„Und ich will so lange weiter vordringen, bis ich irgend etwas Gewisses, oder, wenn nicht anderes, so doch wenigstens das für gewiß erkenne, daß es nichts Gewisses gibt.“ (René Descartes: „Meditationen über die Grundlagen der Philosophie“)
Mit der ebenso berühmten wie evidenten Einsicht des cogito, ergo sum hatte Descartes´ Streben nach einer unerschütterlichen Gewissheit bekanntlich ein Ende gefunden. Diese faszinierende Suche nach einem archimedischen Punkt unserer Erkenntnis kommt in heutigen Zeiten eher der Arbeit des Sisyphus als der eines Wissenschaftlers gleich. Die umgreifende Relativität unserer Erkenntnisse ist zu einem fundamentalen Prinzip nicht nur innerhalb der Philosophie und Geisteswissenschaften, sondern innerhalb der öffentlichen Meinung westlicher Kulturkreise überhaupt avanciert. Dabei hat gerade die Besinnung auf den elementaren Stellenwert der Sprache für die Erzeugung und Strukturierung unseres Wissens einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Die Reflexion auf das eigene Bewusstsein wurde im Zuge der linguistischen und pragmatischen Wende durch eine Reflexion auf unsere sprachlich-kommunikativen Voraussetzungen substituiert.
Wer heute also wissen will, was er wissen kann, kommt an einer Analyse der Möglichkeiten und Leistungen von sprachlicher Kommunikation nicht vorbei. Welche Art von Wissen erlaubt uns die Sprache eigentlich? Liegt der Grund für den modernen Wissensrelativismus womöglich schon in der Sprachlichkeit unserer Einsichten? Oder sind wir vielleicht doch, vielleicht gerade durch Sprache in der Lage, absolutes, unfehlbares und universales Wissen zu formulieren? Der Fallibilismus Karl Poppers und die Transzendentalpragmatik Karl-Otto Apels geben zwei kontradiktorische Antworten auf diese Fragen. Die grundsätzliche Fehlbarkeit unseres Wissens steht hier den invarianten und unfehlbaren Voraussetzungen des Argumentierens und Kommunizierens gegenüber.
Doch wie kommen zwei derart unterschiedliche Ansichten zustande, wenn sich beide Ansätze auf die semiotische Erkenntnistheorie von Charles S. Peirce gründen? In diesem Buch finden sich damit nicht nur jene Argumente und Problemstellungen, die den Kern der Diskussion über die Grenzen und Möglichkeiten unseres expliziten Wissens ausmachen; denn darüber hinaus gibt die kritische Auseinandersetzung mit Fallibilismus und Transzendentalpragmatik Antworten auf die Frage nach angemessenen Interpretationen der semiotischen Erkenntnistheorie von Charles S. Peirce.
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Der semiotische Ansatz zu Erkenntnis und Realität bei Charles S. Peirce
2.1 Semiotik und die triadische Struktur des Zeichens
2.1.1 Repräsentamen – Die Materialität des Zeichens
2.1.2 Objekt – Der Gegenstandsbezug des Zeichens
2.1.3 Interpretant – Die Wirkung des Zeichens
2.1.4 Semiose – der unendliche Prozess der Zeichenvermittlung
2.2 Realität und Erkenntnis
2.2.1 Wahrheit als Konsens in der finalen Meinung
2.2.2 Zweifel und Überzeugung
2.2.3 Abduktion, Deduktion und Induktion
3. Fallibilismus und die Crux des Münchhausen-Trilemmas
3.1 Die Suspendierung der Begründungsidee und die impliziten Voraussetzungen des Münchhausen-Trilemmas
3.2 Können wir das Zweiflen bezweiflen? Die Grenzen sinnvoller Kritik
3.2.1 Der Sprechakt der Behauptung und die Selbstauflösung des konsequenten Fallibilismus
3.2.2 Evidentes Handlungswissen – der Ausweg aus dem Münchhausen-Trilemma?
4. Transzendentalpragmatik und das Sprachspiel der Argumentation
4.1 Das Apriori der Kommunikationsgemeinschaft und der harte Kern des Argumentierens
4.2 Das Aufdecken der Unhintergehbaren – Reflexive Argumente als Lösung des Münchhausen-Trilemmas?
4.2.1 Die performativ-propositionale Doppelstruktur der Rede
4.2.2 Das Prinzip des zu vermeidenden performativen Selbstwiderspruchs
4.2.3 Die Methode der strikten Reflexion
4.2.4 Selbstexplikationen des Handlungswissens
5. denn sie wissen nicht, was sie tun? Das Problem der Transformation von implizitem in explizites Wissen
6. Literaturverzeichnis
1. EINLEITUNG
Und ich will so lange weiter vordringen, bis ich irgend etwas Gewisses, oder, wenn nicht anderes, so doch wenigstens das für gewiß erkenne, daß es nichts Gewisses gibt. Nichts als einen festen und unbeweglichen Punkt verlangte Archimedes, um die ganze Erde von ihrer Stelle zu bewegen, und so darf auch ich Großes hoffen, wenn ich nur das geringste finde, das sicher und unerschütterlich ist.[1]
Auf diese Weise formulierte René Descartes im 17. Jahrhundert sein eigenes Streben nach einer absoluten Gewissheit, welches ihn letztlich zur Formulierung der gleichsam berühmten wie evidenten Einsicht des cogito, ergo sum führte. Im Lichte der in der heutigen Zeit vorherrschenden philosophischen Paradigmen scheint diese faszinierende Suche nach einem archimedischen Punkt, nach einer unerschütterlichen Grundlage unseres Wissens eher der Aufgabe des Sisyphus als der eines Wissenschaftlers gleichzukommen. Die Relativität und Fehlbarkeit aller Erkenntnisse ist zu einem der grundlegenden Prinzipien nicht nur innerhalb der Philosophie und Geistes-wissenschaften, sondern auch innerhalb der öffentlichen Meinung westlicher Industrienationen avanciert.[2] Dabei hat die Besinnung auf den elementaren Stellenwert der Sprache für die Erzeugung und Strukturierung unseres Wissens einen wesentlichen Anteil an dieser Entwicklung. Während Descartes seine Gewissheiten auf dem Wege der reflexiven Beschäftigung mit dem eigenen Bewusstsein suchte, ist dieses erkenntnistheoretische Paradigma im Zuge der linguistischen und pragmatischen Wende durch eine Reflexion auf die sprachlich-kommunikativen Voraussetzungen unseres Wissens und Wissen-Könnens substituiert worden.[3] Die entscheidende erkenntnis-theoretische Frage danach, was wir wissen können, verlangt in der heutigen Zeit eine Antwort darauf, was die Sprache leistet.
