In den westlichen Industriestaaten ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein gesellschaftlicher Wandlungsprozess zu beobachten. In diesem Prozess haben sich Lebenslagen und Biographiemuster der Menschen geändert. Angesichts einer Pluralisierung und Individualisierung der Lebensverhältnisse hat sich das Leben verkompliziert. Es sind daher Hilfen zur Bewältigung der Normalität nötig, die von der Sozialpädagogik übernommen werden. Somit ist im letzten Jahrhundert ein steigender Bedarf an fachlich geschultem pädagogischem Personal entstanden. Eine Vielfältigkeit sozialpädagogischen Arbeitens hat sich entwickelt. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 25)
In dieser Arbeit sollen der Wandel der Gesellschaft und die damit verbundenen neuen Aufgaben der Sozialpädagogik genauer untersucht werden. Der Wandel der Gesellschaft wird mit Hilfe der Theorie der ‚Risikogesellschaft’ des Soziologen Ulrich Beck betrachtet. Beck entwickelte seine These von der Risikogesellschaft in den 80er Jahren und erreichte damit große Beachtung. Vor allem in der deutschen Soziologie sowie in den Medien stieß er mit seinen beiden Bänden zur Risikogesellschaft auf eine breite Resonanz. Seine darin enthaltenen Thesen zur Individualisierung konnten an gesellschaftstheoretische Debatten und auch an Forschungen zu verschiedenen individuellen Lebens- und Erfahrungsbereichen anschließen. (vgl. Ebers 1995, S. 261)
Seine Untersuchungen analysieren Wandlungsprozesse, die in den letzten Jahrzehnten in unseren Gesellschaften zu beobachten waren. So hat nach seinem Verständnis ein gesellschaftlicher Entwicklungssprung in dieser Zeit zu einer veränderten Gesellschaftsformation geführt. (vgl. Ebers 1995, S. 269) Die moderne Gesellschaft ist immer stärker neuen Modernisierungsrisiken ausgesetzt. Gerade in der Sozialpädagogik stellt sich daher die Frage, wie die Gesellschaft und ihre Mitglieder ihr soziales Leben als risikobelastet interpretiert. (vgl. Winkler 1992, S. 62) Ebenso sind die Sozialen Dienste mit dem Projekt der Moderne verknüpft und gleichzeitig in ihren Formen öffentlicher und verberuftlicher Organisationen selbst ein Produkt der Moderne. Durch diese Kopplung der sozialen Arbeit an die Moderne ist sie gleichzeitig auch von deren Entwicklung und Zukunft abhängig. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 25) Da gerade Sozialpädagogik und Sozialarbeit in der Spannung von Individuum und Gesellschaft angesiedelt sind, verfügt Becks zeitdiagnostische Individualisierungsthese für die Soziale Arbeit über eine zentrale Bedeutung. Welche Rolle nun die Soziale Arbeit und die Erziehung in der Risikogesellschaft einnimmt und welcher Zusammenhang zu der These der Individualisierung besteht, soll diese Arbeit darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Individualisierte Risikogesellschaft
2.1 Von der klassischen Industriegesellschaft zur Risikogesellschaft
2.2 Dimensionen der Risikogesellschaft
2.2.1. Die Entgrenzung von Wissenschaft und Technik
2.2.2. Die Freisetzung aus traditionellen Lebenslagen
2.3. Individualisierung
2.3.1. Der Begriff der Individualisierung
2.3.2.Individualisierung und Lebenslauf
3. Soziale Arbeit in der industriellen Risikogesellschaft
3.1. Die Rolle der Sozialen Arbeit
3.2. Die Folgen für die Soziale Arbeit
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In den westlichen Industriestaaten ist seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ein gesellschaftlicher Wandlungsprozess zu beobachten. In diesem Prozess haben sich Lebenslagen und Biographiemuster der Menschen geändert. Angesichts einer Pluralisierung und Individualisierung der Lebensverhältnisse hat sich das Leben verkompliziert. Es sind daher Hilfen zur Bewältigung der Normalität nötig, die von der Sozialpädagogik übernommen werden. Somit ist im letzten Jahrhundert ein steigender Bedarf an fachlich geschultem pädagogischem Personal entstanden. Eine Vielfältigkeit sozialpädagogischen Arbeitens hat sich entwickelt. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 25)
In dieser Arbeit sollen der Wandel der Gesellschaft und die damit verbundenen neuen Aufgaben der Sozialpädagogik genauer untersucht werden. Der Wandel der Gesellschaft wird mit Hilfe der Theorie der ‚Risikogesellschaft’ des Soziologen Ulrich Beck betrachtet. Beck entwickelte seine These von der Risikogesellschaft in den 80er Jahren und erreichte damit große Beachtung. Vor allem in der deutschen Soziologie sowie in den Medien stieß er mit seinen beiden Bänden zur Risikogesellschaft auf eine breite Resonanz. Seine darin enthaltenen Thesen zur Individualisierung konnten an gesellschaftstheoretische Debatten und auch an Forschungen zu verschiedenen individuellen Lebens- und Erfahrungsbereichen anschließen. (vgl. Ebers 1995, S. 261)
Seine Untersuchungen analysieren Wandlungsprozesse, die in den letzten Jahrzehnten in unseren Gesellschaften zu beobachten waren. So hat nach seinem Verständnis ein gesellschaftlicher Entwicklungssprung in dieser Zeit zu einer veränderten Gesellschaftsformation geführt. (vgl. Ebers 1995, S. 269) Die moderne Gesellschaft ist immer stärker neuen Modernisierungsrisiken ausgesetzt. Gerade in der Sozialpädagogik stellt sich daher die Frage, wie die Gesellschaft und ihre Mitglieder ihr soziales Leben als risikobelastet interpretiert. (vgl. Winkler 1992, S. 62) Ebenso sind die Sozialen Dienste mit dem Projekt der Moderne verknüpft und gleichzeitig in ihren Formen öffentlicher und verberuftlicher Organisationen selbst ein Produkt der Moderne.
