Bei der Auswahl der Referatsthemen, über das Verhältnis von regnum und sacerdotium im Mittelalter, fiel mir das Sonne-Mondgleichnis auf, weil ich damit ein jüdisches Märchen in Zusammenhang brachte, dass ich aus meinen Kindheitstagen kannte und in positiver Erinnerung behalten hatte. Dieses Märchen handelt davon, dass am Anfang der Schöpfung Sonne und Mond gleich groß gewesen wären und friedlich nebeneinander koexistiert hätten. Doch eines Tages sei dem Mond der Gedanke gekommen, größer sein zu wollen als die Sonne und so ging der Mond zu Gott um ihm seine Gedanken zu erläutern. Gott hörte geduldig zu und sagte, er werde etwas ändern und wandelte das sonnenhafte Aussehen des Mondes in das mondhafte Aussehen, das wir heute noch kennen. Da war der Mond sehr erzürnt und eilte zu Gott, um sich zu beschweren: ‚Du hast mir versprochen mich größer zu machen als die Sonne. Nun hast Du mich kleiner und kälter gemacht und auch das Licht erhalte ich nun von der Sonne!’ Doch Gott antwortete: ‚Beruhige dich, du bist viel größer geworden als du denkst, denn nach dir werden sich die Weltmeere richten und die Menschheit wird ihren Kalender nach dir planen.’ Da war der Mond zufrieden.1
Dieses Märchen beschrieb das jüdisch-theologische Wissen, dass augenscheinliche Größe täuschen kann. Doch dieses Wissen, dass der Mond eine innere Größe hat, die die äußerliche Größe der Sonne überragt, ging in der Kirche des Mittelalters und im besonderen in der Frage des Machtverhältnisses zwischen Papst und Kaiser bald verloren, und dies obwohl früh kirchliches Quellen die Kirche noch mit dem Mond vergleichen, die ihren Glanz von Gott empfängt.2 Spätestens seitdem die Kirche einen politischen Machtfaktor darstellte, war dieser Vergleich nicht mehr haltbar, weil es nun nicht mehr um ein theologisches Gleichnis ging, sondern um politischen Machterhalt, mittels einer weit hergeholten theologischen Begründung. So musste, nach kirchlicher Ansicht, um den weltlichen Einfluss der Kirche zu gewährleisten, die Sonne die Kirche darstellen und der Mond den Kaiser.
Im Folgenden werde ich der Geschichte und den verschiedenen Interpretationen des Sonne-Mond-Gleichnisses im Mittelalter nachgehen und diese in den jeweiligen zeitlichen Kontext einordnen.
1 Vgl. Heda Janson (Hrg.), Märchen aus Israel, S. 6.
2 Vgl. Hugo Rahner, Symbole der Kirche, S.98-173.
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Herkunft und Geschichte des Sonne-Mond-Gleichnisses
- Päpstliche Inanspruchnahme des Gleichnisses
- Weltliche Verwendung des Gleichnisses
- Schlussbemerkung
- Quellen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit dem Sonne-Mond-Gleichnis als Metapher für das Verhältnis von Papst und Kaiser im Mittelalter. Der Autor verfolgt die Geschichte des Gleichnisses, analysiert seine verschiedenen Interpretationen und ordnet diese in den jeweiligen zeitlichen Kontext ein.
- Die Entstehung des Sonne-Mond-Gleichnisses im Kontext der Kosmokreatorsymbolik
- Die päpstliche Inanspruchnahme des Gleichnisses zur Begründung des Primats der geistlichen Gewalt
- Die weltliche Verwendung des Gleichnisses zur Verteidigung der kaiserlichen Rechte
- Die Entwicklung der Argumentationslinien und die verschiedenen Auslegungen des Gleichnisses
- Die Bedeutung des Sonne-Mond-Gleichnisses als Spiegelbild der politischen Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum
Zusammenfassung der Kapitel
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Das Vorwort stellt den Ausgangspunkt der Arbeit dar und erläutert die Motivation des Autors, sich mit dem Sonne-Mond-Gleichnis auseinanderzusetzen. Es wird ein jüdisches Märchen erwähnt, das die Idee der inneren Größe, die die äußerliche Größe übertrifft, verdeutlicht. Dieses Märchen wird als Kontrast zur mittelalterlichen Verwendung des Gleichnisses gesetzt, die eher auf die politische Macht als auf die theologische Bedeutung fokussierte.
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Das zweite Kapitel befasst sich mit der Herkunft und Geschichte des Sonne-Mond-Gleichnisses. Es wird gezeigt, dass Sonne und Mond schon in den frühen Hochkulturen des Orients als Symbole göttlicher Macht und Herrschaftslegitimation dienten. Die Verwendung dieser Symbole durch Könige und Herrscher wird anhand von Beispielen aus der Antike und dem Mittelalter veranschaulicht.
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Das dritte Kapitel widmet sich der päpstlichen Inanspruchnahme des Sonne-Mond-Gleichnisses. Es wird dargestellt, wie Päpste das Gleichnis im Laufe des Mittelalters nutzten, um ihre weltliche Macht und den Primat der geistlichen Gewalt gegenüber dem Kaiser zu rechtfertigen. Der Autor analysiert die Argumentationslinien verschiedener Päpste, von Nikolaus I. bis Bonifaz VIII., und zeigt, wie die Interpretation des Gleichnisses im Laufe der Zeit immer radikaler wurde.
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Das vierte Kapitel beleuchtet die weltliche Verwendung des Sonne-Mond-Gleichnisses. Der Autor zeigt, wie weltliche Herrscher und Schriftgelehrte das Gleichnis zur Verteidigung der kaiserlichen Rechte und zur Widerlegung der päpstlichen Ansprüche einsetzten. Die Argumentationslinien von Kaiser Friedrich II. und Dante Alighieri, die das Gleichnis auf ihre eigene Art und Weise interpretierten, werden im Detail analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen das Verhältnis von regnum und sacerdotium, das Sonne-Mond-Gleichnis, die päpstliche und kaiserliche Macht, die politische Auslegung von religiösen Symbolen, die Geschichte des Mittelalters, die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum, die Geschichte der politischen Theologie und die Entwicklung von Herrschaftslegitimation im Mittelalter.
- Quote paper
- Joseph Badde (Author), 2002, Das Sonne-und-Mond-Gleichnis: Über das Verhältnis zwischen Papst und Kaiser im Mittelalter, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7588
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