Dieser elementaren Zusammenhang zwischen Sprache und Wissen wird auf den folgenden Seiten näher beleuchtet. Dabei bewegt sich diese Arbeit innerhalb eines Rahmens, der nicht nur verschiedene, teilweise gegensätzliche Perspektiven aufzeigt, sondern der zugleich einen aufeinander aufbauenden Argumentationsverlauf ermöglicht. So werden uns die semiotischen Konzepte zu Erkenntnis und Realität von Charles Sanders Peirce über das fallibilistische Prinzip des Kritischen Rationalismus zum transzendentalpragmatischen Ansatz Karl-Otto Apels führen. Dabei kann und soll es nicht das Ziel sein, die unterschiedlichen Positionen in ihrer Gesamtheit und Komplexität vorzustellen. Vielmehr werden innerhalb der thematisierten Ansätze gerade jene Argumente herausgefiltert, welche für ein Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen sprachlich-expliziten Wissens fruchtbar gemacht werden können.
Als Ausgangspunkt dieser Arbeit werden wir uns im ersten Kapitel mit der Peirceschen Semiotik auseinandersetzen, innerhalb derer die pragmatische Dimension unseres Zeichen- und Sprachgebrauchs im Fokus steht. Es wird deutlich werden, inwiefern die semiotischen Konzepte zu Realität, Erkenntnis und Wahrheit insbesondere als eine Konsequenz des konstitutiven pragmatischen Zeichenzusammenhangs anzusehen sind. So werden wir über den Begriff der Semiose, als unendlicher Prozesses der Verwendung und Interpretation von Zeichen, zur prinzipiellen Fehlbarkeit und Hypothetizität unseres Wissens vordringen. Die fundamentale Bedeutung der Sprache ergibt sich dabei insbesondere im Rahmen der Notwendigkeit logischer Schlussfolgerungen und rationaler Begründungen unseres Wissens.
Auf die Frage nach dem Stellenwert sprachlicher Begründungen innerhalb unseres Erkenntnisfortschritts werden wir dann in Kapitel 3 näher eingehen. Die mit Peirce ausgearbeitete Fehlbarkeit unseres sprachlich-expliziten Wissens wird hier im Rahmen des Münchhausen-Trilemmas zur Aberkennung der erkenntnistheoretischen Relevanz des Begründungsprinzips ausgenutzt. Im Zusammenhang mit der Substitution des Begründungsprinzips durch die Poppersche Methode der kritischen Prüfung, werden wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wo die Grenzen sinnvollen Zweifels liegen. Sowohl mit Peirce als auch durch die Einführung sprechakttheoretischer Elemente wird aufgezeigt, dass wir als zweifelnde und argumentierende Subjekte immer bereits gewisse Evidenzen voraussetzen, die daher einer Kritik nicht sinnvoll unterzogen werden können.
Ein besonderer Typ von Evidenzen wird innerhalb der Transzendentalpragmatik Karl Otto Apels nutzbar gemacht, mit welcher wir uns im 4. Kapitel beschäftigen. Dabei wird es unser Handlungswissen vom Argumentieren sein, das im Sinne Apels als transzendentales Sprachspiel und als unhintergehbare und universelle Grundlage unseres Wissenserwerbs gedeutet wird. Dieses Wissen vom Argumentieren, als einer regelgeleiteten Tätigkeit, ist weder weiter zu begründen, noch zu kritisieren, da wir es mit jedem dieser Versuche bereits implizit voraussetzen. Wir kehren an dieser Stelle also zu der eingangs erwähnten Frage einer unerschütterlichen Wissensbasis zurück. Denn in der Aufdeckung unseres Regelwissens vom Argumentieren scheint sich im Sinne Apels ein solch archimedischer Punkt aufzutun.
Im Zuge der Darstellung des transzendentalpragmatischen Ansatzes werden wir auf einen besonderen Moment des Zusammenhangs von Sprache und Wissen stoßen – die Relation von implizitem und explizitem Wissen. Denn um die Bedingungen der Möglichkeit sinnvoller Argumentation als intersubjektives und universelles Wissen gültig machen zu können, bedarf es einer sprachlichen Explikation unseres impliziten Handlungswissens. In Kapitel 5 werden wir uns kritisch mit dem transzendentalen Status der Argumentationsregeln auseinandersetzen und dabei insbesondere die Frage nach der Möglichkeit einer solchen Transformation von implizitem in explizites Wissen nachgehen.
