Einem Mann widerfährt Ungerechtigkeit. An einer Zollstation werden vermeintlich widerrechtlich zwei Pferde des reisenden Händlers konfisziert. Als er die beiden Tiere wieder abholen will, erhält er sie in extrem abgemagertem Zustand zurück. Der Mann, Kohlhaas mit Nachnamen, lässt seinen bis dato untadeligen Lebenswandel als Familienvater hinter sich zurück und greift zur Selbstjustiz. Er wird gefasst, begnadigt und am Ende dennoch hingerichtet. Soweit die Parallelen zwischen Elisabeth Plessens Roman „Kohlhaas“ und Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“. Davon abgesehen erfährt der auf einer wahren Begebenheit beruhende Stoff bei den beiden Autoren aber sehr unterschiedliche Bearbeitungen. Spricht Kleist von dem Pferdehändler „Michael“, so berichtet Plessen von „Hans“ Kohlhaas, der einen Gemischtwarenladen betreibt. Während Michael Kohlhaas Vorsteher des nach ihm benannten brandenburgischen Dörfchens Kohlhaasenbrück ist, lebt Hans Kohlhaas unter ärmlichen Verhältnissen vor den Toren Berlins in Cölln. Und stirbt Michaels Frau Lisbeth noch im Dienste des Anliegens ihres Mannes, was bei Kleist ein zentrales Motiv für die späteren Rachezüge Kohlhaas’ ist, so bleibt dieses Schicksal Hans’ Gemahlin Margarete bei Elisabeth Plessen erspart.
In der vorliegenden Hausarbeit sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Texte aufgezeigt, historische Quellen untersucht und die bei beiden Autoren prägnanten sprachlichen Besonderheiten beleuchtet werden. Nicht zuletzt sollen einzelne, auffällige Motive, sowie politische und historische Bezüge aufgegriffen und ausgewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
0. Einleitung
1. Zum Inhalt der beiden Texte
1.1. Heinrich von Kleist – „Michael Kohlhaas“ – Der Inhalt
1.2 Elisabeth Plessen – „Kohlhaas“ – Der Inhalt
1.3 Die historische Vorlage im Vergleich mit Plessen und Kleist
2. Sprachliche Besonderheiten
2.1 Sprachliche Besonderheiten bei Heinrich von Kleist
2.2 Sprachliche Besonderheiten bei Elisabeth Plessen
3. Politisch-historischer Hintergrund und Interpretation
3.1 Zwischen Napoleon und preußischem Feudalismus – politische Konflikte zu Zeiten Kleists
3.2 Zwischen 68er Revolution und RAF-Terrorismus – politische Konflikte zu Zeiten Plessens
4. Schlussbemerkung
5. Literaturverzeichnis
0. Einleitung
Einem Mann widerfährt Ungerechtigkeit. An einer Zollstation werden vermeintlich widerrechtlich zwei Pferde des reisenden Händlers konfisziert. Als er die beiden Tiere wieder abholen will, erhält er sie in extrem abgemagertem Zustand zurück. Der Mann, Kohlhaas mit Nachnamen, lässt seinen bis dato untadeligen Lebenswandel als Familienvater hinter sich zurück und greift zur Selbstjustiz. Er wird gefasst, begnadigt und am Ende dennoch hingerichtet. Soweit die Parallelen zwischen Elisabeth Plessens Roman „Kohlhaas“ und Heinrich von Kleists Novelle „Michael Kohlhaas“. Davon abgesehen erfährt der auf einer wahren Begebenheit beruhende Stoff bei den beiden Autoren aber sehr unterschiedliche Bearbeitungen. Spricht Kleist von dem Pferdehändler „Michael“, so berichtet Plessen von „Hans“ Kohlhaas, der einen Gemischtwarenladen betreibt. Während Michael Kohlhaas Vorsteher des nach ihm benannten brandenburgischen Dörfchens Kohlhaasenbrück ist, lebt Hans Kohlhaas unter ärmlichen Verhältnissen vor den Toren Berlins in Cölln. Und stirbt Michaels Frau Lisbeth noch im Dienste des Anliegens ihres Mannes, was bei Kleist ein zentrales Motiv für die späteren Rachezüge Kohlhaas’ ist, so bleibt dieses Schicksal Hans’ Gemahlin Margarete bei Elisabeth Plessen erspart.
In der vorliegenden Hausarbeit sollen Unterschiede und Gemeinsamkeiten der beiden Texte aufgezeigt, historische Quellen untersucht und die bei beiden Autoren prägnanten sprachlichen Besonderheiten beleuchtet werden. Nicht zuletzt sollen einzelne, auffällige Motive, sowie politische und historische Bezüge aufgegriffen und ausgewertet werden.
