Die europäische Wertestudie 1999 ist die dritte Untersuchungswelle eines großen internationalen Forschungsprojekts, welches am Wertewandel sowie an den grundlegenden Werthaltungen der europäischen Bevölkerung interessiert ist. Dazu wurden in fast allen Ländern Europas, aber auch in Russland und Nordamerika, insgesamt in über dreißig Ländern, Umfragen zu politischen, religiösen, moralischen und familienbezogenen Einstellungen und Vorstellungen gemacht. Das vorliegende Essay befasst sich lediglich mit einem Ausschnitt von acht aus den über 300 Variablen der Umfrage. Als dimensionsanalytische Verfahren zur Auffindung monotoner Syndrommodelle, und von monotonen Zusammenhängen geht man hier aus, werden die zwei wohl bekanntesten Anwendungen durchgeführt, nämlich zum einen die Faktorenanalyse als multidimensionale Erweiterung der klassischen Testtheorie, und zum anderen die Mokkenskalierung. Übereinstimmende Ergebnisse würden die Güte beider Ergebnisse konsolidieren. Deshalb sollen die Ergebnisse der Faktorenanalyse und der Mokkenskalierung letztendlich auch verglichen werden. Beide auf statistischen Rechenanwendungen basierende Prozeduren werden mit Hilfe von SPSS ausgeführt. Während die Faktorenanalyse bereits seit längerem in die Anwendungsfunktionen des Programms integriert ist, wurde das Mokkentool als Skript zur Ausführung in SPSS erst kürzlich an der Universität Bamberg entwickelt und ist auch in der neuesten offiziellen SPSS-Version noch nicht verfügbar.
Inhalt
I. Einführung
II. Faktoren- und Reliabilitätsanalyse
Vorarbeiten
Eignungsprüfung
Korrelationsmatrix
Anti-Image-Korrelationen
Kaiser-Meyer-Olkin Kriterium
Extraktionsstopp durch Eigenwertkriterium
Extraktionsstopp durch Anzahlfestlegung
Ausschluss eines Items
Neue Eignungsprüfung
Komponentendiagramm und Screeplot
Erklärte Gesamtvarianz
Inhaltliche Interpretation
Polung der Items
Overfactoring
Eindimensionalität
Dimensionsanaylse
Einfaktorielles Modell
III. Mokkenskalierung
Grundlegendes
Vorarbeiten
Prüfung der Modellvoraussetzungen
Paarweise Homogenitätskoeffizienten
Zwei-Skalen-Modell
Polung der Items
Eine-Skala-Modell
Monotonie der Itemschwierigkeit
IV. Ergebnisse im Vergleich
Summenscores
Negative Korrelation
Schlussbemerkung
Anhang A – SPSS-Ausgaben
Erklärte Gesamtvarianz
Anhang B – SPSS-Syntaxen
Faktoren- und Reliabilitätsanalyse
Mokkenskalierung und Summenscores
I. Einführung
Die europäische Wertestudie 1999 ist die dritte Untersuchungswelle eines großen internationalen Forschungsprojekts, welches am Wertewandel sowie an den grundlegenden Werthaltungen der europäischen Bevölkerung interessiert ist. Dazu wurden in fast allen Ländern Europas, aber auch in Russland und Nordamerika, insgesamt in über dreißig Ländern, Umfragen zu politischen, religiösen, moralischen und familienbezogenen Einstellungen und Vorstellungen gemacht.