2. DER SEMIOTISCHE ANSATZ ZU ERKENNTNIS UND REALITÄT BEI CHARLES S. PEIRCE
Charles S. Peirce hat sich beinahe sein ganzes Leben lang mit der Struktur, Funktion und Differenzierung von Zeichen beschäftigt.[4] So verwundert es kaum, dass er selbst die Semiotik als die grundsätzlichste aller Wissenschaften betrachtet.[5] Doch wie begründet sich dieser fundamentale Status inhaltlich? Im Zuge der kritischen Auseinandersetzung mit dem cartesianischen Bewusstseinsparadigma und der Methode des intuitiven Erkennens formuliert Peirce eine gleichsam lakonische, wie elementare Einsicht hinsichtlich der Bedeutung von Zeichen: „We have no power of thinking without signs.“[6] Im Gegensatz zu Descartes sieht Peirce also jegliches Denken bereits notwendig mit dem Gebrauch von Zeichen verknüpft. Entscheidend dabei ist nun, dass diese Zeichen nicht in einem passiven Sinne eine vorhandene Wirklichkeit oder deren Strukturen abbilden. Der fundamentale Status der Semiotik ergibt sich vielmehr daraus, dass Zeichen selbst eine allgemeine Struktur besitzen, welche damit zugleich die Struktur (der Objekte) unserer Erfahrung darstellt.[7]
Von dieser essentiellen Funktion ausgehend, wollen wir im folgenden die elementare triadische Struktur von Zeichen ausarbeiten.[8] Dieses Fundament ermöglicht uns in den darauf folgenden Kapiteln einen geeigneten Zugang zum Peirceschen Konzept von Erkenntnis und Realität. Dabei wird nicht nur deutlich werden, inwiefern sich die Möglichkeiten unseres Wissens aus der semiotischen Struktur des Zeichens ergeben, sondern auch, welch großen Stellenwert der Sprache im Erkenntnisprozess zukommt.
3. Der semiotische Ansatz zu Erkenntnis und Realität bei Charles S. Peirce
3.1 SEMIOTIK UND DIE TRIADISCHE STRUKTUR DES ZEICHENS
Der entscheidende Unterschied der Peirceschen Semiotik zu rein repräsentationalen Zeichentheorien im Sinne des aliquid stat pro aliquo, findet sich in der grundsätzlich triadischen Struktur eines jeden Zeichens. Damit grenzt sich Peirce insbesondere gegen (semantische) Konzeptionen ab, die durch eine lediglich dyadische Relation zwischen dem Zeichen und dem Bezeichneten die interpretativen Leistungen innerhalb des Zeichengebrauchs vernachlässigen.[9]
Demnach steht der pragmatische Aspekt der Interpretation von Zeichen im Zentrum der Peirceschen Semiotik. Ein Zeichen repräsentiert nicht bloß etwas anderes, steht nicht nur für etwas anderes, sondern wird notwendig von einem Rezipienten interpretiert, indem es für ihn ein neues Zeichen hervorruft. Damit wird deutlich, dass nicht nur jeder Gedanke oder Bewusstseinsinhalt mit dem Gebrauch von Zeichen verbunden ist, sondern auch ein Zeichen immer auf einen Gedanken bezogen und auf ein Bewusstsein gerichtet ist. Es ist mithin immer ein Zeichen für jemanden:[10]
A sign, or representamen, is something which stands to somebody for something in some respect or capacity. It addresses somebody, that is, creates in the mind of that person an equivalent sign, or perhaps a more developed sign. That sign which it creates I call the interpretant of the first sign. The sign stands for something, its object.[11]
Peirce geht von drei Relationspolen aus, deren Beziehungen zueinander die entscheidenden Funktionen eines Zeichens ausmachen: das Repräsentamen als materieller Zeichenaspekt und Mittel der Darstellung, das Objekt als Gegenstandsbezug sowie der Interpretant als Wirkung des Zeichens. So hat beispielsweise ein geschrie-benes Wort eine bestimmte materielle Struktur, die sich in der Druckerschwärze auf dem Papier zeigt. Es bezeichnet einen Gegenstand und ruft in einem Leser eine Idee qua Interpretation hervor. Diese triadische Struktur wird dabei als genuin vorgestellt, so dass weder ein Zeichenpol getilgt, noch eine der Relationen auf eine andere reduziert werden kann. Jede Beziehung zweier Komponenten ist auf die Vermittlung der jeweils dritten Komponente angewiesen[12], so dass sich ein Zeichen also erst im Zusammenspiel der drei Relationspole konstituiert.[13] Hierbei gilt es zu beachten, dass die Relationen zwar immer durch einen der Zeichenpole vermittelt sind und ihre Beziehung daher nicht vollständig kontingent oder gar zufällig ist. Insbesondere der Interpretantenaspekt des Zeichens weist jedoch bereits darauf hin, dass sie ebenso wenig als festgelegt oder determiniert zu denken sind.[14] Wie sich in den folgenden Ausführungen zeigen wird, ist gerade die prinzipielle Offenheit und Unabschließbarkeit von Zeichen eines ihrer essentiellen Charakteristika.
Die vorgestellte triadische Struktur ermöglicht nun eine erste Einteilung von Zeichen anhand ihrer materiellen Natur, ihrer Beziehung zu ihren Objekten und ihrer Beziehung zu ihren Interpretanten. Jeder Zeichenpol enthält dabei jeweils drei weitere Subspezi-fikationen, aus welchen sich verschiedenen Zeichentypen ergeben.
