.2 Zunahme verschiedener Bevölkerungsgruppen im Zentrum
2.3 Zunahme der Wohnungsnachfrage und Eigentumsbildung im Zentrum
2.4 Zunahme der Wohnungsbautätigkeit im Zentrum
3. Gründe für die neue Attraktivität des Wohnens im Zentrum
3.1 Aufwertung der Innenstädte
3.1.1 Aufwertung des Gebäudebestandes
3.1.2 Neue bedarfsgerechte Bau- und Wohnformen
3.1.3 Optische Aufwertungen
3.1.4 Kulturelle Aufwertungen - Innenstadt als Event
3.1.5 Verbesserte Verkehrssituation und Verkehrsanbindung
3.1.6 Bessere Versorgungssituation
3.1.7 Flair und Image des Städtischen
3.2 Soziodemographische Gründe
3.2.1 Auswirkungen des demographischen Wandels
3.2.2 Abnahme der Haushaltsgröße und Zunahme der Wohnfläche
3.2.3 Neue Haushaltstypen und Ausdifferenzierung der Lebensstile
3.3 Wirtschaftliche und finanzielle Gründe
3.3.1 Neue Potentiale durch die Veränderung der Wirtschaftsstruktur
3.3.2 Bessere Arbeitsplatzentwicklung in der Innenstadt
3.3.3 Finanzielle Gründe
4. Zwischenfazit
III. Empirischer Teil
1. Methodik und Datengrundlage
2. Darstellung und Abgrenzung des Untersuchungsraums
3. Belege für die Zunahme der Attraktivität des Wohnens in der Südstadt
3.1 Zunahme der Wohnbevölkerung
3.2 Zunahme verschiedener Bevölkerungsgruppen
3.3 Zunahme der Wohnungsnachfrage und Eigentumsbildung
3.4 Zunehmende Wohnungsbautätigkeit
4. Gründe für die neue Attraktivität des Wohnens in der Südstadt
4.1 Gründe insgesamt
4.2 Aufwertung der Südstadt
4.2.1 Aufwertungen des Gebäudebestandes
4.2.2 Neue bedarfsgerechte Bau- und Wohnformen
4.2.3 Optische Aufwertungen
4.2.4 Kulturelle Aufwertungen
4.2.5 Verbesserte Verkehrssituation und Verkehrsanbindung
4.2.6 Bessere Versorgungssituation
4.2.7 Flair und Image der Südstadt
4.3 Soziodemographische Gründe
4.3.1 Auswirkungen des demographischen Wandels
4.3.2 Abnahme der Haushaltsgröße und Zunahme der Wohnfläche
4.3.3 Neue Haushaltstypen
4.4 Wirtschaftliche und finanzielle Gründe
4.4.1 Neue Potentiale durch die Veränderung der Wirtschaftsstruktur
4.4.2 Bessere Arbeitsplatzentwicklung in Karlsruhe und der Südstadt
4.4.3 Finanzielle Gründe
5. Zusammenfassung der Ergebnisse
6. Fazit und Handlungsempfehlungen
Literatur
Internet
Anhang A
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1: Innerstädtische Lagetypen der Innerstädtischen Raumbeobachtung
Abb. 2: Modell der Stadtregion nach Boustedt (1970)
Abb. 3: Einflussfaktoren der Wohnungsmärkte
Abb. 4: Modell der Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung in Agglomerationsräumen nach Gaebe (1991)
Abb. 5: Bevölkerungsentwicklung der 21 größten deutschen Städte
Abb. 6: Bevölkerungsentwicklung nach innerstädtischen Lagen in 7 ostdeutschen sowie 24 westdeutschen IRB-Städten 1991-2004
Abb. 7: Kleinräumige Bevölkerungsentwicklung in Kernstädten 1993 - 2004
Abb. 8: Bevölkerungsentwicklungstypen ausgewählter IRB-Städte nach innerstädtischen Lagetypen 1991 - 2004
Abb. 9: Entwicklung der Haushaltsgrößen in Deutschland 1961 - 2004
Abb. 10: Karlsruher Stadtteile und Gebietstypengliederung
Abb. 11: Außenwanderungssalden für die Südstadt, die Kernstadtteile und Karlsruhe 1990 - 2004
Abb. 12: Innerstädtische Umzüge in der Südstadt und den Kernstadtteilen 1990 - 2004
Abb. 13: Natürliche Bevölkerungsentwicklung in der Südstadt, den Kernstadtteilen und Karlsruhe 1990 - 2005
Abb. 14: Immobiliennachfrage bestimmter Bevölkerungsgruppen in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 15: Monatliches Haushaltsnettoeinkommen der Zugezogenen und der Bestandsbevölkerung
Abb. 16: Haushaltstypen der Zugezogenen
Abb. 17: Altersstruktur der Zugezogenen und der Bestandsbevölkerung
Abb. 18: Wechsel von Wohneigentum durch Kauf nach Stadtteilen
Abb. 19: Stadtteile mit gestiegener Immobiliennachfrage seit 2000 - Experteneinschätzung
Abb. 20: Hauptgründe für den Zuzug in die Südstadt und die Kernstadtteile
Abb. 21: Weitere Gründe für den Zuzug in die Südstadt und die Kernstadtteile
Abb. 22: Sanierte Fassade neben unsaniertem Altbau in der Schützenstraße
Abb. 23: Kulturdenkmal Baumeisterstraße 8 und 8a
Abb. 24: Sanierungsgebiet Südstadt
Abb. 25: Alter des neuen Gebäudes der Zugezogenen
Abb. 26: City-Park, Status quo
Abb. 27: Lage des City-Parks und des Baumeistercarrées
Abb. 28: Geschosswohnungsbau im City-Park
Abb. 29: Spielplatz im City-Park
Abb. 30: Wohnungsbestand nach der Wohnungsgröße 1995 und 2005
Abb. 31: Reihenhäuser im Baumeistercarrée
Abb. 32: Sanierte Mehrfamilienhäuser im Baumeistercarrée
Abb. 33: Spielplatz im Baumeistercarrée
Abb. 34: Gärten im Baumeistercarrée
Abb. 35: Grünsystem der Stadt Karlsruhe
Abb. 36: Versorgung mit Spielplätzen in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 37: Versorgung mit Grünflächen in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 38: Kulturangebote in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 39: Versorgung mit Sportplätzen in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 40: Neue Aktivitäten der Zugezogenen nach dem Zuzug ins Zentrum
Abb. 41: Verkehrsbelastung in der Südstadt
Abb. 42: Veränderung der Lebensverhältnisse der Zugezogenen in die Südstadt - Verkehr
Abb. 43: Verkehrsanbindung mit ÖPNV in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 44: Radwegesituation in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 45: Nahversorgung in der Südstadt
Abb. 46: Nähe zur City - Experteneinschätzung
Abb. 47: Einkaufsmöglichkeiten für Güter des täglichen Bedarfs - Experteneinschätzung
Abb. 48: Versorgungsquote in den Tageseinrichtungen für Kinder von 3 - 6/7 Jahren
Abb. 49: Kinderbetreuungsmöglichkeiten in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 50: Angebote für ältere Menschen - Experteneinschätzung
Abb. 51: Medizinische Versorgung in der Südstadt - Experteneinschätzung
Abb. 52: Veränderung der Lebensverhältnisse der Zugezogenen in die Südstadt - Versorgung
Abb. 53: Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung in der Südstadt 2005
Abb. 54: Image der Südstadt – Experteneinschätzung
Abb. 55: „Viva la Südstadt“-Schild in der Schützenstraße
Abb. 56: „Viva la Südstadt“-Aufkleber auf parkendem Auto in der Südstadt
Abb. 57: Die Südstadt während der WM 2006
Abb. 58: Bevölkerungsvorausrechnung für Karlsruhe nach dem realistischen und dem optimistischen Szenario 2005 - 2030
Abb. 59: Veränderung der Stärke der Altersgruppen in Karlsruhe 2005 - 2030
Abb. 60: Voraussichtliche Zu-, bzw. Abnahme der Wohnberechtigten 2006 - 2030 in den Karlsruher Stadtteilen (realistisches Szenario)
Abb. 61: Haushaltsgrößen der Zugezogenen
Abb. 62: Wohnfläche je Person vor und nach dem Umzug - Südstadt
Abb. 63: Wohnfläche je Person vor und nach dem Umzug - Kernstadtteile
Abb. 64: Haushaltstypen der Zugezogenen
Abb. 65: Einkommensstruktur der Paare (30-45 Jahre) ohne Kinder - Südstadt
Abb. 66: Einkommensstruktur der Paare (30- 45 Jahre) ohne Kinder - Kernstadtteile
Abb. 67: Ausbildungsstand des/der Hauptverdieners/in unter den Zugezogenen
Abb. 68: Tätigkeit des/der Hauptverdieners/in unter den Zugezogenen
Abb. 69: Eingangstor der ehemalige Firma Steffelin
Abb. 70: Eingang zum Baumeistercarrée
Abb. 71: Jahresmittelwerte der Kohlenmonoxid-Konzentration in Karlsruhe
Abb. 72: Entwicklung der Erwerbsfähigen in der Südstadt, den Kernstadtteilen und Karlsruhe
Abb. 73: Veränderung der Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Personen in Karlsruhe nach Wirtschaftsabschnitten seit 2000
Tabellenverzeichnis
Tab. 1: Citymerkmale
Tab. 2: Maßnahmen zur Wohnraummodernisierung
Tab. 3: Merkmale einer möglichen Gentrification
Tab. 4: Neue Flächenpotentiale in Innenstädten
Tab. 5: Herkunft der Zugezogenen in der Südstadt und den Kernstadtteilen
Tab. 6: Veränderung des Wohnstatus der Zugezogenen in der Südstadt
Tab. 7: Veränderung des Wohnstatus der Zugezogenen in den Kernstadtteile
Tab. 8: Bauüberhang in den Karlsruher Stadtteilen
Tab. 9: Wohngebäude- und Wohnungsalter in der Südstadt 1987
Tab. 10: Änderung der Wohnform der Zugezogenen in die Südstadt
Tab. 11: Haushaltsgrößen der Zugezogenen und der Bestandsbevölkerung
Tab. 12: Haushaltstypen der Zugezogenen ins Zentrum
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
„Ja das möchste:
Eine Villa im Grünen mit großer Terrasse,
vorn die Ostsee, hinten die Friedrichstraße;
mit schöner Aussicht, ländlich-mondän,
vom Badezimmer ist die Zugspitze zu sehn –
aber abends zum Kino hast du’s nicht weit.“
(Tucholsky 1927, S. 269f.)
I. Einleitung
1. Anlass und Zielsetzung
Die Entwicklung der Städte in Deutschland ist seit vielen Jahren durch Stadt-Umland-Wanderungen der Wohnbevölkerung und der Arbeitsstätten geprägt. In vielen Stadtregionen leben mehr Menschen im Umland als in den Kernstädten. Vor allem junge, einkommensstarke Familien sind an und über die Stadtränder hinausgezogen. Zwar hat die Suburbanisierung ihren Höhepunkt überschritten, dennoch ist sie ein bis heute anhaltender Trend. Es gibt insgesamt noch wenig empirische Befunde und Belege, dennoch ist seit einiger Zeit wieder ein zunehmendes Interesse am Wohnen in der Stadt zu beobachten. Daher rückt diese Thematik bei Stadtplanern und Kommunalpolitkern immer stärker ins Bewusstsein und die Einsicht, der Wohnfunktion in den Kernstädten verstärkte Bedeutung zuzumessen, wächst. Hierbei bestehen natürlich regionale Unterschiede. Da die Entwicklungen in den Bereichen Wohnen und Stadtentwicklung in Westdeutschland nicht mit denen in den neuen Bundesländern verglichen werden können, liegt der Fokus dieser Arbeit auf der Entwicklung in den alten Bundesländern.
Die Aktualität und Relevanz des Themas „Neue Urbanität“ spiegeln sich im Interesse und Bewusstsein der Kommunen, der breiten Öffentlichkeit und den Medien wieder. So lautet der Titel des Kulturspiegels: „Das Reich der Mitte. Das Haus im Grünen steht in Zukunft in der City“ (Kulturspiegel 10/2005). Der Spiegel berichtet vom „Triumph der City“ (Beyer 2006, S. 134). Der Stern konstatiert sogar einen Artikel mit dem Titel: „Landflucht. Rückzug aus den Speckgürteln“ (Stern 43/2002). Aber auch wissenschaftliche Institute und die Kommunen selbst zeigen ein verstärktes Interesse an diesem Thema. Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat im Jahr 2005 die Untersuchung „Wohnen in der Innenstadt - eine Renaissance?“ herausgegeben und sich hierbei auf die Entwicklungen in zentralen Stadtvierteln von München und Leipzig konzentriert (vgl. Brühl et al. 2005). In Karlsruhe fand im November 2006 ein Städtebaukongress zum Thema „Wohnen im Zentrum. Strategien für attraktive Stadt- und Ortskerne“ statt. Eine bundesweite Wanderausstellung der LBS hieß: "LBS-Stadthaus - Im Zentrum zu Hause“. Die GMA hat im Auftrag der baden-württembergischen Bausparkassen ebenfalls eine Untersuchung zum Thema „Wohnen im Zentrum“ durchgeführt (vgl. GMA 2006). Viele Städte und Kommunen haben eigene Studien zu diesem Thema durchgeführt, wie z. B. die Städte München und Karlsruhe (vgl. Geißer 2006, Stadt Karlsruhe – Amt für Stadtentwicklung 2006c). Die Untersuchung der Stadt Karlsruhe „Wohnen im Zentrum“, bei der ich während eines Praktikums im Amt für Stadtentwicklung der Stadt Karlsruhe mitarbeiten konnte, weckte auch mein Interesse für dieses Thema.
Aktuelle empirische Studien gibt es außer den genannten Untersuchungen zu diesem Thema für deutsche Städte nur wenige. Dies deutet auch auf die Aktualität dieses Themas hin. An älteren Untersuchungen sind die Folgenden zu nennen: Krämer (1992) veröffentlichte eine empirische Studie, in der er die Attraktivität großstädtischer Wohnstandorte für unterschiedliche Bevölkerungsgruppen in Mannheim analysierte. In einer Studie von Zerweck (1997) wurde versucht, die Wohnstandortpräferenzen der Bewohner von Nürnberg herauszufinden. Kecskes (1997) untersucht empirisch ein Gebiet in der Kölner Innenstadt auf Aufwertungsprozesse.