Das allerorts eifrig geführte Wehklagen über den Verfall von Werten und Moral soll hier nicht als Motiv zur Beantwortung der Frage dienen, ob denn nun wirklich Wert und Moral immer weniger für Ordnung sorgen und wodurch die alten Normen ersetzt werden. An dieser Stelle soll es um die Frage gehen, welche kulturtypischen Ordnungsvorstellungen in dem Ausschnitt sozialer Realität auffindbar sind, welcher durch die erhobenen Daten der europäischen Wertestudie 1999 repräsentiert wird. Dabei werden Dispositionen als latente Dimensionen gesucht, welche sich bezüglich jeweils einer Vielzahl an Statements zu bestimmten Situationsklassen für Invarianzen innerhalb der entsprechenden inhaltlichen Universen verantwortlich zeigen. Dies kann natürlich nur geschehen, soweit überhaupt Regelmäßigkeiten existieren, soweit also überhaupt die Steuerung von Statements durch latente Dispositionen „aus dem Hintergrund“ angenommen werden kann. Mit dem Auffinden und der inhaltlichen Interpretation solcher intersubjektiven handlungsrelevanten situationsübergreifenden Reaktionstendenzen gewinnt man theoretische Modelle, welche die Realität in ökonomisierter Form beschreiben, also zum Überblick verhelfen können, welche zur kulturmorphologischen reflektiven Selbstbeobachtung beitragen, und welche in weiterführenden kausalanalytischen Untersuchungen als abhängige oder unabhängige Variablen verwendet werden können.
Das vorliegende Essay befasst sich lediglich mit einem Ausschnitt von acht aus den über 300 Variablen der Umfrage. Als dimensionsanalytische Verfahren zur Auffindung monotoner Syndrommodelle, und von monotonen Zusammenhängen geht man hier aus, werden die zwei wohl bekanntesten Anwendungen durchgeführt, nämlich zum einen die Faktorenanalyse als multidimensionale Erweiterung der klassischen Testtheorie, und zum anderen die Mokkenskalierung. Übereinstimmende Ergebnisse würden die Güte beider Ergebnisse konsolidieren. Deshalb sollen die Ergebnisse der Faktorenanalyse und der Mokkenskalierung letztendlich auch verglichen werden. Beide auf statistischen Rechenanwendungen basierende Prozeduren werden mit Hilfe von SPSS ausgeführt. Während die Faktorenanalyse bereits seit längerem in die Anwendungsfunktionen des Programms integriert ist, wurde das Mokkentool als Skript zur Ausführung in SPSS erst kürzlich an der Universität Bamberg entwickelt und ist auch in der neuesten offiziellen SPSS-Version noch nicht verfügbar.
Folgender Satz leitet im Fragebogen zur Europäischen Wertestudie 1999 die Abfrage der acht Items ein, um die es hier gehen soll: „Man spricht ja oft davon, dass sich heutzutage die Rollen von Mann und Frau verändern. Ich lese Ihnen jetzt Verschiedenes vor, und Sie sagen mir bitte zu jedem Punkt, wie sehr Sie zustimmen.“ Das hier angesprochene inhaltliche Universum beinhaltet also Subjektivitäten zum Thema „gender“. Nähere Aussagen über das Universum wird man jedoch erst machen können, wenn man weiß, ob, wie viele und welche latenten Dispositionen intersubjektiv handlungsrelevant auf die Situationen der entsprechenden Situationsklasse wirken. Die acht Items sollen eben diese Situationen simulieren und Statements zur Situationsklasse provozieren, deren Variation Aufschluss über die latent-dimensionale Struktur des inhaltlichen Universums gibt.
Die acht Items sind folgende:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
II. Faktoren- und Reliabilitätsanalyse
Vorarbeiten
Für die Faktorenanalyse werden die originalen Ausprägungen der Items aus dem Fragebogen „stimme voll und ganz zu“ (1), „stimme zu“ (2), „stimme nicht zu“ (3) und „stimme überhaupt nicht zu“ (4) beibehalten. Zur Verwendung in der Analyse ist es notwendig, die Relationen der Ausprägungen als Intervallskala zu interpretieren. Dabei erhält man zwar informationsreichere Ergebnisse als auf Ordinalskalenniveau, doch um den Preis eines gewissen Fehlerrisikos aufgrund eventueller Homomorphiedefizite. Für die an die Faktorenanalyse anschließende Reliabilitätsanalyse muss die Modellannahme der Likert-Skalierung erfüllt sein, dass eine höhere Ausprägung auf der latenten Dimension („Fähigkeit“) einer größeren Wahrscheinlichkeit der Bejahung von Items entspricht. Deshalb werden die vier Ausprägungen der Items derart umcodiert, dass der stärksten Zustimmung der größte numerische Wert zugeordnet ist. Ein Blick in die Korrelationsmatrizen und unrotierten Komponentenmatrizen der ersten versuchsweisen drei-, zwei- und einfaktoriellen Anwendungen der Faktorenanalyse macht anhand negativer Korrelationen darauf aufmerksam, dass die Items d057, d061 und d062 zu den restlichen Variablen umgekehrt gepolt sind. Um diese drei „falsch gepolten“ Variablen nicht zweimal umcodieren zu müssen, werden sie einfach aus jener Prozedur des Umcodierens ausgenommen. Es werden also die fünf Variablen d056, d058, d063, d064 und d065 im Sinne der Likert-Skalierung umcodiert (siehe Anhang B: 1.), und somit sind alle acht Items gleichgepolt. Wichtig ist weiterhin, dass die beiden Ausprägungen „verweigert“ (-2) und „weiß nicht“ (-1) als fehlende Werte definiert und aus der Analyse ausgeschlossen werden. Dies ist im vorliegenden Datensatz schon als Benutzerdefinition geschehen und kann durch die Betrachtung der eindimensionalen Häufigkeiten jedes Items (siehe ebd.) ersehen werden.