1. Zum Inhalt der beiden Texte
Das folgende Kapitel soll dem Leser in einem ersten Schritt die grundlegenden inhaltlichen Unterschiede der beiden Texte näher bringen. Zu diesem Zweck wird zuerst Heinrich von Kleists Novelle, dann Elisabeth Plessens Roman kurz zusammengefasst. Anschließend soll die historische Quelle untersucht und schließlich verglichen werden, welcher der beiden Autoren sich stärker an ihr orientiert.
1.1 Heinrich von Kleist – „Michael Kohlhaas“ – Der Inhalt
Der Pferdehändler Michael Kohlhaas führt in dem nach ihm benannten Dorf Kohlhaasenbrück in Brandenburg einen Meierhof. Als Sohn eines Schulmeisters und durch seine eigenen Geschäfte lebt er demnach in einer gesellschaftlich angesehenen Stellung, sodass er „bis in sein dreißigstes Jahr für das Muster eines guten Staatsbürgers [hätte] gelten können“[1]. Auf einer Geschäftsreise nach Sachsen wird er an einem Schlagbaum vor einer Ritterburg angehalten und soll einen Passschein vorweisen. Da ihm diese offenbar willkürliche Verordnung nicht bekannt ist und er daher keinen solchen vorweisen kann, wird er von dem Schlossvogt und dem Junker Wenzel von Tronka, welchem das Schloss gehört, dazu genötigt, zwei Rappen als Pfand zu hinterlassen. Nachdem er sich in Dresden bescheinigen lassen hat, dass die Anordnung des Schlossvogts erfunden und willkürlich sei, kehrt er nach Abschluss seiner Geschäfte zur Tronkenburg zurück, erfährt dort, dass sein Knecht Herse verprügelt fortgejagt wurde und findet seine Pferde völlig abgemagert vor. Seine Klage auf Rückversetzung der Rappen in ihren alten Zustand und Schmerzensgeld für den Knecht wird zurück-gewiesen, was ganz offensichtlich auf Vetternwirtschaft beruht und auch die Fürsprache eines befreundeten Stadthauptmanns beim Kurfürsten von Brandenburg hilft Kohlhaas aufgrund von verwandtschaftlichen Banden des Kanzlers Graf von Kallheim mit der Familie von Tronka nicht weiter. Frustriert entschließt er sich, Haus und Hof zu verkaufen, Frau und Kinder über die Landesgrenze zu Verwandten nach Schwerin zu schaffen und fortan mit Waffengewalt um sein Recht zu kämpfen. Doch seine Frau Lis-
beth bietet sich an, ihre eigenen guten Kontakte zum brandenburgischen Hof nutzend, dort persönlich ein weiteres Bittschreiben zu überbringen. Als sie aber kurz darauf, von der Lanze einer übereifrigen Wache schwer verwundet, zurückkehrt und in Kohlhaasenbrück verstirbt, nehmen seine Rachegelüste endgültig konkrete Formen an. Mit sieben Knechten verwüstet er die Tronkenburg, der Junker entkommt ihm dabei allerdings. Aus der Jagd nach diesem wird schnell ein gewaltiger Rachefeldzug quer durch Sachsen. Dabei baut er eine Art privates Heer auf, legt sogar die Stadt Wittenberg drei Mal in Schutt und Asche und gewinnt als Kämpfer gegen herrschaftliche Willkür nach und nach immer mehr Sympathien in der Bevölkerung. Auch in Leipzig legen seine Leute Brände. Erst als bekannt wird, dass er den Junker von Tronka in Dresden vermutet, schreitet Martin Luther höchstpersönlich ein und verfasst einen Brief, der Kohlhaas zum Nachdenken bewegt. Zu nächtlicher Stunde dringt er in Luthers Zimmer ein und verlangt dessen Beistand in seiner Sache. Dieser kritisiert ihn zwar weiterhin, verfasst aber tatsächlich ein Bittschreiben an den Kurfürsten von Sachsen. Daraus resultierend wird Kohlhaas ein neuer Prozess in Dresden und für den Fall, dass er diesen gewinne, auch völlige Amnestie versprochen. Der Rosshändler geht darauf ein, löst sein Truppe auf und erhält Recht zugesprochen. Als aber sein ehemaliger Knecht Johann Nagelschmidt im Erzgebirge weitere Raubzüge verübt, wird Kohlhaas die vorübergehende Ausreise aus Sachsen verweigert und seine Unterkunft von Wachen umstellt. Ein Hilfegesuch Nagelschmidts an Kohlhaas, wieder die Leitung der alten Gruppe zu übernehmen, wird abgefangen und als dieser in seiner Frustration