Vor dem Hintergrund der aktuellen strukturellen Rahmenbedingungen und sich ändernder gesellschaftlicher Trends in Deutschland, werden daher Belege für eine verstärkte Rückkehr der Wohnfunktion zurück in die Zentren deutscher Städte herausgearbeitet. Es soll geklärt werden, welche Gruppen der Bevölkerung entgegen des lange Zeit andauernden Trends „Raus aus der Stadt“, wieder zurück in die Zentren ziehen. Gibt es hierbei bestimmte Haushalts- oder Lebensstilgruppen? Handelt es sich um innerstädtische Wanderungen, oder kommen die Zugezogenen von außerhalb? Des Weiteren sollen in dieser Arbeit die Gründe für die Attraktivität des Wohnens im Zentrum aufgezeigt werden. Die Attraktivität eines Ortes umfasst die verschiedensten Aspekte und Dimensionen. Sind es nur individuelle und subjektive Gründe, die Menschen dazu bewegen in die Innenstädte zu ziehen? Tragen Aufwertungsprozesse dazu bei, das Interesse des Wohnens in der Innenstadt zu erhöhen? Ist die Veränderung der Haushaltsstruktur und -größe ein Grund für innerstädtisches Wohnen? Inwiefern haben sich Wohnleitbilder und das Image der Innenstadt als Wohnstandort geändert? Wie ist innerstädtisches Wohnen unter finanziellen Gesichtspunkten zu beurteilen? Das Ziel dieser Arbeit soll somit sein, einen eventuell bestehenden Trend „Zurück ins Zentrum“, bzw. die gestiegene Attraktivität des Wohnens in der Innenstadt zunächst allgemein für Deutschland und speziell für den zentralen Stadtteil Südstadt in Karlsruhe aufzuzeigen sowie die möglichen Hintergründe dieser Entwicklung zu verstehen. Für die Kommunalpolitik und die Stadtverwaltung kann dies eine entscheidende Hilfe für die Planung sein.
2. Aufbau und Methodik
Diese Arbeit gliedert sich in einen einleitenden, einen konzeptionellen und einen empirischen Teil. Der konzeptionelle Teil befasst sich zunächst mit der Erläuterung und Definition zentraler Begriffe wie „Wohnen“, „Urbanität“ und der Abgrenzung von „Innenstadt“, „Zentrum“ und „City“. Darauf folgt eine kurze Erläuterung von allgemeinen Wohnstandortentscheidungen und der Mechanismen des Wohnungsmarktes. Ergänzt wird der erste Abschnitt durch einen kurzen Überblick über bestehende Theorien und Modelle, die das Thema dieser Arbeit tangieren sowie einer Beschreibung der Entwicklung des innerstädtischen Wohnens in der Vergangenheit. Das erste Kapitel dieser Arbeit basiert auf einer Literaturrecherche (Kap. II.1).
Anschließend werden Belege für eine Zunahme der Attraktivität des Wohnens im Zentrum deutscher Städte herausgearbeitet und dargelegt. Diese ergeben sich hauptsächlich durch die Bevölkerungsentwicklung und Veränderungen auf dem Wohnungsmarkt. Die Belege beruhen einerseits auf den wenigen wissenschaftlichen und empirischen Untersuchungen, die es zu diesem Thema gibt sowie auf amtlichen Statistiken, zum anderen auf Artikeln aus Fachzeitschriften, der breiten Presse und dem Internet (Kap. II.2).
Im dritten Abschnitt des konzeptionellen Teils (Kap. II.3) werden ausführlich mögliche Gründe für die gestiegene Attraktivität des Wohnens in der Innenstadt dargestellt und erläutert. Sofern erklärende wissenschaftliche Modelle gefunden wurden, werden diese an passender Stelle erläutert. Aus den Belegen und Gründen für das Interesse am innerstädtischen Wohnen werden am Ende des konzeptionellen Teils, die im empirischen Teil zu überprüfenden Hypothesen abgeleitet (Kap. II.4).
Im empirischen Teil werden die im konzeptionellen Teil herausgearbeiteten Belege, Gründe und Thesen am Stadtteil Südstadt in Karlsruhe überprüft und verdeutlicht. Der empirische Teil stützt sich auf die Analyse einer persönlichen Bewohnerbefragung von Zugezogenen in die zentralen Stadtteile der Stadt Karlsruhe, die vom Amt für Stadtentwicklung in Karlsruhe durchgeführt wurde. Die Daten wurden mir freundlicherweise zur Auswertung für die vorliegende Arbeit zur Verfügung gestellt. Ergänzend wurde neben einer Literatur- und Internetrecherche eine eigene Primärerhebung in Form einer Online-Befragung von Akteuren der Wohnungswirtschaft in Karlsruhe durchgeführt. Die detaillierte Methodik und Vorgehensweise der empirischen Untersuchungen finden sich in Kap. III.1, bzw. III.2.
II. Konzeptioneller Teil
1. Begriffe und Grundlagen
1.1 Urbanität
„...kein anderer Begriff hat die zahlreichen Moden der Stadtplanung und Umbrüche der Stadtentwicklung so unbeschadet überstanden...“ (Wüst 2004, S. 7). Die Bedeutung des Begriffs der Urbanität kann dennoch nicht eindeutig bestimmt werden und lässt mehrere Interpretationsmöglichkeiten offen. Nach Wüst (2004, S. 8) herrscht an Definitionen aller Art kein Mangel. Dennoch kommt er zu dem Ergebnis, „dass es einen festen Begriff von Urbanität nicht gibt“ (Wüst 2004, S. 83). Nach Krätke (2001, S. 224) hat Urbanität gleichzeitig räumliche und soziale Dimensionen. Oft wird unter Urbanität „die Erlebnisqualität städtischer Orte“, und somit Urbanität als eine Raumeigenschaft verstanden (vgl. ebd.). Doch bezieht sich Urbanität eigentlich auf das Ergebnis der Handlungsweise und den dazugehörigen sozialen Kontext. Krätke (2001, S. 224) bezieht Urbanität „auf die Überschneidung heterogener Lebens- und Arbeitswelten im städtischen Raum“. Es handelt sich bei Urbanität also zunächst um die städtische Lebensweise, also um das, was den Stadtbewohner vom Land- bzw. Dorfbewohner unterscheidet (vgl. Schroer 2005, S. 329, Häussermann 2000, S. 264, Opaschowski 2005, S. 178) und die Anziehungskraft der Stadt ausmacht (vgl. Zepf 2000, S. 36). Allerdings wird diese Unterscheidung immer schwieriger, da die Grenzen zwischen Stadt und Land verschwimmen. Mit dem Begriff Urbanität wird somit „die besondere Dimension des städtischen Lebens, als spezifische kulturelle Ausprägung, insbesondere als Stil der Lebensführung thematisiert“ (Werlen 2001, S. 210). Der Begriff der Urbanität wird heute aber auch oft mit dem der „Stadtkultur“ gleichgesetzt (vgl. Krätke 2001, S. 225). Urbanität ist somit eine Lebensweise und heute nicht mehr unbedingt an das Leben in der Stadt gebunden. Aus Sicht der Architektur wird der Begriff Urbanität oft auf das Siedlungsbild und die Bebauung städtischer Art beschränkt (vgl. Leser 1997, S. 935).
Somit bleibt also festzuhalten, dass der Begriff Urbanität nicht eindeutig definiert werden kann und verschiedene Interpretationsmöglichkeiten zulässt. Nicht ohne Grund nannte Wüst (2004) sein Werk: „Urbanität. Ein Mythos und sein Potential“. Der Begriff der „neuen Urbanität“ ist nach Opaschowski (2005, S. 180) gar nicht so neu. Vielmehr ist hiermit der jahrhundertealte Begriff der Stadterneuerung gemeint. Dennoch muss urbanes Leben „immer wieder aktiviert, wiederentdeckt oder neu belebt werden“ (ebd.).
1.2 City, Zentrum und Innenstadt
Es gibt in der Geographie eine Vielzahl an Möglichkeiten Städte zu gliedern. Es ist je nach Forschungsrichtung der allgemeinen Stadtgeographie eine morphogenetische, eine funktionale, eine sozialräumliche, eine funktionsräumliche, eine aktionsräumliche oder eine planungsbezogene Gliederung möglich (vgl. Heineberg 2004). In dieser Arbeit werden verschiedene Sichtweisen der Stadtgliederung dargelegt. Da räumlich gesehen die Innenstadt in der vorliegenden Arbeit zum Gegenstand der Untersuchung gemacht wird, stellt sich zunächst die Frage einer genauen Abgrenzung, bzw. Definition der Begriffe City, Zentrum und Innenstadt.
Der Begriff City beschreibt in erster Linie eine Funktion. Die „City ist der zentralst gelegene Teilraum (zentraler Standortraum) einer größeren Stadt (meist Großstadt) mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors,...“ (Heineberg 2001, S. 162). Weiterhin ist die City gekennzeichnet durch die in Tab. 1 dargestellten Citymerkmale, die aber vom jeweiligen Stadttyp abhängig sind (vgl. Heineberg 2001, S. 162).
Tab. 1: Citymerkmale
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Heineberg 2001, S. 162. Eigener Entwurf.
Im Gegensatz zur City kennzeichnet das Zentrum einer Stadt „ganz allgemein eine räumliche Standortkonzentration zentraler Einrichtungen, die zentrale Güter (Waren, Dienste, Informationen) anbieten“ (Heineberg 2001, S. 160). Das Zentrum ist auch das Gegenteil von Peripherie, wobei Zentrum positivere Assoziationen weckt, als Peripherie (vgl. Schroer 2005, S. 334).
Die Innenstadt ist der funktionale und bauliche Kernbereich einer Stadt. Sie umfasst in der Regel die Altstadt sowie die Stadterweiterungsgebiete, die meist im 19. Jh. entstanden sind. Als wichtige Teilbereiche lassen sich in größeren Städten die City und der Innenstadtrand ausgliedern (vgl. Leser 1997, S. 349f.). Innenstädte haben verschiedene Funktionen und sind nicht nur Orte des Handels. Sie sind nach Schultis (1999, S. 17) ebenso Arbeitsorte, Verwaltungsstandorte, Wohnorte und Kulturzentren. Schultis bezeichnet sie als „Zentren des öffentlichen Lebens“ (ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Innerstädtische Lagetypen der Innerstädtischen Raumbeobachtung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Modell der Stadtregion nach Boustedt (1970)
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007, S. 16
Quelle: Heineberg 2004, S. 319.
Die Abgrenzung der Innenstadt zum Zweck der Vergleichbarkeit ist nicht immer ganz einfach und wird auch meist unterschiedlich vorgenommen. In der Einteilung der innerstädtischen Lagetypen der Innerstädtischen Raumbeobachtung (IRB) des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR) setzt sich die Innenstadt aus City und Cityrand zusammen (Abb. 1). Die Innenstadt und der Innenstadtrand ergeben die Innere Stadt. Die Stadt als Ganzes ergibt sich demnach aus der Inneren Stadt und dem Stadtrand (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007, S. 16). Im Modell der Stadtregion von Boustedt (1970) werden die Kernstadt und das Ergänzungsgebiet als Kerngebiet der Stadt zusammengefasst (Abb. 2). Weiter wird in eine verstädterte Zone, eine Randzone und das Umland differenziert (vgl. Heineberg 2004, S. 319). Beiden Modellen gemeinsam ist die ringförmige Anordnung der verschiedenen Bereiche, die an das Ringmodell von Burgess (1925) der Chicagoer Schule erinnert. In diesem wird der innerste zentralste Kreis als Central Business District (CBD) oder Loop bezeichnet. Dem CBD schließen sich nach außen hin weitere Zonen an, die durch sinkende Nutzungsintensitäten und abnehmende Bodenpreise gekennzeichnet sind. (vgl. Heineberg 2004, S. 103). Diese 3 Beispiele sollen exemplarisch für die Vielzahl weiterer Modelle zur Abgrenzung und Zonierung des Stadtgebietes stehen.
In der Difu-Studie wird der „Kern der Stadt, der aus der City als zentralem Geschäftsbereich, den unmittelbar angrenzenden Vierteln und den Innenstadtrandgebieten besteht“ als Innenstadt bezeichnet (vgl. Brühl et al. 2005, S. 34). Dies entspricht somit der Abgrenzung der Inneren Stadt des BBR. Bei vielen anderen Veröffentlichungen wird meist nicht explizit abgegrenzt um was für Gebiete es sich genau handelt, wenn von Innenstadt, City, Zentrum oder Kernstadt die Rede ist. In dieser Arbeit werden die Begriffe City, Zentrum und Innenstadt daher im Folgenden synonym verwendet und schließen auch die innenstadtnahen Wohngebiete mit ein. Der Begriff Kernstadt wird nur verwendet, wenn es um die Abgrenzung zum Umland geht. Im empirischen Teil dieser Arbeit werden die Begriffe Kernstadtteile sowie zentrale Stadtteile zur weiteren Differenzierung der zentralen Stadtteile verwendet (vgl. Kap. III.2).
1.3 Wohnen, Wohnstandortentscheidungen und Wohnungsmarkt
Die Wohnfunktion ist, ebenso wie sich fortpflanzen und in Gemeinschaften leben, arbeiten, sich versorgen und konsumieren, sich bilden, sich erholen und die Verkehrsteilnahme, bzw. die Kommunikation, eine der menschlichen Daseinsgrundfunktionen (vgl. Heineberg 2001, S. 27). Diese Funktionen sind also grundlegende Bedürfnisse, und begründen somit die Ansprüche auf einen Lebensraum, der diese erfüllt. Für jeden Menschen ändern sich im Laufe seines Lebens seine Grundbedürfnisse. Diese ändern sich auch in historischem Maßstab. Früher diente die Wohnung meist nur als Unterkunft, heute ist sie oft ein Ort der Selbstdarstellung und der Repräsentation. Das Einfamilienhaus wurde nach dem Zweiten Weltkrieg neben dem Auto zu einem wichtigen Statussymbol. Ein Verlust der Wohnung, der zur Obdachlosigkeit führen kann, bedeutet hingegen den sozialen Abstieg. Somit ist das Wohnen selbst einem stetigen Wandel unterworfen und weist nach Hafner und Jessen (2005, S. 55) die Ausprägungen regional, sozial und individuell auf. Die Dimensionen des Wohnens differieren jedoch sehr stark in der wissenschaftlichen Literatur. Nach Schmitt et al. (2006, S. 33) handelt es sich beim Wohnen um ein „multidimensionales Phänomen aus baulichen, geographischen, ökonomischen, sozialökologischen, soziologischen, psychologischen, historischen und anderen Faktoren“. Silbermann (1991, S. 11ff.) sieht das Wohnen noch viel differenzierter und beschreibt es als individuelle, psychologische, physiologische, technologische, soziale, sozio-kulturelle und soziologische Angelegenheit (vgl. ebd.).
