Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit Erklärungsansätzen für die Defizite von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem, wobei die Arbeiten zweier Wissenschaftlerinnen herangezogen werden sollen. Auf der einen Seite ein Aufsatz von Petra Stanat aus dem Jahr 2006, der sich besonders auf die Zusammensetzung der Schülerschaft konzentriert, und zum anderen drei Aufsätze von Heike Diefenbach, in welchen sie ihre Erklärungsansätze für die Defizite der ausländischen Schüler darlegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Erklärungsansätze für die Defizite von Schülern mit Migrationshintergrund
2.1 Erklärungsansätze nach Heike Diefenbach
2.1.1 Die kulturell-defizitäre Erklärung
2.1.2 Die humankapitaltheoretische Erklärung
2.1.3 Die Erklärung durch Merkmale der Schule oder Schulklasse
2.1.4 Die Erklärung durch institutionelle Diskriminierung
2.2 Erklärungsansätze nach Petra Stanat
3. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Bundesrepublik Deutschland begann in den 1950er Jahren, Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, welche als so genannte Gastarbeiter eine Zeit lang in Deutschland beschäftigt sein sollten. Man ging davon aus, dass die Arbeiter nach einer gewissen Periode wieder in ihr Ursprungsland zurückkehren würden und aus diesem Grund für sie keine Notwendigkeit bestünde, ihre Familien nachzuholen.
Mitte der 1960er Jahre betrug der Anteil ausländischer Schüler an allgemein bildenden deutschen Schulen nur 0,5 Prozent, weshalb die Beschulung dieser Kinder nicht in den Fokus des Interesses fiel. Gegen Ende der 1960er Jahre zogen immer mehr Familienangehörige von Gastarbeitern nach Deutschland, die im Jahr 1971 bereits 35 Prozent der in Deutschland lebenden 'Gastarbeiter' ausmachten. Diese Entwicklungen nahmen auch Einfluss auf die Schülerzahlen, die sich zwischen 1965 und 1975 verzehnfachten. Als sich in den 1970er Jahren eine allgemeine Diskussion über die Integration von Ausländern in die deutsche Gesellschaft entwickelte, wurde auch auf die Bildungsbeteiligung deren Kinder eingegangen. Den Bildungspolitikern ging es dabei vor allem darum, dass jene prinzipiell eine Schule besuchten und somit integriert würden, aber gleichzeitig ihre kulturelle Identität behalten sollten. Währenddessen wiesen Sozialwissenschaftler zum ersten Mal darauf hin, dass unter den Migrantenkindern die Schulversagerquote weitaus höher sei als bei den deutschen Schülern.
Seit den 1980er Jahren wuchs die Zahl der Schüler mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen beinahe stetig weiter. Für das Schuljahr 2000/2001 wurde ein Anteil von 9,54 Prozent (950.490 Schüler) festgestellt, zu dem noch ein unbekannte Anzahl von Kindern mit Migrationshintergrund kommt, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und somit nicht in die Statistik mit einfließen (vgl. Diefenbach 2004c: 225f.). Im Jahr 2002 hatten in vielen Großstädten Deutschlands ca. ein Drittel der eingeschulten Kinder einen Migrationshintergrund. Dabei ist zu bemerken, dass Schüler mit Migrationshintergrund besonders in den Hauptschulen vertreten sind und deshalb dort oft ̶vor allem in Ballungsräumen ̶ die Mehrheit der Schülerschaft ausmachen (vgl.Herwartz-Emden 2005: 665f.). An höheren weiterführenden Schulen, besonders an Gymnasien, sind ausländische Kinder bzw. Kinder mit Migrationshintergrund dagegen stark unterrepräsentiert. Entsprechend dieser Tatsache erreichen nur sehr wenige dieser Schüler die allgemeine Hochschulreife. Im Schuljahr 1999/2000 waren es nur 9,8 Prozent neben 25,8 Prozent der deutschen Schüler (vgl. Herwartz-Emden 2005:687).
Die Forschung zur Bildungsbeteiligung und dem Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund in Deutschland ist noch relativ jung. Erst gegen Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurden erste Untersuchungen im Zuge der quantitativ empirischen Sozialforschung unternommen, die erst Mitte der 1990er Jahre vertieft wurden.
