„Reisekaiser“, Philhellene und „Graeculus“ – es sind nicht eben wenige Attribute, die den römischen Princeps Hadrian, der die Geschicke des Imperiums zwischen 117 und 138 n. Chr. lenkte, beschreiben. Mit dem Regiment des dritten Adoptivkaisers begann eine neue Phase in der Geschichte des Reiches, endeten die Expansionsbestrebungen, die noch Trajan forciert hatte. Hadrian verließ die offensive Politik seines Vorgängers und setzte mit der Sicherung der Grenzen, dem Ausbau der Infrastruktur und auch innenpolitisch mit Änderungen in der Verwaltung neue Schwerpunkte. Ein bedeutendes Merkmal seiner Regentschaft sind Hadrians zahlreiche ausgedehnte Reisen durch die Provinzen des römischen Reiches, die insgesamt über die Hälfte seiner Regierungszeit in Anspruch nahmen. In Hadrians Fokus lagen dabei vor allem die griechischen Territorien, wobei Athen eine herausragende Stellung einnahm, was angesichts seines geistigen Hintergrunds – Hadrian war früh mit der griechischen Kultur in Berührung gekommen – nicht verwundert.
Diese Arbeit untersucht, inwieweit sich Hadrians Affinität zu Griechenland politisch auswirkte. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den kaiserlichen Maßnahmen zur Förderung der homonoia (Eintracht) unter den griechischen Poleis, die sich im Panhellenischen Programm niederschlugen, und der Sonderrolle, die Athen in diesem Kontext zukam. Zudem gilt es zu klären, ob die Umsetzung des Panhellenischen Programms und die besondere Aufmerksamkeit, die Athen erfuhr, als parallele Aspekte zu betrachten oder untrennbar miteinander verknüpft sind. Von Interesse ist schließlich auch, welche Gründe – abgesehen vom Philhellenentum – Hadrian zu der Förderung des griechischen Ostens bewegten. Dafür sollen zuerst Hadrians Philhellenentum und die Förderung des griechischen Ostens im allgemeinen erläutert werden, bevor das Panhellenische Programm mit dem Panhellenion als Institution und Athen als Zentrum beleuchtet werden. Abschließend steht die Stilisierung Hadrians in der griechischen Welt im Blickpunkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hadrians Philhellenentum
3. Förderung des griechischen Ostens
4. Hadrians Panhellenisches Programm
4.1 Begriffsklärung Panhellenismus
4.3 Der Panhellenische Bund
4.3.1 Gründung, Aufbau und Struktur:
4.3.2 Mitgliedschaft
4.3.3 Aufgaben
4.4 Athen – das Zentrum des Panhellenions
4.4.1 Hadrians Baupolitik
4.4.2 Herrscher- und Zeuskult
4.4.3 Gesetzgebung und andere Zuwendungen
5. Stilisierung Hadrians in der griechischen Welt
6. Schlussbetrachtung
Auswahlbibliographie
1. Einleitung
„Reisekaiser“, Philhellene und „Graeculus“ – es sind nicht eben wenige Attribute, die den römischen Princeps Hadrian, der die Geschicke des Imperiums zwischen 117 und 138 n. Chr. lenkte, beschreiben. Mit dem Regiment des dritten Adoptivkaisers begann eine neue Phase in der Geschichte des Reiches, endeten die Expansionsbestrebungen, die noch Trajan forciert hatte. Hadrian verließ die offensive Politik seines Vorgängers und setzte mit der Sicherung der Grenzen, dem Ausbau der Infrastruktur und auch innenpolitisch mit Änderungen in der Verwaltung neue Schwerpunkte. Ein bedeutendes Merkmal seiner Regentschaft sind Hadrians zahlreiche ausgedehnte Reisen durch die Provinzen des römischen Reiches, die insgesamt über die Hälfte seiner Regierungszeit in Anspruch nahmen. In Hadrians Fokus lagen dabei vor allem die griechischen Territorien, wobei Athen eine herausragende Stellung einnahm, was angesichts seines geistigen Hintergrunds – Hadrian war früh mit der griechischen Kultur in Berührung gekommen – nicht verwundert.
