Lernen und Entwicklung als Grundbegriffe der Pädagogik?
Wie hängen diese Begriffe eigentlich zusammen und wo liegen signifikante Unterschiede? Diese Fragen werden beantwortet.
Gerade für zukünftige Pädagogen soll ein Bezug zur Erziehungswirklichkeit geschaffen werden. Denn Lern- und Entwicklungstheorien eröffnen uns ein Blick in das menschliche Verhalten und damit verbundene kognitive Vorgänge und Erfahrungen. Diese zu verstehen, halte ich für eine wesentliche Bedingung um wiederum Menschen besser zu verstehen. Denn dies erleichtert wohl fraglos die Erziehung und die pädagogische Kompetenz.
Hierzu wird der Begriff Lernen und der Begriff Entwicklung definiert, beschrieben, theoretisch herausgeschält und mit praktischen Beispielen unterlegt.
EINLEITUNG
1 Einleitung
2 Lernen
2.1 Behavioristische Lerntheorien
2.1.1 Respondentes Konditionieren nach Pawlow
2.1.2 Operantes Konditionieren nach Skinner
2.1.3 Soziales Lernen nach Bandura
2.2 Kognitives Lernen
2.2.1 Das Gehirn als Basis kognitiver Lernprozesse
2.3 Gemeinsamkeiten der Lerntheorien
3 Entwicklung
3.1 Die Kindheit
3.1.1 Stufenmodelle der menschlichen Entwicklung
3.1.1.1 Piaget: Kognitive Entwicklungsphasen des Kindes (1977)
3.1.1.2 Erikson: Entwicklung als Weg zur Identität (1977)
3.1.1.3 Andere Entwicklungstheorien
3.1.2 Zur Problematik von Stufenmodellen
3.2 Das Jugendalter
3.3 Zusammenfassung
4 Schlussbetrachtung
5 Literaturverzeichnis
6 ANHANG
1 Einleitung
Lernen und Entwicklung als Grundbegriffe der Pädagogik?
Wie hängen diese Begriffe eigentlich zusammen und wo liegen signifikante Unterschiede? Diese Fragen werden beantwortet.
Gerade für zukünftige Pädagogen soll ein Bezug zur Erziehungswirklichkeit geschaffen werden. Denn Lern- und Entwicklungstheorien eröffnen uns ein Blick in das menschliche Verhalten und damit verbundene kognitive Vorgänge und Erfahrungen. Diese zu verstehen, halte ich für eine wesentliche Bedingung um wiederum Menschen besser zu verstehen. Denn dies erleichtert wohl fraglos die Erziehung und die pädagogische Kompetenz.
Hierzu wird der Begriff Lernen und der Begriff Entwicklung definiert, beschrieben, theoretisch herausgeschält und mit praktischen Beispielen unterlegt.
Aber was ist eigentlich Pädagogik?
Der Gegenstand der Pädagogik ist nach Rosemann & Bielski (2001, 10) „im weitesten Sinne die Erziehung und Bildung von Menschen“. Der Pädagoge ist eine Person, die versucht das Gefüge der psychischen Dispositionen (=Verhaltens-potentiale, Anm. d. Verf.) anderer Menschen in irgendeiner Hinsicht dauerhaft zu verändern oder seine als wertvoll beurteilten Komponenten zu erhalten oder die Entstehung von Dispositionen, die als schlecht bewertet werden, zu verhüten.
Die Pädagogik beschäftigt sich demgemäß mit dem Aufbau oder der Erhaltung von als wertvoll angesehenen und dem Abbau von als negativ betrachteten Verhaltensweisen“ (Rosemann & Bielski (2001).
Erziehung kann deshalb als aktive Beeinflussung von Individuen durch andere Individuen angesehen werden. Es sind also Subjekte, die sich verändern.
„Psychische Veränderungen, die unter Einfluss von Erziehung erfolgen oder die pädagogisches Handeln beeinflussen, sind Gegenstand der Pädagogischen Psychologie “. Diese steht in einem gemeinsamen Bezugsrahmen mit anderen psychologischen Teildisziplinen wie der Entwicklungspsychologie. In diesen Teildisziplinen wurden Konzepte entwickelt und im Laufe der Zeit zunehmend differenziert, die das Phänomen psychischer Veränderung aus verschiedenen Perspektiven erfassen. Zu den grundlegenden Konzepten gehören die Begriffe Lernen und Entwicklung“ (Krapp & Weidemann, 2001).
2 Lernen
Was ist Lernen und wie lernt der Mensch?
GIESECKE (1990, 48) versteht unter Lernen „im allgemeinsten Sinne die produktive und auf Förderung angewiesene Fähigkeit des Menschen, Vorstellungen, Gewohnheiten, Einstellungen, Verhaltensweisen und Fähigkeiten aufzubauen bzw. zu verändern.“
Folgt man GUDJONS (1999, 216) so ist Lernen ein „wertneutraler Begriff, bei dem es um die Kennzeichnung von Änderungen menschlicher Verhaltenspotentiale (Dispositionen) geht, die durch Verarbeitung von Erfahrungen erklärt werden können“.