Die vorliegende Hausarbeit, die an ein Referat anschließt, das im Seminar „Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund“ an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg gehalten wurde, beschäftigt sich mit Erklärungsansätzen für die Defizite von Kindern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulsystem, wobei die Arbeiten zweier Wissenschaftlerinnen herangezogen werden sollen. Auf der einen Seite ein Aufsatz von Petra Stanat aus dem Jahr 2006, der sich besonders auf die Zusammensetzung der Schülerschaft konzentriert, und zum anderen drei Aufsätze von Heike Diefenbach, in welchen sie ihre Erklärungsansätze für die Defizite der ausländischen Schüler darlegt.
2. Erklärungsansätze für die Defizite von Schülern mit Migrationshintergrund
2.1 Erklärungsansätze nach Heike Diefenbach
Heike Diefenbach unterscheidet vier verschiedene Erklärungsansätze für die Defizite der Migrantenkinder im deutschen Schulsystem, die im Folgenden genauer betrachtet werden sollen.
2.1.1 Die kulturell-defizitäre Erklärung
Die Grundannahme des kulturell-defizitären Erklärungsansatzes ist, dass die Schüler mit Migrationshintergrund aufgrund der Herkunft ihrer Eltern aus vormodernen Gesellschaften und dem damit einhergehenden kulturellen Erbe keinen Erfolg im deutschen Schulsystem haben.
So wird z.B. argumentiert, dass türkische Eltern eine eher konservative Haltung zum Lernen und zur Schule einnehmen, bei der die Lehrperson als absolute Autorität angesehen wird. Diese traditionelle Einstellung sei autoriativ-sachgebunden, im Gegensatz zur modernen, in Deutschland vorherrschenden instrumentell-individualistischen Haltung zum Wissen. Daraus folgt, dass die Migranteneltern der deutschen Schule skeptisch und misstrauisch gegenüber stehen. Für die Kinder ergeben sich daraus zwei Möglichkeiten: Entweder reproduzieren sie die ablehnende Haltung der Eltern und haben demnach keinen schulischen Erfolg oder sie platzieren sich selbst im deutschen Schulsystem. Der Prozess der Selbstplatzierung besteht aus der Vertretung eigener Interessen gegenüber schulischen Instanzen, Überlegungen zu Berufs- und Bildungsvorstellungen und dahingehende Entscheidungen bezüglich der Schulform und -laufbahn. Eine gelungene Selbstplatzierung im deutschen Schulsystem würde sich somit am Bildungserfolg der Schüler mit Migrationshintergrund messen lassen. Die Selbstplatzierung könne jedoch nur unter Austragung eines Generationenkonfliktes stattfinden, da sich die Schüler von der ablehnenden Haltung der Eltern lösen und eine konträre Einstellung annehmen müssen, um die kulturellen Defizite überwinden zu können (vgl. Diefenbach 2004b:240f.).
Ein wichtiger Kritikpunkt der kulturell-defizitären Erklärung ist, dass empirische Belege in der Regel fehlen. Ferner ist ungeklärt, warum neben den türkischen besonders die italienischen Kinder schlecht im deutschen Bildungssystem abschneiden. Im Fall italienischer Migranten dürfte man von einer insgesamt größeren kulturellen Nähe zur deutschen Gesellschaft ausgehen als bei türkischen Migranten und auch eine traditionelle autoriativ-sachgebunden Wissenshaltung ist unwahrscheinlich. Außerdem wäre zu erwarten, dass in Deutschland geborene und sozialisierte Migrantenkinder erfolgreicher abschneiden, da deren kulturelle Basispersönlichkeit hier geformt wurde. Dennoch erreichen sie keine den deutschen Schülern vergleichbaren Bildungsabschlüsse und statistisch bedeutende Unterschiede zwischen den Nationalitäten bleiben erhalten (vgl. Diefenbach 2004c:233).
Zusammenfassend weist Diefenbach den verschiedenen Ausprägungen des kulturell-defizitären Erklärungsansatzes den Status von Plausibilisierungen zu, „die auf bestimmte in Deutschland verbreitete Bilder vom 'typischen' Leben in einer muslimischen oder südeuropäischen Gesellschaft oder Familie zurückgreifen, um Deutschen nachvollziehbar zu machen, warum Integration für die Migranten schwierig sei“ (Diefenbach 2004c:233).
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- Citation du texte
- Isabelle Schwarzkopf (Auteur), 2007, Erklärungsansätze für die Defizite von Schülern mit Migrationshintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77264
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