Bei der Wahl des jährlichen Hauptreiseziels spielen gerade in unseren Breiten Faktoren wie Sonne, Sandstrand und tropische Vegetation eine dominante Rolle. Viele Entwicklungsländer verfügen in hohem Maße über jene naturräumliche Ausstattung und konnten infolge dessen eine große Zahl von Touristenankünften aus Industrieländern verbuchen. Als Reisender oder Urlauber gewinnt man leicht den Eindruck, für die Tourismusbranche in den Ländern der Dritten Welt die einzige bestimmende Größe darzustellen.
Doch lassen die touristischen Attraktionen, salopp gefragt, die Einheimischen völlig kalt? Reisen sie überhaupt und wenn ja, welchen Motivationen folgen sie? Der Binnentourismus, falls vorhanden, ist ein kaum beachtetes Forschungsfeld. Es gilt demnach, dem quantitativen Umfang, sowie Motiven und Auswirkungen des Fremdenverkehrs der Einheimischen nachzuspüren und der Frage nachzugehen, inwiefern der Binnentourismus in Entwicklungsländern lediglich eine marginale Größe darstellt oder (bereits) einen nicht zu vernachlässigenden Rang im gesamten Tourismusaufkommen eingenommen hat.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einführung
2 Grundlegende Aspekte und geographischer Bezug
2.1 Definition und Abgrenzung der Begriffe ‚Binnentourismus’ und ‚Entwicklungsland’
2.2 Binnentourismus im Spiegel kulturgeographischer Forschung
2.3 Endogener Tourismus als Indikator des Entwicklungsstandes
3 Reisemotive der Binnentouristen im Wandel der Zeit
3.1 Religions- und Pilgertourismus
3.2 Körperliche Erholung: Sommerfrische und Heilquellen
3.3 Verwandten- und Freundesbesuche
3.4 Tourismusformen westlichen Musters
4 D ie quantitative Dimension des Binnentourismus in Entwicklungsländern
4.1 Probleme der Erfassung des Binnentourismus
4.2 Einflussgrößen auf den Umfang des Binnentourismus
4.2.1 Naturräumliche Ausstattung
4.2.2 Wirtschaftliche Entwicklung
4.2.3 Sozio-kulturelle Faktoren
4.3 Binnentourismus-Aufkommen in Entwicklungsländern
4.4 Ökonomische Aspekte
4.4.1 Binnentourismus und Bruttoinlandsprodukt
4.4.2 Regionale Auswirkungen und Ausgleichseffekte in Raum und Zeit
5 Sozio-kulturelle Auswirkungen
5.1 Verhältnis der Binnentouristen zu den internationalen Touristen
5.2 Verhältnis der Binnentouristen zum eigenen Land
6 Ökologische Aspekte
7 Binnentourismus in Entwicklungsländern – marginale Größe oder kommender touristischer Markt?
8 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1 Hinduistische Pilger am Ganges in Varanasi
Abb. 2 Ort und Anzahl der Moussem in Marokko 1985
Abb. 3 Tansanisches Hotel für einheimische Geschäftsreisende und Erholungsuchende im Luftkurort Lushoto in den Usambarabergen
Abb. 4 Entwicklung des Binnentourismus und des internationalen Tourismus in China von 1985 bis 1999
Tabellenverzeichnis
Tab. 1 Übersicht der Arten des Tourismus durch inländische Nachfrage
Tab. 2 Die Entwicklung des Binnentourismus in Entwicklungsländern im Kontext des Wirtschaftstufenmodells von W.W. Rostow (1960)
Tab. 3 Übernachtungen von Binnentouristen in Hotels oder ähnlichen Einrichtungen in ausgewählten Entwicklungsländern
Tab. 4 Verhältnis von internationalen und Binnentouristen in ausgewählten Entwicklungsländern
Tab. 5 Wirtschaftliche Rolle von internationalem und Binnentourismus in ausgewählten Entwicklungsländern
1 Einführung
Bei der Wahl des jährlichen Hauptreiseziels spielen gerade in unseren Breiten Faktoren wie Sonne, Sandstrand und tropische Vegetation eine dominante Rolle. Viele Entwicklungsländer verfügen in hohem Maße über jene naturräumliche Ausstattung und konnten infolge dessen eine große Zahl von Touristenankünften aus Industrieländern verbuchen. Als Reisender oder Urlauber gewinnt man leicht den Eindruck, für die Tourismusbranche in den Ländern der Dritten Welt die einzige bestimmende Größe darzustellen.
