1 Einleitung
Der ethische Intuitionismus bezeichnet eine Klasse im einzelnen voneinander abweichender erkenntnistheoretischer Auffassungen, nach denen Moralurteilen und -prinzipien objektive moralische Eigenschaften zugrunde liegen. Diese können wir unmittelbar zur Kenntnis nehmen.
Im 18. Jahrhundert herrscht die Lehre vom moral sense vor, nach der es ein inneres Organ zur Wahrnehmung moralischer Eigenschaften einer Handlung gibt. Diese löst in Abhängigkeit ihrer sittlichen Qualität eine Empfindung der Lust oder Unlust aus, die das moralische Urteil leitet und das Motiv für weiteres Handeln darstellt.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfährt der britische Intuitionismus eine Erneuerung, die sich vor allem gegen die empiristische Begründung1 des Utilitarismus2 wendet. Im deutschen Sprachraum entwickelt Franz Brentano mit Hilfe deskriptiver psychologischer Methoden eine Wertethik, bei der utilitaristische Rücksichten maßgebend sind. Nach Brentano gibt es drei Klassen psychischer Phänomene: Vorstellungen, Urteile und Gemütsbewegungen. Urteile kennzeichnen Akte des Bejahens bzw. Verneinens eines Vorstellungsinhalts. Gemütsbewegungen werden in Analogie zu den Urteilsakten gesehen; sie sind entweder bejahend (Liebe) oder verneinend (Hass) und sie sind richtig oder unrichtig. Demgemäss ist die Liebe richtig, wenn sie einem Gegenstand gilt, der es wert ist, geliebt zu werden. Diese Vorgehensweise ermöglicht Brentano, die Ethik parallel zur Logik zu konzipieren.
Von Brentano stark beeinflusst, knüpft auch G. E. Moore an die normativen Grundüberzeugungen des Utilitarismus an. Die wesentliche Intention Moores ist, die Grundfragen der Ethik zu beantworten:
1. Was bedeutet gut?
2. Welche Dinge sind gut an sich?
3. Welche Handlungen als Mittel zum Guten sollen wir tun?
[...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- FRANZ BRENTANO - Intuition als Ursprung sittlicher Erkenntnis
- Die Intention der Ethik
- Der Ursprung des Guten und des Wahren
- Moralische Entscheidungskriterien
- Das oberste Sittengesetz
- Sekundäre moralische Regeln
- G. E. MOORE - Die Prinzipien der Ethik
- Der naturalistische Fehlschluss
- Welche Dinge sind gut an sich?
- Was sollen wir tun?
- Welche Dinge sind gut als Mittel?
- Die Regeln des Common sense
- W. D. ROSS - Intuition als moralisches Risiko
- Der Konflikt der Pflichten
- Prima facie Pflichten
- Die Rolle der Reflexion
- ROBERT AUDI - Intuitionismus als Form des Reflexionismus
- Der ethische Intuitionismus nach ROSS
- Systematisierung der Intuitionen
- Zwei Arten von Selbstevidenz
- Zwei Arten von Rechtfertigung
- Ethischer Reflexionismus
- Schlussbetrachtungen
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den ethischen Intuitionismus, eine erkenntnistheoretische Position, die besagt, dass moralische Urteile und Prinzipien auf objektiven moralischen Eigenschaften beruhen, die wir unmittelbar erkennen können. Der Text beleuchtet die Ansichten von verschiedenen Philosophen, die den Intuitionismus vertreten, wie Franz Brentano, G. E. Moore, W. D. Ross und Robert Audi.
- Die Intention der Ethik und die Frage nach dem Ursprung sittlicher Erkenntnis
- Der Begriff des Guten und die Unterscheidung zwischen gut an sich und gut als Mittel
- Der Konflikt der Pflichten und die Bedeutung von prima facie Pflichten
- Die Rolle der Reflexion in der ethischen Erkenntnis
- Der ethische Reflexionismus als Methode zur Rechtfertigung moralischer Urteile
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel führt in die Thematik des ethischen Intuitionismus ein und stellt die Grundgedanken der einzelnen Autoren vor. Franz Brentano argumentiert, dass wir durch innere Überzeugung, quasi intuitiv, zu der Erkenntnis gelangen, dass bestimmte sittliche Handlungen richtig sind. Die Intention der Ethik liegt nach Brentano in der Bestimmung der letzten Zwecke, nach denen sich unser Handeln richten soll. In Kapitel 2 werden die Ansichten von G. E. Moore beleuchtet. Moore betont, dass "gut" eine einfache, nicht analysierbare Qualität ist und nicht definiert werden kann. Er hält bestimmte Grundprinzipien der Ethik für evident, die wir durch Intuitionen erfassen. Moore unterscheidet zwischen gut an sich und gut als Mittel und plädiert für die Anwendung der Regeln des Common sense als Entscheidungskriterien in ethischen Situationen. In Kapitel 3 wird die Position von W. D. Ross vorgestellt. Ross vertritt eine deontologische Ethik, die besagt, dass wir Handlungen nicht aufgrund ihrer Folgen, sondern aufgrund von grundlegenden moralischen Überzeugungen für richtig halten. Er führt den Begriff der prima facie Pflichten ein, die in bestimmten Situationen in Konflikt geraten können. Jede Entscheidung bleibt somit ein moralisches Risiko. Kapitel 4 befasst sich mit der Erweiterung von Ross' Konzeption durch Robert Audi. Audi argumentiert, dass Intuitionen durch Reflexion gerechtfertigt werden können und dass der ethische Reflexionismus die Überzeugungskraft des Intuitionismus gegenüber anderen Positionen der ethischen Erkenntnistheorie stärkt. Er unterscheidet zwischen zwei Arten von Selbstevidenz und Rechtfertigung.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den ethischen Intuitionismus, die moralische Erkenntnis, die Intention der Ethik, das Gute, die prima facie Pflichten, den Konflikt der Pflichten, die Rolle der Reflexion, den ethischen Reflexionismus, den naturalistischen Fehlschluss, Selbstevidenz, Dogmatismus und Relativismus.
- Quote paper
- Nina Strehle (Author), 2002, Die historische Entwicklung des ethischen Intuitionismus im 20. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7577
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