Im alten Rom zur Zeit der Republik gab es für einen Mann von Rang nur eine Art und Weise, sich seinen standesgemäßen Lebensunterhalt zu verdienen: durch Landbesitz. Auch die Republik selbst sollte sich nach vorherrschender Meinung nicht mit unternehmerischen Belangen und Finanzgeschäften beschäftigen. Öffentliche Aufträge für Dinge wie etwa den Bau und Unterhalt von Straßen und Gebäuden, die Ausstattung und Versorgung von Truppen, aber auch das Recht, in einer Provinz oder einem Bezirk Steuern einzutreiben, wurden daher an Privatleute versteigert. Diese so genannten "publicani" - oft Ritter - spielten in der späten Republik zunehmend auch im politischen Leben eine große Rolle, da nicht wenige von ihnen im Zuge der Expansion des Reiches und der Einrichtung neuer Provinzen innerhalb kurzer Zeit ungeheure Reichtümer anhäuften. Eine Schlüsselrolle spielte dabei die 133 v. Chr. eingerichtete Provinz Asia, die aufgrund ihres Reichtums besonders hohe Profite versprach.
Daher wird in vorliegender Arbeit untersucht, wie die Geschäfte der publicani in Asia beschaffen waren, wie sie sich organisierten, wie sie mit den römischen Amtsträgern und Gouverneuren auf der einen Seite und den Provinzialen auf der anderen umgingen, und inwiefern das aus der Bibel bekannte Bild vom blutsaugerischen Steuereintreiber und Zöllner, der sich mit allem Mittel hemmungslos zu bereichern sucht, tatsächlich zutreffend gewesen sein könnte.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
B. Die römischen publicani in Asia zur Zeit der Republik
1. Die Provinz Asia
2. Die Steuerpacht
3. Beziehungen zu Statthaltern und Administration
4. Die Provinzialen
C. Schluss
Literatur
Quellen
A. Einleitung
Im alten Rom zur Zeit der Republik gab es für einen Mann von Rang nur eine Art und Weise, sich seinen standesgemäßen Lebensunterhalt zu verdienen: durch Landbesitz. Und was für die ersten Männer der res publica galt, galt auch für die Republik selbst. Man war in Rom der Meinung, dass der Staat sich nicht mit unternehmerischen Belangen und Finanzgeschäften beschäftigen solle. Trotzdem benötigte die res publica natürlich Geld, vor allem für militärische Zwecke, aber auch z. B. zum Bau und Unterhalt von Straßen und Gebäuden. Diese öffentlichen Einkünfte hießen publica („das Öffentliche“), und diejenigen Privatpersonen, die anstelle des Staates damit umgingen, nannte man folglich publicani.[1] In öffentlichen Ausschreibungen auf dem Forum konnte der am vorteilhaftesten Bietende publicanus öffentliche Aufträge ersteigern.[2] Sie wurden – mittels einer lex censoria – für ein lustrum, also etwa fünf Jahre erteilt. Den Zuschlag gaben die Censoren, die auch später die Ausführung zu überwachen hatten. Der publicanus mußte daraufhin eine Anzahlung auf den gebotenen Festbetrag leisten und für den Rest Bürgschaften stellen. Die Differenz zwischen der gebotenen Summe und dem tatsächlichen Aufwand bzw. Ertrag war dabei der Gewinn des Pächters – oder, wenn es schlecht für ihn lief, der Verlust.
Oft werden die publicani mit den equites, den römischen Rittern, in einem Atemzug genannt. In der Tat war ja dem Senatorenstand, der obersten und reichsten Schicht der römischen Gesellschaft, spätestens seit der lex Claudia de nave senatorum von 218 unternehmerische Tätigkeit untersagt. Für equites galt diese Vorschrift nicht, sodass sich viele von ihnen mit grossem Kapitaleinsatz am Geschäft mit der Staatspacht beteiligten. In den großen societates publicanorum, die sich aufgrund des immensen Kapitalbedarfs bei Pachtgeschäften im großen Stil bildeten, spielten sie – oft in leitenden Positionen – eine entscheidende Rolle. Andererseits ist es aber sicherlich übertrieben, publicani und equites einfach gleichzusetzen.[3]
Das System der Staatspacht war an sich nichts spezifisch Römisches, sie findet sich sowohl in den griechischen Poleis als auch in hellenistischen Monarchien[4]. Das kann bedeuten, dass die Römer diese Systeme kannten und übernahmen. Vielleicht ergaben sich die Ähnlichkeiten auch nur deshalb, weil „grundsätzlich ähnliche Probleme in grundsätzlich ähnlichen Gesellschaften“[5] auftraten.