Die Wohnung, die den physischen Rahmen des Wohnens bildet, bzw. der Wohnstandort nimmt somit einen bedeutenden Teil des Lebens ein. Diesen Ort zu wechseln bedarf meist wichtiger Entscheidungen. Wohnstandortentscheidungen sind vorwiegend Entscheidungen von Individuen, obwohl es oft zu kollektiven Wanderungsbewegungen durch gleichzeitige Entscheidungen von Individuen kommt (vgl. Krämer 1992). Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über Wohnstandortentscheidungen zum besseren Verständnis der neuen Attraktivität des Wohnens im Zentrum gegeben werden. Einzelne Einflussfaktoren auf die Wahl des Wohnstandortes werden den jeweiligen Gründen (Kap. II.3) zugeordnet.
Die Einflussfaktoren auf die Wahl des Wohnstandortes lassen sich auf der Mikro- oder Handlungsebene zu den Faktorenbündeln Wohnpräferenzen (Wohnbedarf, Lage, Nachbarschaft, Wohnumfeld), Ressourcen (finanzielle Mittel, kulturelles Kapital, wie Bildung und Lebensstil) und Restriktionen, wie das Wohnungsangebot und Informationen darüber zusammenfassen (vgl. Gaebe 2004, S. 127). Es bleibt hier anzumerken, dass die Faktoren, die in die Wohnstandortentscheidung mit einfließen, sich während des Entscheidungsprozesses verändern können. Somit sind statische Aussagen nur bedingt dazu geeignet, die Wohnstandortwahl zu erklären. Auf der Makroebene wird die Wahl des Wohnstandortes bestimmt durch den Wohnungsmarkt, d. h. durch Wohnungsangebot und die Wohnungsnachfrage. Das Wohnungsangebot wird wiederum bestimmt durch den Bestand an Wohnungen, durch die Wohnungspolitik des Staates und die Stadtplanung, durch nationale und kommunale Regelungssysteme und der Nachfrage nach Wohnungen (vgl. Gaebe 2004, S. 105 und Kühne-Büning/Plumpe/Hesse 1999, S. 156ff.). Die Wohnungsnachfrage wird durch den Bedarf, das Angebot, die Bevölkerungsstruktur und -entwicklung, die Sozialstruktur sowie durch die staatliche und kommunale Wohnungspolitik und die Stadtplanung bestimmt (ebd., sowie Waltersbacher 2006, S. 114).
Als weiteres Modell zur Erklärung von Prozessen des Wohnungsmarktes kann die Filtertheorie von Ratcliff (1949, S. 368ff.) herangezogen werden. Die Filtertheorie unterstellt, grob vereinfacht, dass durch den Neubau von Wohnungen für höhere Einkommensgruppen auch die Wohnungsversorgung unterer Einkommensgruppen durch eine Art Sickereffekt verbessert wird. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Qualität und somit auch der Preis einer Wohnung im Zeitablauf sinken (vgl. Krätke 1995, S. 201). In der Bundesrepublik wurde diese Theorie ab den 1980er Jahren zur Argumentation für die staatliche Wohnungsbau-Förderungspolitik herangezogen, die aber hauptsächlich mittleren und höheren Einkommen zugute kam (vgl. Krätke 1995, S. 200).
Krätke (1995, S198ff.) nennt 4 Besonderheiten des Wohnungsmarktes gegenüber anderen Märkten. Eine Besonderheit ist seine Aufspaltung in sachliche und regionale Teilmärkte. Sachliche Teilmärkte werden weiter untergliedert in „Gebäude- und Wohnungstypen, Neubau- uns Gebrauchtwohnungen sowie Eigentumswohnungen“ (Krätke 1995, S. 198). Die Wohnungsmarktbeobachtungen des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung bestätigen ebenfalls, „dass die regionalen Wohnungsmärkte zwar von den allgemein bundesweiten Wohnungsmarktentwicklungen in ähnlicher Weise betroffen sind, aber zunehmend eigenständige Entwicklungen aufweisen“ (Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2005, S. 138).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Einflussfaktoren der Wohnungsmärkte
Quelle: Verändert nach Kühne-Büning/Plumpe/Hesse 1999, S. 158. Eigener Entwurf.
Eine Besonderheit des Wohnungsmarktes ist die „geringe Elastizität der Anpassung an Marktänderungen“ (Krätke 1995, S. 199). Damit ist die Unflexibilität des Wohnungsmarktes auf eine erhöhte Nachfrage gemeint. Die Nachfrage wird aufgrund der langen Produktionsdauer nicht durch ein erhöhtes Angebot befriedigt, sondern durch eine Angleichung der Mieten. Weitere Unterschiede sind „Persönliche Präferenzen der Anbieterseite“ (ebd.), d. h. für manche Bevölkerungsgruppen wird die Zugänglichkeit zum Wohnungsmarkt durch die Abneigung oder die Sympathie des Vermieters ermöglicht oder nicht ermöglicht. Die „Mangelnde Markttransparenz“ (ebd.) ist die vierte Besonderheit des Wohnungsmarktes.
Einen Überblick über weitere Einflussfaktoren auf den Wohnungsmarkt, die hier nicht alle einzeln abgehandelt werden können, gibt Abb. 3. Dies soll nur als kurzer Überblick über die Zusammenhänge von Wohnen, Wohnstandort und Wohnungsmarkt verstanden werden.
1.4 Theorien der Stadtentwicklung und Wanderungsmodelle
Es gibt kein Modell, das die Ursachen und Gründe einer Rückkehr der Wohnfunktion in die Innenstadt umfassend beschreibt oder erklärt. Dennoch können einzelne Sachverhalte dieses komplexen Prozesses mit bekannten Modellen der Stadtentwicklung und Wanderungsmodellen erklärt werden. Einige dieser Modelle und Theorien werden im Folgenden kurz vorgestellt, bzw. an passender Stelle innerhalb der Arbeit angeführt. Erklärungsansätze aus dem Bereich der Soziologie ergänzen die geographischen Modelle und Theorien.
Stadtentwicklungsmodelle richten sich auf „Regelmäßigkeiten des Wandelns“, Stadtstrukturmodelle dahingegen auf „Regelmäßigkeiten in der Bevölkerung“ und flächenhafte Nutzungen in der Stadt (Friedrichs 1995, S. 38). Die Modelle stehen insofern miteinander in Verbindung, als dass es für verschiedene Phasen der Stadtentwicklung jeweils typische Stadtstrukturen gibt.
Nach dem Phasenmodell von Agglomerationsräumen nach Gaebe (1991) lassen sich die Veränderungsphasen Urbanisierung, Suburbanisierung, Desurbanisierung und Reurbanisierung in Agglomerationsräumen unterscheiden (Abb. 4). Das Modell beschreibt zwar nur die Veränderungen in Agglomerationsräumen, d. h. städtischen Räumen mit mindestens einer halben Million Einwohner (vgl. Gaebe 1991, S. 3), einzelne Prozesse können aber auch in kleineren Räumen beobachtet werden. Die Reihenfolge der Phasen ist nicht unbedingt festgelegt. Teilweise können die Phasen auch gleichzeitig auftreten. Besonders die Phase der Reurbanisierung ist im Kontext der Thematik dieser Arbeit von Interesse. Unter Reurbanisierung versteht man die relative Bevölkerungs- und Beschäftigungszunahme in der Kernstadt (vgl. Gaebe 1991, S. 9). Die Reurbanisierung ist somit der gegenläufige Trend zur Suburbanisierung und wird durch „Sanierung in Wohn- und Gewerbegebieten, durch Stadtumbau, Zuzüge von Haushalten mit höheren Einkommen in innenstadtnahe Wohngebiete und Veränderungen der Bevölkerungs- und Sozialstruktur bestimmt“ (Gaebe 2004).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Modell der Bevölkerungs- und Beschäftigungsentwicklung in Agglomerationsräumen nach Gaebe (1991)
Quelle: Heineberg 2001, S. 53.
Wanderungsmodelle lassen sich in die „traditionellen“ objektiven Modelle (Gravitationsmodelle, Push-/Pull-Modelle), die Verhaltensorientierten Modelle und die Constrains-Modelle untergliedern (vgl. Bähr 1997, S. 292). Verhaltensorientierten Modelle betrachten Wanderungsentscheidungen als individuelle Verhaltensweisen und sind somit handlungsorientiert. Gatzweiler (1975) und Nipper (1975) haben in Anlehnung an Roseman (1971) ein allgemeines Entscheidungsmodell von Wanderungen entwickelt (vgl. Bähr 1997, S. 300). Wanderungen werden hierbei durch Unzufriedenheit mit den Standortfaktoren und Lebensbedingungen des alten Aktionsfeldes ausgelöst. Diese Ursachen können den Bereich der Wohnung und des Wohnumfeldes betreffen, oder in den Faktoren Arbeit, Ausbildung und Freizeit begründet sein (vgl. Bähr 1997, S. 301). Wanderungen werden demnach durch subjektive Raummerkmale ausgelöst (vgl. Bähr 1997, S. 292). Dieses Modell kann somit auch zur Erklärung für die innerstädtische Mobilität angewandt werden. Ein Vorteil dieses Modells ist die differenzierte Betrachtung der einzelnen Faktoren, die zu einer Wanderungsentscheidung führen.
Constrains-Modelle postulieren, dass bei Wanderungsentscheidungen keine vollkommene Wahlfreiheit existiert, sondern dass Zwänge von außen (constrains) den Handlungsspielraum des Einzelnen erheblich einschränken können (vgl. Bähr 1997, S. 303). In Bezug auf das Thema dieser Arbeit kann ein constrain z. B. die Struktur des Wohnungsmarktes sein. Im Unterschied zu den verhaltensorientierten Modellen wirken neben subjektiven Raummerkmalen auch objektive Raummerkmale direkt am Entscheidungsprozess mit. Bei der methodischen Umsetzung kann dies allerdings zu Problemen führen (vgl. Bähr 1997, S. 292f.).
Innerstädtische Wanderungen werden von Gatzweiler (1975, S. 77f.) anhand von Wanderungsursachen durch 4 Wanderungsgruppen mit größtenteils gleichem Verhalten getragen:
- Die 16- bis 20-Jährigen als „Bildungswanderer“
- Die 21- bis 34-Jährigen als „qualifizierte Arbeitsplatzwanderer“
- Die 25- bis 49-Jährigen als „Wohn- und Wohnumfeldwanderer“
- Die über 49-Jährigen als „Altersruhesitzwanderer“
Heineberg (2004, S. 80) erklärt die Wanderungsprozesse im Großstadtbereich durch folgende Punkte (vgl. auch Kuls 1993, S. 208f.):
1. Zuwanderungen von außen werden vorwiegend von 1-Personen-Haushalten getragen und sind auf den Kernbereich gerichtet
2. Wachsende oder stagnierende Haushalte orientieren sich von innen nach außen, in Richtung Stadtrandgebiete oder Vororte
3. Ältere Haushalte wandern teilweise von außerhalb wieder in die Kernbereiche zurück
4. In inneren Stadtbereichen gibt es Wanderungsverluste, in äußeren Stadtbereichen Wanderungsgewinne
5. In allen Teilen der Stadtregion gibt es Teilräume mit geringer Wanderungshäufigkeit
Ein neuer Ansatz, der einen Wirkungszusammenhang von Suburbanisierung und Reurbanisierung explizit thematisiert, ist das Qualitative Attraktivitäts-Migrations-Modell (QUAM), das im Rahmen des EU-Projektes URBS PANDENS (Urban Sprawl - Europäische Muster, Umweltbelastung und Nachhaltigkeit) entwickelt wurde. Das QUAM basiert auf der Grundannahme, dass sich „Migrationsbewegungen“ zwischen der Kernstadt und dem suburbanen Umland durch die „Attraktivitätsdifferenz zwischen Innenstadt und Peripherie“ erklären lassen (Lüdeke/Reckien/Petschel-Held, 2004, S. 15). Die Attraktivität einer Region wird hierbei nicht als konstant angenommen sondern ändert sich durch die folgenden Faktoren (Lüdeke/Reckien/Petschel-Held 2004, S. 9):
1. Attraktivitätsänderungen wegen Zu- oder Fortzug anderer Akteursgruppen
2. Attraktivitätsänderungen durch Entscheidungen Rahmen setzender Akteursgruppen
Die Akteursgruppen im ersten Fall können Haushalte und Unternehmen sein, im zweiten Fall der Staat oder die Kommunen.
Es bleibt festzuhalten, dass es meist individuelle Entscheidungen sind, die eine Wanderungsentscheidung und somit auch einen Zuzug in die Innenstadt auslösen. Dennoch kristallisieren sich in den verschiedenen Ansätzen bestimmte Bevölkerungsgruppen heraus, die als potentielle Rückwanderer in die Stadt in Frage kommen. Bestimmte Veränderungen innerstädtischer Prozesse können verschiedenen Phasen der Stadtentwicklung zugeordnet werden.
1.5 Historischer Abriss der Wohnfunktion im Zentrum
Vor der Industriellen Revolution war das Wohnen im Zentrum der Stadt mit einem hohen gesellschaftlichen und sozialen Status verbunden. „Das Rathaus im Zentrum war der deutliche und sichtbare Ausdruck seiner Herrschaft als Klasse“ (Häussermann/Siebel 1987, S. 22). Um das Zentrum befanden sich Bürgerhäuser, in denen die Kaufleute und die reichen Handwerker wohnten. Während der Industrialisierung verzeichneten die Städte gegenüber dem Umland eine Bevölkerungszunahme (Urbanisierung). Die Industrielle Revolution wurde durch eine rege Bautätigkeit begleitet. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg kam es in Deutschland ab 1871 durch Zollabbau und Kriegsentschädigungen zu einer Wachstumseuphorie, der sog. Gründerzeit (vgl. Reinborn 1996, S. 59). In vielen Innenstädten wurden für die Mittel- und Arbeiterklasse Mietskasernen in beengter Etagenbauweise aufgrund der Bodenspekulation errichtet. Dennoch ging die Wohnfunktion im Zentrum auf Kosten der Industrie zurück (vgl. Lichtenberger 2002, S. 78f.). Es kam zu zahlreichen Stadterweiterungen im 19. Jh.. Die Einführung der Straßenbahn führte ebenfalls zu einer Ausbreitung der Stadt in die Fläche (vgl. Reinborn 1996, S. 59f.). Nach der Industrialisierung verlor das Zentrum daher allmählich seine Attraktivität als Wohnstandort für die vermögenden Schichten. Dementsprechend kam es zu einer Phase der Stadtflucht des Bürgertums und wer es sich leisten konnte, zog in die Villa mit Garten in der Vorstadt (vgl. Häussermann/Siebel 1987, S. 22). Nach Ende des Zweiten Weltkrieges kam es durch den Wiederaufbau erneut zu einer Zunahme der Wohnfunktion im Zentrum. Allerdings wohnte man nun nicht mehr aus repräsentativen Zwecken im Zentrum, sondern aus einer funktionellen Notwendigkeit heraus (vgl. Lichtenberger 2002, S. 79). Der Städtebau nach der Phase des Wiederaufbaus war gekennzeichnet durch eine Nutzungstrennung und eine Vielzahl städtebaulicher Leitbilder, die radikal mit der bestehenden Stadtstruktur brachen, wie z. B. die „autogerechte Stadt“ und die „gegliederte und aufgelockerte Stadt“ (vgl. Reinborn 1996, S. 182f.).
