Aufgrund von veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen hat das Qualitätsmanagement auch Einzug in die Soziale Arbeit gehalten. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel werden Forderungen nach Beurteilung der Fachlichkeit Sozialer Arbeit und der Bescheinigung ihrer Effektivität immer lauter. Institutionen der Sozialen Arbeit sehen sich zunehmend veranlasst, betriebswirtschaftliches Denken und Handeln in ihre Arbeit zu integrieren, um den Legitimationsansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Qualität der Leistungen muss gegenüber den Leistungs- beziehungsweise Kostenträgern objektiviert und in ihrer Umsetzung inhaltlich konkret definiert werden. Dabei sollen alle Möglichkeiten zur Kostendämpfung ausgeschöpft werden, zugleich sollen aber auch qualitative Mindeststandards eingehalten werden. Eine Beschneidung hinsichtlich der sozialarbeiterischen Handlungsautonomie wird von der Profession befürchtet. Dies zeigt ein Spannungsverhältnis auf, mit dem die Profession konfrontiert ist. Welche Chancen und Risiken sind damit für die Professionalisierung Sozialer Arbeit verbunden?
In der Fachdiskussion wird oft, wenn über Risiken und Chancen von Qualitätsmanagement-Systemen auf die Professionalisierung von Sozialer Arbeit gesprochen wird, von „Qualitätsmanagement“ gesprochen. Qualitätsmanagement ist aber nicht gleich Qualitätsmanagement. Hinter diesem Begriff verstecken sich unterschiedliche Konzepte, die unterschiedliche Merkmale aufweisen und sich unterschiedlich auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit auswirken. Eine differenzierte Auseinandersetzung der Chancen und Risiken auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit bezogen auf die unterschiedlichen Konzepte sind kaum zu finden.
Ziel dieser Arbeit ist es, Chancen und Risiken der wichtigsten Qualitätsmanagement-Systeme bezogen auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit zu diskutieren. Dabei wird auf vier Verfahren eingegangen, die man gemäss Merchel (vgl. 2001, S. 52) als konzeptionelle Grundmuster von Qualitätsmanagement-Modellen betrachten kann: Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff., ein von der European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickeltes Konzept, Benchmarking und interne Evaluation.
Inhalt
1 Einleitung
2 Professionalisierung Sozialer Arbeit
2.1 Begriffsklärung
2.2 Die aktuelle Professionalisierungsdebatte
2.3 Die strukturtheoretische Professionalisierungsperspektive
2.3.1 Der Ansatz von Ulrich Oevermann
2.3.2 Der Ansatz von Bernd Dewe
3 Qualitätsmanagement
3.1 Zu den Begriffen „Qualität“ und „Qualitätsmanagement“
3.2 Verfahren und Methoden des Qualitätsmanagements
3.2.1 DIN EN ISO 9000 ff
3.2.2 EFQM
3.2.3 Benchmarking
3.2.4 Interne Evaluation
4 Chancen und Risiken der Qualitätsmanagement-Modelle für die Professionalisierung Sozialer Arbeit
4.1 Nicht-Standardisierbarkeit professionellen Handelns
4.2 Autonomie der Professionellen
4.4 Deklaratives und prozeduales Wissen
4.5 Fähigkeit zur Reflexivität
5 Zusammenfassung
6 Literatur
1 Einleitung
Aufgrund von veränderten ökonomischen Rahmenbedingungen hat das Qualitätsmanagement auch Einzug in die Soziale Arbeit gehalten. In Zeiten knapper öffentlicher Mittel werden Forderungen nach Beurteilung der Fachlichkeit Sozialer Arbeit und der Bescheinigung ihrer Effektivität immer lauter. Institutionen der Sozialen Arbeit sehen sich zunehmend veranlasst, betriebswirtschaftliches Denken und Handeln in ihre Arbeit zu integrieren, um den Legitimationsansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden. Die Qualität der Leistungen muss gegenüber den Leistungs- beziehungsweise Kostenträgern objektiviert und in ihrer Umsetzung inhaltlich konkret definiert werden. Dabei sollen alle Möglichkeiten zur Kostendämpfung ausgeschöpft werden, zugleich sollen aber auch qualitative Mindeststandards eingehalten werden. Eine Beschneidung hinsichtlich der sozialarbeiterischen Handlungsautonomie wird von der Profession befürchtet. Dies zeigt ein Spannungsverhältnis auf, mit dem die Profession konfrontiert ist. Welche Chancen und Risiken sind damit für die Professionalisierung Sozialer Arbeit verbunden?