Diese Arbeit untersucht, inwieweit sich Hadrians Affinität zu Griechenland politisch auswirkte. Dabei liegt das Hauptaugenmerk auf den kaiserlichen Maßnahmen zur Förderung der homonoia (Eintracht) unter den griechischen Poleis, die sich im Panhellenischen Programm niederschlugen, und der Sonderrolle, die Athen in diesem Kontext zukam. Zudem gilt es zu klären, ob die Umsetzung des Panhellenischen Programms und die besondere Aufmerksamkeit, die Athen erfuhr, als parallele Aspekte zu betrachten oder untrennbar miteinander verknüpft sind. Von Interesse ist schließlich auch, welche Gründe – abgesehen vom Philhellenentum – Hadrian zu der Förderung des griechischen Ostens bewegten. Dafür sollen zuerst Hadrians Philhellenentum und die Förderung des griechischen Ostens im allgemeinen erläutert werden, bevor das Panhellenische Programm mit dem Panhellenion als Institution und Athen als Zentrum beleuchtet werden. Abschließend steht die Stilisierung Hadrians in der griechischen Welt im Blickpunkt. Zur Vorgehensweise ist anzumerken, dass die Diskussion, ob Hadrian die Begründung eines eigenen Athener Stadtteils zuzuschreiben ist, den vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Deshalb bleibt das Hadrianstor im Kapitel über die Baupolitik von der Betrachtung ausgeschlossen.
Die konsultierten Quellen sind die Epitome des Cassius Dio und die Vita Hadrians in der Historia Augusta sowie die Inschriftensammlung von Helmut Freis. Als wichtigste Publikationen der Sekundärliteratur haben sich folgende Arbeiten erwiesen: Hadrian and the cities of the Roman empire von Mary T. Boatwright, Hadrian. Eine Deutungsgeschichte von Susanne Mortensen, The World of the Panhellenion I von Anthony J. Spawforth/Susan Walker und Hadrians panhellenisches Programm von Dietrich Willers (siehe Auswahlbibliographie).
2. Hadrians Philhellenentum
Unter Hadrians zahlreichen Wesenszügen verlangt der seiner Affinität zu Griechenland beziehungsweise der griechischen Kultur besondere Aufmerksamkeit. Konsultiert man die wenigen literarischen Quellen zu seiner Regierungszeit, ergibt sich das Bild eines bereits seit der Kindheit vom Griechentum geprägten Princeps. So berichtet die Hadrian-Biographie der Historia Augusta von seiner intensiven Auseinandersetzung mit allem Griechischen während der Erziehung in Rom: „Nachdem er sich in die griechischen Studien mit allzu leidenschaftlicher Hingabe versenkt hatte – er fühlte sich von ihnen so angezogen, daß einige ihn den «kleinen Griechen» nannten –, kehrte er im fünfzehnten Jahr in die Heimat zurück, wo er alsbald in den Wehrdienst trat, der Jagd mit tadelnswertem Eifer ergeben.“[1] Auch bei Cassius Dio heißt es: „Von Natur aus war er [Hadrian] ein großer Freund der griechischen wie lateinischen Sprache, […].“[2]
Offenbar wurde die Tendenz initiiert oder zumindest begünstigt durch die Ausbildung, u.a. durch griechische Erzieher, die Hadrian unter der Vormundschaft Trajans genoss, nachdem er im Alter von zehn Jahren seinen Vater verloren hatte.[3] Das Interesse an griechischer Sprache und Literatur bestand also schon früh. „Durch seinen Griechenlandaufenthalt in den Jahren 109-113 wurden die philhellenen Neigungen möglicherweise noch verstärkt“[4], vermutet Susanne Mortensen. Für diesen Zeitraum vor Regierungsantritt im Jahre 117 ist in der Vita Hadrians im Allgemeinen nur wenig bekannt. Sicher ist jedoch, dass er das Archontat in Athen – möglicherweise trotz Abwesenheit – bekleidete und das athenische Bürgerrecht verliehen bekam. Mortensen datiert dies 111/112 oder 112/113, Anthon R. Birley hingegen legt sich auf die Jahre 111/112 fest.[5]
Während seiner Regentschaft zwischen 117 und 138 bereiste Hadrian Griechenland mehrere Male ausgiebig, so zwischen 123 und 125 bzw. 128 und 132. Der Princeps hielt sich dabei dreimal für längere Zeit in Athen auf, so 124/125, 128/129 und 131/132.[6] Für die Einordnung der Reisen durch Griechenland ist es notwendig, das Attribut des „Reisekaisers“ zur Kenntnis zu nehmen, welches ein Spezifikum seiner Regentschaft ist, die sich durch die ausgedehnten und langen Expeditionen in nahezu alle Reichsteile von den Regierungsperioden seiner Vorgänger unterscheidet.[7] Dennoch besaß das Reiseziel Griechenland in der Gunst Hadrians eine exponierte Stellung, wenn man Summe und Dauer der Aufenthalte betrachtet.