Auf jeden Fall standen wohl schon seit der Frühzeit publicani im Dienst der römischen res publica.[6] Sie erzielten ihre Gewinne zu dieser Zeit vor allem durch „öffentlicher Lieferung“[7] für den Staat.[8] Das aerarium, die Staatskasse, bezahlte für die Erfüllung von Aufgaben wie den Bau und die Instandhaltung von Strassen und öffentlichen Gebäuden oder Nachschublieferungen für die Legionen.
Aber auch die staatlichen Einkünfte wurden verpachtet. Dazu zählte neben der Bewirtschafttung von Staatseigentum wie dem ager publicus oder z. B. Salinen und Bergwerken insbesondere das Einziehen von Zöllen, Abgaben und Steuern. Im Zuge der Expansion des Reiches und der Einrichtung neuer Provinzen ergab sich hier für die publicani ein weites Betätigungsfeld, und mit der Macht Roms wuchsen auch ihre Gewinne rapide an. Die Schlüsselrolle spielte dabei die 133 v. Chr. eingerichtete Provinz Asia. Da alle Einnahmen aus diesem außergewöhnlich reichen Gebiet an publicani verpachtet wurden, flossen bald enorme Summen durch ihre Hände. Sie konnten so zu einer gewaltigen wirtschaftlicher Macht emporsteigen. Gerade ihre Unternehmungen in Asia trugen aber auch dazu bei, dass die Steuerpächter bald als rücksichtslose Ausbeuter verschrieen waren. So schreibt Georg Ürögdi: „Wie rücksichtslos die publicani dieses blühende, reiche, einst souveräne Land [d.h. Asia], nunmehr römische Provinz aussogen, ist mehrfach und überzeugend belegt.“[9] Nicht umsonst begrüßten die geplagten Provinzialen dann auch 88 v. Chr. Mithridates VI. von Pontos, der die Provinz in seinem ersten Krieg gegen Rom eroberte, als ihren Befreier – bezeichnenderweise versprach der sogleich einen Schuldenerlaß. In der sogenannten „Vesper von Ephesos“ schließlich kam es zur blutigen Rache an der Römern und Italikern in der Provinz. Angeblich sollen 80 000 getötet worden sein.[10]
Asia nahm also für die Geschichte der publicani eine Schlüsselstellung ein. Deshalb soll im Folgenden genauer untersucht werden, wie ihre Geschäfte dort beschaffen waren, wie sie sich organisierten, wie sie mit den römischen Amtsträgern und Gouverneuren auf der einen Seite und den Provinzialen auf der anderen umgingen, und inwiefern das Bild vom blutsaugerischen Steuereintreiber, der sich mit allem Mittel hemmungslos zu bereichern sucht, tatsächlich zutreffend gewesen sein könnte. Zeitlich möchte ich mich dabei konzentrieren auf die Zeit der späten römischen Republik, in der die publicani sich finanziell wie politisch auf dem Höhepunkt ihres Einflusses befanden.