Seit Anfang der 1960er Jahre setzte in (West)-Deutschland die Suburbanisierung ein. Diese Wanderungsbewegung von der Kernstadt ins Umland wurde im alten Bundesgebiet zuerst durch die Wohnbevölkerung ausgelöst. Gründe waren u. a. die steigenden Bodenpreise in der Stadt und die Massenmotorisierung. Später folgte ebenfalls eine Verlagerung der gewerblichen Arbeitsplätze. Gründe hierfür waren u. a. steigende Bodenpreise, fehlenden innerstädtische Flächenreserven und Nutzungskonflikte (vgl. Jessen 2001, S. 318f.). Ende der 1960er Jahre verlagerte der großflächige Einzelhandel viele Standorte ins Umland und Anfang der 1970er Jahre folgten viele Dienstleistungsunternehmen, die ihre Back-Offices ins Umland verlegten. Seit den 1990er Jahren ist auch die Suburbanisierung von Vergnügungs- und Freizeiteinrichtungen zu beobachten (vgl. Jessen 2001, S. 320f.).
Die Stadtentwicklung war bis in die 1990er Jahre somit durch massive Einwohnerverluste aufgrund von Umlandwanderungen geprägt. Die Schrumpfende Stadt ist zu einem allgegenwärtigen Begriff geworden. Innerhalb der Stadtgebiete waren es vorwiegend die Innenstädte, die die größten Einwohnerverluste verzeichneten. Obwohl Häussermann und Siebel bereits 1987 die „Renaissance städtischer Lebensformen“ und das Auftreten von „Neuen Urbaniten“, d. h. jüngeren Leuten, die die innerstädtischen Wohnquartiere bevölkern, thematisierten (vgl. Häussermann/Siebel 1987, S. 11), gingen die Einwohnerzahlen in den Innenstädten zurück. Heute wird seitens der Stadtplanung versucht Mischstrukturen auszubauen. Durch Nachmischung und Nachverdichtung sollen urbane Strukturen in den Zentren entstehen.
2. Belege für die neue Attraktivität des Wohnens im Zentrum
2.1 Zunahme der Wohnbevölkerung in den Zentren
In vielen deutschen Großstädten auf dem alten Bundesgebiet ist in den letzten Jahren eine Zunahme der Bevölkerung festzustellen. Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass es sich hauptsächlich um Wanderungsgewinne und -verluste handelt, da die natürliche Bevölkerungsbewegung nicht solchen Schwankungen unterworfen ist. In Abb. 5 ist die Bevölkerungsentwicklung der 21 größten (bezogen auf die Einwohnerzahl) deutschen Städte seit 1995 dargestellt. Hierbei wird deutlich, dass die Bevölkerungsentwicklung in den Großstädten nach einem starken Rückgang im Jahr 2000 seit dem Jahr 2001 im Schnitt positiv verläuft. Bei genauerer Betrachtung sind allerdings regionale Unterschiede zu erkennen. In den Ruhrgebietsstädten Essen, Bochum und Duisburg verläuft die Bevölkerungsentwicklung seit 1995 insgesamt negativ. Die ostdeutschen Städte Leipzig und Dresden gewinnen dahingegen an Bevölkerung. Die süddeutschen Städte verzeichnen ebenfalls größtenteils einen Bevölkerungsanstieg.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Bevölkerungsentwicklung der 21 größten deutschen Städte
Quelle: Statistisches Bundesamt 2007. Eigener Entwurf . Eigene Berechnung.
Um speziell die Zunahme der Wohnbevölkerung im Zentrum der Städte zu belegen, ist eine kleinräumlichere Darstellung der Entwicklung der Einwohnerzahlen in den Städten nötig. Das einzige Instrument, welches einen innerstädtischen Vergleich deutscher Städte ermöglicht, ist die Innerstädtischen Raumbeobachtung (IRB) des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR). Die IRB ist eine Kooperation des BBR und den statistischen Ämtern der Kommunen. In der IRB wird die Bevölkerungsentwicklung deutscher Großstädte (31 Städte im Westen, 7 im Osten), differenziert nach innerstädtischen Lagetypen (vgl. Kap. II.1.2) dargestellt (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007). Dies zeigt deutlich die unterschiedlichen Dynamiken der Entwicklung in Ost- und West-Deutschland. Die westdeutschen Städte lassen einen leichten Anstieg der Gesamtbevölkerung in den Zentren erkennen (Abb. 6). Die Bevölkerungsentwicklung des Gebietstyps Innenstadt verläuft eher stagnierend. Am Innenstadtrand ist, ebenso wie am Stadtrand, eine leichte Bevölkerungszunahme zu erkennen. In den ostdeutschen Städten verzeichnen die Innenstädte einen stärkeren Bevölkerungszuwachs als die Städte in Westdeutschland. Die besondere Situation der Bevölkerungsentwicklung in den ostdeutschen Städten ist nicht mit der in den westdeutschen Städten zu vergleichen und wird daher im Weiteren vernachlässigt.
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Abb. 6: Bevölkerungsentwicklung nach innerstädtischen Lagen in 7 ostdeutschen sowie 24 westdeutschen IRB-Städten 1991-2004
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007, S. 68.
Bei einem Vergleich zwischen schrumpfenden und wachsenden Städten ist bei den schrumpfenden Städten seit dem Jahr 2000 eine leichte Bevölkerungszunahme bei den Gebietstypen Innenstadt und Innenstadtrand im Vergleich zum Stadtrand feststellbar. Die wachsenden Städte verzeichnen ab diesem Zeitpunkt eine leichte Zunahme der Wohnbevölkerung bei allen Gebietstypen, seit 2003 aber verstärkt in der Innenstadt und dem Innenstadtrand (Abb. 7).
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Abb. 7: Kleinräumige Bevölkerungsentwicklung in Kernstädten 1993 - 2004
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2006, S.12.
Deutlicher wird die Entwicklung aber bei der Betrachtung und dem Vergleich einzelnen Städte[1]. Dies zeigt, dass auch bei der Bevölkerungsentwicklung der westdeutschen Städte Unterschiede feststellbar sind. Im Rahmen der IRB sind die Städte nach der Intensität der Bevölkerungsentwicklung sowie nach Differenzen der Lagetypen in Städtetypen eingeteilt (Abb. 8). Im Folgenden wird insbesondere die Entwicklung der Gebietstypen Innenstadt und Innenstadtrand betrachtet. Mit dem Fokus auf diesen Gebietstypen ergeben sich die im Folgenden beschriebenen Städtegruppen mit einer ähnlichen Entwicklung.
Die Innenstädte von Stuttgart, Köln, Dortmund, Oberhausen und Mainz verzeichneten z. B. in den letzten Jahren keinen weiteren Einwohnerverlust in der Innenstadt, vielmehr war eine Stagnation der Einwohnerzahlen in diesem Gebietstyp zu erkennen (Abb. 8). Diese Entwicklung konnte somit auch in Städten, die nicht in wirtschaftlich prosperierenden Regionen liegen, beobachtet werden (vgl. Brühl et al. 2005, S. 39). In vielen Innenstädten hat die Bevölkerung in den letzten Jahren sogar zugenommen. Beispiele hierfür in den alten Bundesländern sind die Städte Ingolstadt, Wiesbaden, Potsdam, Freiburg i. Br., Koblenz, Karlsruhe, Ludwigshafen, Hannover, Nürnberg und Bremen. In den neuen Bundesländern verzeichnen zwar auch viele Innenstädte einen Bevölkerungsanstieg, doch wird dieser durch andere Gründe und Faktoren hervorgerufen als in den Städten im Westen Deutschlands. Die Städte im Osten verzeichnen bei der Betrachtung des gesamten Stadtgebiets im Vergleich zu den Städten im Westen einen Bevölkerungsrückgang. In den Städten, in denen die Bevölkerung in der Innenstadt zugenommen hat, ist meist auch eine Zunahme der Einwohnerzahlen am Innenstadtrand feststellbar. Aber auch bei Städten mit einem Bevölkerungsrückgang in der Innenstadt, ist eine Zunahme der Bevölkerung am Innenstadtrand festzustellen, wie z. B. in Hamburg, Frankfurt a. M. und Düsseldorf. Somit ist in vielen deutschen Städten eine Zunahme der Bevölkerung, auch in den zentralen Bereichen (Innenstadt und am Innenstadtrand) vor allem seit dem Jahr 2000 erkennbar.
In Zentren, die einen hohen Anteil an Konversionsflächen besitzen, ist in Zukunft mit einer weiteren Zunahme der Einwohnerzahlen zu rechnen. So sollen z. B. in der Hamburger Hafencity 500 neue Wohneinheiten für 10.000 bis 12.000 Menschen entstehen. Die Hamburger Innenstadt wird somit flächenmäßig um 40% erweitert (vgl. Welt Online, 18.8.06 [online]).
Das Deutsche Institut für Urbanistik (Difu) hat eine Studie mit dem Titel „Wohnen in der Innenstadt – eine Renaissance?“ durchgeführt, und stützt diese auf Bewohnerbefragungen in zentralen Stadtteilen in München und Leipzig (vgl. Brühl et al. 2005). München gilt hierbei stellvertretend für alle prosperierenden Großstädte in Deutschland. Dabei ist es fraglich, ob die beliebte und prosperierende Stadt München wirklich als Beispiel für die meisten westdeutschen Großstädte gesehen werden kann. In dieser Studie wird als Beleg für die Zunahme der Wohnbevölkerung im Zentrum ebenfalls die Innerstädtische Raumbeobachtung des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung angeführt.
In Baden-Württemberg wurde die GMA von der Arbeitsgemeinschaft baden-württembergischer Bausparkassen für die Studie „Wohnen im Zentrum - Eine neue Chance für die Innenstädte“ beauftragt, in der 13 Städte in Baden-Württemberg untersucht wurden (vgl. GMA 2006 und Arbeitsgemeinschaft baden-württembergischer Bausparkassen 2006). Kritisch ist bei dieser Studie allerdings die Vergleichbarkeit der Städte zu sehen, da diese sehr unterschiedliche Größen haben. Die Einwohnerzahlen der untersuchten Städte reichen von 12.400 in Wernau bis 284.200 Einwohner in Karlsruhe (Stand 2004). Es steht zur Disposition, ab welcher Stadtgröße ein Zuzug ins Zentrum noch explizit festzustellen ist. Des Weiteren bietet die Studie keine Daten über die quantitative Zunahme der Bevölkerung in den Zentren vorhanden, vielmehr stehen die Zuzugsgründe im Vordergrund.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Bevölkerungsentwicklungstypen ausgewählter IRB-Städte nach innerstädtischen Lagetypen 1991 - 2004
Quelle: Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007, S. 66.
2.2 Zunahme verschiedener Bevölkerungsgruppen im Zentrum
Die Innenstädte sind schon immer für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Studenten und Singles als Wohnstandort interessant gewesen. Doch sind es heute nicht mehr ausschließlich diese Gruppen, die in die Innenstädte ziehen. Vielmehr gibt es Indizien, dass es verschiedene Gruppen und Subgruppen sind, die in die Zentren ziehen. Als neue, bzw. zentrenuntypische Gruppen können hierbei Besserverdienende, Familien mit Kindern und Senioren genannt werden. Als Belege für diese Entwicklung werden verschiedene, teils schon erwähnte Studien sowie Beiträge aus der Fachliteratur und Meldungen in Zeitungen herangezogen. Die amtliche Statistik bietet auf Ebene der Stadtteile leider keine innerstädtisch differenzierten und vergleichbaren Wanderungsstatistiken einzelner Bevölkerungsgruppen. Daher werden nur vereinzelt Beispiele aus den Kommunalstatistiken herangezogen.
Die Hinweise verdichten sich, dass es verstärkt die gebildete und besserverdienende Mittelschicht ist, die zurück ins Zentrum zieht, oder nach dem Studium dort wohnen bleibt (vgl. Watermann 2004). „Haushalte mit höheren Einkommen, die mit hohen Mobilitätsanforderungen in Arbeit eingebunden sind, mieten sich in hochpreisige Wohnungsangebote im Zentrum ein [Frankfurt Westhafen, Hafen-City Hamburg]“ (Habermann-Niesse 2006, S. 3). Auch laut einer Studie der Hamburger LBS ist zumindest „der innerstädtische Wohnungsneubau eher für Nachfragegruppen mit einem mittleren bis gehobenen Einkommen“ konzipiert (LBS Bausparkasse Hamburg 2003, S. 26). Zum gleichen Ergebnis kommt die Difu-Studie: „Den Wohnraum, der derzeit in den Innenstädten entsteht können sich mithin nur Angehörige der (gehobenen) Mittelschicht leisten, die im gesicherten Wohlstand leben“ (Brühl et al. 2005, S. 50). Für eine erhöhte Attraktivität des innerstädtischen Wohnens dieser Bevölkerungsschicht spricht auch das im Vergleich hohe Bildungsniveau sowie das Einkommen der Zugezogenen im Untersuchungsgebiet der Difu-Studie (vgl. Brühl 2006, S. 9).