Als äußeres Merkmal seines Philhellenentums muss Hadrians Bart gelten, der ihn in der Regel auf Abbildungen ziert. Zwar weist Birley darauf hin, dass Hadrian „[...] not with the flowing beard of the philosopher [...]” gezeigt wird, aber zumindest „[...] with the traditional well-tended beard of the Greeks.“[8] Die Historia Augusta wertet den Bart lediglich als Maßnahme zum Kaschieren von Narben im Gesicht, spricht jedoch auch davon, dass Hadrian sein Haar „[…] künstlich gekräuselt […]“[9] trug, was letztlich den Schluss zulässt, dass sich der Kaiser an einem „klassischen“ griechischen Erscheinungsbild orientierte. Unterstützt wird diese Annahme von dem Umstand, dass er zudem bisweilen griechische Kleidung wie Chiton und Himation anlegte.[10] Mary T. Boatwright verweist darauf, dass diese Aufmachung im griechischen Gewand, in dem Hadrian auf einer kyrenischen Statue zu sehen ist, den Princeps gegenüber allen anderen römischen Herrscherabbildungen bis zu Kaiser Julian Apostata (361-363; Anm. d. Verf.) ausnimmt.[11]
Augrund seines erzieherischen Hintergrunds verwundert es nicht, dass Hadrian sowohl Anhänger der philosophischen Lehren der griechischen Stoa als auch der Zweiten Sophistik, die während seiner Regierungszeit zur Entfaltung kam, war[12] – ein weiteres Merkmal seines Philhellenentums. Inwieweit sich die stoische Idee von der Kosmopolis, dem Weltstaat mit einer vereinigten Menschheit ohne Unterschiede in Status und Wohlstand, auf Hadrians Handeln in Griechenland auswirkte, wird u.a. im Folgenden beleuchtet werden. Etwas weiter gefasst lässt sich vorab jedoch mit Mortensen konstatieren, dass sich „[…] mit dem Aufenthalt in Kleinasien und Griechenland in den Jahren 123-125 […] Hadrians Philhellenismus auch auf den politischen Bereich massiv auszuwirken begann.“[13]
3. Förderung des griechischen Ostens
„[…] die verbündeten wie die unterworfenen Städte erfuhren durch ihn [Hadrian] großzügigste Hilfe. Mehr als sonst ein Kaiser hatte er viele von ihnen persönlich besucht, und fast allen gewährte er seine Unterstützung, indem er die einen mit Wasser, die anderen mit Hafenanlagen, Getreide, öffentlichen Bauten, Geld sowie, je nachdem, mit verschiedenen Ehren beschenkte.“[14] In den Epitomen des Buches 69 der Römischen Geschichte von Cassius Dio findet sich dieser – eher allgemein gehaltene – Hinweis auf die Gunstbezeugungen, die Hadrian den Territorien seines Reiches zuteil werden ließ. Allein Hadrians ausgedehnte Reisen sind für Zahrnt ein Indiz dafür, dass Hadrian „[…] alle Provinzen als gleichberechtigte Glieder des Reiches ansah und allenthalben Wohlstand und inneren Frieden herbeizuführen suchte […].“[15] Der Umfang der Maßnahmen jedoch, die Hadrian zur Förderung des griechischen Ostens unternahm, hebt diesen Reichsteil sicher von den anderen ab.[16]
