In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, eine Lösung für das Problem der Identifizierung des Statthaltersitzes in der römischen Provinz Pontus et Bithynia zu finden. Obwohl in vielen Karten, die das Römische Reich des 1. und 2. Jahrhunderts abbilden, Nikomedien als Statthaltersitz ausgewiesen wird, ist dies nicht sicher. Denn eine weitere bithynische Stadt, nämlich Nicaea, könnte auch als Statthaltersitz der Provinz in Frage kommen. Um die Frage bezüglich des Statthaltersitzes beantworten zu können, ist es notwendig die Bedingung, die für oder wider einen Statthaltersitz sprechen, vorzustellen. Hierfür werden andere Provinzen, wie z.B. die Provinz Asia, mit ins Blickfeld genommen. Die notwendigen Bedingungen für oder wider einen Statthaltersitz werden in Kapitel vier beschrieben. Auf der Grundlage der notwendigen Bedingungen, die für die bestimmung eines Statthaltersitzes gelten können, wird dann versucht, indem die vorgestellten Bedingungen auf die beiden Städte Nikomedien und Nicaea angewendet werden, den Statthaltersitz für die Provinz Pontus et Bithynia zu bestimmen oder mindestens eine Tendenz herauszuarbeiten. Die Grundlage für die Analyse, bei der natürlich auch Rahmenbedingungen von Provinzen wie die Rolle des Statthalters sowie Finanzverwaltung oder die Rolle des verwaltungspersonals dargestellt werden, bilden die Briefe von Plinius d. Jüngeren an den römischen Kaiser.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Institution „Statthalter“ in der Römischen Republik und der Kaiserzeit
2.1 Römische Republik
2.2 Die Kaiserzeit
3. Die Verwaltung einer Provinz
3.1 Die Aufgaben eines Statthalters
3.2 Die Finanzverwaltung
3.3 Das Verwaltungspersonal
4. Die Identifikation von Statthaltersitzen
4.1 Notwendige Bedingungen für einen Statthaltersitz
4.2 Der Statthaltersitz in Pontus et Bithynia
4.2.1 Nikomedien
4.2.2 Nicaea
4.3 Erwähnung der Städte in den Briefen des Plinius in chronologischer Reihenfolge
5. Vergleich
6. Schluss
7. Quellen- und Literaturverzeichnis
7.1 Quellen
7.2 Sekundärliteratur
1. Einleitung
In der vorliegenden Arbeit soll versucht werden, eine Lösung für das Problem der Identifizierung des Statthaltersitzes in der Provinz Pontus et Bithynia zu finden. Obwohl in vielen Karten, die das Römische Reich des 1. und 2. Jahrhunderts abbilden, Nikomedien als Statthaltersitz ausgewiesen wird, ist dies nicht sicher.[1] Denn eine weitere bithynische Stadt, nämlich Nicaea, könnte auch als Statthaltersitz der Provinz in Frage kommen. Um die Frage bezüglich des Statthaltersitzes beantworten zu können, ist es notwendig die Bedingung, die für oder wider einen Statthaltersitz sprechen, vorzustellen. Hierfür werden andere Provinzen, wie z.B. die Provinz Asia, mit ins Blickfeld hinein genommen. Die notwendigen Bedingungen für oder wider einen Statthaltersitz werden in Kapitel vier beschrieben. Auf der Grundlage der notwendigen Bedingungen wird dann versucht, indem die vorgestellten Bedingungen auf die beiden Städte Nikomedien und Nicaea angewendet werden, den Statthaltersitz für die Provinz Pontus et Bithynia zu bestimmen oder mindestens eine Tendenz herauszuarbeiten.
Weil die römische Provinzverwaltung schon im 3. vorchristlichen Jahrhundert mit der Einrichtung der Provinz Sicilia einsetzte, der Focus dieser Arbeit aber auf die Provinz Pontus et Bithynia zu Beginn des 2. Jahrhunderts ausgerichtet ist, wird die Entwicklung der Institution „Statthalter“ von der Zeit der Republik bis zur Kaiserzeit beschrieben. Es wird in dieser Arbeit, bevor auf die notwendigen Bedingungen für oder wider einen Statthaltersitz eingegangen wird, die Ent-wicklung der römischen Provinzverwaltung von der Zeit der Republik und zur Kaiserzeit kurz beschrieben. Darüber hinaus werden die Aufgaben eines Statthalters vorgestellt. Mit Hilfe der Briefe des zehnten Buches von Plinius soll das Tätigkeitsfeld von Plinius als Statthalter näher beschrieben werden. Der Brief-wechsel zwischen Plinius und Trajan lässt sich als bedeutende Quelle, die die vielfältigen Aufgaben eines Statthalters beschreiben, bezeichnen. Aus diesem Grunde dienen die Briefe des Plinius zur genaueren Beschreibung der Tätigkeiten eines Statthalters einer kaiserlichen Provinz und darüber hinaus noch als Lieferant für Anhaltspunkte bezüglich der Identifizierung des Statthaltersitzes der Provinz Pontus et Bithynia.