3.1.1 Repräsentamen – Die Materialität des Zeichens
Das Repräsentamen ist das Mittel der Darstellung, indem es die notwendige gegenständliche Präsenz eines Zeichens ausmacht, wie z. B. in Form der genannten Druckerschwärze oder eines akustischen Lautes. Dabei ist das Repräsentamen materiell in dem Sinne, dass es bestimmte sinnlich erfahrbare Eigenschaften besitzt, die es von anderen Gegenständlichkeiten und Zeichen unterscheidet. Diese materiellen Qualitäten haben jedoch keine repräsentative Funktion, so dass die Beziehung des Repräsentamen zum Objekt und zum Interpretanten nicht auf einem Abbildungs- oder Ähnlichkeits-verhältnis beruht. Die bloße Materialität eines Zeichens ist also eine Bedingung der Möglichkeit dafür, dass ein Zeichenkörper auch tatsächlich als Zeichen fungieren kann.[15]
In diesem Zusammenhang unterscheidet Peirce drei Zeichentypen als Subspezifikationen eines Repräsentamen: Quali-, Sin- und Legizeichen. Bei den Quali-zeichen handelt es sich um die reine Möglichkeit der Rezeption eines Repräsentamen. Ein Qualizeichen steht also für eine Form von Materialität, die unabhängig davon ist, in welcher Weise sie als sensuelle Erscheinung wahrgenommen wird. Es ist jene notwendige Qualität der äußeren Welt, welche überhaupt erst die Voraussetzung eines sinnlichen Gegenstands ist.[16]
Eben ein solch tatsächlich existierender Gegenstand wird mit dem Begriff des Sinzeichens beschrieben. Es ist also die faktische Verwirklichung eines Qualizeichens und stellt damit ein individuelles Objekt oder Ereignis dar.[17]
Legizeichen sind letztlich solche, die nicht einer aktuellen Verwirklichung, sondern einem allgemeinen Gesetz entsprechen. Jedes konventionelle Zeichen, mithin jedes Sprachzeichen, ist ein Legizeichen und kann kraft seiner Regelhaftigkeit beliebig eingesetzt werden. Die definite Identität eines Legizeichens äußert sich letztlich in seinen verschiedenen Realisierungen durch Sinzeichen, die Peirce dann „Replica“[18] nennt.[19]
3.1.2 Objekt – Der Gegenstandsbezug des Zeichens
Wie bereits zu Beginn dieses Kapitels erwähnt, ist jeglicher Bewusstseinsinhalt und damit jegliches Denken notwendig an den Gebrauch von Zeichen gebunden. Diese Annahme impliziert natürlich, dass alle Erfahrungsgegenstände bereits einen zeichen-haften Charakter haben. Ist das repräsentierte Objekt dann nicht selbst notwendig ein Zeichen, im Sinne einer mentalen Idee, einer Vorstellung? Rekurriert das Wort „Rose“ auf ein Zeichen, das eine Rose ist oder auf ein von unserer Erfahrung und Bezeichnung unabhängiges Objekt, welches wir eine Rose nennen? Peirce war sich durchaus bewusst, dass das intendierte Objekt eines Zeichensetzers selbst nur ein Zeichen sein kann. Aber eben diese Idee ist keine zufällige, sondern orientiert sich an einem realen Objekt, einem zeichenunabhängig Existierenden:
This requaesitum I term the object of the sign: – the immediate object, if it be the idea which the sign is built upon, the real object, if it be that real thing or circumstance upon which that idea is founded as on bed-rock.[20]
Peirce unterscheidet also zwei Typen von Objekten: ein unmittelbares und ein reales (dynamisches) Objekt. Während das unmittelbare Objekt dem bereits bezeichneten Gegenstand – im Sinne einer mentalen Idee oder Vorstellung – entspricht, auf den sich ein Zeichen bezieht, verkörpert das reale Objekt jene Gegenständlichkeit der äußeren Welt, die durch unsere Verwendung von Zeichen unverändert bleibt. Bereits an dieser Stelle deutet sich der realistische Charakterzug der Peirceschen Philosophie an, welcher in den folgenden Kapiteln noch deutlicher zum Vorschein kommen wird. Denn trotz der prinzipiellen Zeichenabhängigkeit eines jeden erfahrbaren Gegenstands kann das reale, unbezeichnete Objekt nicht grundsätzlich getilgt werden.[21] Das reale Objekt bietet vielmehr eine außermediale Grenze, einen Rahmen der Interpretationsfreiheit von Zeichen. Das bereits vermittelte Objekt, die jeweilige Idee, die ein Zeichensetzer intendiert, kann immer nur einen Teil dessen ausmachen, was im Ganzen das reale Objekt darstellt. Ohne diesen Rahmen möglicher Repräsentationen kann es im Peirceschen Sinne nicht einmal ein Urteil über die Angemessenheit eines Zeichens geben, so dass ein Zeichen „nicht einmal falsch sein [kann], wenn es nicht mit einiger Bestimmtheit das reale Objekt spezifiziert, dessen falsches Zeichen es ist.“[22]
Das reale Objekt ist es also letztlich, das wir mit unserem zeichenhaften und durch unmittelbare Objekte intendierten Bezug auf die Welt erreichen wollen. Die entscheidende Frage, in welcher Weise dieser Bezug überhaupt erfolgen kann, wird von Peirce im Zusammenhang mit den drei Subspezifikationen des Objektpols beantwortet. Demnach gibt es drei verschiedene Modi des möglichen Objektbezugs, die sich in den Zeichentypen Ikon, Index und Symbol widerspiegeln.[23]