Belegt sind für griechische Provinzen u.a. finanzielle Unterstützungen z.B. in Steuerfragen, die Vergabe von Privilegien, Schiedsrichtertätigkeiten in Grenzstreitigkeiten, aber vor allem umfassende Bautätigkeiten, die der Infrastruktur zugute kamen, wie Straßen, Brücken, Hafenanlagen, Dämme, Regulation von Flüssen, Getreidespeicher sowie Bauten für das öffentliche Leben und die religiöse Praxis.[17] Den Baumaßnahmen kam also eine tragende Rolle in Hadrians Provinzialpolitik zu. Dies veranlasst Mortensen zu folgender Aussage: „Der Umfang und Facettenreichtum der Bautätigkeit kann […] als hervorstechendes Element der hadrianischen Politik gegenüber der griechischen Welt bezeichnet werden und lässt auf ein besonderes Engagement des Kaisers schließen, gerade diesen Reichsteil forciert auszubauen.“[18]
[...]
[1] Scriptores historiae Augustae, Hadrianus, 1, 5 und 2.
[2] Cassius Dio, 69, 3, 1.
[3] Vgl. Michael Zahrnt, Hadrian, in: Manfred Clauss (Hrsg.): Die römischen Kaiser: 55 historische Portraits von Caesar bis Iustinian, München 1997, S. 124.
[4] Susanne Mortensen, Hadrian. Eine Deutungsgeschichte, Bonn 2004, S. 209.
[5] Vgl. Mortensen 2004, S. 242 bzw. Anthony R. Birley, Hadrian. The Restless Emperor, London/New York 1997, S. 64.
[6] Vgl. Mortensen 2004, S. 242..
[7] Vgl. Zahrnt 1997, S. 128 ff.
[8] Birley 1997, S. 61.
[9] Vgl. SHA, Hadr., 26, 1.
[10] Vgl. Mortensen 2004, S. 211; Chiton [griech., »Hemd«, »Gewand«]: Untergewand aus Leinen oder Wolle, lang oder kurz, mit oder ohne Ärmel, von Männern und Frauen getragen, wurde stets gegürtet; [Lexikon der Antike: Chiton, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 1141 (vgl. LDA, S. 118)]; Himation [griech., »Mantel«]: mantelartige (Ober-) Bekleidung der Männer und Frauen, aus Wolle oder Leinen gearbeitet, oft eingefärbt und verziert, wurde bei Männern, unter dem rechten Arm verlaufend, über die linke Schulter gelegt. H. bezeichnet auch die röm. Toga im griech. Sprachgebiet des röm. Imperiums. [Lexikon der Antike: Himation, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 2410 (vgl. LDA, S. 247-248)]
[11] Vgl. Mary T. Boatwright, Hadrian and the cities of the Roman empire, Princeton 2000, S. 182.
[12] Vgl. Dr. Wolfgang Leschhorn, Vorlesung Das Zeitalter der Adoptivkaiser, Wintersemester 2005/06 bzw. Lexikon der Antike: Sophistik, S. 1. Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike, S. 5360 (vgl. LDA, S. 551)
[13] Mortensen 2004, S. 209.
[14] Cassius Dio, 69, 5, 2 f.
[15] Zahrnt 1997, S. 129.
[16] Vgl. Dietrich Willers, Hadrians panhellenisches Programm. Archäologische Beiträge zur Neugestaltung Athens durch Hadrian, Basel 1990, S. 7.
[17] Vgl. Mortensen 2004, S. 215.
[18] Ebd., S. 219.
- Citar trabajo
- Folko Damm (Autor), 2007, Der "Philhellene" auf Roms Thron: Das Panhellenische Programm und die Rolle Athens in Hadrians Griechenland-Politik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76566
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