über die Freiheitsberaubung in die Falle tappt, das Schreiben positiv zu beantworten, wird er endgültig in Haft genommen. Im Rahmen eines bevorstehenden Krieges zwischen Sachsen und einem polnisch-brandenburgischen Bündnis wird Kohlhaas dann aber nach Berlin ausgeliefert. Da die Sachsen ihn jedoch noch vor seiner Auslieferung beim Kaiser in Wien wegen Landfriedensbruchs verklagt haben, muss sich auch der brandenburgische Kurfürst dem von diesem erlassenen Todesurteil gegen Kohlhaas beugen. Noch am Tag seiner Hinrichtung erfährt er allerdings Genugtuung in seiner Rechtsangelegenheit und seine Söhne werden zu Rittern geschlagen. Dank der Hilfe einer sonderbaren alten Zigeunerin, die Kohlhaas’ verstorbener Frau auffällig stark ähnelt, kann er sich auch noch an dem sächsischen Kurfürst rächen. In einer Kapsel die sie ihm am Tag nach Elisabeths Beerdigung auf der Suche nach dem Junker von Tronka bei einem Zwischenstopp am Jahrmarkt in Jüterbock zugesteckt hat, befindet sich ein Zettel, auf welchem sie den Namen des letzten Regenten aus der Familie des Kurfürsten, den seines Bezwingers und den Zeitpunkt des Machtwechsels aufge-schrieben hat. Dem Kurfürsten gelingt es trotz mancher List nicht, den Zettel von Kohlhaas zurückzugewinnen und als dieser das Papier als letzte Handlung vor seinem Tod aufisst, bricht der Kurfürst zusammen, sodass dem Pferdehändler eine letzte Genugtuung zuteil wird.
1.2 Elisabeth Plessen – „Kohlhaas“ – Der Inhalt
Titelfigur in Elisabeth Plessens Roman „Kohlhaas“ ist Hans Kohlhaas. Als Sohn eines
Krämers wächst er in Cölln in einem Haus auf, das seinem Vater nicht gehörte und das man im modernen Sinne wohl als Sozialwohnung beschreiben würde. Da der Vater aufgrund seiner Armut nicht im Besitz eines eigenen Hauses sein kann, stehen ihm auch nicht die vollen Bürgerrechte Cöllns zu. Cölln war damals Teil der Doppelstadt Berlin-Cölln und stellte zu Zeiten Kohlhaas’ die Heimat von 5.000 der seinerzeit insgesamt 14.000 Einwohner dar[2]. Erst im Jahre 1709 wurde die Doppelstadt mit einigen weiteren umliegenden Kleinstädten zum heutigen Berlin vereint.[3]
Elisabeth Plessen berichtet von Kohlhaas’ Kindheit, von seinen Beobachtungen auf Handelsreisen mit dem Vater oder in der Schule, von seinem Wunsch Fischer zu werden und davon, dass er seine spätere Frau Margarete schon als Kind kannte.
Der Knecht Herse wird als ehemaliger Aufständischer beschrieben, der im Bauernkrieg gegen die Gegner der Reformation gekämpft hatte. Ausschweifend geht Plessen auf Gefühle, Tagträume und innere Monologe der Figuren ein oder beschreibt, wie Kohlhaas auf seinen geschäftlichen Reisen die Landschaft wahrnimmt. Eines Tages kehrt er gemeinsam mit Herse in einem sächsischen Wirtshaus ein. Verwundert, dass der Wirt am helllichten Tag schläft und die Magd sie nicht bedient, schaut Kohlhaas aus dem Fenster und kommt dabei mit dem Vogt ins Gespräch. Dieser erklärt ihm, dass seine Pferde in den Stall geführt worden seien und ohne Vorlage einer Kaufquittung nicht mehr herausgegeben würden. Grund dafür seien sich zunehmend häufende Pferdediebstähle in Sachsen. Tatsächlich bleibt Kohlhaas am Ende nichts anderes übrig, als die Tiere zurückzulassen und seine Reise mit Herse zu Fuß fortzusetzen. Doch auch als er mit einem Empfehlungsschreiben aus Leipzig zurückkehrt, erhält er die Pferde
[...]
[1] von Kleist, Heinrich: Sämtliche Erzählungen und andere Prosa. Stuttgart, 1984. S.3
[2] vgl. Plessen, Elisabeth: Kohlhaas. Zürich, Köln, 1979. S.335
[3] http://www.diegeschichteberlins.de/geschichteberlins/berlinabc/stichworteag/coelln.html
- Arbeit zitieren
- Florian Reifenrath (Autor:in), 2006, Kohlhaas - Bearbeitungen des historischen Stoffs von Heinrich von Kleist und Elisabeth Plessen im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76362
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