Eignungsprüfung
Nun soll geprüft werden, ob die Daten überhaupt irgendwelche Regelmäßigkeiten der Antworten tragen, ob also überhaupt dimensionale Zusammenhänge auffindbar sind, bezogen auf die zur Skalierung verwendeten Items. Anders gesagt: Wenn im betreffenden inhaltlichen Universum latente Dimensionen wirken, hängt es davon ab, die entsprechenden Items zu finden, um die Wirkung mit durch die Items konstituierte Skalen abbilden zu können. Die Eignung der im Fragebogen operationalisierten Items entscheidet also zunächst darüber, ob die Durchführung einer Faktorenanalyse überhaupt Sinn macht.
Korrelationsmatrix
Zur Beurteilung der Eignung der Items wird zu aller erst die Korrelationsmatrix der Items betrachtet, welche für jedes Itempaar den Korrelationskoeffizienten Pearson’s r anzeigt. In die Korrelationsmatrix wie auch in alle weiteren Teilanalysen gehen nur 1569 Fälle der insgesamt 2036 befragten Personen, also 77,06 % aller Fälle, ein. Dies liegt am listenweisen Fallausschluss (siehe ebd.), welcher nur die Fälle zulässt, welche bei allen Items gültige Werte besitzen. Die Korrelationen sind durchweg positiv, deutlich von Null verschieden und darüber hinaus jeweils hochsignifikant (alpha < 0,001). Nur Item d064 (Väter sind genauso gut geeignet, um sich um die Kinder zu kümmern) hat dreimal eher kleine Korrelationswerte, was aber nicht ausreicht, um auf eine von anderen Items unabhängige Korrelation dieses Items mit Items einer Teilgruppe hinzudeuten. Eine auffällige Ausnahme stellt das Item d065 (Männer können nicht so gut mit Gefühlen umgehen) dar: Es besitzt durchweg niedrige und negative Korrelationen, darunter einen lediglich signifikanten (alpha < 0,05) und einen nicht-signifikanten Wert. Insgesamt drängt sich also der Eindruck auf, als hätte man es durchaus mit deutlichen Zusammenhängen zu tun, wobei alles zunächst auf eine eindimensionale Struktur des inhaltlichen Universums hindeutet, und wobei das Item d065 eher schlecht zu den übrigen Items zu passen scheint.
Anti-Image-Korrelationen
Ein anderes Kriterium zur Itemeignung ist die Anti-Image-Matrix der Items, welche in den nicht-diagonalen Elementen die partielle Korrelation jedes Itempaars, auf der Diagonale den Wert des Kaiser-Meyer-Olkin Kriteriums (KMO) für jedes einzelne Item anzeigt. Die partiellen Korrelationen sollten im Falle des Einflusses einer gemeinsamen latenten Dimension klein sein, und dies ist durchschnittlich durchaus der Fall. Die KMO-Werte der einzelnen Items liegen mit Werten über oder knapp unter 0,7 recht hoch, was ganz im Sinne einer guten Itemeignung geringe partielle Korrelationen bei gleichzeitig hohen Korrelationskoeffizienten bedeutet.