„Von der Fachwelt weitgehend unbemerkt haben sich auch Familien der Mittelschicht wieder zurück aufs Zentrum orientiert; allerdings können Bauträger und Vermieter nicht immer die gewünschten Immobilien anbieten“ (Holl/Kollmar 2006, S. 17). Dass junge Paare nicht zuziehen, sondern den innerstädtischen Wohnort nach Beendigung des Studiums beibehalten, weil sie sich dort auskennen, konstatiert Prof. Dr. Hartmut Häußermann in einem Interview für das Mieter-Magazin Berlin (vgl. Watermann 2004). Die Studie der GMA für baden-württembergische Städte ergab ebenfalls, dass innerstädtisches Wohnen auch für Familien mit Kindern attraktiv ist. Der Anteil der Haushalte mit Kindern, die in die zentralen Stadtteile gezogen sind, beträgt 20% (vgl. GMA 2006, S. 37). Auch die Wüstenrot Stiftung (2004, S. 7) bestätigt eine Neigung zum Wohnen in der Stadt unter Familien, wenn das Angebot stimmt. Dass es durchaus Angebote für Familien in den Innenstädten gibt, belegt eine Studie über Konzepte für Familienwohnungen in der Innenstadt (vgl. Weeber et al. 2005). Die 25 untersuchten Beispiele ergaben, dass neue Stadthäuser für Familien nicht nur im hochpreisigen Sektor liegen (vgl. ebd.). Im Münchner Untersuchungsgebiet der Difu-Studie (vgl. Brühl et al. 2005, S. 62) wollen die ansässigen Familien wohnen bleiben und falls sie eine größere Wohnung benötigen, diese im Quartier suchen. Es gab viele Fälle, in denen die Familien, nachdem sie ins Münchner Umland gezogen sind, wieder ins Zentrum zurückkehrten. In anderen Großstadtquartieren sind ebenfalls vermehrt Familien mit Kindern anzutreffen. „Das Innenstadtwohnen wird von diesen Personengruppen dabei keineswegs, wie vielfach unterstellt wird, von vornherein als familien- bzw. kinderfeindlich empfunden“ (Brühl 2006, S. 10). Zwar wurde die Meldung über den „Babyboom“ im Berliner Prenzlauer Berg wieder revidiert (vgl. Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 20.12.06 [online]), dennoch sind in diesem Stadtteil tatsächlich verstärkt Frauen zwischen 25 und 40 Jahren zugezogen, die dementsprechend viele Kinder haben und höchstwahrscheinlich noch bekommen werden. In anderen zentralen Stadtteilen Berlins sind es gerade auch junge Familien, die sich für das Wohnen in der City interessieren (vgl. Watermann 2004). Private Investoren bestätigen eine große Nachfrage nach innerstädtischem Wohnraum, besonders von Familien. „Flucht zurück in die Stadt. Familien zieht es wieder nach Berlin – Senat sucht im Zentrum Grundstücke für Stadthaus-Siedlungen.“: so lautete die dazugehörige Schlagzeile in der Welt Online (11.10.06 [online]).
Entgegen dem Motto „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“ können auch Senioren als Rückkehrer in die Stadt angesehen werden (vgl. Kap. II.1.4). Nach Berechnungen von Eichener (2001, S. 180) ist die Mobilität älterer Haushalte zwischen 55 und 75 Jahren deutlich höher, als bisher angenommen. Eichener (2001, S. 184) ermittelte auf Basis von Daten des sozioökonomischen Panels (SOEP)[2] und verschiedene Modellrechnungen sowie Befragungen, dass „fast zwei Drittel der älteren Mieterhaushalte irgendwann im Laufe des dritten Lebensabschnitts noch einmal umziehen werden“. Noch favorisiert die älter werdende Bevölkerung das Leben auf dem Land, doch ist der Anteil der über 80-Jährigen Senioren, die in Zukunft gerne in einer Großstadt leben möchten, mit 18% relativ hoch. (vgl. Opaschowski 2005, S. 67). Daher ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass viele ältere Umzugswillige ihren Wohnsitz in die Innenstädte verlegen. Die GMA-Studie „Wohnen im Zentrum“ bestätigt zumindest für Baden-Württemberg, dass ältere Menschen zunehmend in innerstädtische Wohngebiete ziehen. In 7% der untersuchten Haushalte, die in innerstädtische bzw. innenstadtnahe Wohnquartiere gezogen sind, leben Personen über 65 Jahre und in 16% der Haushalte Personen zwischen 45 und 64 Jahren. In der Studie wird allerdings auch deutlich, dass die Senioren[3] vorwiegend in den Zentren von Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum einen hohen Anteil unter den Zugezogenen darstellen (vgl. GMA 2006, S. 36). Eine Psychonomics-Studie[4] im Auftrag der Allianz Leben belegt ebenfalls, dass viele Menschen den Wunsch haben, im Alter noch „urban in der Innenstadt zu wohnen und sich möglichst lange selbst versorgen zu können“. Hierbei wünschen sich 86% der Befragten fürs Alter ein Leben in der eigenen Wohnung, aber mit Betreuung. (vgl. ReifeMärkte – Das Businessportal, 9.12.06 [online]). Die Zahl der Senioren, die sich vorstellen können ihren Lebensabend in WG-ähnlichen oder generationenübergreifenden Objekten zu verbringen, die es vorwiegend in den Zentren großer Städte gibt, steigt. Auf diese Entwicklung stellt sich auch die Wohnungswirtschaft ein und entwickelt besonders seniorengerechte und generationenübergreifende Wohnprojekte und ambulant betreute Wohneinrichtungen, oft in der Innenstadt. Beispiele hierfür sind das Generationenhaus in Stuttgart (vgl. Krosse 2005, S.189) und das Projekt „Gemeinsam Wohnen – gemeinsam älter werden in der Innenstadt von Münster (vgl. Wohnungswirtschaft Aktuell, 9.12.06 [online]). In der Rhein-Neckar-Region gibt es in mehreren Städten Viertel, die speziell für das Wohnen im Alter umkonzipiert wurden (vgl. Welt Online, 10.9.06a [online]).
2.3 Zunahme der Wohnungsnachfrage und Eigentumsbildung im Zentrum
In Deutschland ist insgesamt eine Zunahme der Eigentümerquote[5] festzustellen. Die Eigentümerquote ist im alten Bundesgebiet von 39,1% (1950) auf 44,6% (2002) gestiegen (vgl. Statistisches Bundesamt 2006a, S. 283) und Prognosen des BBR zeigen, dass die Eigentümerquoten in Zukunft weiter steigen werden (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 11.1.07 [online]). Bisher war der Erwerb von Wohneigentum und Suburbanisierung eng miteinander verknüpft. Dennoch wären viele Umlandwanderer in der Stadt geblieben, „wenn sie ihren Wohnflächenbedarf bei gleichen Kosten in der Stadt hätten realisieren können“ (Brühl et al. 2005, S. 13). Eine Studie von DB Immobilien hat ebenfalls ergeben, dass innerstädtische Eigentumswohnungen zunehmend an Käufergunst gewinnen. Klassische Altbauten stehen bei der Beliebtheitsskala der Gebäudeart auf Platz Eins. Seit 2004 machen Eigentumswohnungen, dem in seiner Beliebtheit in der Kategorie Objekttypus führenden freistehenden Einfamilienhaus, durchaus Konkurrenz. Besonders gefragt ist die Eigentumswohnung in Städten mit „kultureller Zentrumsfunktion“, wie Baden-Baden, Heidelberg oder Wiesbaden. (vgl. Online Welt, 10.9.06 [online]). Die Landesbausparkassen beobachten ebenfalls einen Trend zur Wohnungsnachfrage in der Stadt. In den Jahren von 1995 bis 2005 wies der Bau von Eigenheimen in den Kernstädten sogar ein Plus von 52% auf (ebd.).
Die Studie der GMA für die Städte in Baden-Württemberg ergab dennoch, dass das Wohnen zur Miete, mit einem Anteil von 78% der befragten Haushalte, in den Innenstädten die am stärksten auftretende Wohnform ist. Nur ein Anteil von 19% der untersuchten Haushalte sind nach dem Umzug in die zentralen Stadtteile Eigentümer ihrer Wohnung. Vor dem Umzug lebten 16% der Befragten in den eigenen 4 Wänden und 74% zur Miete. Insofern hat sich das Mieter-Eigentümerverhältnis im Vergleich zu vor dem Zuzug ins Zentrum leicht erhöht. (vgl. GMA 2006). Da die wichtigste Zielgruppe der städtischen Wohnprojekte in der Regel die eher einkommensstarken Schichten sind, könnten diese die Wohneigentumsrate in der Stadt ebenfalls steigern (vgl. Harlander 2006). Der Nachfrage nach Wohnraum könnte weiterhin mittelfristig zugute kommen, dass bisher nur 43% der deutschen Haushalte im Wohneigentum leben. In Ländern wie Frankreich, Spanien und Großbritannien sind diese Anteile deutlich höher. Damit hat Deutschland noch einen großen Nachholbedarf an Wohneigentum (vgl. FAZ, 29.5.04, S. 21).
2.4 Zunahme der Wohnungsbautätigkeit im Zentrum
Insgesamt ist die Siedlungsflächenzunahme in ganz Deutschland leicht rückläufig. Es ist ein Rückgang der täglichen Neuinanspruchnahme von 129 ha (2000) auf 93 ha (2003) feststellbar (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2005, S. 56). Dafür ist in vielen Innenstädten in den letzten Jahren eine verstärkte Wohnungsbautätigkeit erkennbar. „Innenentwicklung vor Außenentwicklung“ heißt die im Zuge von Nachhaltigkeitsstrategien von Bund und Ländern entwickelte Grundausrichtung der Siedlungsentwicklung für die kommenden Generationen (vgl. Scholl 2004, S. 53). Neben der Schließung von Baulücken wird diese Entwicklung u. a. durch das Vorhandensein vieler innerstädtischer Recyclingflächen wie Konversionsflächen, entbehrliche Bahnareale sowie industrielle oder gewerbliche Brachflächen begünstigt (vgl. Kap. II.3.1.2, bzw. Kap. II.3.3.1). Ein Beispiel hierfür ist die neu entstehende Hafen-City in Hamburg.
Auch die Städte haben ein Interesse an der Stärkung der Wohnfunktion in den Innenstädten. In Hamburg wurde beispielsweise im Bezirk Mitte durch eine Textplanänderung der Wohnungsbau in mehreren Quartieren zugelassen, in denen bisher ausschließlich Büro- und Gewerbenutzungen erlaubt waren. Dort sollen mindestens 500 Wohnungsbauvorhaben realisiert werden. Speziell in Hamburg ist der Grund für die Entstehung der neuen Wohnungen die bisher menschenleere City nach Ladenschluss (vgl. Welt Online, 10.9.06c [online]). In Innenstadtquartieren entstehen meist Eigentumswohnungen „im hochpreisigen Sektor“ (Brühl et al. 2005, S. 50). Auch in Zukunft ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Neubauten in Deutschland weiter steigen wird (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 11.1.07 [online])
Als weitere Belege für eine gestiegene Attraktivität des Wohnens in der Innenstadt können weiterhin die zahlreichen bereits verwirklichten, neuen Wohnprojekte in den Innenstädten gesehen werden. Beispiele für in den letzten Jahren realisierte Projekte innerstädtischen Wohnens sind z. B. Hamburg Falkenried und Hamburg Hafen-City, das Gilde-Carré in Hannover, das wagnis eG in München und die Prenzlauer Gärten in Berlin. In Frankfurt entstehen auf dem Gelände einer Gärtnerei ebenfalls neue Stadthäuser (Der Spiegel, 9.1.06, S. 135). Es gibt zahlreiche weitere Beispiele für neue innerstädtische Wohnprojekte (vgl. Arbeitgemeinschaft Baden-Württembergischer Bausparkassen 2006 und Wohnbundinformationen Heft I/II2006).
3. Gründe für die neue Attraktivität des Wohnens im Zentrum
3.1 Aufwertung der Innenstädte
3.1.1 Aufwertung des Gebäudebestandes
Nach den großen Flächensanierungen der 1960er und 1970er Jahre ist ab den 1980er Jahren die Erhaltung bestehender Stadtviertel in der Stadtpolitik wichtiger geworden. Funktionierende Stadtstrukturen konnten nicht von Grund auf erneuert werden. Stadterneuerung und Stadtreparatur sind daher Begriffe, die einem in Bezug auf die aktuelle Stadtentwicklung immer wieder begegnen. Neben Neubauten sind auch sanierte Altbauten auf dem Wohnungsmarkt immer gefragter. Unter Altbau soll hier im Wesentlichen der Gebäudebestand der Gründerzeit von 1871 bis 1914 verstanden werden. Altbauten besitzen meist großzügige Grundrisse und sind für die verschiedenen Formen des Zusammenlebens flexibler nutzbar. „An der Position der Steckdosen war nicht von vornherein ablesbar, welcher Raum als Schlafzimmer und welcher als Wohnzimmer zu nutzen ist“ (Hannemann 2000, S. 15). Dies entspricht den Anforderungen der neuen Lebensstiltypen (vgl. Kap. II.3.2.3) ebenso, wie bedarfsgerechte Neubauten (vgl. Kap. II.3.1.2). Die suburbanen Nachkriegsbauten der Vororte wiederum sind in ihrer Raumaufteilung meist auf die „Normalfamilie“ ausgelegt und lassen wenig Spielraum für nachträgliche Grundrissänderungen und alternative Lebenskonzepte.
Die Förderung von Sanierungen im Wohnungsbestand wurde aufgrund gestiegener Baupreise und der zunehmend schwerer zu finanzierenden Objektförderung von Sozialwohnungen immer wichtiger (vgl. Hannemann 2000, S. 11f.). Das Verfahren der Sanierung ist im Baugesetzbuch festgelegt. Es dient zur langfristigen Beseitigung von baulichen Mängeln an Gebäuden und im öffentlichen Raum (vgl. Stadt Karlsruhe, 12.1.07 [online]). In Sanierungsgebieten gelten für die Dauer der Sanierung besondere gesetzliche Vorschriften. Sanierungsgebiete werden durch die Kommunen und die Länder gefördert. Eine Möglichkeit bei Sanierungsmaßnahmen ist eine Förderung von Wohnraummodernisierungsmaßnahmen (Tab. 2).
Tab. 2: Maßnahmen zur Wohnraummodernisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Stadt Karlsruhe, 12.1.07 [online]. Eigener Entwurf.