Ein Ikon bezieht sich auf sein Objekt durch einen unmittelbaren Zusammenhang, den es aufgrund seiner eigenen materiellen Merkmale herstellt. Das reale Objekt, das den Rahmen unserer Deutungsfreiheit markiert, motiviert das Ikon also hinsichtlich seiner eigenen inneren Charakteristika.[24] So ist z. B. ein Portrait ein Ikon desjenigen, den es portraitiert. Man könnte also annehmen, dass ein Ikon über Ähnlichkeiten mit dem Bezeichneten in Beziehung steht. Doch ein Stadtplan als diagrammatische Abbildung der Struktur einer Stadt ist zwar ein Ikon, hat aber nur wenig Ähnlichkeit mit seinem Objekt. An eben diesem Begriff der „Ähnlichkeit“ zeigt sich auch die Interdependenz, in der die drei Zeichentypen am Objektpol stehen. Erst durch unseren sprachlich-kulturell geprägten Umgang mit Zeichen haben wir gelernt, wie diese zu benutzen und zu verstehen sind.[25] Eine Photographie oder ein realistisches Bild haben für uns nur deshalb ikonischen Charakter, weil wir sie auf eine gewohnte Weise interpretieren können.[26]
Indices bilden ihr Objekt nicht ab oder nach, sondern verweisen auf ihr Objekt über eine faktische Korrespondenz. Das reale Objekt motiviert das indexikalische Zeichen also aufgrund eines realen Zusammenhangs, durch den sie beide miteinander verbunden sind.[27] Paradebeispiele für solche Beziehungen sind Rauch als Index für Feuer oder ein Wetterhahn als Index für die jeweilige Windrichtung. Innerhalb unserer Sprache finden wir Indices vor allem in deiktischen Ausdrücken, Lokaladverbien oder Personal- und Demonstrativpronomina. Der sprachliche Zusammenhang verdeutlicht uns indes Zweierlei: zum einen, dass auch indexikalische Zeichen auf einen transindexikalischen Kontext, wie z. B. die Eingebundenheit in einen Satz und eine Äußerungssituation, angewiesen sind. Entscheidender noch ist aber, dass erst Indices eine konkrete Orientierung von Subjekt-Objekt-Zusammenhängen im raum-zeitlichen Kontext aufbauen und damit essentiellen Anteil an unserer Realitätserfahrung haben. Erst sie konstituieren die Differenz zwischen einem Ich und einem Nicht-Ich, so dass die Erfahrung und (sprachliche) Bezeichnung eines individuellen, raum-zeitlich tatsächlich vorhandenen Objektes erst durch die indexikalische Zeichenfunktion ermöglicht wird.[28]
Der dritte Zeichentyp am Objektpol ist das Symbol. Symbole haben weder einen abbildenden, noch einen hinweisenden Charakter, sondern beruhen allein auf Konventionen. Das konventionelle Fundament des Symbolgebrauchs ergibt sich dabei – reine Formalsprachen mal ausgenommen – aus einer gemeinschaftlich-kulturellen Interpretationspraxis und damit aus einem impliziten Regelwissen.[29] Ein Symbol ist also ein Zeichen, weil wir es als solches gebrauchen, so dass es von seinem realen Objekt nur insofern motiviert wird, weil wir es so (und nicht anders) interpretieren.[30] Natürliche Sprachen stellen daher Beispiele für komplexe Symbolsysteme dar, innerhalb derer sich z. B. Wörter oder Argumente symbolisch auf ihr Objekt beziehen.
Die bereits erwähnte notwendige Interdependenz von ikonischen, indexikalischen und symbolischen Zeichenfunktionen wird im Zusammenhang mit dem sprachlichen Zeichengebrauch besonders deutlich. Zwar ermöglicht ein sprachliches Symbol die Repräsentation seines Objekt auf der Basis einer konventionellen Praxis, doch wäre ebendiese Repräsentation ohne die ikonischen und indexikalischen Bezüge auf ein Reales ebenso leer, wie die Indices und Ikons ohne die Einbettung in sprachliche Symbolsysteme blind.[31] Kommen wir noch einmal auf das Portraitbild als Beispiel für ein Ikon zurück. Es ist nicht möglich, sich auf dieses Bild zu beziehen, ohne die ikonische und indexikalische Zeichenfunktion in Anspruch zu nehmen, die dieses Bild überhaupt erst als aktuell-konkreten Gegenstand mit diesen und jenen Eigenschaften erfahrbar macht. Auf der anderen Seite erhält das Bild überhaupt erst einen Sinn, wenn ich es sprachlich interpretiere und in symbolische Strukturen einordne. Diese Inter-dependenz, dieses stetige Zusammenspiel der Zeichenfunktionen weist somit bereits darauf hin, dass jegliche Art von Solipsismus bei Peirce ausgeschlossen wird. Sprachlich fixierbares Wissen ist notwendig auf eine symbolische Vermittlung im Sinne intersubjektiv gültiger Interpretationen angewiesen.[32]
3.1.3 Interpretant – Die Wirkung des Zeichens
Die zeichenkonstitutive Interpretationsleistung spiegelt sich letztlich im dritten Pol der Zeichentriade wider – dem Interpretanten. Dabei umfasst der Interpretant jene Wirkung, die ein gesetztes Zeichen in einem Rezipienten hervorruft. Da im pragmatischen Verständnis von Peirce die Bedeutung eines Gegenstandes in den durch ihn hervor-gerufenen Konsequenzen für unsere Handlungen und Handlungsgewohnheiten besteht, findet sich hier also der Bedeutungsbereich eines Zeichens wieder. Der Sinn von Zeichen enthält damit insofern eine Zukunftsdimension, als dass er sich erst aus den nachfolgenden Interpretanten ergibt.[33]
Der Interpretantenpol ist das eigentliche Signum der Peirceschen Semiotik, da gerade er ihren pragmatischen Charakter ausmacht. Hier wird deutlich, dass Zeichen mehr sind als bloße Objektrepräsentationen. Entscheidend dabei ist weniger, dass es einen Zeichenrezipienten im Sinne eines Adressaten im Informationsaustausch geben muss, sondern vielmehr dass dieser einen Interpretanten hervorbringt, der vom ersten Zeichen prinzipiell verschieden ist. Dabei kann der zeichenkonstitutive Akt der Interpretation auf drei verschiedene Arten erfolgen: unmittelbar, dynamisch oder logisch.