In der Fachdiskussion wird oft, wenn über Risiken und Chancen von Qualitätsmanagement-Systemen auf die Professionalisierung von Sozialer Arbeit gesprochen wird, von „Qualitätsmanagement“ gesprochen. Qualitätsmanagement ist aber nicht gleich Qualitätsmanagement. Hinter diesem Begriff verstecken sich unterschiedliche Konzepte, die unterschiedliche Merkmale aufweisen und sich unterschiedlich auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit auswirken. Eine differenzierte Auseinandersetzung der Chancen und Risiken auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit bezogen auf die unterschiedlichen Konzepte sind kaum zu finden.
Ziel dieser Arbeit ist es, Chancen und Risiken der wichtigsten Qualitätsmanagement-Systeme bezogen auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit zu diskutieren. Dabei wird auf vier Verfahren eingegangen, die man gemäss Merchel (vgl. 2001, S. 52) als konzeptionelle Grundmuster von Qualitätsmanagement-Modellen betrachten kann: Qualitätsmanagement nach DIN EN ISO 9000 ff., ein von der European Foundation for Quality Management (EFQM) entwickeltes Konzept, Benchmarking und interne Evaluation.
Die Professionalisierung der Sozialen Arbeit kann aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven betrachtet werden.
Aktuell wird die Professionalisierungsdebatte hauptsächlich von der systemtheoretischen und strukturtheoretischen Strömung bestimmt (vgl. Nadai/Sommerfeld/Bühlmann/Krattiger 2005, S. 11). Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die strukturtheoretische Strömung, da die Frage nach der Verbesserung der Handlungskompetenz von Sozialarbeitern mit einer systemtheoretischen Klärung nicht fassbar ist (vgl. Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 2001, S. 18). Basierend auf dem strukturtheoretischen Ansatz von Bernd Dewe, der den Ansatz von Ulrich Oevermann weiterentwickelt hat, werden die einzelnen Qualitätsmanagement-Systeme darauf untersucht, welche Risiken und Chancen für die Professionalisierung Sozialer Arbeit verbunden sind.
Der Aufbau der Arbeit ist wie folgt gegliedert: Im Folgenden werden im Kapitel 2 die Begriffe „Profession“ und „Professionalisierung“ geklärt, auf die aktuelle Professionalisierungsdebatte kurz eingegangen und die strukturtheoretische Perspektive durch den Ansatz von Ulrich Oevermann und Bernd Dewe erläutert. Im Kapitel 3 werden die Begriffe „Qualität“ und „Qualitätsmanagement“ geklärt und danach die vier wichtigsten Qualitätsmanagement-Systeme DIN EN ISO 9000ff., EFQM, Benchmarking und interne Evaluation vorgestellt. Anschliessend werden im Kapitel 4 Chancen und Risiken der Qualitätsmanagement-Modelle auf die Professionalisierung Sozialer Arbeit diskutiert. Kapitel 5 schliesslich fasst die wichtigsten Überlegungen zusammen.
2 Professionalisierung Sozialer Arbeit
In diesem Kapitel werden zuerst die Begriffe „Profession“ und „Professionalisierung“ erläutert. Bevor auf den strukturtheoretischen Professionalisierungs-Ansatz von Bernd Dewe eingegangen wird, wird der Ansatz von Ulrich Oevermann erläutert, da Dewes Betrachtungen auf diesen rekurrieren.
