Die folgende Interpretation hebt sich von den geschilderten bisherigen Forschungsergebnissen ab, als sie weder eine Verherrlichung des bürgerlich-nationalen Inhalts der „Glocke“ noch eine allzu kritische Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Gestaltung des Gedichts sein möchte.
Sie möchte vielmehr aufzeigen, dass „Das Lied von der Glocke“ auch noch im 21. Jahrhundert eine nicht zu verachtende Botschaft für jeden einzelnen Rezipienten enthalten kann, falls dieser gewillt ist, die Botschaft anzunehmen. Denn die „gute[n] Reden“ (11) begleiten die Arbeit an der Glocke ja nicht umsonst. Schon Schiller selbst schrieb am 22.9.1797 an Goethe, dass dieses Gedicht „wirklich keine kleine Aufgabe“ sei und seine „wahre Reife“ erst durch das längere Herumtragen des Gegenstandes erhalte3 Dadurch wird deutlich, dass Schiller seine dichterische Aufgabe in Bezug auf die „Glocke“ nicht nur in der bloßen Produktion eines guten „Zunftliedes“, sondern auch in der ausführlichen Ausgestaltung der begleitenden Reden sah. Durch diese Reden erhielt das „Lied von der Glocke“ jenen Zeit- und Gesellschaftsbezug, der es zu einem „Preislied auf bürgerliche Tugenden“ machte.
Der Schwerpunkt der Interpretation soll – dem Thema der Arbeit entsprechend – auf der Passage liegen, die von der Eheschließung und dem darauf folgenden Familienleben handelt (58-143). Es soll untersucht werden, wie dieser Abschnitt, der ja zu den oftmals kritisierten Kommentierungen, die der „Volkserzieher Schiller“ in sein ursprüngliches „Glockengießerlied“ einbaute, inhaltlich und strukturell aufgebaut ist. Schließlich schreibt auch Norbert Oellers, dass die Auseinandersetzung mit der Form des Gedichts „Das Lied von der Glocke“ oftmals zu kurz komme.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Interpretation der „Familienpassage“ (V. 58-143)
3. Das Mannes- bzw. Frauenbild in dem Gedicht „Würde der Frauen“ im Vergleich zu demjenigen im „Lied von der Glocke“
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Bei der Beschäftigung mit dem 1799 entstandenen Gedicht „Das Lied von der Glocke“ von Friedrich Schiller finden sich viele potentielle Ansatzpunkte für eine Interpretation. Trotzdem gibt es nur wenig Sekundärliteratur, die dieses berühmte Werk der deutschen Literatur zum Gegenstand hat. Dies mag vielleicht an dem Aufbau und vor allem aber an dem Inhalt des Gedichtes liegen, der schon im frühen 19. Jahrhundert dafür sorgte, dass einige kritische Zeitgenossen – die Romantiker nämlich – vor Lachen fast vom Stuhl fielen, nachdem sie die „Glocke“ gelesen hatten.[1] Peter-André Alt nennt die 200-jährige Interpretationsgeschichte der „Glocke“ recht treffend eine „heikle Wirkungsgeschichte im Spannungsfeld von Verklärung und Verwerfung“[2]. Verklärt wurde das „Lied von der Glocke“ durch diejenigen, die es für ihre politischen – teilweise sehr reaktionären – Absichten und Ziele benutzten bzw. missbrauchten. Verworfen wurde es – nach der frühen, noch zeitgenössischen Kritik der Romantiker – von all den Generationen der Kritiker, die in der „Glocke“ lediglich die konservativen Sentenzen einer „bürgerliche[n] Hausvaterideologie“[3] fanden. Dies führte soweit, dass Hans Magnus Enzensberger die „Glocke“ in der Schiller-Ausgabe von 1966 für „festgemauert, aber entbehrlich“[4] hielt, denn Schiller sei schließlich keine bloße „Zitatgrube“[5] und noch dazu sei das „Lied von der Glocke“ kein gutes Gedicht, da die vielen Kommentare das eigentliche Glockengießerlied ausufern ließen.[6] Dass Enzensberger durchaus auch ein Anhänger Schiller’scher Dichtung ist, hat Reinhold Grimm in seinem Beitrag „Festgemauert und noch nicht entbehrlich“ nachgewiesen.[7]
Die folgende Interpretation hebt sich insofern von den geschilderten bisherigen Forschungsergebnissen ab, als sie weder eine Verherrlichung des bürgerlich-nationalen Inhalts der „Glocke“ noch eine allzu kritische Auseinandersetzung mit der inhaltlichen Gestaltung des Gedichts sein möchte.