Ein Prozess, der zu einer Aufwertung des bestehenden Wohnungsbestandes führt, ist die Gentrification. Dieser Prozess beschreibt ein schnelles Ansteigen des Anteils an statushöherer Bevölkerung in ehemaligen Arbeiterwohngebieten bzw. innerstädtischen Wohngebieten mit statusniedriger Bevölkerung. Dieser Austausch der Bevölkerung wird von einer Umgestaltung, Aufwertung und physischen Wiederherstellung verfallener Gebäude in innerstädtischen Wohnlagen begleitet (Blasius/Dangschat 1990, S.11 und Dangschat 1988, S. 272f.). Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Aufwertung kommt, nicht in allen Wohngebieten gleich hoch. Für bundesdeutsche Verhältnisse ergeben sich nach Dangschat (1988, S. 277) 2 idealtypische Verläufe von Gentrification. Der erste bezeichnet die „Gentrification in Wohnvierteln mit gut erhaltener, großbürgerlicher Bausubstanz aus der Gründerzeit, in denen der Anteil der Angehörigen der Mittelschicht hoch ist“ (ebd.). Der zweite Verlauf beschreibt die Gentrifiction in Wohnvierteln, deren Bausubstanz aus alten Arbeiter-Wohnungen besteht, die heruntergekommen ist und deren Bewohner sich vorwiegend aus Alten, Armen und Ausländern zusammensetzt (ebd.). Krajewski (2004, S. 103f.) fügt dem Phänomen der Gentrification neben der baulichen und sozialen Aufwertung noch die Aspekte der funktionalen Aufwertung (Ansiedlung neuer Geschäfte und Dienstleistungen, etc.) und der symbolischen Aufwertung hinzu. Unter symbolischer Aufwertung wird u. a. eine hohe Akzeptanz bei Besuchern und Bewohnern und eine „positive“ Kommunikation über das Gebiet verstanden (vgl. ebd.). Dennoch können nicht alle innerstädtischen Aufwertungsprozesse als Gentrification bezeichnet werden.
Innerstädtische Gebiete, in denen der Prozess der Gentrification noch stattfinden könnte, weisen nach Falk (1994, S. 91) die in Tab. 3 dargestellten Merkmale auf. Als weiteres wichtiges Merkmal nennt Falk (1994, S. 91f.) das Baujahr eines Wohngebäudes.
Tab. 3: Merkmale einer möglichen Gentrification
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Falk 1994, S. 91. Eigener Entwurf.
In Deutschland sind es vorwiegend die gründerzeitlichen Wohnviertel, die zwar eine architektonisch ansprechende Grundsubstanz haben, aber oft in einem heruntergekommenen Zustand sind. Im Folgenden wird kurz der idealtypische Prozess einer Gentrification als Phasenmodell beschrieben: Anfangs sind es meist junge, risikobereite Personen mit geringerem Einkommen und einer hohen Schulbildung (Künstler, Studenten, Alternative), die in diese Gebiete ziehen. Der Wohnraum wird oft in Eigeninitiative renoviert. Investitionen seitens der Vermieter, bzw. der Eigentümer bleiben in dieser ersten Phase des Aufwertungsprozesses noch aus. Nach dem Zuzug der „Neuen“ verändert sich nach und nach die Infrastruktur des Viertels. Es bildet sich eine „Szene“ mit Läden, Kneipen und Restaurants (vgl. Kecskes 1997, S. 25f.). Dadurch wird das Gebiet auch für andere Personen als Wohnstandort attraktiv (vgl. Blasius 1993, S. 31). Diese zweite Generation der Zuziehenden wird als „Gentrifier“ bezeichnet, die ersten Zuziehenden als „Pioniere“ (vgl. ebd. und Dangschat 1988, S. 275f.). Die Gentrifier sind älter als die Pioniere, meist kinderlos und haben ein relativ hohes Einkommen. Mit diesem Bevölkerungsaustausch kommt es zu einer Veränderung der Miet- und Wohnungspreise in dem Gebiet. Für die Wohnungseigentümer und Vermieter werden Investitionen durch den verstärkten Nachfragedruck wieder rentabel. Somit kommt es zu einem Anstieg der Mieten und Wohnungspreise und oft zu einer Umwandlung von Miet- zu Eigentumswohnungen (vgl. Kecskes 1997, S. 26, Dangschat 1988, S. 272). Dies hat zur Folge, dass sowohl die ursprüngliche Bevölkerung des Gebietes, als auch die Pioniere von einer Verdrängung bedroht werden. Der idealtypische Verlauf dieses doppelten Invasions-Sukzessions-Zyklus konnte allerdings in deutschen Städten noch weniger nachgewiesen werden als in amerikanischen Großstädten. Auch ist die Operationalisierung und Unterscheidung bestimmter Gruppen, die am Prozess beteiligt sind nicht immer ganz eindeutig (vgl. Blasius 1993). Das Gentrification-Modell bietet auch für einige Prozesse in der Innenstadt keine ausreichende Erklärung. Diese sind nach Brühl et al. (2005, S. 51f.) „die Wiedernutzung innerstädtischer Recyclingflächen durch Wohnnutzung und die „Nobilisierung“ von nicht sanierungs- und renovierungsbedürftigen Quartieren durch eine vorwiegend mittelschichtsorientierter Wohnbevölkerung“, wie z. B. im Untersuchungsgebiet der Difu-Studie, dem Glockenbach-, bzw. Gärtnerplatzviertel in München.
Ein weiterer Prozess der innerstädtischen Aufwertung des Bestandes ist „Incumbent Upgrading“, bzw. „Incumbent Gentrification“, die „Aufwertung von innen heraus“, durch einen sozialen Aufstieg der Bewohner (vgl. Dangschat 1988, S. 274 und Häussermann/Siebel 2004, S. 229). Der Prozess der Gentrification wird „intensiv“ von „Außenstehenden“, also Akteuren wie Maklern, Investoren und Behörden aber auch durch die neu hinzuziehenden Mieter geregelt. Incumbent Upgrading wird hingegen von den bereits im Viertel wohnenden Eigentümern und Bewohnern langsam und kontinuierlich selbst gesteuert (vgl. Dangschat 1988, S. 274).
Das Nachfrage-Angebot-Modell liefert ebenfalls eine Erklärung für die Aufwertung des Bestandes in innerstädtischen Wohngebieten (vgl. Dangschat 1988, S. 282). Hierbei erfolgt die Aufwertung durch eine Veränderung der Nachfrage und des Angebots. Die Nachfrage wird nach Dangschat (1988, S. 283ff.) u. a. bestimmt durch das Entstehen neuer Haushaltstypen (vgl. Kap. II.3.2.3), der demographischen Entwicklung (vgl. Kap. II.3.2.1), rechtlichen und ökonomischen Gründen, der Veränderung des Lebenszyklus, der Verschiebung der Beschäftigten-Struktur sowie einer veränderten Konsumhaltung. Das Angebot wird nach Dangschat (1988, S. 285) durch die „Verfügbarkeit und Erreichbarkeit attraktiver Wohnungen bestimmt“ und geht auf die rent-gap-Theorie von Smith (1979) zurück. Die rent-gap-Theorie ist eine „angebotsbezogene Theorie, die die Aufwertung eines Wohngebietes durch die Erwartung einer Wertsteigerung der Grundstücke erklärt“ (Gaebe 2004, S. 160).
3.1.2 Neue bedarfsgerechte Bau- und Wohnformen
Veränderte Wohnpräferenzen und Ansprüche an die Wohnung und deren Ausstattung erfordern neue bedarfsgerechte Bau- und Wohnformen. Junge Familien ziehen oft nur deshalb ins Umland, weil sie in der Innenstadt keinen geeigneten kinderfreundlichen Wohnstandort mit Grünflächen und Spielplätzen finden. Wäre dies in innerstädtischen Lagen vorhanden, würde die Wohnstandortentscheidung öfters für die Stadt ausfallen (vgl. Krings-Heckemeier 2004, S. 31). Auch andere Bevölkerungsgruppen haben spezifische Bedürfnisse und Ansprüche an Wohnung und Wohnumfeld. Die Anforderungen an die Wohnqualität sowie an die Funktionalität und die Ausstattung der eigenen Wohnung werden ebenfalls immer höher. Daher werden Ausstattungsmerkmale wie Aufzug oder Balkon im Geschosswohnungsbau auch immer wichtiger (vgl. LBS 2003).
Um neue städtische Wohnformen in den Zentren zu ermöglichen, ist die Verfügbarkeit von freien Bauflächen notwendig. Freiflächen sind in Innenstädten aber selten vorhanden und meist nicht für eine Bebauung freigegeben, da sie z. B. als Grünflächen zur Naherholung dienen. Somit ermöglichen vorwiegend ehemals genutzte und wieder freigewordene Flächen die Realisierung neuer Bauprojekte in den Zentren. Innerstädtische Konversionsflächen entstanden besonders in den letzten Jahrzehnten (vgl. Kap. II.3.3.1). Die Wiedernutzung innerstädtischer Brachflächen entspricht auch den räumlichen Ordnungsprinzipien der nachhaltigen Stadtentwicklung. Ein Bestandteil der nachhaltigen Stadtentwicklung ist die Dichte im Städtebau. Durch die Schaffung kompakter, hochwertiger Gebäudestrukturen soll der Flächenverbrauch verringert werden. Dies soll durch „bessere Ausschöpfung und Erweiterung von Nutzungspotentialen im bereits bebauten Bereich der städtischen Innenentwicklung“ geschehen (Heineberg 2001, S. 129). Als zweites Ordnungsprinzip ist die Nutzungsmischung, also die funktionale Mischung von Wohnen und Arbeiten, sowie Versorgen und Freizeit zu nennen (vgl. Heineberg 2001, S. 130). Ein partielles Leitbild der nachhaltigen Stadtentwicklung ist die Stadt der kurzen Wege. Das dritte räumliche Ordnungsprinzip ist die Polyzentralität, d. h. die Verteilung des Siedlungsdrucks auf mehrere Zentren (vgl. Heineberg 2001, S. 131).
Nach Krings-Heckemeier (2004, S. 30) ist der Bevölkerungsrückgang in den Städten und die gleichzeitige Bevölkerungszunahme im Umland innerhalb der letzten 10 Jahre „eine Reaktion auf die wenig differenzierten Bauformen der Städte“. Die Entscheidung, das Eigenheim im Umland zu wählen resultiert bei vielen Haushalten oft nur aus dem Nichtfündigwerden in der Stadt (vgl. Gonzáles/Menzl 1999, o. S.). Daher war das eigene freistehende Einfamilienhaus im Grünen, mit Garten und Garage, lange Zeit das begehrteste Wohnobjekt der Deutschen (vgl. Krosse 2005, S. 53). Es war das Statussymbol für den „individuellen Lebenserfolg und sozialen Aufstieg“ (Harlander 2006, S. 12). Ermöglicht wurde dies auch vor dem Hintergrund eines besseren Lebensstandards und Wohlstand, dem Ausbau des Wohlfahrtsstaates und dem zunehmenden PKW-Besitz. Vorwiegend junge Familien strebten diese Form des Wohnens an. Begründet ist diese Entwicklung in dem industriell verursachten Städtewachstum und den daraus folgenden schlechten städtischen Wohnbedingungen. Beginnend mit der Gartenstadtbewegung in England wurde das Wohnen im Grünen populär. Seit dieser Zeit wanderte die Mittelschicht ins Umland ab. Doch in der heutigen postfordistischen Gesellschaft haben sich die Bedingungen des innerstädtischen Wohnens weitgehend geändert. „Der kapitalintensive Lebensstil mit dem Häuschen im Grünen war gebunden an ein kontinuierliches Einkommen, wachsende Freizeit und eine klare Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Der Mann war der Ernährer der Familie, und die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Dieses Modell steht zur Disposition“ (Läpple 2006, S. 6). Neben den sich insgesamt veränderten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen gibt es weitere Gründe, die die Abkehr vom Einfamilienhaus im Grünen erklären könnten. Der seit den 1990er Jahren sinkende Wiederverkaufswert dieses Haustyps ist einer davon (vgl. Brühl et al. 2005, S. 46). Auch der Wegfall der Eigenheimzulage förderte diese Entwicklung (vgl. Kap. II.3.3.3).
In vielen neu entstehenden Stadtteilen und Wohnprojekten wird versucht, ein kinder- und familienfreundliches Umfeld zu realisieren. Ein Beispiel hierfür ist der Dalmannkai in der neuen Hamburger Hafencity. Hier sollen Wohnungen speziell für Familien, Singles und für Senioren entstehen. Eine neue Grundschule wird ebenfalls in direkter Nähe eröffnet (vgl. Hafencity Hamburg 12.12.06 [online]). Ebenfalls in Hamburg soll auf dem Gelände einer ehemaligen Grundschule in Altona durch Neubau und Umnutzung von Bestandsgebäuden ein familienfreundliches Quartier mit ungefähr 160 Wohneinheiten entwickelt werden (vgl. Stadt Hamburg, 12.12.06 [online]). Aber auch andere Städte entwickeln zunehmend familienfreundliche und dennoch bezahlbare Wohnkonzepte (vgl. Arbeitsgemeinschaft baden-württembergischer Bausparkassen 1998, 2006 und Wohnbund e.V. 2006). Ein weiteres Beispiel für innerstädtisches Wohnen, allerdings im „höherpreisigen“ Sektor, sind die Fünf-Höfe in München. Hier wurden in innerstädtischer, alter Bausubstanz hochmoderne Einkaufspassagen geschaffen, in die insgesamt 27 Wohneinheiten integriert wurden. „Sie residieren zwischen Stadtkultur, Kunst und Einkaufserlebnis - und doch in einem geschützten Refugium. Sie sind umgeben vom pulsierenden Leben einer lebensfrohen und lebensbejahenden Stadt - und genießen die Ruhe im abgeschiedenen Raum. Alles, was das Leben in adäquater Umgebung bieten kann, finden Sie im CityQuartier Fünf Höfe und im Umfeld. Die zentrale Lage sichert Ihnen kurze Wege und hervorragende Mobilität“ (Fünf Höfe München, 14.12.06 [online]). So lautet die Beschreibung der Vermietungsgesellschaft und spiegelt hiermit genau die Wünsche vieler Wohnungssuchenden wieder.
Wie wichtig individuelle Wohnwünsche und Bedürfnisse sind, zeigen auch die folgenden Beispiele: Die LBS hat z. B. ein Haus („Living X - Das junge Systemhaus“) speziell nach den Wohnwünschen und Wohnbedürfnissen junger Menschen von 25 bis 35 Jahren entwickelt (vgl. LBS, 6.1.07 [online]). Der Stern und Schwäbisch Hall entwickelten 1998 „Das Wunschhaus der Deutschen“, welches viele Möglichkeiten zur individuellen Gestaltung bietet (vgl. Baufrösche, 6.1.07 [online]).