2. Die Institution „Statthalter“ in der Römischen Republik und der Kaiserzeit
2.1 Römische Republik
Die Verwaltung der römischen Provinzen oblag dem Statthalter und seinem Personalstab. Die Provinzverwaltung war im Grunde eine mehr oder weniger stark ausgeprägte Militärverwaltung.[2] Der Begriff provincia bezeichnete ursprünglich den Zuständigkeitsbereich eines Magistrats oder Promagistrats.[3] Vornehmlich be-zeichnete es einen militärischen Zuständigkeitsbereich.[4] Weil diese Militär-verwaltung Rom noch besonders wichtig war um die Provinzen befriedet zu halten, ist man schnell dazu übergegangen, die Finanzverwaltung einem anderen Personen-kreis zu übertragen – den equites. Die Ausgliederung dieses Verwaltungszweiges hat seinen Ursprung in dem Umstand, dass der Personenkreis der römischen Nobilität nicht groß genug war, um alle nötigen Personen für diesen Verwaltungs-zweig aus sich heraus stellen zu können.[5] Hatten diese equites nun einen Steuer-eintreibungsbezirk gepachtet, nannte man sie publicani. Weil die Steuereintreibung nun den publicani oblag und diese weitestgehend freie Hand bei der Steuereintreibung hatten, bezeichnet Bleicken diesen Verwaltungszweig als „privatwirtschaftliche Organisation“[6]. Aber die Steuergerechtigkeit litt unter diesem Umstand in hohem Maße, denn das Eintreibungssystem der publicani wurde von der römischen Verwaltung kaum kontrolliert.[7] Aus diesem Grunde konnten die publicani in den Provinzen, was die Besteuerung anging, frei verfahren.
Provinzbewohner besaßen noch nicht das in der Kaiserzeit entstehende Apellationsrecht. Der Statthalter war aufgrund des Annuitätsprinzips für ein Jahr für alle administrativen Belange innerhalb seiner Provinz verantwortlich. Daher war die Ausbeutung der Provinzen durch den Proprätor bzw. Prokonsul das Hauptproblem römischer Provinzialverwaltung in republikanischer Zeit. Der Proprätor bzw. Prokonsul erhielt keine Besoldung und häufig waren diese Personen nach ihrem cursus honorum, denn sie mussten den teuren Wahlkampf und die Amtsführung aus eigener Tasche bezahlen, finanziell stark angeschlagen oder sogar völlig pleite. Der Statthalter war in der Provinz nicht durch die Kollegialität, wie dies für die Magistrate in Rom der Fall war, in seinem Handlungsspielraum gehemmt, denn der ihn begleitende Quästor unterstand ihm.[8] So hatte der Statthalter eine unumschränkte Stellung, die Raum für egoistischen Missbrauch seiner Amtsgewalt zuließ.[9] Aus diesem Grunde war es nicht ungewöhnlich, dass der Statthalter mit Hilfe der publicani die Provinz finanziell ausbeutete. Einen anschaulichen Beleg für ein solches Vorgehen bieten Ciceros „Reden gegen Verres“. Diese sind nicht nur ein Beleg für einen Prozess in dem ein Statthalter für sein Fehlverhalten vor Gericht stand, sondern auch ein Beleg für das Klagerecht einer Provinz.
In Rom gab es ein Sprichwort, das das Verhalten einiger Statthalter versuchte zu beschreiben: „Arm kam er in die reiche Provinz, reich verließ er die Arme.“[10] Die Ausbeutung einer Provinz war in der Amtszeit eines Statthalters nicht ungewöhnlich und oft auch prophylaktisch so gehandhabt, um entweder einer eventuellen Klage finanziell begegnen zu können oder aber damit sie nach ihrer Amtszeit davon leben konnten.[11] Die Keimzelle für dieses Verhalten der Statthalter lag also im Fehlen eines Gehaltes.