Eine unmittelbare Zeichenwirkung bzw. ein unmittelbarer Interpretant, wie z. B. eine spontanen Gefühlsregung, beruht auf der spezifischen Interpretierbarkeit eines Zeichens und eröffnet somit einen Möglichkeitsraum zur Interpretation. Dynamische (oder energetische) Interpretanten sind Realisierungen dieser Möglichkeiten und mithin tatsächliche Reaktionen, die ein Zeichen hervorruft.[34] Das Anhalten vor einer Ampel, wenn diese rotes Licht zeigt, ist ein Beispiel für einen dynamischen Interpretanten, der mithin auf erlernten und gewohnheitsmäßigen Zeichenbedeutungen bzw. etablierten Handlungsgewohnheiten beruht. Hinsichtlich der Peirceschen erkenntnistheoretischen Überlegungen ist jedoch der logische Interpretant die relevanteste Zeichenwirkung. Denn dort, wo ein Zeichen statt Interpretations- und Handlungssicherheit Zweifel aufkommen lässt, ruft es statt eines dynamischen einen logischen Interpretanten hervor. Dieser bezeichnet jene logisch-heuristischen Inferenzprozesse, die wir als Reaktion auf ein unverstandenes Zeichen ausführen und die einen entstandenen Zweifel beseitigen.[35] Diese bewussten, rationalen Schlussverfahren beinhalten im Gegensatz zu den unmittelbaren und dynamischen Interpretanten notwendig eine Reflexionsdimension, die auf vorangegangene Zeichen(prozesse) rekurriert und darauf gerichtet ist, Interpretationsunsicherheiten durch neue Handlungssicherheit zu ersetzen.[36]
Mit den Begriffen Rhema, Dicizeichen und Argument kennzeichnet Peirce die drei Momente des logischen Interpretant, welche die Subspezifikationen am Interpretanten-pol ausmachen und die im sprachlichen Bereich der klassischen Einteilung in Term, Proposition und Argument korrespondieren.[37] Nach Peirce ist ein Rhema ein Zeichen, das weder wahr, noch falsch sein kann. Ein einzelnes Wort z. B. ist in aller Regel ein Rhema und stellt somit lediglich die Möglichkeit dar, dass es im Zusammenhang eines Satzes oder einer Aussage verwendet wird. Ein Dicizeichen ist ein wahrheitsfähiger Satz im Sinne einer Proposition. Dadurch wird ein Dicizeichen zwar aktuell noch nicht behauptet, ist aber fähig in einer Behauptung verwendet und innerhalb eines logischer Schlussfolgerungen wirksam zu werden.[38] Das logische Schlussfolgern, welches uns von einem entstandenen Zweifel zu einer neuen Überzeugung führen soll, ist letztlich auf die Verwendung von Argumenten angewiesen. Argumente sind also behauptete Dicizeichen, die in einem rationalen Zusammenhang verwendet werden.[39] Inwiefern die logischen Inferenzprozesse im Rahmen von Rhema, Dicizeichen und Argument damit eine Schlüsselfunktion besitzen, wenn es um das Streben nach Überzeugungen, Wissen und Wahrheit geht, wird im Laufe des Kapitels 2.2 deutlich werden.
An dieser Stelle möchte ich die Aufmerksamkeit zunächst auf eine andere entschei-dende Eigenschaft des Interpretanten lenken. Wie bereits erwähnt, ist es gerade die Interpretation, die den pragmatischen Charakter der Peirceschen Semiotik und darüber hinaus seines gesamten philosophischen Ansatzes ausmacht. Als konstitutive Zeichen-funktion modifiziert sie die klassische Repräsentationsidee sowohl um einen Moment der Bestimmtheit, als auch um einen der Unbestimmtheit. Ein Moment des Unbestimmten tritt zum Zeichen hinzu, da ungewiss ist, wie seine Interpretanten beschaffen sein werden. Ein Moment des Bestimmten jedoch tritt hinzu, da gewiss ist, dass es Interpretanten geben wird. Mit anderen Worten: jedes Zeichen verursacht notwendig ein Folgezeichen, jeder Gedanke wird durch einen nächsten interpretiert. Daher ist aber auch jedes Zeichen selbst bereits Folgezeichen und Interpretant innerhalb eines endlosen Prozesses der Zeichenverwendung:
In keinem Moment gibt es also einen Gedanken [...] auf den nicht ein Gedanke folgte, der ihn interpretiert oder wiederholt. Das Gesetz, daß jedes Gedankenzeichen in einem anderen, das auf es folgt, übersetzt und interpretiert wird, hat daher keine Ausnahme, es sei denn, daß alles Denken überhaupt durch den Tod zu einem abrupten und endgültigen Ende kommt.[40]
3.1.4 Semiose – der unendliche Prozess der Zeichenvermittlung
Durch die notwendige Verknüpfung von Zeichen untereinander wird die Semiose (semiosis), als Akt der Zeichenvermittlung, zu einem unendlichen Prozess der Interpretation von Zeichen durch Zeichen.[41] Jede aktuelle Zeichenvermittlung existiert mithin nur als ein Teilaspekt innerhalb der Semiose, die damit unsere gedankliche und interpretatorische Freiheit begrenzt. Gerade hier werden die geschichtliche Eingebettet-heit, aber auch die kreativen Möglichkeiten eines jeden zeichensetzenden Subjekts deutlich. In gleicher Weise, in der Menschen ihre Welt mit Zeichen deuten und erschaffen, sind sie auch von dieser Welt abhängig.[42] Unsere interpretative Freiheit wird also nicht nur von dem bezeichneten Objekt begrenzt, sondern beruht notwendig bereits auf Gesellschaftlichkeit im Sinne von erlernten Denk- und Interpretationsgewohn-heiten.[43]