2.1 Begriffsklärung
Bei der Frage, was die Bedeutung des Begriffs „Profession“ ist, stellt sich die Frage, was Professionen im Kontrast zu Arbeit und Beruf sind. Arbeit kann als eine wenig systematisierte und individuell verrichtete Beschäftigung angesehen werden. Beruf ist eine arbeitsteilig organisierte, spezialisierte Tätigkeit. Professionen hingegen sind ausgesprochen spezialisierte, verwissenschaftlichte und sozial orientierte Verrichtungen, zu denen die klassischen Professionen wie die Medizin, die Jurisprudenz und die Theologie gehören (vgl. Endruweit/Trommsdorff 2002, S. 418). Professionen können als Weiterentwicklung von Berufen respektive als besondere Berufe verstanden werden, die auf einer akademischen Ausbildung basieren. Welche Berufe eindeutig als Professionen tituliert werden können, lässt sich nicht eindeutig erkennen und ist unter anderem abhängig von der theoretischen Perspektive, die man einnimmt. Prinzipiell werden Ärzte, Juristen und Theologen angesichts ihrer überlieferten universitären Struktur und ihrer Orientierung am Gemeinwohl mehr oder weniger eindeutig zu den Professionen zugerechnet.
Der prozessuale Aspekt der Profession ist die Professionalisierung. Auch hier ist die Begriffsdefinition abhängig von der theoretischen Perspektive, die eingenommen wird. Bei der nachfolgenden Begriffsdefinition handelt es sich um eine recht allgemeine, strukturfunktionalistische Definition vor Professionalisierung. Den Status einer Profession zu erlangen bedeutet die „Spezialisierung und Verwissenschaftlichung von Berufspositionen auf Grund gestiegener Anforderungen an das für die Berufsausübung erforderliche Fachwissen, verbunden mit einer Höherqualifizierung der Berufsausbildung, der Einrichtung formalisierter Studiengänge, einer Kontrolle der Berufsqualifikation und des Berufszugangs durch Fachprüfungen, der Organisation der Berufsangehörigen in besonderen Berufsverbänden, der Kodifizierung berufsethischer Normen, der Zunahme universeller Leistungsorientierung und beruflicher Autonomie, sowie einer Steigerung von Berufsprestige und Einkommen“ (Fuchs 1978, S. 326).
2.2 Die aktuelle Professionalisierungsdebatte
Die Professionalisierung der Sozialen Arbeit kann aus unterschiedlichen theoretischen Blickwinkeln analysiert werden. Aktuell wird die Professionalisierungsdebatte hauptsächlich von zwei theoretischen Richtungen dominiert: Im Mittelpunkt der strukturtheoretischen Perspektive der Professionalisierung seit Beginn der 1990er-Jahre stehen nicht Probleme der Verberuflichung und die akademische Aufwertung, sondern die Strukturprobleme professionellen Handelns. Strukturtheoretische Ansätze kreisen um das Problem der Notwendigkeit beziehungsweise der Möglichkeit der Realisierung einer idealtypischen Struktur professionellen Handelns als grundlegendes Bestimmungsmoment für eine Profession. In einem systemtheoretischen Rahmen steht die Frage im Zentrum, ob die Soziale Arbeit ein ausdifferenziertes Funktionssystem der modernen Gesellschaft ist. Sowohl in der system- wie auch im strukturtheoretischen Diskurs werden eminente Zweifel am vollgültigen Professionscharakter der Sozialen Arbeit bekundet (vgl. Nadai/Sommerfeld/Bühlmann/Krattiger 2005, S. 11).
2.3 Die strukturtheoretische Professionalisierungsperspektive
Zu den Vertretern des strukturtheoretischen Ansatzes gehören Ulrich Overmann und Bernd Dewe, wobei Dewe die theoretischen Überlegungen von Oevermann weiterentwickelt hat und diese auf die Soziale Arbeit spezifiziert hat. Im Unterschied zu Oevermann, der die Soziale Arbeit für nicht professionalisierbar hält (vgl. Oevermann zit. in: Nadai/Sommerfeld 2005, S. 184), sieht Dewe die Soziale Arbeit als „Semi-Profession“ an - ein Begriff, der von Etzioni (1969) geprägt wurde. Etzioni nennt besonders zwei Elemente, durch die sich Semi-Professionen, wie die Soziale Arbeit, von den Voll-Professionen unterscheiden. Erstens sind Semi-Professionen in bürokratischen Institutionen angesiedelt und können aus diesem Grund nicht in dem Masse über die Autonomie professionellen Handelns verfügen, wie dies für die Voll-Professionen - wie beispielsweise die Medizin, die Jurisprudenz und die Theologie - gilt. Demzufolge können sie keinen entsprechenden Status aufbauen. Zweitens ist die Mehrheit der Angestellten in den Semi-Professionen weiblich. Diese Tatsache wirkt sich ebenfalls nachteilig auf deren Status aus, weil Frauen ihre Interessen nicht effektiv durchzusetzen vermögen (vgl. Nadai/Sommerfeld/Bühlmann/Krattiger 2005, S. 17f.).