Neben den publicani gab es auch noch die negotiatores. Diese Geldverleiher gewährten Städten und Privatleuten Darlehen, die sie mit einem sehr hohen Zinsfuß versahen.[12] Es lässt sich für die Zeit gegen Ende der Römischen Republik für die Provinzen ein Szenario zeichnen, dass für die Provinzialen negativ war und selbst für Rom nicht unbedingt vorteilhaft. Denn durch die wirtschaftliche Ausbeutung einiger Provinzen durch die publicani, die negotiatores und auch durch die Statthalter, war das Ansehen dieser Personenkreise in den Provinzen stark beschädigt. Durch einige Reformen bezüglich der Provinzverwaltung gelang es in der Kaiserzeit viele Probleme abzustellen.
2.2 Die Kaiserzeit
Durch eine Übereinkunft zwischen dem Senat und Kaiser Augustus im Jahr 27 v. Chr. wurden die Provinzen in senatorische (provinciae populi Romani), ein proconsul bzw. propraetor wurde hier vom Senat eingesetzt, und in kaiserliche (provinciae Caesaris), hier wurde ein sogenannter legatus Augusti pro praetore durch den Kaiser eingesetzt, geteilt.[13] Da aber der Kaiser faktisch auch auf die senatorischen Provinzen großen Einfluss ausübte, wurde diese Gliederung praktisch unter der Herrschaft der Severer wieder aufgehoben.[14] Die Statthalter der kaiserlichen Provinzen wurden offiziell legati Augusti pro praetore genannt. Er war also der Stellvertreter des Kaisers im Rang eines Prätors. Somit war die rechtliche und politische Hierarchie klar geregelt.
In der Kaiserzeit verbesserte sich die Situation für die Provinzbewohner durch grundlegende Veränderungen bezüglich der Provinzialverwaltung. Zum einen wurde nun eine Besoldung für die Statthalter in Höhe von einer Million Sesterzen eingeführt.[15] Durch diese Besoldung sollte verhindert werden, dass sich Statthalter, wenn sie durch den cursus honorum auch einen Großteil ihres Kapitals verloren hatten, in den Provinzen finanziell bedienten. Zum anderen wurde das Steuer-pachtwesen zwar nicht völlig beseitigt, aber nun wurde es von der Bürokratie der Finanzverwaltung kontrolliert.[16] Normen, die als Richtschnur für die Finanz-verwaltung galten, wurden bereitgestellt.[17] Dies unterband willkürliche Besteuerungen seitens der publicani in gewissem Maße. Die gesamte Finanz-verwaltung wurde ritterständischen Beamten, den procuratores, übertragen.[18] Auch die Rechtsprechung wurde Sonderbeamten, den legati iuridici, übertragen.[19] Diese unterstanden jedoch auch weiterhin den jeweiligen Statthaltern.[20]
Die Dauer der Amtszeit eines Statthalters hing davon ab, wie sehr der Kaiser mit der Arbeit seines Legaten zufrieden war. Unter Tiberius blieb ein Statthalter in der Provinz Macedonia-Moesia 24 Jahre im Amt, aber normalerweise dauerte eine Amtszeit nicht länger als drei Jahre.[21] Der Vorteil gegenüber den senatorischen Provinzen lag bei den kaiserlichen darin, dass der Kaiser einen Statthalter jederzeit wieder abberufen konnte, wenn der Kaiser mit der Arbeit des Statthalters nicht zufrieden war. Die senatorischen Provinzen unterlagen weiterhin dem Annuitäts-prinzip, obwohl auch hier Ausnahmen möglich waren.[22] Die Bewerber für eine Statthalterschaft entstammten, ob nun für eine senatorische oder kaiserliche Provinz, der Senatorenschicht. Für die senatorischen Provinzen wurde ein Senator per Losentscheid zum Statthalter „gewählt“, obwohl auch dieses Losverfahren nicht frei von Manipulationsmöglichkeiten war.[23] Für die ranghöchsten senatorischen Provinzen Africa und Asia war die Statthalterschaft so geregelt, dass nur ein gewesener Konsul, dessen Konsulat zwölf bis fünfzehn Jahre zurücklag, dort Statthalter werden konnte.[24] Diese abweichende Handhabe beruhte darauf, dass Africa und Asia für Rom von großer strategischer Wichtigkeit waren. Die Provinz Aegyptus fällt aus dem zweigeteilten Schema heraus, denn dort amtierte weder ein proconsul noch ein legatus Augusti. Der Statthalter dieser Provinz entstammte nicht der Senatorenschicht. Aufgrund des wirtschaftlichen und somit machtpolitischen Potentials wurde diese „Provinz“, faktisch wurde Aegyptus nie zur Provinz erklärt, von einem praefectus Augusti verwaltet.[25] Da Aegyptus ungefähr 1/3 des Getreidebedarfs der Stadt Rom lieferte, wäre es für einen ambitionierten Statthalter aus dem Senatorenstand möglich gewesen, Rom auf lange Sicht auszuhungern und somit die Machtposition des Kaisers stark zu beschädigen.[26] Senatoren durften nicht einmal aus beruflichen Gründen die Provinz Aegyptus betreten.[27] Aus diesem Grund rekrutierten sich diese praefecti aus dem Ritterstand. Alles in allem verbesserten die Reformen des Augustus bezüglich der Provinzverwaltung die Zustände in den Provinzen in hohem Maße.