Kaiser-Meyer-Olkin Kriterium
Das KMO-Kriterium für die gesamte Itembatterie liegt bei 0,75. Dieser Wert sagt eine „ziemlich gute“ Eignung der Items zur Messung einer oder mehrerer latenter Dimensionen des inhaltlichen Universums aus. Alle Kriterien zur Eignung der Items zusammenfassend, kann man sagen: grünes Licht für die Faktorenanalyse.
Extraktionsstopp durch Eigenwertkriterium
Beim ersten Durchlauf der Faktorenanalyse soll die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren durch das Eigenwertkriterium bestimmt werden (siehe ebd.). Dabei werden nur Faktoren extrahiert, welche einen Eigenwert größer Eins besitzen, d.h. welche einen größeren Anteil der Gesamtvarianz aller Items erklären als die einzelnen Items jeweils selbst, deren Varianz von SPSS von vornherein auf den Wert Eins standardisiert ist. Die Extraktionsmethode selbst ist die Hauptkomponentenanalyse (siehe ebd.), welche als ersten Faktor diejenige Hauptkomponente extrahiert, welche im von den Items aufgespannten multidimensionalen Raum die größte Varianzaufklärung besitzt, als zweiten Faktor diejenige Hauptkomponente, welche die größte Varianzaufklärung der Restvarianz besitzt, und so weiter. Nach der Extraktion der Faktoren werden diese im Raum so rotiert, dass die Faktorladungen, die quadrierten Korrelationen zwischen je einem Faktor und einem Item, möglichst einer Einfachstruktur entsprechen. Je näher die Auflistung der Faktorladungen einer Einfachstruktur kommt, desto besser sind die einzelnen Items den jeweiligen extrahierten Faktoren zuzuordnen, und desto besser lassen sich die Faktoren durch die auf ihn idealerweise eindeutig ladenden Items inhaltlich interpretieren. Das Ergebnis des ersten Testdurchlaufs ist die Extraktion von drei Faktoren, wobei der Eigenwert des zweiten sowie des dritten Faktors nur knapp über Eins liegt, also nur geringfügig mehr Gesamtvarianz aufklärt als die einzelnen Items selbst (siehe Anhang A: Tab.1). Auf den dritten Faktor lädt nur Item d065 hoch, welches schon beim Test der Itemeignung als Sonderfall aufgefallen war. Da Item d063 und Item d061 jeweils auf zwei Faktoren gleichzeitig laden, ist in der rotierten Komponentenmatrix keine zufriedenstellende Einfachstruktur erreicht. Das dreifaktorielle Modell scheint daher eher kein gutes Ergebnis der Analyse zu sein. Außerdem wird hier noch einmal die ungünstige Auffälligkeit des Items d065 unterstrichen.
Extraktionsstopp durch Anzahlfestlegung
Da das bisherige Ergebnis auf eine Faktorenzahl von weniger als drei Faktoren verweist, werden zwei weitere Durchläufe einer Faktorenanalyse unternommen (siehe Anhang B: 1.). Die Ausführ-Syntax wird so verändert, dass für die Anzahl der zu extrahierenden Faktoren nun nicht mehr das Eigenwertkriterium eine Rolle spielt, sondern die Anzahl von vornherein genau festgelegt ist: beim einen Durchlauf auf zwei Faktoren, beim anderen Durchlauf auf einen Faktor. Im zweifaktoriellen Modell kommt die rotierte Komponentenmatrix mit den Faktorladungen einer Einfachstruktur recht nahe. Nur d061 lädt wieder zweideutig, und das Sonderfall-Item d065 lädt nun stark negativ auf den zweiten Faktor (siehe Anhang A: Tab. 2). Im einfaktoriellen Modell lädt dieses sogar mit einer geringeren Faktorladung als im Betrag 0,3, weswegen diese Faktorladung in der rotierten Komponentenmatrix überhaupt nicht mehr angezeigt wird. Alle anderen Items laden hier jedoch jeweils hoch auf den einen Faktor (siehe ebd.: Tab. 3).
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- Citation du texte
- Florian Schlotterbeck (Auteur), 2006, Faktorenanalyse und Mokkenskalierung an Itembatterie aus der Europäischen Wertestudie 1999, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76907
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