Das eigentliche Lernen ist demnach nicht direkt beobachtbar, sondern wird aus der dauerhaften Veränderung des Verhaltens aufgrund von Erfahrungen gefolgert - also wiederholte Erfahrungen machen, und zwar solche, die eine Änderung des Verhaltens bewirken.
„Der Versuch, die Kenntnisse über Lernen, d.h. über Lernbedingungen und Lernergebnisse sowie deren Zusammenhänge zu systematisieren, führte zu Lerntheorien “ (Skowronek, 1991 in GUDJONS, 1999, 216). Die Prinzipien des Lernens werden von verschiedenen Theoretikern in unterschiedlicher Art und Weise beschrieben. Im Folgenden sollen die Gesetzmäßigkeiten des Lernens aus behavioristischer Sicht, aus Perspektive der Sozialen Lerntheorie und anhand der Betrachtungsweise der kognitiven Psychologie dargestellt werden:
2.1 Behavioristische Lerntheorien
Der Behaviorismus entwickelte sich zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Behavioristen interessierten sich nur für das beobachtbare Verhalten des Menschen. Alles was sich innerhalb des menschlichen Organismus abspielt, z. B. Denkprozesse, war ihrer Meinung nach einer wissenschaftlichen Untersuchung nicht zugänglich. Der Mensch wird daher als Black-Box angesehen. Grundannahme ist hierbei, dass auf den Menschen Reize einwirken. Das Verhalten ist als Reaktion auf diese Reize zu verstehen (Rosemann & Bielski, 2001, 19).
Es folgen drei behavioristische Lerntheorien, die klassische, respondente Konditionierung, das operante Konditionieren sowie das Soziale Lernen:
2.1.1 Respondentes Konditionieren nach Pawlow
Was beim klassischen, respondenten Konditionieren gelernt wird, ist das Regieren mit einem bereits vorhandenen Verhalten auf neue Reize. Die Reaktionen, um die es geht, sind entweder Reflexe oder andere sehr elementare, meist früh in der Entwicklung gelernte Verhaltensweisen und Emotionen (Krapp & Weidemann, 2001, 160).
Hierbei lassen sich drei Schritte unterscheiden, die am Beispiel von Pawlows Untersuchungen mit seinem Hund (um 1960) dargestellt werden:
1. Am Anfang steht immer ein Reiz. In diesem Fall Fleischpulver. Dieser Reiz wird beim Hund gefolgt von einer Reaktion, nämlich einer messbaren Speichelsekretion. Das Speicheln des Hundes ist die unbedingte, unkonditionierte Reaktion auf den unbedingten, unkonditionierten Reiz, das Fleischpulver.
2. Nun wird mehrere Male ein weiterer Reiz, beispielsweise ein Glockenton, fast gleichzeitig zusammen mit dem unbedingten Reiz dargeboten. Dieser Glockenton wird neutraler Reiz genannt. Auf diese gemeinsame Darbietung der beiden Reize sondert der Hund wie gewohnt Speichel ab.
3. Wird dann nur noch der Glockenton präsentiert, so sondert der Hund ebenfalls Speichel ab. Der auslösende Reiz (Glockenton) ist dann kein neutraler Reiz mehr, sondern ein bedingter oder konditionierter Reiz, der jetzt die Reaktion der Speichelsekretion auslöst. Da diese durch den konditionierten Reiz ausgelöste Reaktion nicht in allen Aspekten mit der unkonditionierten Reaktion übereinstimmen muss, bezeichnet man sie als bedingte oder konditionierte Reaktion.
Die raum-zeitliche Nähe von Glockenton und Futtergabe wird Kontiguität genannt und ist für viele Autoren (beispielsweise Rosemann & Bielski, 2001) ein wesentliches Kriterium der klassischen Konditionierung.[1]
Im menschlichen Verhalten gibt es unzählige Verhaltensergebnisse klassischer Konditionierung, so z.B. das Wegrennen auf den Ruf „Achtung!“, der zu einem früheren Zeitpunkt gepaart mit einer Umweltgefahr konditioniert worden ist, oder das Ausspucken einer Flüssigkeit, die unerwartet bitter oder scharf schmeckt.
Doch ein Organismus ist nach GUDJONS (1999, 218) nicht nur reaktiv. Er „operiert auch von selbst“.
2.1.2 Operantes Konditionieren nach Skinner
Eine wesentliche Erweiterung gewann das Lernen als Reiz-Reaktions-Verbindung durch den Psychologen Skinner. Bei Pawlows Hund erschien der Reiz (z.B. der Glockenton) unabhängig von einer Reaktion. Bei Skinner hingegen wird ein bestimmter Reiz erst dann präsentiert, wenn der Organismus eine bestimmte Reaktion zeigt.
Berühmtes Beispiel dafür ist die Skinner-Box: Eine Futterkugel für eine Ratte fällt immer dann in den Käfig, wenn das Tier einen bestimmten Hebel drückt. Die Ratte lernt also, dass ihr Verhalten einen bestimmten Effekt hat. Das Tier muss etwas tun, um bestimmte Folgen zu erzielen, daher die Bezeichnung „operant oder instrumentell“ (GUDJONS, 1999, 218). Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Lernen am Erfolg“ (Rosemann & Bielski, 2000).