Doch lassen die touristischen Attraktionen, salopp gefragt, die Einheimischen völlig kalt? Reisen sie überhaupt und wenn ja, welchen Motivationen folgen sie? Der Binnentourismus, falls vorhanden, ist ein kaum beachtetes Forschungsfeld. Es gilt demnach, dem quantitativen Umfang, sowie Motiven und Auswirkungen des Fremdenverkehrs der Einheimischen nachzuspüren und der Frage nachzugehen, inwiefern der Binnentourismus in Entwicklungsländern lediglich eine marginale Größe darstellt oder (bereits) einen nicht zu vernachlässigenden Rang im gesamten Tourismusaufkommen eingenommen hat.
2 Grundlegende Aspekte und geographischer Bezug
2.1 Definition und Abgrenzung der Begriffe ‚Binnentourismus’ und ‚Entwicklungsland’
Im Vorfeld der Beschäftigung mit dem Binnentourismus ist es unerlässlich, sich zunächst mit der Definition und Terminologie der relevanten Schlüsselbegriffe auseinander zu setzen. Die Vielfalt der geprägten Begriffe, vor allem im Kontext des Tourismus, erfordert eine genaue Abgrenzung, um Verwechslungen und Fehlinterpretationen zu vermeiden.
Da sich diese Arbeit mit dem Binnentourismus befasst, soll die Mannigfaltigkeit der unterschiedlichen Definitionen von ‚Tourismus’ außer Acht gelassen werden, um sich gleich dem wesentlicheren Begriff des ‚Binnentourismus’ zuzuwenden. Die World Tourism Organization (WTO) (1993) definiert einen Binnentouristen als
„any person residing in a country , who travels to a place within the country outside his/her usual environment, for a period not exceeding 12 months and whose main purpose of visit is other than the exercise of an activity remunerated from within the place visited“ (Ghimire 2001, S. 4).
Neben den angeführten Bedingungen muss eine Person außerdem eine minimale Aufenthaltsdauer von 24 Stunden aufweisen, um als Binnentourist und nicht als ‘same-day visitor’ zu gelten. Als mögliche Reiseabsichten kommen laut WTO in Frage:
- Freizeit, Erholung und Urlaub
- Besuchen von Freunden und Verwandten
- Geschäftliches und Berufliches
- medizinische Versorgung
- Religiöses und Pilgerreisen
- Sonstiges
Anhand dieser Auflistung werden sofort die Schwächen dieser Definition offensichtlich: Die zu weit gefassten Reisemotivationen (sprich alle) führen dazu, dass jeder, der für mehr als 24 Stunden seine gewohnte Umgebung verlässt, als Binnentourist zu zählen ist. Außerdem ist es mit dieser Definition nicht möglich, eine Aufschlüsselung der Binnentouristen nach ihrer Reiseabsicht durchzuführen, die gerade im Vergleich zu den westlichen Ländern interessant wäre (Ghimire 2001, S. 4).
Dem ‚Binnentourismus’ stehen noch weitere Synonyme oder inhaltsverwandte Begriffe zur Seite. Der nationale Tourismus untergliedert sich nach UN und WTO (1994) in den ‚Inlandstourismus’ (engl. ‚domestic tourism’), der mit dem Binnentourismus gleichzusetzen ist, und den ‚Auslandstourismus’ (engl. ‚outgoing tourism’), dessen im Inland generierte Nachfrage durch Reisen ins Ausland befriedigt wird. Der Auslandstourismus ist aber wegen des grenzüberschreitenden Reisens zugleich Teil des internationalen Tourismus (Mundt 2001, S. 5).