Da Dewes Theorie professionellen Handelns auf der Theorie von Oevermann aufbaut, wird im Folgenden zuerst auf Oevermanns Konzept eingegangen bevor Dewes Konzept erläutert wird.
2.3.1 Der Ansatz von Ulrich Oevermann
Oevermanns theoretischen Betrachtungen rekurrieren auf Marshall (1939) und Parsons (1964; 1965); also auf dem Strukturfunktionalismus. Die Essenz des Modells von Oevermann kann wie folgt beschrieben werden: Professionalisierungsbedürftig ist berufliches Handeln dann, wenn es systematisch auf die Bewältigung von Krisen ausgerichtet ist. Die Funktion professionellen Handelns besteht darin, „stellvertretende Krisenbewältigung“ zu erbringen, respektive durch „stellvertretende Deutung“ helfend in den Prozess der Krisenbewältigung zu intervenieren (vgl. Oevermann 1996, S. 82-89). Aus dieser Funktionsbestimmung und der Begrifflichkeit der Krise ergibt sich gemäss Oevermann die prinzipielle Nicht-Standardisierbarkeit professionellen Handelns. Professionalisierungsbedürftigkeit liegt dann vor, wenn die Handlungssituation nicht mittels routinisierter Methoden bewerkstelligt werden kann. Daraus folgt, dass allgemeines, theoretisches und empirisches Wissen sowie Verfahrenswissen im „Fallbezug“ so eingesetzt werden müssen, dass die betreffende Krise gemanagt werden kann (vgl. op. cit., 123f.). Dies findet auf der Grundlage einer „Kunstlehre“ statt. Neben dem Wissen sind im Terminus der Kunstlehre die individuelle Handlungskompetenz und die durch Erfahrung sowie Training zu erwerbende Meisterschaft im Umgang mit den Regeln der Kunst enthalten. Weil die Gefahr falscher Entscheidungen ebenfalls auf einem hohen Grad professioneller Handlungskompetenz bestehen bleibt, ist gemäss Oevermann die Begründungsverpflichtung ein wesentliches Merkmal professionellen Handelns (vgl. Nadai/Sommerfeld/Bühlmann/Krattiger 2005, S. 19). Jedes professionelle Handeln muss zumindest im Nachhinein begründet werden können. Hiermit ist die „Reflexivität“ professionellen Handelns beschrieben. Diese steht im Zusammenhang mit der „Autonomie professionellen Handelns“. Da die Handlungssituationen, auf die professionelles Handeln gerichtet ist, nicht standardisierbar sind, müssen die Entscheidungen autonom getroffen werden. Einerseits bedeutet dies, dass der autonom handelnde Professionelle reflexiv sein Handeln selbst überprüft. Andererseits ist damit die Kontrolle durch die Arbeitskollegen signalisiert, das heisst, dass diese auf der Basis der Begründung für eine ausgesuchte Handlungsoption und dem Stand des Wissens der Profession wie auch ethischer Standards darüber befinden, ob die Regeln der Kunst verletzt wurden oder nicht (vgl. Oevermann 1996, S. 104-107.).