Eine reine Privatheit des Zeichengebrauchs ist mithin ebenso wenig möglich, wie ein isoliertes, für sich stehendes Zeichen. Da jedes Zeichen immer ein Folgezeichen nach sich zieht und gleichzeitig selbst ein solches darstellt, befindet es sich notwendig und immer innerhalb eines theoretisch endlosen Zeichennetzwerks. Dieses prinzipiell unendliche Kontinuum der Semiose führt zu einem sukzessiven, stetigen und ebenfalls unbegrenzten Wachstum der Komplexität dieses Netzwerks.[44] Mit anderen Worten: Der Objektbezug von Zeichen wird durch andauernde Re-Artikulation und Re-Interpretation in immer umfassenderer Weise realisiert. In diesem Wachstum sieht Peirce nun aber keine zufällige oder kontingente Anhäufung von Wissen über die Gegenstände der Welt, sondern eine gerichtete Entwicklung, deren ideale Grenze in der Darstellung des realen Objekts liegt. Jede faktische Zeichensetzung und Interpretation entspricht also einer unvollständigen Darstellung des realen Objekts. Sie kann nur insofern ein Teilprozess der Semiose sein, da diese durch den idealen Endbegriff der vollständigen Darstellung des realen Objekts eine Konsistenz und Richtung erhält.[45] Dieser stets kontrafaktische Fixpunkt der Semiose stellt insofern ihr Ende dar, als dass die Interpretation von Zeichen hier auf eine einzige Möglichkeit reduziert ist, es mithin nur noch eine einzige, umfassend intersubjektive Zeichenwirkung gibt. Diese letzte Wirkung eines Zeichens, zu der jeder Rezipient am Ende der Semiosis kommen würde[46], wird als ultimate logical interpretant bzw. als finaler (logischer) Interpretant bezeichnet.[47] Er verkörpert somit die vollständige Darstellung des realen Objekts durch die Entfaltung der vollen Wirkung des repräsentierenden Zeichens.[48]
Die auf der triadischen Struktur eines jeden Zeichens basierende Semiotik von Charles S. Peirce sollte uns als Fundament zur Ausarbeitung der Begriffe Realität, Erkenntnis und Wahrheit dienen. Die vorangehenden Ausführungen haben insbesondere aufge-zeigt, dass die Erfahrung eines realen Objekts durch den zeichenhaften und damit auch interpretativen Charakter unserer Darstellungen faktisch nicht möglich ist. Trotzdem hält Peirce an diesem realistischen Element innerhalb seiner Semiotik fest. Das reale Objekt begrenzt unsere prinzipielle Interpretationsfreiheit von Zeichen, indem dessen vollständige Darstellung den idealen Fixpunkt des unendlichen Zeichenprozesses markiert. Innerhalb der Semiose kann jeder tatsächliche Gebrauch eines Zeichens nur eine unvollständige Darstellung sein. Als ein Teilprozess auf dem Weg zum finalen Interpretanten ist er damit immer schon mit anderen Zeichen verbunden, so dass die Freiheit eines aktuellen Gedankens bereits durch frühere Gedanken notwendig einge-schränkt ist. Die Möglichkeiten unseres Denkens und Erkennens innerhalb der Semiose sind also notwendig durch die vergangenheitsgerichtete Dimension zeichenhafter Vorerfahrungen begrenzt. Mithin ist es weder möglich, etwas vollkommen Isoliertes, noch etwas vollkommen Unerkennbares zu denken.[49]
3.2 REALITÄT UND ERKENNTNIS
Mit der zeichentheoretischen Implikation der Unvorstellbarkeit eines Unerkennbaren wendet sich Peirce gegen den kantischen Grenzbegriff des Ding an sich. Eine sinnvolle Idee darüber, was Erkenntnis und Realität für uns ist, kann nicht auf der Vorstellung einer transzendenten Welt basieren, die außerhalb unserer Erkenntnismöglichkeiten liegt:
The Ding an sich, however, can neither be indicated nor found. Consequently, no propositions can refer to it, and nothing true or false can be dedicated of it. Therefore, all references to it must be thrown out as meaningless surplusage.[50]
Die Annahme eines Ding an sich ist für Peirce also insofern sinnlos, da sich dieser Begriff gerade der fundamentalen Zeichenhaftigkeit entzieht. Jegliche Dinge können nur zeichenhaft und das heißt mit Bezug auf eine langfristig bzw. in the long run[51] mögliche Erkenntnis gedacht werden. Für Peirce sind Realität und Erkenntnis also keine unabhängigen Begriffe in dem Sinne, dass wir uns durch unsere eigenen Erkenntnis-funktionen a priori von der Realität abgrenzen. Vielmehr geht der Begriff der Realität gar nicht über den der Erkennbarkeit hinaus.[52]
[...]
[1] Descartes, René (1992), S. 43.
[2] Vgl. Hösle, Vittorio (1987) S. 213.
[3] Vgl. Böhler, Dietrich (1985) 22f und Apel, Karl-Otto (1973) 311ff.
[4] In einem Brief an Lady Welby vom 28. Dezember 1908 schreibt er diesbezüglich: „Schön, liebe Lady Welby, Sie verdienen diese Heimsuchung, denn Sie haben davon gesprochen, daß ich >>immer freundlich (!!!) an dem Werk interessiert gewesen bin, dem mein Leben geweiht ist<<, wenn ich mich seit 1863 für denselben Gegenstand verausgabt habe, ohne, bevor ich Ihre Bekanntschaft machte, einen einzigen Geist getroffen zu haben, dem er nicht als Blödsinn erschien.“ Peirce, Charles S. (1958), S. 165.
[5] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 18.
[6] Peirce, Charles S. (1998a), 5.265. Verweise auf die »Collected Papers« erfolgen mit Angabe des entsprechenden Bandes und des Paragraphen innerhalb dieses Bandes – hier also Band 5, Paragraph 265.
[7] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 18.
[8] Peirce hat ein sehr komplexes System von Zeichenrelationen und den damit verbundenen Zeichentypen entworfen – 1908 errechnet er die imposante Zahl von 310 oder 59049 möglichen Zeichenklassen; vgl. Peirce, Charles S. (1958), S. 155. Es versteht sich, dass diese Architektonik im vorliegenden Rahmen nicht in ihrer Gesamtheit und Tiefe dargestellt werden kann. Ebenso möchte ich an dieser Stelle erwähnen, dass auch die phänomenologische (Peirce: „phaneroskopische“ oder „ideoscopische“) Grundlegung der Peirceschen Semiotik anhand der drei Universalkategorien nicht behandelt wird, da es weniger um die Fundierung der Semiotik selbst, als vielmehr um die Darstellung seiner semiotischen Erkenntnistheorie geht. Ein hinreichendes Verständnis der Letzteren ergibt sich indes auf der Basis der Peirceschen Semiotik. Für eine Darstellung der Kategorienlehre vgl. z. B. Peirce, Charles S. (1958), S. 143ff und Nagl, Ludwig (1992), S. 85ff.
[9] Eine Abgrenzung der Peirceschen Semiotik zu modernen dekonstruktivistischen Ansätzen findet sich bei Nagl, Ludwig (1992), S. 32ff.
[10] Vgl. ebd., S. 23f.