Der Ausdruck ‚endogener Tourismus’ „bezeichnet die touristische Nachfrageseite eines Landes (…) [, also] den in einem Lande selbst entstehenden Tourismus, der (…) nicht von außen (exogen) hineingetragen wird“ (Schlenke und Stewig 1981, S. 6). Diese nur auf die Nachfrage des Tourismus ausgerichtete Definition impliziert eine weitere Unterscheidung in ‚endogenen Binnentourismus’ (Reise verläuft im Land der Nachfrage) und ‚endogenen Auslandstourismus’ (Reise ins Ausland) (Schlenke und Stewig 1981, S. 6). Der allgemeinere Begriff des endogenen Tourismus darf also auf keinen Fall mit dem Binnentourismus gleichgesetzt werden; der Binnentourismus umfasst lediglich die im Inland durch die touristische Nachfrage durchgeführten Reisen (vgl. Tab. 1).
Tab. 1 Übersicht der Arten des Tourismus durch inländische Nachfrage
(Quelle: eig. Entwurf nach Schlenke und Stewig 1981, S. 6 und Mundt 2001, S. 5)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Grötzbach (1981, S. 11) merkt an, dass der semantische Gehalt von ‚Tourismus’ und ‚Tourist’ in Entwicklungsländern lediglich auf den internationalen Tourismus bezogen ist und den Binnentourismus völlig außer Acht lässt. Auch spricht der gleiche Autor (1981, S. 12) im Allgemeinen von ‚Binnenreiseverkehr’; erst wenn dieser „gewisse moderne Züge“ trägt, zum Beispiel hinsichtlich der Art der Unterkunft und Wahl der Verkehrsmittel, dürfe man von ‚Binnentourismus’ sprechen.
Ebenso wie beim ‚Tourismus’ gibt es auch für den Begriff ‚Entwicklungsland’ keine allgemeingültige Definition. Verschiedene Organisationen ziehen unterschiedliche Kriterien heran, um Staaten in Entwicklungsländer, Schwellenländer und Industrieländer einzuteilen. Erstes Kennzeichen von Entwicklungsländern ist ihre Unterentwicklung, die sich in exogenen (zum Beispiel die Einbindung in den Weltmarkt) oder endogenen (zum Beispiel Einkommen oder Lebenserwartung) Merkmalen manifestiert (Nohlen 2002, S. 234).
Während die Weltbank ausschließlich das Pro-Kopf-Einkommen zur Klassifizierung von Entwicklungsländern heranzieht (Nohlen 2002, S. 683), bezieht das UN-Development Program (UNDP) mit dem 1990 eingeführtenHuman Development Index (HDI), der den „Stand menschlicher Entwicklung“ (Nohlen 2002, S. 365) misst, auch soziale Komponenten und relative Indikatoren mit ein. Da nach Sicht des Verfassers der HDI zur Beschreibung der Entwicklung eines Landes am aussagekräftigsten ist, soll dieser im Folgenden maßgeblich sein.
2.2 Binnentourismus im Spiegel kulturgeographischer Forschung
Mit dem Aufkommen von Fernreisen in Entwicklungsländer ab Anfang der 1960er Jahre, an denen wegen der besseren und günstigeren Flugverbindungen auch zunehmend die Mittel- und Unterschichten der Industrienationen beteiligt waren (Vorlaufer 1996, S. 17ff.), wuchsen sowohl die Einflüsse westlicher Touristen in den Reisedestinationen als auch die Zahl der Arbeiten, die sich aus geographischer Sicht mit dem Phänomen des internationalen Tourismus in Entwicklungsländern auseinander setzten. Die wissenschaftlichen Untersuchungen konzentrierten sich auf volkswirtschaftliche und kulturelle Auswirkungen, verursacht durch Touristen aus dem ‚reichen Norden’, wohingegen der Tourismus innerhalb der Entwicklungsländer weitgehend unter den Tisch gefallen ist und auch wenige Studien existieren, die die Auswirkungen von Inlands- und internationalem Tourismus gegeneinander abgrenzen (Ghimire 2001, S. 2f.).
