„Montagne I“, „II“ und „III“ sind Ausdruck persönlicher Empfindungen am Massiv des Mont Ventu und spiegeln diesen mächtigen Natureindruck auf Volker Steinbacher in Form von Stimmungslandschaften wider. Zugleich wird mit Hilfe der verschiedenen Strukturen und der intensiven Farblichkeit die sinnliche Wahrnehmung des Betrachters erweitert - durch die es Volker Steinbacher gelingt, auch im Betrachter die den verschiedenen Zuständen innewohnende Sinnlichkeit spürbar werden zu lassen!
Landschaft ist für Volker Steinbacher Erlebniswelt und Inspirationsquelle zugleich.
In seinen „Neuen Arbeiten“ ist es daher auch die Landschaft, die sich großflächig als „Montagne I“, „...II“
und „...III“ auf dem schlicht weißen Bildträger ausdehnt – in Variation von rotglühender Lava oder in zu Schwarz erstarrtem Stein.
In diesen Ansichten werden jedoch nicht nur Ideenmomente des gegwärtigen Schaffensprozess verarbeitet, vielmehr beruft sich Steinbacher auch auf die Vergangenheit. Sein „Erlebnis des Äußeren und Inneren der Landschaft“ verbindet er mit Elementen der klassischen Landschaftsmalerei, die sich auf die Verarbeitung von Nicolas Poussins heroischer „Gewitterlandschaft mit Pyramus und Thisbe“ (Städel, Frankfurt) zurückführen läßt.
Die Struktur seiner Landschaften entsteht durch über- und nebeneinandergelagerte Sichtebenen, die an asiatische Scherenschnitte vorausgegangener Zeiten erinnern. Erkennbar werden horizontale Bildebenen der traditionellen Landschaftsbilder, die sich in ihrer Farbigkeit auch in Volker Steinbachers Werk vom vorderen in den hinteren Bildbereich aufhellen. Die Schichtung der Ebenen erfolgt zunehmend willkürlich und spontan und orientiert an der Gedankenwelt der Kubisten, die schon vor einem Jahrhundert die dreidimensionale Wirklichkeit auf zweidimensionalem Grund wiedererstehen lassen wollten.
Volker Steinbacher spricht auch in seinem großformatigen Landschaftsbildern von Gegensätzen - den Polen von Kälte und Wärme, von Erstarrung und Bewegung, der Assoziation von glühender Lava und schneebedeckten Berggipfeln.
Selbst im Werk laufen die frei gespritzen und zerrinnenden Farben der starren Ordnung der einzelnen papiers zuwider, finden neue Formen und stellen Zusammenhänge zu den größeren Farbflächen her.
Die verwendeten Farben sind stets ein Gemisch aus Braun, Grau, Weiß und Beige –
in seinen „Neuen Arbeiten“ tritt mit den Eindrücken seiner Reisen nach Mirabel/Südfrankrankreich die Lebendigkeit des Tages durch rotes Feuer und glühende Lava ans Licht. Auf dem nächsten Werk kehrt sich diese Entstehungsgeschichte um, es bleibt der Kontrast erstarrter Erde und die Assoziation mit Stille in mondbeschienener Nacht. Mit Hilfe der Farbe wird das Erlebte somit in einem reflexiven Moment zur Stimmungslandschaft transformiert. Bedeutungslos bleibt, ob das verwendete Papiermaterial bereits schon zur Belebung anderer Stimmungsmomente gedient hat. Vielmehr werden frühere Erlebnisse als gestische Zeichen in den Transformationsprozess miteinbezogen und dienen somit als wichtige Grundlage für die neue Idee.
Volker Steinbacher malt seine großformatigen Werke auf dem Boden, eine Errungenschaft seiner Zeit als Maler der städtischen Bühnen in Frankfurt und zugleich Ausdruck einer freien und ungezwungenen Malweise, die ein willkürliches Klecksen und Streuen zur Bild(er)findung erst ermöglicht.
Die Collage dient dem Künstler nicht nur zur Schichtung verschiedener Ebenen als Momentaufnahme. Sie selbst ist die vorläufige Manifestierung einzelner Fragmente zur Beseelung des Gesamtgefüges, die erst durch die richtige Plazierung im Zufallsmoment erfolgen kann. Hierbei steht Steinbacher zweifellos in der Tradition der Dadaisten, die die zufällige Plazierung des Realobjekts als vorgefertigte Kunst auf der Entstehenden bereits schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts propagierten.
Im Werkprozess ist die Veränderung stets inbegriffen und sogar beabsichtigt. Für den reinen Materialausdruck nimmt der Künstler von der traditionellen Malerei zur Verbindung und Fixierung der verschiedenen Partien zunehmend Abstand. Er klebt die gefundenen Papierstücke aber nicht im Sinne der „papiers collés“ von Pablo Picasso oder Georges Braque aneinander, um mit Bruchstücken der Alltagswelt eine nähere Wirklichkeit zu erzeugen, sondern legt seine Fundstücke nur lose neben- bzw. übereinander.
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- M.A. Martina Merten (Autor), 2000, Volker Steinbacher - Arbeiten und Konzepte, Papiergestaltung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/75488