[11] Peirce, Charles S. (1998a), 2.228. Die kursive Schreibweise wurde aus dem Originaltext übernommen. Auch im folgenden werden die Zitate mit allen formellen Besonderheiten dargestellt; Abweichungen sind durch eckige Klammern gekennzeichnet.
[12] Das Repräsentamen vermittelt also die Relation zwischen Objekt und Interpretant, der Interpretant zwischen Repräsentamen und Objekt und das Objekt zwischen Repräsentamen und Interpretant.
[13] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 16.
[14] Entgegen mancher Übersetzungen wird zur Darstellung der Beziehungen zwischen den Zeichenpolen daher nicht den mindestens irreführenden Begriff „determinieren“ verwendet (vgl. z.B. Peirce, Charles S. (1958), S. 155), sondern die Relationen eher im Sinne gegenseitiger Beeinflussung und eines gegenseitigen Motivierens auffassen. Vgl. dazu auch Nagl, Ludwig (1992), S. 31.
[15] Vgl. ebd., S. 35f.
[16] Qualizeichen dürfen daher keinesfalls als aktuale Qualitäten oder sensuelle Atome begriffen werden. Vgl. Peirce, Charles S. (1998a), 1.422.
[17] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 52.
[18] Peirce, Charles S. (1958), S. 151.
[19] Die dargestellte Trichotomie des Repräsentamen entspricht der Einteilung in tone, type und token. Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 52f.
[20] Peirce zitiert nach Oehler, Klaus (1979), S. 18.
[21] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 146f. Dazu insbesondere das Peirce-Zitat auf S. 147: „Zeichen, die nur Bestandteile eines endlosen Viadukts für die Zeichenübertragung wären, [...] wären gar keine Zeichen.“
[22] Peirce zitiert nach Nagl, ebd., S. 39.
[23] Insbesondere bei diesen Subspezifikationen wird deutlich werden, dass die jeweilige Triade an den Zeichenpolen nicht im Sinne distinkter oder einander ausschließender Zeichenklassen zu denken sind. Sie stellen vielmehr Momente des Zeichenprozesses dar, so dass die Einteilung in verschiedene Zeichentypen - genau genommen – nur anhand des jeweils dominierenden oder charakteristischen Moments eines Zeichens erfolgt. Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 17.
[24] Vgl. Peirce, Charles S. (1958), S. 151.
[25] Nagl, Ludwig (1992), S. 46ff.
[26] Nelson Goodman zeigt, in welcher Weise unsere Auffassung von Realität durch erlernte Interpretationsmuster und gewohnte Repräsentationssysteme geprägt ist. Vgl. Goodman, Nelson (1997), S. 42ff.
[27] Vgl. Peirce, Charles S. (1958), S. 151.
[28] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 47 und zur Individuationsfunktion von Indices in Sätzen vor allem Apel, Karl-Otto (1975), S. 248f.
[29] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 48f.
[30] Vgl. Peirce, Charles S. (1958), S. 152.
[31] Der Kantbezug macht deutlich, dass Peirce sowohl Anschauungen, als auch Begriffe innerhalb der Zeichenfunktionen verankert. Vgl. Apel, Karl-Otto (1973), S. 171.
[32] Vgl. Apel, Karl-Otto (1975), S. 249f.
[33] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 64 und 68.
[34] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 15.
[35] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 40f.
[36] Kommunikationstheoretisch bietet sich hier eine interessante Schnittstelle mit den Begriffen der Transparenz und Störung innerhalb der transkriptiven Logik der Sprache von Ludwig Jäger. Hier sind die sprachlich-kommunikativen Prozesse gerade durch einen ständigen Wechsel zwischen einem ungestörten Kommunikationsverlauf und einer Reflexion des Zeichenprozesses zur Bearbeitung von Verstehens- und Verständigungsproblemen geprägt. Vgl. Jäger, Ludwig (2006), S. 16ff.
[37] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 14. Auch wenn die Peircesche Einteilung in Rhema, Dicizeichen und Argument auf Zeichen generell anwendbar ist, werde ich mich im Rahmen dieser Arbeit auf die sprachlich-argumentative Dimension konzentrieren. Die logischen Schlussprozesse, die uns von einem entstandenen Zweifel zu einer neuen Überzeugung führen, werden demnach in erster Linie als sprachlich-argumentative Verfahren aufgefasst.
[38] Vgl. Peirce, Charles S. (1958), S. 152f.
[39] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 54.
[40] Peirce zitiert nach Nagl, ebd., S. 39f.
[41] Zum Begriff der semiosis vgl. z. B. Peirce, Charles S. (1998a), 5.484, 5.488f.
[42] Vgl. Klawitter, Jörg (1984), S. 100f.
[43] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 16f.
[44] Vgl. Nagl, Ludwig (1992), S. 90f.
[45] Vgl. ebd., S. 34f.
[46] Da die Frage, ob dieser ideale Endzustand der Semiose faktisch je erreicht sein wird, nicht mit Bestimmtheit zu beantworten ist, nutzt Peirce in seinen späteren Schriften die konditionale Form des „would be“ statt die des „will be“. Vgl. Apel, Karl-Otto (1975), S. 334f. Da wir von einem unendlichen Zeichenprozess der Semiose ausgehen, wird sich diese Arbeit im Sinne des späten Peirce ebenfalls der Konditionalform bedienen.
[47] Zum ultimate oder final logical interpretant vgl. z. B. Peirce, Charles S. (1998a), 5.476 und 5.491.
[48] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 15.
[49] Vgl. Oehler, Klaus (1979), S. 17.
[50] Peirce, Charles S. (1998a), 5.525.
[51] Der englische Begriff in the long run wird häufig auch in der deutschen Peirce-Lektüre beibehalten. Vgl. z. B. Nagl, Ludwig (1992), S. 26.
[52] Vgl. Apel, Karl-Otto (1975), S. 51ff.
- Citation du texte
- Sven Trantow (Auteur), 2007, Semiotik - Fallibilismus - Transzendentalpragmatik: Der Zusammenhang von Sprache und Wissen bei Peirce und Apel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/77252
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