Ein Grund, der für das konsequente Ignorieren des Binnentourismus in unterentwickelten Ländern verantwortlich ist, stellt die unzureichende, wenn überhaupt vorhandene Datenlage zum Umfang des Binnentourismus dar. Dies kann sogar so weit gehen, dass die Existenz eines Binnentourismus grundsätzlich verneint wird (Popp 2001, S. 20). Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang auch die geringere Finanzkraft der nationalen Touristen in südlichen Ländern (verglichen mit Touristen aus Industrienationen), die auf weniger Interesse seitens der Investoren sowie der Regierungen in den Zielländern stößt, welche ihrerseits nur wertbeständigen, westlichen Devisen Beachtung verleihen. Zudem sitzen die meisten Nongovernmental Organizations (NGOs) und Forschungsinstitutionen in den Industrieländern und neigen daher in ihren Untersuchungen dazu, lediglich die eigenen Reiseverhaltensmuster und die Tourismuspolitik der Regierung zu berücksichtigen (Ghimire 2001, S. 3). Ein weiterer Grund für die Vernachlässigung des Binnentourismus in Drittwelt-Ländern sind nach Kamp (1995, S. 138) die „selfish interests“ derjenigen, die für Entwicklungsprogramme, als welches ja auch der Tourismus betrachtet wird, werben und die Entwicklungsländer lediglich als „ready markets“ für den internationalen Fremdenverkehr ansehen. Außerdem kommt der Binnentourismus häufig in anderen Tourismusstilen zum Ausdruck, findet oft räumlich getrennt vom internationalen Tourismus statt und erscheint „weniger spektakulär“, so dass er, auch wegen der „eurozentrischen Orientierung“ (Grötzbach 1988, S. 10) der Forschung bisher kaum Beachtung gefunden hat. Insgesamt gesehen sieht die bestehende Literatur der Tourismusforschung den ‚Touristen’ „as being automatically a ‚Northerner’, with leisure activity being his or her privileged practice“ (Ghimire 2001, S. 3).
2.3 Endogener Tourismus als Indikator des Entwicklungsstandes
„Sowohl zur Beurteilung des Entwicklungsstandes eines einzelnen Landes als auch zum Ländervergleich eignet sich der endogene Tourismus, weil in ihm das Abbild des Industrialisierungsprozesses als dessen komplexe Struktur erhalten geblieben ist“. Diese interessante These stellen Schlenke und Stewig (1981, S. 13) auf und gehen davon aus, dass durch den Entwicklungsstand und die Ausprägung des endogenen Tourismus, also der im Inland generierten touristischen Nachfrage, auf den Entwicklungsgrad eines Landes geschlossen werden kann. Der durch den im Land verbleibenden endogenen Tourismus angezeigte Fortschritt ist nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern schließt ebenso „die zunehmenden Anteile der im sekundären und tertiären Sektor Beschäftigten“, „ den raumstrukturellen Wandel in Gestalt der Verstädterung“, den „Ablauf des demographischen Transformationsprozesses“, den „soziostrukturellen Wandel“, die „infrastrukturelle Entwicklung“ sowie die „Zunahme der Freizeit“ (Schlenke und Stewig 1981, S. 11ff.) mit ein. Das Modell erhebt also den Anspruch, den Industrialisierungsprozess mit Hilfe des endogenen Tourismus als „qualitative[m] Gradmesser“ (Schlenke und Stewig 1981, S. 13) in seiner Entfaltung vergleichend erfassen zu können. Zur Untergliederung des Industrialisierungsprozesses wird das Modell von W.W. Rostow herangezogen, dessen fünf Stufen (von der „traditional society“ zum „high mass consumption“) jeweils unterschiedliche Arten und Teilnehmer des endogenen Tourismus zugeordnet werden.