B. Die römischen publicani in Asia zur Zeit der Republik
1. Die Provinz Asia
Die Provinz Asia ging aus dem hellenistischen Königreich von Pergamon hervor, dass Attalos III. 133 in seinem Testament an Rom überschrieb. Die Römer traten das Erbe an, wofür unter anderem Tiberius Sempronius Gracchus verantwortlich war, der die königlichen Geldmittel zur Durchführung seiner Agrarreform heranziehen wollte. Nach dem gewaltsamen Tod des Volkstribuns nahm sich der Senat der Sache an und schickte eine Fünferkommission nach Kleinasien um die Einrichtung der Provinz zu regeln.[11] Als diese Kommission 132 in Asia eintraf, sah sie sich allerdings erst einmal mit dem Aufstand des Aristonikos konfrontiert, einem angeblichen Halbbruder Attalos III., der seine Thronansprüche mit Gewalt durchsetzen wollte. Bis zum Jahr 129 dauerte die Niederschlagung dieser Erhebung, dann erst konnte der Hauptteil[12] des ehemaligen attalidischen Reiches – darunter natürlich die finanziell interessantesten Teile – dem imperium Romanum als provincia Asia eingegliedert werden.[13] Alle Ländereien, die Attalos direkt gehört hatten, gingen in den Besitz Roms über und wurden ager publicus. Was die Organisation und den rechtlichen Status der restlichen Gebiete angeht, scheint man sich in den meisten Fällen an die Verfügungen in Attalos’ Testament gehalten und im Großen und Ganzen die vorgefundenen Regelungen beibehalten zu haben. Die freien Poleis behielten ihren Status bei, bis auf einige wenige, die sich Aristonikos angeschlossen hatten, wie z.B. Phocea, das nur durch die Fürsprache seiner ehemaligen Kolonie Massilia von Zerstörung verschont blieb[14]. Auch die „halbfreien“, nur mit einer gewissen Eigenständigkeit versehenen Städte konnten diese bewahren. Statt dem König waren sie nun gegenüber Rom tributpflichtig. Ähnlich wurde wahrscheinlich mit dem in privatem Besitz befindlichem Land verfahren, auch hier wechselte lediglich der Empfänger der Abgaben.[15]
[...]
[1] Zur Wortbedeutung von publicum und publicani siehe u. a. G. Ürögdi: s.v. Publicani, in: RE Supplementband 11, 1968, 1184-1186.
[2] Zur Versteigerung siehe ausführlich Ulrike Malmendier: Societas publicanorum. Staatliche Wirtschaftsaktivitäten in den Händen privater Unternehmer, Köln/Weimar/Wien, 2002, S. 116-144.
[3] Wie es noch Ürögdi: s.v. Publicani, 1195, tut. Zur entgegengesetzten Meinung siehe z. B. J. Andreau: s.v. Publicani, in: DNP, Bd. 10, 2001, 576.
[4] J. Andreau: s.v. Publicani, (Anm.1), 575.
[5] Ernst Badian: Zöllner und Sünder. Unternehmer im Dienst der römischen Republik. Autorisierte Übers. von Wolfgang Will und Stephen Cox, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft 1997 [= Badian: Zöllner und Sünder], S 6.
[6] Siehe z. B. Ebd., S. 9: „Die publicani bildeten einen festen Bestandteil der res publica, seit wir diese beobachten oder zurückverfolgen können.“
[7] G. Ürögdi: s.v. Publicani (Anm.1), 1186.
[8] So Badian: Zöllner und Sünder, S. 7-9; 22f.
[9] G. Ürögdi: s.v. Publicani, 1195f.
[10] Zum ersten Mithridates-Krieg siehe u. a. T.R.S. Broughton: Roman Asia Minor, in: T. Frank (Hg.): An Economic Survey of Ancient Rome (Bd. IV), Paterson 1959, S. 512-519.
[11] David Magie: Roman Rule in Asia Minor, S. 147 mit Nachweisen in den Anmerkungen.
[12] Zur Ausdehnung der Provinz und den übrigen ehemals pergamesischen Gebieten siehe Ebd., S.155.
[13] Badian: Zöllner und Sünder, S. 79, ist der Meinung, Asia sei erst 126 als Provinz eingerichtet worden. Wie er auf dieses Datum kommt, ist allerdings leider nicht ersichtlich.
[14] Magie: Roman Rule in Asia Minor, a.a.O., S. 156.
[15] Ebd., S. 155-157; T. R. S. Broughton : Roman Asia Minor (Anm. 10), S. 509-511.
- Citar trabajo
- Stefan Esselborn (Autor), 2003, Die römischen Publicani in Asia zur Zeit der Republik, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76302
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