In der Terminologie des operanten Lernens wird das Futter als Verstärker bezeichnet. Das Druckverhalten, welches das Tier vor der Verknüpfung von Futter und Taste gezeigt hatte, wird als „operantes Ausgangsniveau bezeichnet“ (Rosemann & Bielski, 2001, 28). Durch die Kombination eines Verhaltens mit einem Verstärker wird die Auftretensrate dieses Verhaltens erhöht. Wichtig für die Wirkung des Verstärkers ist, dass das jeweilige Individuum diesen positiv bewertet bzw. positiv erlebt. Hört die Verstärkergabe auf, bleibt die Auftretensrate des Verhaltens eine gewisse Zeit erhöht. Sie sinkt dann jedoch langsam wieder auf das operante Ausgangsniveau zurück.
Rosemann & Bielski (2001, 27) unterscheiden ferner positive und negative Verstärkung. Durch Verstärkung wird die Auftretenswahrscheinlichkeit eines bereits bestehenden Verhaltens erhöht. Positive Verstärkung bedeutet, dass auf ein bestimmtes Verhalten ein vom Individuum positiv bewerteter Reiz folgt. Bei der negativen Verstärkung ist es umgekehrt, ein vom Individuum negativ bewerteter, sog. aversiver Reiz wird entfernt (z.B. wird der Käfig solange unter Strom gesetzt, bis die Ratte den Hebel drückt).
Wichtig ist, dass die Ratte den Hebel auch bei nicht vorhandenem Stromfluss in einer Regelhaftigkeit drückt. Sie hat gelernt, diesen Hebel zu drücken (Rosemann & Bielski, 2001, 28). Beide Verfahren, Futtergabe und Entfernung des Stromschlages, bewirken also das gleiche Resultat.
Dieser Effekt kann bei einer Erziehungsperson zu pädagogisch unerwünschten Lerneffekten führen – nach dem Prinzip des Lernens am Erfolg. Das Verhalten der Erziehungsperson „Bestrafung anzuwenden“ wird positiv verstärkt, weil es sofort zu dem erwünschten Effekt führt. Das Kind unterlässt das unerwünschte Verhalten. Dadurch kann die Auftretenswahrscheinlichkeit des Verhaltens „Bestrafung anwenden“ bei der Erziehungsperson in Zukunft erhöht werden und beim Kind kann die Aufmerksamkeit der Erziehungsperson das unerwünschte Verhalten ebenfalls verstärken.
Daher sollte in der pädagogischen Situation, so Rosemann & Bielski (2001, 28) vor allem das Prinzip der Löschung (Extinktion) eingesetzt werden. In diesem Fall wird das unerwünschte Verhalten konsequent ignoriert, die Verstärkung bleibt aus und die Verhaltensrate sinkt wieder auf das operante Ausgangsniveau.
Im Rahmen umfangreicher Verstärkungspläne hat Skinner herausgefunden, dass nicht nur kontinuierliche Bekräftigung, sondern auch die intermittierende Verstärkung das konditionierte Verhalten wahrscheinlicher macht (z.B. Futterkugel rollt nur nach jedem dritten Hebeldruck). Intermittierend verstärkte Handlungsweisen haben sich als außerordentlich resistent gegen Löschung erwiesen (vgl. GUDJONS, 1999, 219).
Die behavioristischen Lerntheorien sind vielfach kritisiert worden (vgl. GUDJONS, 1999, 220). Einige Kritikpunkte sind: Beschränkung auf beobachtbares Verhalten, Laborbedingungen, Überbetonung des rein reaktiven Moments im menschlichen Verhalten, Vernachlässigung von Handlungsmotiven sowie keine Beachtung der (Selbst-)Reflexivität des Menschen. Gerade eine solche eigenständige Informationsverarbeitung im menschlichen Denken soll im nächsten Kapitel näher beleuchtet werden.
2.1.3 Soziales Lernen nach Bandura
Mit den Methoden des operanten Lernens kann der Erwerb neuer Verhaltensweisen nur mit erheblichem Aufwand erreicht werden. Eine Theorie, der es besser gelingt, die Aneignung neuer Verhaltensmuster zu erklären, ist die sozial-kognitive Lerntheorie von Bandura (um 1975). Bandura löst sich also vom Black-Box-Prinzip der reinen Behavioristen und integriert in seine Theorie auch in der Person ablaufende Prozesse und kognitiven Elemente wie Aufnahme, Verarbeitung und Repräsentation der Umweltreize durch das Individuum.
[...]
[1] Krapp & Weidemann (2001, 163) gehen hingegen von der Assoziation zweier Umweltereignisse aus, durch die
der konditionierte Reiz hinsichtlich des unkonditionierten Reizes informativ wird.
- Citation du texte
- Patrik Dirolf (Auteur), 2003, Lernen und Entwicklung als Grundbegriffe der Pädagogik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76640
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