Die insgesamt zunehmende Zahl älterer Menschen führt zu einem wachsenden Potential an Menschen, die an einem Leben in der Innenstadt interessiert sein könnten. Denn ältere, meist allein stehende Menschen, denen das Einfamilienhaus außerhalb zu groß geworden ist, suchen sich oft wieder eine Wohnung in der Stadt. Großzügig angelegte, seniorengerechte Wohnungen in Citylagen hätten Zukunft, so der Trendanalyst Joachim Schmidt, Präsident des Deutschen Immobilienverwalter-Dachverbandes[6]. Er hält es für möglich, dass demnächst sogar leer stehende Büroflächen in Großstädten zu Alten-Appartements umfunktioniert werden. "Mit Freunden in eine große Stadt-Wohnung ziehen, sich selbst versorgen und dabei nicht allein sein", so Schmidt über den Reiz von Senioren-WGs (Donovitz 2004, o. S.). Ähnlich dem Prinzip der Studenten-WGs suchen sich Senioren Gleichgesinnte, die mit ihnen zusammen in einem Haus oder einer Wohnung leben. "Stadt-Reihenhäuser, wie wir sie in Deutschland bislang nur wenig haben, könnten ein Mega-Markt der Zukunft sein", sagt Peter Hettenbach[7] (Donovitz 2004, o. S.). Mit zunehmendem Alter wird die Wohnung immer mehr zum Lebensmittelpunkt (vgl. Häussermann 2000, S. 33). Der Aktionsradius und die Umzugshäufigkeit nehmen mit dem Alter ab. Für Senioren sind z. B. Wohnformen wie das Generationenhaus West in Stuttgart interessant. Weitere Beispiele für innerstädtische Projekte für das Wohnen im Alter sind das Forum für gemeinschaftliches Wohnen im Alter in Tübingen (FGWA e. V), die Stiftung Dorf in der Stadt in Heidenheim sowie die MiKa Wohnungsgenossenschaft eG in Karlsruhe.
Bisher wurden Mehrfamilienhäuser in Deutschland zum großen Teil von Bauträgern geplant und erbaut. Der eigentliche Käufer, bzw. Mieter ist in den Planungsprozess meist nur sehr wenig oder gar nicht eingebunden. Immer beliebter werden daher Baugemeinschaften oder Baugruppen. „Hier tun sich bauwillige[8] zusammen, deren Wunsch nicht das freistehende Familienhaus ist, sondern die es vorziehen, in städtischen Quartieren in einem Geschosswohnungsbau mit Freunden zusammen zu leben“ (Krosse 2005, S. 52). Das Gebäude wird von den Baugemeinschaften gemeinsam geplant und realisiert. Die Gruppen erhalten eine Option auf ein Grundstück, beauftragen einen Planer und bauen zum wirklichen Herstellungspreis und nicht zu dem vom Bauträger festgelegten Marktpreis (vgl. Tübingen Südstadt 9.12.06 [online]). Ein bekanntes Projekt, welches durch Baugruppen realisiert wurde, ist die Tübinger Südstadt. Aber auch in anderen Städten, wie etwa in Mannheim fassen Baugemeinschaften in der Innenstadt Fuß (vgl. Stadt Mannheim, 15.8.06 [online]). „Die Vorteile liegen bei den erfolgreichen Projekten nicht nur in vielfältigen, auf spezifische Nutzerbedürfnisse sehr genau rückbezogene Wohnstrukturen und Kostenvorteilen, sondern auch im Entstehen von sozial stabilen Nachbarschaften mit hohem Identifikationsgrad - in Zeiten auseinanderdriftender Stadtgesellschaften und „überforderter Nachbarschaften“ ein gewiss nicht gering zu schätzender Faktor“ (Harlander 2006, S. 15). Ein weiterer Vorteil der Baugruppen liegt darin, seine Nachbarn schon früh kennen zu lernen. Die Entwicklung von Quartiersmodellen ist wichtiger als lediglich die Entwicklung von isolierten Wohnungsbaumodellen. Solche Modelle verfügen meist auch über eine große Zahl von Gemeinschaftseinrichtungen. Ein Beispiel hierfür ist das genossenschaftliche Projekt wagnis eG in München (vgl. Harlander 2006, S. 16).
Ausdrucksformen städtischen Wohnens sind z. B. „Wohnen im Geschoss“, „Loftwohnen“ und „Wohnen in der Reihe“. Baulücken bieten ein Potential für neue Bauformen in der Stadt. In Baulücken entstehen oft moderne Stadthäuser (Townhouses), die durchaus eine Alternative zum Häuschen im Grünen und dem sonst üblichen städtischen Geschosswohnungsbau bieten können. Das Reihenhaus ist nicht mehr länger nur ein Modell für das Umland. In Berlin entstanden am Friedrichswerder 47 Parzellen mit modernen Stadthäusern, die innerhalb kürzester Zeit verkauft waren. Auch in Falkenried in Hamburg ist die Nachfrage groß (vgl. Welt Online, 10.9.06d [online]). Die Lage des neuen städtischen gehobenen Wohnens bzw. „deren städtebaulich gekonnte Inszenierung“ (Harlander 2006, S. 15) ist zu einem entscheidenden Qualitätsmerkmal geworden. Man spricht nicht mehr nur vom städtischen Wohnen, sondern vom „Wohnen am Park“, „Wohnen am Hang“ (Bsp. Stuttgart), oder „Wohnen am Wasser“ (Bsp. Frankfurt Osthafen) (vgl. ebd.).
3.1.3 Optische Aufwertungen
Viele Städte legen großen Wert auf die optisch ansprechende Gestaltung von innerstädtischen Straßen, Plätzen und Fassaden und machen dies zu einem festen Bestandteil der Stadtentwicklung. Diese optischen Aufwertungen machen die Innenstadt auch als Wohnstandort attraktiv. Innerstädtische Plätze haben bereits aufgrund ihrer Historie eine wichtige Bedeutung. Sie waren meist „Aktionsräume, Mikrokosmen im urbanen Leben, Orte für Märkte und öffentliche Veranstaltungen, ebenso Orientierungspunkte“ sowie “Treffpunkte für die Bewohner“ (Knirsch 2004, S. 47). Diese Aufgaben erfüllen Plätze heute noch. Ihnen wird „ein positiver Effekt für das städtische Leben insgesamt zugesprochen, weil eine Interaktion zwischen der Diversität der städtischen Lebensstile und der toleranten Haltung des Stadtbewohners im öffentlichen Raum organisiert wird“ (Eckardt 2004, S. 50). Zudem bieten Plätze einen Raum für das Entstehen neuer Straßensportarten wie Inlineskating, Skateboarding etc. sowie für Festivals und Straßentheater (vgl. Zepf 2000, S. 36). Viele Städte und Kommunen haben die Wichtigkeit einer ansprechenden Platzgestaltung in der Innenstadt erkannt und eigene Konzepte hierzu entwickelt, wie z. B. die Stadt Stuttgart mit dem Konzept „Plätze, Parks und Panoramen“ (vgl. Stadt Stuttgart, 16.9.06 [online]).
Auch innerstädtischer Straßen können aufgewertet werden. Die Straße, die hier nicht unter technischen Gesichtspunkten betrachtet werden soll, „kann als der klassische Ort städtischer Öffentlichkeit gelten“ (Herlyn 1990, S. 135). Sie erfüllt eine Reihe sozialer Funktionen und dient als eine Art öffentlicher Bühne zum Sehen und Gesehen werden. Des Weiteren ist die Straße zum einen ein „neutraler“ Raum, in dem man sich zwanglos treffen und verabreden kann, andererseits ist auch eine „Identifikation“ mit dem, bzw. eine „Aneignung“ des Straßenraums möglich (ebd.). Durch lokale Eigenarten und Unverwechselbarkeiten kann mit einer Straße auch „Identität“ aufgebaut werden (vgl. Steierwald et al. 2005, S. 508f.). Die Fassadengestaltung nimmt bei der Aufwertung ebenfalls einen hohen Stellenwert ein. Attraktiv sind sanierte historische Fassaden oder ästhetisch gestaltete moderne Fassaden.
Eine weitere Möglichkeit der innerstädtischen Aufwertung ist die Bepflanzung von Straßen und Plätzen mit Bäumen sowie eine Begrünung der Fassaden. Städtisches Grün trägt einerseits zu einer Verbesserung des Stadtklimas bei, andererseits macht es Innenstädte auch als Wohnstandort attraktiver. Innerstädtische Parks und Grünanlagen mit Sitz- und Ruhebereichen sind wichtig zum Erholen der Stadtbewohner. Aber auch schon die Begrünung von Fassaden und die Innenhofgestaltung und -begrünung erhöht die Attraktivität im Zentrum der Stadt. Die große Bedeutung von städtischem Grün wird auch durch zahlreiche Projekte, wie z. B. “Grün in der Stadt“ der Allianz-Umweltstiftung deutlich (vgl. Allianz Umweltstiftung, 8.12.06 [online]). Viele Städte verfügen über eigene Grünflächenkonzepte und führen Hinterhofwettbewerbe durch. Durch die Schaffung von neuen Vegetationsflächen in ehemals versiegelten Innenhöfen kann zudem das Mikroklima der Stadt verbessert werden. Die Gestaltung und Begrünung von Innenhöfen trägt auch dazu bei, die in der Innenstadt oft fehlenden Kinderspielplätze zu ersetzen und die Innenstadt somit für Familien interessanter zu machen. Brunnen und innerstädtisches Gewässer tragen im Zentrum ebenfalls zur Erhöhung der Aufenthaltsqualität bei.
Positive Auswirkungen auf das Stadtbild hat auch Licht als Gestaltungselement. Durch „die verlängerten Ladenöffnungszeiten, die generelle Ausweitung der kommerziellen Nutzung des öffentlichen Raumes sowie die ständig wachsenden Ansprüche einer Freizeitgesellschaft“ ist eine verstärkte Nutzung des öffentlichen Raumes am Abend feststellbar (Schmidt/Töllner 2006, S. 14). Die Beleuchtung einer Innenstadt ist einerseits eine funktionale Notwendigkeit: Menschen wollen sich sicher fühlen am Abend und Licht dient als Kriminalprävention. Auch im innerstädtischen Straßenverkehr ist die Beleuchtung nötig um die Sicherheit zu gewährleisten (vgl. Schmidt/Töllner 2006, S. 23ff.). Handel und Gewerbe in der Innenstadt nutzen Licht, um auf sich und Ihre Waren und Dienstleistungen aufmerksam zu machen. Durch die Schaufenstergestaltung und –beleuchtung kann der Handel die Innenstadt optisch mitgestalten. Licht dient also auch Image- und Marketingzwecken. Andererseits gewinnt aber auch die Lichtkunst in der Innenstadt an Bedeutung und trägt dazu bei, die Attraktivität und das Image von Innenstädten zu steigern. Viele Städte haben sogar eigene Lichtkonzepte um ihre Innenstädte zu inszenieren. Beispiele aus Deutschland sind u. a. die Städte Bochum (KunstLichtTore), Düsseldorf (PLATZDA!), Frankfurt a. M. und Mannheim.
3.1.4 Kulturelle Aufwertungen - Innenstadt als Event
„In urbanen Erlebnisräumen greifen eindeutige funktionale Rahmungen nicht mehr. Sie vereinen Elemente von Alltag und Fest, von Kunst und Konsum, von Ritual, Spiel oder Sport, von Information und Phantasiewelt, bieten unterschiedliche Sinnprovinzen, zwischen denen die Besucher hin- und herwechseln“ (Bormann 2002, S. 104).
Durch die verstärkte Freizeit-, Konsum- und Erlebnisorientierung und die damit zunehmende Zahl von Aktivitäten außerhalb der eigenen Wohnung, ist eine zentrale Wohnlage in der Nähe von Freizeiteinrichtungen gefragt. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die gestiegenen Einkommen, die zunehmende Zahl von Doppelverdienerhaushalten und die gestiegene Freizeit (vgl. Schäfers 1988). „Das Zentrum wird zu Synonym für Spiel, Gesellschaft und Entertainment“ (Eckardt 2004, S. 98). Eckardt (2004, S. 95f.) spricht sogar von „Städtischen Kulturindustrien“. Städtischer Konsum wird hierbei durch eine kulturelle Dimension hervorgerufen und reproduziert. „Coffee to go, Designerläden, Art-Friseure und andere Dienstleister siedeln sich im Zentrum an, und werden von der breiten Bevölkerung begrüßt“ (ebd.). Opaschowski (2005, S. 207) differenziert solche neuartigen Erlebniskonzepte bzw. -welten in sights (z. B. Reichstagsverhüllung Berlin), attractions (z.B. Swarovski-Kristallwelten) und corporate lands (z.B. VW-Erlebnisstadt). Zu fast allen Anlässen werden in den Innenstädten Feste, Märkte und Veranstaltungen abgehalten. Es gibt neben den normalen Wochenmärkten und Flohmärkten Weihnachtsmärkte, Ostermärkte, Blumenmärkte, Herbstfeste, Oktoberfeste, Fischmärkte und vieles mehr. Im Zentrum finden Musikveranstaltungen, Kunstveranstaltungen und -ausstellungen, sowie Sportveranstaltungen statt. Die Zentren von Städten stellen somit urbane Erlebnisräume dar. Nach der Theorie der Culture Industry werden die Grenzen zwischen kultureller und ökonomischer Entwicklung der Stadt unscharf (vgl. Eckardt 2004, S. 96). Straßenmusiker und Straßenkünstler sind ebenfalls aus keiner innerstädtischen Hauptgeschäftsstraße wegzudenken. Der öffentliche Raum dient ihnen hierbei als Spielort. Auch die vielfältigen gastronomischen Angebote sind für viele Menschen ein Grund, einen innerstädtischen Wohnort zu wählen. Die Dichte von Cafes, Kneipen, Restaurants, Diskotheken und Clubs ist im Zentrum am höchsten. Die Innenstadt ist auch ein Ort des Sehens und Gesehenwerdens, sozusagen ein Ort der Selbstdarstellung. Innenstädte bieten in der Regel ein abwechslungsreiches Kulturangebot. Theater, Opernhäuser und Kinos sind bereits traditionell in der Innenstadt angesiedelt. Trotz der Konkurrenz der großen Multiplex-Kinos blieben auch ältere Kinos mit ihrem besonderen Flair in der Innenstadt erhalten. Beispiele hierfür sind der Filmpalast in Berlin, die Lichtburg in Essen und das Kino am Sendlinger Tor in München. Kinos sind besonders wichtig für eine Innenstadt, da sie diese außerhalb der Geschäftszeiten nachhaltig durch Folgeaktivitäten, wie Gastronomiebesuche beleben (vgl. Schultis 1999, S. 18).
Einkaufszentren dienen schon lange nicht mehr nur der Versorgungsfunktion. In innerstädtischen Einkaufszentren, Shopping Malls, bzw. Urban Entertainment Centern wird das Einkaufen als Erlebnis inszeniert. Somit verbinden die neuen Center Einkaufs-, Unterhaltungs-, Freizeit- und Sportangebote. Die Kö-Galerie in Düsseldorf bietet z. B. eine Freizeit- und Fitnessanlage mit Aktions- und Entspannungsbereichen, eine Workout-Area und einen Outdoor-Joggingtrack (vgl. Kö-Galerie Düsseldorf, 30.11.06 [online]). Innerstädtische Einkaufszentren sollen „die Identifikation der Bewohner mit ihrer Stadt stärken und dem überproportionalen Kaufkraftabfluss in benachbarte attraktive Zentren Einhalt gebieten“ (Mayr 1980, S. 29). Des Weiteren können Einkaufszentren dazu dienen, neue Stadtkerne zu bilden und zur funktionalen Erweiterung des Stadtkerns beitragen (vgl. Mayr 1980, S. 30).