Dieses Modell erscheint zunächst plausibel, steht doch mit zunehmender Industrialisierung tatsächlich mehr Zeit und Geld für den Tourismus zur Verfügung; umgekehrt fördern auch die technischen Errungenschaften die touristischen Aktivitäten. Doch gibt es wirklich eine so enge Korrelation zwischen endogenem Tourismus und der Stufe der industriellen Entwicklung eines Landes bzw. weisen beide Größen eine derartige Parallelität und Linearität auf?
Beim Entwurf eines Modells muss sich die Realität gewissen Abstraktionen unterwerfen. So auch in diesem Falle, in dem landestypische Besonderheiten, wie zum Beispiel die naturräumliche Ausstattung, die Größe oder bestimmte Sozialformen, und entwicklungsfördernde oder -hemmende Faktoren (wie zum Beispiel Kriege) außer Acht gelassen werden. Beispielhaft kann in diesem Zusammenhang die Arbeit von Standl (1988, S. 120f.) über Ägypten herangezogen werden, in dem der wachsende endogene Tourismus als Folge des verfügbaren Einkommens eines Teils der Bevölkerung gesehen wird, dieses Einkommen jedoch nicht nur auf die Industrialisierung im Lande zurückzuführen ist, sondern auf die „Arbeitsmigration in die arabischen Erdölstaaten“. Ganz im Sinne der Modernisierungstheorie werden im Modell außerdem die Gründe der Entwicklung oder Unterentwicklung eines Landes zu einseitig bzw. gar nicht betrachtet; Entwicklung wird mit Industrialisierung gleichgesetzt und davon ausgegangen, dass der „Unterschied zwischen Industrie- und Entwicklungsländern kein prinzipieller, sondern nur ein gradueller ist“ und sich beide „“nur“ durch den unterschiedlich weit vorangeschrittenen Verlauf“ (Schlenke und Stewig 1981, S. 2, 11) der Industrialisierung unterscheiden. Wieterhin geht das Modell implizit nur von Tourismusformen einer ‚klassischen’ Industrie- bzw. Freizeitgesellschaft aus, traditionelle Formen des Reisens wie der Pilgertourismus, der Aufenthalt in Sommerfrischen oder Familienbesuche, die auch in noch präindustriell geprägten Ländern eine Rolle spielten und spielen, vernachlässigt das Modell gänzlich. Zwar stellt Kagermeier (2001, S. 58) einen statistischen Zusammenhang zwischen Binnentourismus und Wirtschaftskraft her, der sich in einem Korrelationskoeffizienten von 0,83 (hohe gegenseitige Abhängigkeit, Maximalwert 1) niederschlägt, her, nur sind diese Daten lediglich auf den Mittelmeerraum beschränkt und der Autor selbst warnt vor einer „Scheinkorrelation“ (2001, S. 58), da mit zunehmender wirtschaftlicher Entwicklung nur die Zahl derregistrierten, da in höher kategorisierten Unterkünften absteigenden Binnentouristen steigt.
Das Modell von Schlenke und Stewig eignet sich also, gerade durch den informellen Charakter des endogenen Tourismus in weniger entwickelten Ländern und dessen schwieriger Erhebung, nur sehr bedingt, um von der touristischen Nachfrage den Stand der Industrialisierung ableiten zu können. Auch muss bemängelt werden, dass die Individualitäten einzelner Länder sowie politische Einflussgrößen keinen entsprechenden Niederschlag finden und keine Aussagen über die Tourismusformen getroffen werden.