Sie möchte vielmehr aufzeigen, dass „Das Lied von der Glocke“ auch noch im 21. Jahrhundert eine nicht zu verachtende Botschaft für jeden einzelnen Rezipienten enthalten kann, falls dieser gewillt ist, die Botschaft anzunehmen. Denn die „gute[n] Reden“[8] (11) begleiten die Arbeit an der Glocke ja nicht umsonst. Schon Schiller selbst schrieb am 22.9.1797 an Goethe, dass dieses Gedicht „wirklich keine kleine Aufgabe“ sei und seine „wahre Reife“[9] erst durch das längere Herumtragen des Gegenstandes erhalte.[10] Dadurch wird deutlich, dass Schiller seine dichterische Aufgabe in Bezug auf die „Glocke“ nicht nur in der bloßen Produktion eines guten „Zunftliedes“, sondern auch in der ausführlichen Ausgestaltung der begleitenden Reden sah. Durch diese Reden erhielt das „Lied von der Glocke“ jenen Zeit- und Gesellschaftsbezug, der es zu einem „Preislied auf bürgerliche Tugenden“[11] machte.
Der Schwerpunkt der Interpretation soll – dem Thema der Arbeit entsprechend – auf der Passage liegen, die von der Eheschließung und dem darauf folgenden Familienleben handelt (58-143). Es soll untersucht werden, wie dieser Abschnitt, der ja zu den oftmals kritisierten Kommentierungen, die der „Volkserzieher Schiller“[12] in sein ursprüngliches „Glockengießerlied“[13] einbaute, inhaltlich und strukturell aufgebaut ist. Schließlich schreibt auch Norbert Oellers, dass die Auseinandersetzung mit der Form des Gedichts „Das Lied von der Glocke“ oftmals zu kurz komme.[14]
Eine wichtige Fragestellung bei der Interpretation wird sein, inwiefern Schillers pietistische Kindheitsprägung in die inhaltliche Ausgestaltung dieser „Familienpassage“ eingeflossen ist. Denn gerade diese moralischen Wertvorstellungen bezüglich des Ehe- und Familienlebens ließen das „Lied von der Glocke“ in diversen Kritiken als „philiströs“[15] erscheinen.
Abschließend soll das vier Jahre vor der „Glocke“ entstandene Gedicht „Würde der Frauen“ vergleichend und in Bezug auf die vorausgegangene Interpretation ergänzend herangezogen werden.
[...]
[1] Vgl. Alt, Peter-André: Schiller. Leben – Werk – Zeit. Band 2. München 2000. S.301.
[2] Ebd..
[3] Ebd..
[4] So lautete die Überschrift seiner Stellungnahme zu der harschen Kritik, die er wegen seiner Streichung der „Glocke“ in der von ihm redigierten Ausgabe des Insel-Verlages bekommen hatte. Diese Stellungnahme wurde in der „DIE ZEIT“-Ausgabe Nr. 44 vom 28.10.1966 veröffentlicht.
[5] Zit. nach: Berghahn, Klaus: Der Deutschen liebstes Lied. In: Interpretationen. Gedichte von Friedrich Schiller. Hrsg. von Norbert Oellers. Stuttgart 1996. S.269.
[6] Vgl. ebd.. S.268.
[7] Vgl. Grimm, Reinhold: Festgemauert und noch nicht entbehrlich. Enzensberger als Erbe Schillers. In: Wittkowski, W. (Hrsg.): Friedrich Schiller. Kunst, Humanität und Politik in der späten Aufklärung. Ein Symposium. Tübingen 1982. S.310-328.
[8] Schiller, Friedrich: Das Lied von der Glocke. In: Schiller, F.: Gedichte. Hrsg. von Norbert Oellers. Stuttgart 1999. S.67-79. Alle weiteren Zitate aus dem „Lied von der Glocke“ werden als Versangaben in Klammern im laufenden Text nachgewiesen.
[9] Lecke, Bodo (Hrsg.): Friedrich Schiller. Von 1795-1805. Band 2. In: Dichter über ihre Dichtungen. Hrsg. von Rudolf Hirsch und Werner Vordtriede. München 1970. S.205.
[10] Vgl. ebd..
[11] Oellers, Norbert: Schiller. Elend der Geschichte, Glanz der Kunst. Stuttgart ²2005. S.379.
[12] Berghahn, K.: Der Deutschen liebstes Lied. S.273.
[13] Ebd..
[14] Vgl. Oellers, N.: Schiller. S.379.
[15] Berghahn, K.: Der Deutschen liebstes Lied. S.274.
- Arbeit zitieren
- Fokko Peters (Autor:in), 2006, "Ob sich das Herz zum Herzen findet". Das Ehe- und Familienbild in "Lied von der Glocke" von Friedrich Schiller, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75945
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