Verlängerte Ladenöffnungszeiten werden der neuen Konsum- und Erlebnisorientierung ebenfalls entgegenkommen (vgl. Kap. II.3.1.6). Die genannten Faktoren machen die Innenstadt auch als Wohnstandort interessanter und versprechen oftmals „einen Push-Effekt für die gesamte Stadtentwicklung“ (Eckardt 2004, S. 97). Das Angebot an kultureller Vielfalt und die Möglichkeit des „Erlebens“ quasi vor der Haustür ist für viele Menschen attraktiv. Allerdings ist die Veränderung der Stadt zum Erlebnisraum vorwiegend für die gut verdienende Mittelschicht gedacht (vgl. Bittner 2002, S. 23).
3.1.5 Verbesserte Verkehrssituation und Verkehrsanbindung
Die Innenstädte stehen vor dem Konflikt, einerseits gut erreichbar zu sein, andererseits den Verkehr auf ein erträgliches Maß zu reduzieren. Die Erreichbarkeit der Zentren ist aber wichtig, um die Lebendigkeit der Innenstadt zu erhalten und den Handel zu stärken. Das Wohnen im Zentrum wird meist mit Begriffen wie „Laut“, „Verkehrschaos“, „Feinstaubemmissionen“, und “Ozon“ assoziiert. Mit dem Wohnen im Grünen ist dahingegen die Vorstellung verbunden, dass es dort auch im Bezug auf den Verkehrslärm ruhig sei. Durch die Zunahme der Besiedlung von Randgebieten steigt der Verkehr dort aber ebenfalls an und der Lärmpegel unterscheidet sich kaum noch von ruhigeren Straßen in der Innenstadt (vgl. Steierwald/Künne/Vogt 2005, S. 154). Wenn innerstädtische Wohnstraßen durch Verkehrslenkungsmaßnahmen vom Durchgangsverkehr entlastet würden, könnte der Lärmpegel selbst in dicht bebauten Gegenden gesenkt werden. „Damit bekommt die innerstädtische Wohnlage eine neue Qualität und Wertschätzung“ (ebd.).
In vielen Innenstädten gibt es bereits verkehrsberuhigte Bereiche, die über die Fußgängerzone in der Hauptgeschäftsstraße hinausgehen, wie z. B. in Heidelberg. Weitere Möglichkeiten zur Verkehrsberuhigung in innerstädtischen Wohngebieten sind Spielstraßen und Tempo-30-Zonen. Durch diese Maßnahmen lässt sich die Wohnumfeldsituation in den Zentren durch die geringere Lärm- und Schadstoffbelastungen deutlich verbessern (vgl. Steierwald/Künne/Vogt 2005, S. 496).
Eine neue Möglichkeit, die Feinstaubemissionen in Innenstädten zu reduzieren, ist die Einführung von sog. Umweltzonen im Stadtgebiet. Stuttgart führt als erste deutsche Stadt im Juli 2007 solch eine Umweltzone ein. Autos mit veralteter Abgastechnik dürfen innerhalb dieser Zonen nicht fahren. In vielen weiteren Städten ist die Einführung von Umweltzonen ebenfalls beschlossen (vgl. Spiegel Online, 6.3.07 [online]).
Auch die gute Anbindung und Erreichbarkeit des ÖPNV in der Innenstadt ist ein Argument für eine innerstädtische Wohnortwahl. Berufstätige, die in andere Städte pendeln, profitieren durch die gute Erreichbarkeit des Hauptbahnhofs und somit den Anschluss an Züge, die nur an größeren Bahnhöfen stoppen (vgl. Krämer 1992, S. 75).
In der Innenstadt können viele tägliche Strecken zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurückgelegt werden. Zahlreiche Städte unterstützen dies durch ein durchdachtes Fuß- und Radwegekonzept, wie z. B. die Städte München und Bremen (vgl. Stadt München 7.12.06 [online] und Stadt Bremen 7.12.06 [online]). Dort werden neben dem Ausbau des Wegenetzes Fahrradabstellplätze geschaffen und Vermietstationen für Fahrräder eingeführt.
Manche Städte verbannen den motorisierten Individualverkehr sogar komplett aus der City. Autofreie Innenstädte gibt es in historischen Innenstädten wie in den Städten Lüneburg, Marburg, Nürnberg und Lübeck. Die Innenstadt komplett autofrei zu halten ist aber oft, vor allem in größeren Städten, nicht zu realisieren. Hier gibt es spezielle Parksysteme wie Park+Ride-Lösungen, Park- und Besucherleitsysteme sowie Parkrouten, um die innerstädtische Verkehrsbelastung zu reduzieren. In zentrennahen Wohngebieten wird in vielen deutschen Städten Carsharing[9] angeboten. Weitere verkehrsmindernde Maßnahmen sind nach Opaschowski (2005, S. 125): Fahrbeschränkungen für Kraftfahrzeuge im Ortsbereich (Mittags- und Nachtfahrverbote), Nutzervorteile für geräuscharme Fahrzeuge und die Förderung öffentlicher und halböffentlicher Verkehrsmittel, wie Busdienste und Minibusse.
Viele neu gestaltete Wohngebiete, werden fast komplett autofrei geplant und realisiert. Beispiele hierfür sind das das Lorettoareal in Freiburg und die Christophstraße in Kassel–Unterneustadt (vgl. Autofrei Wohnen, 9.12.06 [online]). Dort gibt es vor den Wohnhäusern keine Parkplätze, sondern nur Parkhäuser bzw. Parkplätze an der Peripherie des Gebietes. Ergänzend wird Carsharing für die Anwohner angeboten. Es gibt auch Mischformen, in denen nur wenige Stellplätze für die Anwohner zur Verfügung gestellt werden, wie in Freiburg Vauban (vgl. ebd.).
3.1.6 Bessere Versorgungssituation
Die Versorgungssituation einer Stadt oder eines Stadtteils wird primär durch das Angebot an Gütern und Dienstleistungen bestimmt. Das Grundprinzip der Versorgung im heutigen Siedlungssystem ist nach wie vor Christallers (1933) Theorie der Zentralen Orte. Diese Zentralen Orte und andere zentrale Einrichtungen „unterliegen jedoch der der Wirtschaft inhärenten Dynamik, die die einzelnen Hierarchieebenen oder Stufen durchlässig macht und relativiert“ (Bühler 1991, S. 97). Suburbanisierungsprozesse führten lange Zeit zu Erosionserscheinungen von Handel und Dienstleistungen in den Innenstädten (vgl. Häussermann/Siebel 1987, S. 11 und Holl/Kollmar 2006, S. 17). In vielen kleineren Gemeinden ist daher die Nahversorgung mit Lebensmitteln und anderen Gütern des täglichen Bedarfs nicht mehr hinreichend gesichert. Ähnlich sieht es in vielen peripheren Stadtteilen von Großstädten aus. „Während sich einerseits für die Einzelnen die Versorgung unter den Gesichtspunkten von Sortimentsumfang und Preisen erheblich verbessert hat, ist es für viele bereits heute nicht mehr möglich, sich in der Nähe, in fußläufiger Entfernung mit dem für den täglichen Bedarf Nötigen zu versorgen“ (Verband Region Stuttgart 2001, S. 19). Der deutsche Einzelhandel konzentriert sich zunehmend auf immer weniger, dafür aber immer größere Unternehmen. Daher werden nach den kleineren Läden oft auch kleinere und mittlere Filialen der Lebensmittelkonzerne geschlossen (vgl. Verband Region Stuttgart 2001, S. 1). Folglich kommt es meist zu einem Abbau an Verkaufsflächen in den äußeren Stadtvierteln (vgl. Bühler 1991, S. 2). Ähnlich sieht es bei vielen Dienstleistungen, beispielsweise bei Banken und der Post aus. Die Gründe für diesen Strukturwandel sind vielfältig und können in handelsendogene Faktoren und handelsexogene Faktoren unterteilt werden. Zu den handelsendogenen Faktoren zählen Rationalisierungsprozesse, fortschreitende Unternehmenskonzentration, der Preiskampf, elektronische Informations- und Kommunikationstechnologien. Als handelsexogene Faktoren werden u. a. die demographische Entwicklung, Veränderungen im Konsumverhalten und der Lebensmittelproduktion bezeichnet (vgl. Verband Region Stuttgart 2001, S. 4ff.).
Aufgrund der hohen Zentralität der Innenstadt ist die Angebotsvielfalt dort nach wie vor sehr hoch. Neben den Gütern des täglichen Bedarfs gibt es viele Fachgeschäfte und Spezialgeschäfte, Markthallen, Delikatessenläden, Straßenhändler, Wochenmärkte etc.. Die Nähe der Geschäfte untereinander und die Möglichkeit verschiedene Erledigungen zu kombinieren, ist ebenfalls ein Vorteil der Innenstadt (vgl. Verband Region Stuttgart 2001, S. 19). Das Dienstleistungsangebot ist im Stadtzentrum sehr hoch, da viele Banken, Behörden und Beratungsstellen ihre Niederlassungen ausschließlich in der Innenstadt haben. Das Angebot an kleineren Dienstleistungsbetrieben wie Reinigungen, Friseure, Schneidereien etc. ist in den Innenstädten ebenfalls sehr dicht. In der Regel sind die Ladenöffnungszeiten in der City länger als in anderen Stadtteilen. Durch die Änderung des Ladenschlussgesetzes dürfte sich dieser Unterschied noch verstärken. Die medizinische Versorgung, d. h. die Dichte an Krankenhäusern und die Auswahl an Ärzten, Apotheken und sonstigen Gesundheitseinrichtungen ist in den Innenstädten ebenfalls besser als in peripheren Stadtteilen. Für Behinderte oder allgemein hilfs- und pflegebedürftige Menschen bieten innerstädtische Wohnstandorte aufgrund der größeren Auswahl an Pflege- und Betreuungseinrichtungen viele Möglichkeiten. In vielen großstädtischen Stadtteilen gibt es Nachbarschaftshilfen, die hilfebedürftige Menschen unterstützen. Ein vielseitigeres und größeres Angebot an Bildungs- und Erziehungseinrichtungen, wie z. B. Schulen für unterschiedliche Begabungen, Kindergärten mit flexiblen Öffnungszeiten und Volkshochschulen ist in vielen Innenstädten vorhanden. Insbesondere in Anbetracht der Zunahme der Erwerbstätigkeit von Frauen und der damit verbundenen Doppelerwerbstätigkeit werden flexible Kinderbetreuungsangebote immer wichtiger.
3.1.7 Flair und Image des Städtischen
In der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg überwog in Deutschland eine „negative, feindliche Einstellung gegenüber der Stadt“ (Schneider-Kuszmierczyk 2006, S. 17). Die Städte wurden mit Konzepten wie der „autogerechten Stadt“ oder der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ wiederaufgebaut (vgl. Reinborn 1996). Es kam zu einer weitgehenden Trennung der Funktionen Wohnen, Arbeiten und sich Erholen. Viele Kommunen haben in den letzten Jahren mithilfe der vom Land unterstützten Stadterneuerungspolitik versucht ihre Innenstädte aufzuwerten. Dies hatte zur Folge, dass sich das Stadtbild, die Atmosphäre sowie die Aufenthalts- und Umweltqualität in den Stadtkernen verbessert haben. (vgl. Pesch 1999, S. 11). „Die Bürgerinnen und Bürger schätzen ihre Stadtzentren wieder als symbolische Mitte, mit der sie sich identifizieren“ (ebd.).
Viele innerstädtische Gebiete besitzen heute einen ihnen ganz eigenen Flair, der sie von anderen Orten unterscheidet. Flair wird sowohl durch die Bewohner selbst, als auch durch den Gebäudebestand, die Struktur des ansässigen Einzelhandels und Gewerbes, dem kulturellen Angebot und weiteren, bereits aufgeführten Gründen erzeugt. Bei der Beschreibung vieler Stadtteile wird der Begriff „Flair“ gerne verwendet:
„Die Altstadt und die umliegenden Stadtteile Münchens bieten ein anheimelndes Flair“ (Stadtteile München, 22.2.07 [online]).
„Wohnen und Arbeiten mit maritimem Flair im Quartier „Dalmannkai“ (Hafencity Hamburg, 22.2.07 [online]).
„Passau - die Einkaufsstadt mit Flair“ (CMP – City Marketing Passau o. J.).
„Eine Summe von Vorurteilen ergibt ein Image und bedingt für die zu machenden Wahrnehmungen eine ganz bestimmte Erwartungshaltung“ (Uhl 1980, S. 186). Viele Stadtteile haben ein eigenes Image. Dieses dient der „sozialen Orientierung“ und der „Erleichterung der Einordnung von sich und anderen in komplizierte soziale Zusammenhänge“ (ebd.).
[...]
[1] Die Kommunalstatistik der IRB-Städte hat die sog. IRB-Bevölkerung als Referenzgröße. Diese kann je nach städtischen Rahmenbedingungen entweder die Bevölkerung am Ort der Hauptwohnung oder die wohnberechtigte Bevölkerung sein. Aus dieser Differenz und aus teilweise noch zusätzlich unterschiedlichen Zählweisen entstehen für manche Städte nicht unerhebliche Unterschiede zu den bei den Statistischen Landesämter für die Städte vorliegenden Bevölkerungszahlen (vgl. Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung 2007).
[2] Das SOEP ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte in Deutschland, die im jährlichen Rhythmus seit 1984 vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) bei denselben Personen und Familien in der Bundesrepublik durchgeführt wird.
[3] Senioren werden in der GMA-Studie differenziert in die Gruppen 45-64 Jahre und >65 Jahre.
[4] Die Psychonomics AG ist ein international tätiges Marktforschungs- und Beratungsinstitut.
[5] Anteil der vom Eigentümer selbst bewohnten Wohneinheiten an allen bewohnten Einheiten.
[6] In einem Interview mit Frank Donovitz (vgl. Donovitz 2004, o. S.)
[7] ebd.
[8] [sic]
[9] Carsharing bezeichnet ein Konzept, welches die Möglichkeit bietet, ein Auto zu nutzen, ohne ein eigenes zu besitzen, d. h. man teilt sich die Fahrzeuge eines örtlichen Carsharing-Unternehmen mit anderen Nutzern.
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