3 Reisemotive der Binnentouristen im Wandel der Zeit
Wie auch die Gesellschaft in ihren sozialen und wirtschaftlichen Dimensionen einem zeitlichen Wandel unterworfen ist, so haben sich auch im Tourismus und Reiseverkehr die Beweggründe, im wahrsten Sinne des Wortes, und Motivationen geändert und diversifiziert. Eine global geltende Charakteristik dieser Entwicklung ist nicht möglich, da sie von verschiedenen Parametern wie Religion oder der Einbindung in den internationalen Tourismus beeinflusst wird und sich auch traditionelle Formen des Reisens, die sich je nach untersuchter Region stark unterscheiden können, in der heutigen Ausprägung des Fremdenverkehrs in Entwicklungsländern noch niederschlagen. Dennoch soll versucht werden, die Grundtendenzen der Veränderung der Reisemotivationen in Anlehnung an das Wirtschaftsstufenmodell von W.W. Rostow grob zu beschreiben (vgl. Vorlaufer 1996, S. 48ff.), obgleich dieses Modell mit der Zuordnung gewisser Tourismusarten suggeriert, es handle sich um einen linearen, kontinuierlichen Prozess der Weiterentwicklung, was natürlich der Realität widerspricht. Vielmehr können auch mehrere Erholungsarten im Sinne der „Gleichzeitigkeit der Ungleichzeitigkeit“ (Vorlaufer 1996, S. 48) nebeneinander existieren, d.h. auch der Umkehrschluss verspricht nicht immer Eindeutigkeit.
Tab. 2 Die Entwicklung des Binnentourismus in Entwicklungsländern im Kontext des Wirtschaftstufenmodells von W.W. Rostow (1960)
(Quelle: leicht verändert nach Vorlaufer 1996, S. 49)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.1 Religions- und Pilgertourismus
Sicherlich eine der ältesten Formen des Reisens stellt der Religionstourismus dar, „jene Tourismusart, bei der die Teilnehmer auf ihrer Reise und während ihres Aufenthaltes am Zielort ausschließlich oder stark religiös motiviert sind“ (Rinschede 1990, S. 14). In vielen Entwicklungsländern gehört er zu den wichtigsten Formen des Tourismus, war er doch früher für viele Bevölkerungsschichten die einzige Möglichkeit, die Heimatregion zu verlassen (Rinschede 1999, S. 197, 220). Der Besuch von Pilger- und Wallfahrtsorten spielt vor allem für die traditionelle Gesellschaft eine dominante Rolle (Vorlaufer 1996, S. 48ff.). Bezüglich des Binnentourismus ist das religiös motivierte Reisen freilich nur interessant, wenn es im Land selbst stattfindet; hier gibt es jedoch bezüglich des Umfangs zum Teil beträchtliche Unterschiede: im traditionell durch Primärreligionen geprägten subsaharischen Afrika spielt der Religionstourismus mit Sicherheit, wenn überhaupt vorhanden, eine wesentlich geringere Rolle als in flächenmäßig großen Entwicklungsländern vornehmlich buddhistischer (Thailand), hinduistischer (Indien), muslimischer (Saudi-Arabien, Iran, Afghanistan) oder christlicher (Brasilien) Religion (Rinschede 1990, S. 16, 1999, S. 206; Ghimire 2001, S. 10; Grötzbach 1981b, S. 167).
Eine Sonderposition im Aufkommen des religiösen Binnentourismus nehmen sicherlich die Länder Indien und China ein. Vor allem in Indien ist diese Form des Tourismus sehr ausgeprägt, da der Hinduismus, die vorherrschende Religion, fast ausschließlich hier vorkommt und daher auch alle Pilgerzentren (z.B. Badrinath, Prayaga, Varanasi) und heiligen Orte (Ganges) in Indien liegen (vgl. Abb. 1). Neben den kontinuierlichen Pilgerströmen kommt es zu bestimmten religiösen Festen im Abstand mehrerer Jahre zu Besucherzahlen, die eine zweistellige Millionenhöhe erreichen (bis zu drei Millionen Menschen bei der alle drei Jahre stattfindenden Khumb Mela), infrastrukturell jedoch relativ wenig bedeutsam sind, da oft einfache Reisemittel und Unterkünfte bevorzugt werden (Kamp 1995, S. 142; Rinschede 1999, S. 208f.; Bender 1993, S. 130).
[...]
- Arbeit zitieren
- Christoph Schmidt (Autor:in), 2006, Binnentourismus in Entwicklungsländern - Marginale Größe oder kommender touristischer Markt?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/76023
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