Durch diese Kopplung der sozialen Arbeit an die Moderne ist sie gleichzeitig auch von deren Entwicklung und Zukunft abhängig. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 25) Da gerade Sozialpädagogik und Sozialarbeit in der Spannung von Individuum und Gesellschaft angesiedelt sind, verfügt Becks zeitdiagnostische Individualisierungsthese für die Soziale Arbeit über eine zentrale Bedeutung. Welche Rolle nun die Soziale Arbeit und die Erziehung in der Risikogesellschaft einnimmt und welcher Zusammenhang zu der These der Individualisierung besteht, soll diese Arbeit darstellen.
2. Individualisierte Risikogesellschaft
2.1 Von der klassischen Industriegesellschaft zur Risikogesellschaft
Allgemein geht es in Becks Konzept der Risikogesellschaft um Wandlungsprozesse, die in den modernen westlichen Industriegesellschaften zu beobachten sind. Kennzeichnend für die neue gesellschaftliche Entwicklung ist nach Becks Meinung ein Übergang von der klassischen Industriegesellschaft zu einer industriellen Risikogesellschaft. Er geht davon aus, dass Moderne und Industriegesellschaft auseinander fallen und die Industriegesellschaft in ihren Grundrissen einer halbmodernen Gesellschaft gleicht. „Sie ist ihrem Grundriss nach eine halbmoderne Gesellschaft, deren eingebaute Gegenmoderne nichts Altes, Überliefertes ist, sondern industriegesellschaftliches Konstrukt und Produkt.“ (Beck 1986, S. 19)
Für Beck stellt die Moderne eine Aufhebung der Beschränkung durch die Geburt dar. Vielmehr ist der Positionszugang an die eigene Entscheidung und Leistung gekoppelt. (vgl. Beck 1986, S. 8) Dies ist in der klassischen Industriegesellschaft zwar schon angelegt, doch kommt die Universalisierung der Prämissen der Moderne erst im Zuge des Wandels zur Risikogesellschaft zustande.
Die Form der Industriegesellschaft stellt dabei aber nicht das Ende industrieförmig organisierter Gesellschaften dar. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 27) Vielmehr löst sich die Moderne aus den Konturen der klassischen Industriegesellschaft und lässt diese die neue Gestalt einer industriellen Risikogesellschaft annehmen. Diese Modernisierung der Industriegesellschaft versteht Beck als eine reflexive Modernisierung. (vgl. Beck 1986, S. 14) Die alten Prämissen der Industriegesellschaft wie z.B. Klassenzugehörigkeit, Erwerbsarbeit und Hausarbeit stehen nun selbst zur Disposition.