3. Die Verwaltung einer Provinz
Der Aufgabenbereich und die Kompetenzen des Statthalters haben sich mit dem Ausbau der Verwaltung in den Jahrhunderten der römischen Provinzialverwaltung immer wieder geändert. Während der Phase der Republik gehörten alle Bereiche der Verwaltung zum Aufgabenbereich des Statthalters. Dies umfasste die Kontrolle der Steuereintreibung, das Kommando über die Legionstruppen und als iudex ordinarius war der Statthalter auch in Zivil- und Strafsachen erste Instanz in der Provinz. In der Spätantike war die Steuereintreibung die primäre Aufgabe des Statthalters, denn militärische Kompetenzen besaß er nun keine mehr.
Der patronale Fürsorgegedanke der Kaiserzeit spielte bei der differenzierten Herausbildung der verschiedenen Verwaltungsinstitutionen eine wichtige Rolle. Inhaltlich ging es der patronalen Verwaltung um drei Bereiche der Provinzverwaltung: Friedenswahrung, Rechtspflege und Fürsorge für die Untertanen.[28] Da die Friedenswahrung in den Provinzen ein Ziel der Verwaltung war, denn wer den Frieden wahrte, der rechtfertigte auf diese Weise seine Herrschaft, war die Verwaltung eine wichtige Institution, um das Reich befriedet zu halten.[29] Die Rechtspflege wurde den provinzialen Behörden überlassen. Die Zentrale in Rom sorgte für die Durchsetzung der Gesetze und, wenn es nötig war, für die Verbesserung der Gesetze in den jeweiligen Provinzen.[30] Die patronale Fürsorge für die Untertanen sollte im Kern die Untertanen vor materieller Not schützen und daher beinhaltete sie die Getreideversorgung, die Versorgung von Waisenkindern und die Steuergerechtigkeit.[31]
[...]
[1] Vgl. zu den Karten: Putzger. Historischer Weltatlas, 103.Aufl., Berlin 2001, S.40-41 und Bechert, Tilman: Praedia populi Romani. In: Römische Provinzen. Praxis Geschichte. Heft 1/2005, S.8-9.
[2] Bleicken, Jochen, Verfassungs- und Sozialgeschichte des Römischen Kaiserreiches. Bd.1,
Paderborn 1978, S.127.
[3] Der kleine Pauly. Lexikon der Antike, Hg. Konrat Ziegler, München 1961, S.473.
[4] Der kleine Pauly, S.473.
[5] Bleicken, S.128.
[6] Bleicken, S.128.
[7] Bleicken, S.127.
[8] Vogt, Joseph: Die Römische Republik. München 1973, S.221.
[9] Vogt, S.222.
[10] Bechert, Tilman: Praedia populi Romani. In: Römische Provinzen. Praxis Geschichte. Heft
1/2005, S.8.
[11] Harms, Bernhard: Auguren, Ahnen, Aquädukte – Die römische Kultur in Entwicklung und
Struktur. Leer 1986, S.29.
[12] Vogt, S.223.
[13] Bleicken, S.148.
[14] Bleicken, S.148.
[15] Strobel, Karl: Laufbahn und Vermächtnis des jüngeren Plinius. In: Beiträge zur Geschichte, Hg.
Bamberger Hochschulschriften, Bamberg 1983, S.45.
[16] Bleicken, S.135.
[17] Bleicken, S.135.
[18] Bleicken, S.149.
[19] Bleicken, S.149.
[20] Bleicken, S.149.
[21] Scheid, John: Rom und das Reich in der hohen Kaiserzeit. Bd.2, Stuttgart 1998, S.183.
[22] Scheid, S.182.
[23] Scheid, S.182-183.
[24] Scheid, S.182.
[25] Heuss, Alfred: Römische Geschichte. Braunschweig 1976, S.299.
[26] Sewohl, Alexander. Aegyptus – Die Provinz des Prinzeps, In: Praxis Geschichte, Heft 1/2005,
S.36-37.
[27] Heuss, S.292.
[28] Bleicken, S.130 – 135.
[29] Bleicken, S.130.
[30] Bleicken, S.131.
[31] Bleicken, S.132-135.
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