Ein letztes wesentliches Strukturmerkmal professionellen Handelns ist das „Arbeitsbündnis“. Das Arbeitsbündnis stellt die grundlegende Struktur dar, wie die „stellvertretenden“ Operationen der Professionellen schliesslich im Sinne der Krisenbewältigung wirksam werden. Die einfachste Form der Einrichtung eines Arbeitsbündnisses ist das Mandat, das etwa einem Rechtsanwalt per Vertrag zur stellvertretenden Wahrung der Rechte erteilt wird. Die schwierigen und darum im grösseren Ausmass vom Scheitern bedrohten Formen des Arbeitsbündnisses sind dort anzutreffen, wo die Krisenbewältigung mehr oder sogar völlig von der Aktivität des Klienten respektive Patienten abhängt, wie dies unter anderem der Fall ist in der Psychotherapie oder der Beratung. Noch schwieriger wird die Erzeugung eines Arbeitsbündnisses, wenn eine Massnahme nicht auf freiwilliger Basis erfolgt, sondern aufgrund von gesetzlichen Vorgaben, wie dies beispielsweise für erzieherische Tätigkeiten mit Kindern und Jugendlichen gilt; ebenso für verordnete Massnahmen, wie beispielsweise die Bewährungshilfe (vgl. op. cit., S. 109-114.).
Oevermann begründet die Nicht-Professionalisierbarkeit der Sozialen Arbeit mit der fehlenden Freiwilligkeit im Verhältnis von Professionellen und Klienten sowie durch gesetzliche Auflagen. Diese verhindern die Herstellung eines tragfähigen Arbeitsbündnisses und somit professionelles Handeln. Aufgrund von bürokratischen Organisationen, die auf Standardisierung von Handeln abzielen, wird professionelles Handeln noch auf eine andere Weise verhindert. Durch die bürokratische Rationalität, die Organisationen besitzen, wird die Fallkonstruktion als auch die Krisenbewältigung so weit eingeschränkt, dass die Autonomie des Professionellen verloren geht. Laut Oevermann verhindert jede Form der Einschränkung von Autonomie (seitens des Professionellen und des Klienten) strukturell professionelles Handeln (vgl. Oevermann zit. in: Nadai/Sommerfeld 2005, S. 184).
2.3.2 Der Ansatz von Bernd Dewe
Dewe hat Oevermanns strukturtheoretischen Ansatz aufgenommen und weiterentwickelt. Dewe geht wie Oevermann von der Nicht-Standardisierbarkeit professionellen Handelns aus. Die sozialarbeiterischen respektive sozialpädagogischen Professionellen sind mit komplexen Problemlagen und unscharfen Zusammenhängen in der Praxis konfrontiert. Ihre Arbeit weist eine Komplexität auf, die mit komplexitätsreduzierenden Methoden nicht bearbeitet werden kann und nicht standardisierbar ist. Die Effektivität und Effizienz in sozialarbeiterischen Arbeitsfeldern lässt sich nur in fallbezogener Autonomie und Flexibilität entfalten, da sozialarbeiterische/sozialpädagogische Handlungen gekennzeichnet sind durch ein „strukturelles Technologiedefizit“ (Luhmann/Schorr zit. in: Dewe/Ferchhof/Scherr/Stüwe 2001, S. 36). In diesem Kontext sind Fallrekonstruktion und Erschliessung von Deutungs- und Handlungsmöglichkeiten angezeigt. Zur Bearbeitung dieser Zusammenhänge bedarf es einer Professionalität der Handelsvollzüge (vgl. Dewe 2005, S. 261f.).
Statt Professionalisierung steht bei Dewe die Frage nach Professionalität im Vordergrund. Der Begriff der Professionalität rückt die Möglichkeit der Entwicklung professioneller Handlungsqualitäten in der Sozialarbeit/Sozialpädagogik in den Mittelpunkt der Analyse: „Professionalität materialisiert sich gewissermassen in einer spezifischen Qualität sozialpädagogischer Handlungspraxis, die eine Erhöhung von Handlungsoptionen, Chancenvervielfältigung und die Steigerung von Partizipations- und Zugangsmöglichkeiten aufseiten der Klienten zur Folge hat. Reflexive, wissenschaftsbasierte Professionalität findet ihren Ausdruck sowohl in analytischen als auch in Prozess steuernden Kapazitäten des Handelnden, dessen Autonomie stets situativ in der Bearbeitung des Falles konstituiert bzw. realisiert wird“ (Dewe/Otto 2001, S. 1400).