So wird mit der einfachen Modernisierung die Rationalisierung der Tradition und mit der reflexiven Modernisierung eine Rationalisierung dieser Rationalisierung bezeichnet. (vgl. Ebers 1995, S. 269)
Daher wird hier der Begriff der Modernisierung weder als Abgrenzung gegenüber Religion und Überlieferungen, noch als Befreiung aus den Zwängen der Natur verstanden. Vielmehr wird sich die Industriegesellschaft selbst zur Tradition. (vgl. Beck 1992, S. 185) „Ähnlich wie im 19. Jahrhundert Modernisierung die ständisch verknöcherte Agrargesellschaft aufgelöst und das Strukturbild der Industriegesellschaft herausgeschält hat, löst Modernisierung heute die Konturen der Industriegesellschaft auf, und in der Kontinuität der Moderne entsteht eine andere gesellschaftliche Gestalt.“ (Beck 1986, S. 14) In den Anfängen der Industriegesellschaft schloss sich beispielsweise das Proletariat zu Notgemeinschaften oder kollektiven Kampforganisationen zusammen, da die eigene Lebensexistenz stark bedroht war. Diese Existenzangst besteht heute nicht mehr. Als Folge des damaligen Klassenkampfes entstand unter anderem der moderne Sozialstaat, der einen Interessenausgleich zwischen Arbeit und Kapital herstellte. Durch die kollektiven Interessenorganisationen bildeten sich solidarische Formen der Absicherung von Lebensrisiken. Die materiellen Existenzsicherungen haben sich allerdings in den fortgeschrittenen Industrieländern in den letzten Jahrzehnten stark weiterentwickelt, so dass die Sicherung der eigenen Lebensexistenz nicht mehr an erster Stelle steht. Die sozialen und solidarischen Zusammenhänge verlieren somit an Bedeutung. Die kollektiven Formen gegenseitiger Unterstützung verschwinden. (vgl. Keupp 1992, S. 166)
Damit wird im Zuge der reflexiven Modernisierung alles was im Entwurf der klassischen Industriegesellschaft normal ist – soziale Klassen, Berufsarbeit, Kleinfamilie, Normalbiografie – brüchig und aufgehoben. Diese typischen industriegesellschaftlichen Schlüsselbegriffe geraten zunehmend in Widerspruch zu den sich immer mehr durchsetzenden Modernisierungslogiken der Industriegesellschaft. Durch z.B. Ansprüche an Flexibilität und Mobilität entstehen verstärkt individualisierte Konsumentenrollen und eine stärkere Marktorientierung. Die Verbindlichkeit geht verloren und neue Ungewissheiten entstehen. Somit erreicht auch die Risikoproduktion und Risikoverteilung eine neue Qualität. (vgl. Rauschenbach 1992, S. 28f.)
Für den Prozess der reflexiven Modernisierung werden als Gründe unter anderem der Ausbau des Sozialstaates nach dem 2. Weltkrieg, die Zunahme der weiblichen Erwerbstätigkeit und die gestiegene soziale und geographische Mobilität angeführt. (vgl. Ebers 1995, S. 271)
Auf die dadurch entstehende Ausdifferenzierung der industriegesellschaftlichen Schlüsselbegriffe, wie z.B. Klasse, Kleinfamilie, Beruf wird unter dem Kapitel Individualisierung genauer eingegangen.
2.2 Dimensionen der Risikogesellschaft
2.2.1. Die Entgrenzung von Wissenschaft und Technik
Unter dem Begriff der Risikogesellschaft versteht Beck eine Gesellschaft, die vor den Folgeproblemen der technisch-ökonomischen Entwicklung steht. „In der fortgeschrittenen Moderne geht die gesellschaftliche Produktion von Reichtum systematisch einher mit der gesellschaftlichen Produktion von Risiken. Entsprechend werden die Verteilungsprobleme und –konflikte der Mangelgesellschaft überlagert durch die Probleme und Konflikte, die aus der Produktion, Definition und Verteilung wissenschaftlich-technisch produzierter Risiken entstehen.“ (Beck 1986, S. 25)
In der nun neu entwickelten Risikogesellschaft herrschen spezifische Arten von Risiko vor. Die Risiken sind jetzt nicht mehr persönlicher Art, sondern entsprechen globaler Gefährdungslagen. Solche Risiken bzw. Großgefahren kommen vor allem aus den Bereichen der Atomenergie, Chemie, Ökologie und Humangenetik. Sie sind als implizite Konsequenzen der Industrialisierung entstanden. Ihre politischen und sozialen Konsequenzen sind andere als in der klassischen Industriegesellschaft, da sie sich weitgehend der sinnlichen Wahrnehmung entziehen. Heute sind die Risiken in der Sphäre der chemisch-physikalischen Formeln (Gifte, atomare Bedrohung) angesiedelt und haben in einer industriellen Überproduktion ihren Grund. Ihre Ursachen liegen daher in der Industriegesellschaft selbst und sind nicht mehr als natürliche, äußere Bedrohungen zu verstehen. Diese unsichtbaren Gefährdungslagen beschreibt Beck als Modernisierungsrisiken. „Die heutigen Risiken und Gefährdungen unterscheiden sich also wesentlich von den äußerlich oft ähnlichen des Mittelalters durch die Globalität ihrer Bedrohung (Mensch, Tier, Pflanze) und ihre modernen Ursachen. Es sind Modernisierungsrisiken. Sie sind pauschales Produkt der industriellen Fortschrittsmaschinerie und werden systematisch mit deren Weiterentwicklung verschärft.“ (Beck 1986, S. 29)
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- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2007, Soziale Arbeit in der industriellen Risikogesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75572
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