Während sich Professionalisierung auf der makro-strukturellen Ebene als Prozess der Steigerung einer ganzen Berufsgruppe auffassen lässt, ist der Begriff der Professionalität eng verwoben mit dem Individuum und seiner professionellen Handlungskompetenz im beruflichen Alltagsbezug. Professionalität ergibt als logische Konsequenz einer gelungenen Professionalisierung. Dewe et al. begreifen Professionalität als „Strukturort der Relationierung von Theorie und Praxis im Kontext dialogischer Prozesse“ (Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 2001, S. 16). Dabei umschliesst Professionalität die Begrifflichkeiten Wissen, Können und Reflexion.
Dewe sieht Wissen als Voraussetzung und Ressource für professionelles Handeln in modernen sozialen Dienstleistungsberufen. Er führt verschiedene Wissensformen auf:
- „Wissenserwerb in und über Handlungs- und Lernprozesse (n),
- Wissen als umfassende Weltsicht/Weltdeutung über ausgearbeitete Deutungsmuster, die lebensgeschichtlich in der Berufsbiografie der einzelnen Praktiker verankert sind,
- Wissen als über Sprache erschlossen und über Sprache formuliert,
- Wissen als durch Klienteninteraktion konstituiert, zugleich weitergegeben und generalisiert,
- Wissen als kulturspezifische Mischform aus Alltagswissen, Berufswissen, Lebenserfahrung und wissenschaftlichem Wissen,
- Professionswissen schliesslich als Basis einer reflektierten Handlungskompetenz bzw. als Instanz der Relationierung differenter Wissensformen“ (Dewe 2005, S. 263).
Die Wissensbasis von Sozialpädagogen ist aber nicht einfach eine Addition von verschiedenen Wissensformen. Dewe unterscheidet bei den Wissensformen zwischen deklarativem und prozeduralem Wissen oder anders gesagt zwischen Wissen und Können. Unter deklarativem Wissen („knowing that“) versteht Dewe wissenschaftliches Wissen und unter prozeduralem Wissen („knowing how“) versteht er Fähigkeiten und Fertigkeiten, die er als berufsspezifische Aneignung institutionalisierter Deutung- und Handlungsmuster begreift (vgl. Dewe 2000, S. 299). Wissenschaftliches Wissen und berufspraktisches Können beziehen sich in verschiedenen Feldern der Sozialen Arbeit aufeinander. Professionalität wird gekennzeichnet durch die Simultanität von Theorieverstehen (instrumentell-technische respektive wissenschaftlich-rationale Komponente) und dem Fallverstehen (verstehens- respektive verständigungsorientierte Komponente) (vgl. Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 2001, S. 37). Professionalität kommt also zum Ausdruck, wenn der handelnde Sozialpädagoge/Sozialarbeiter in stets neuen Situationen hinsichtlich des Fallverstehens, aber auch hinsichtlich seines Wissensangebots angemessen agiert und reagiert („knowing that“ und „knowing how“).
Um dies zu erreichen, ist eine gewisse Distanz nötig. Distanz im Sinne von Selbstreflexivität als Steigerung des Handlungswissens zum verfügbaren Wissen darüber, was man tut: „Professionalität bezeichnet zunächst Selbstreflexivität im Sinne der Steigerung des `knowing that` (deklaratives Wissen) und jederzeit verfügbaren Wissen darüber, was man tut (`knowing how` bzw. prozedurales Wissen)“ (Dewe 2005: 263). Durch die Steigerung der Reflexivität in einem besonderen Lernprozess können Sozialpädagogen/Sozialarbeiter sich dieses Wissen verfügbar machen und damit die Kontrolle über die Prozesse, in denen sie selbst beteiligt sind, erhöhen. Hiermit ist jedoch nicht eine psychologisierende Selbstreflexion gemeint, sondern eine Reflexion der Handlungslogik der eigenen Berufspraxis, die von einer Auseinandersetzung der eigenen Person natürlich nicht abzutrennen ist (vgl. Dewe/Ferchhoff/Scherr/Stüwe 2001, S. 38). Teamarbeit und Supervision sind dabei notwendige Bestandteile sozialpädagogischer/sozialarbeiterischer Professionalität.
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- Quote paper
- Karolina Weber (Author), 2007, Qualitätsmanagement. Chancen und Risiken für die Professionalisierung Sozialer Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76817
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