Ein 15-jähriger Gymnasiast ersticht 1999 seine Lehrerin mit mehreren Messerstichen. Ein 16-jähriger Realschüler erschießt 2000 den Schulleiter seiner Schule, schießt sich danach selbst in den Kopf und liegt seitdem im Koma. 2002 tötet der Gymnasiast Robert Steinhäuser in Erfurt 16 Menschen, darunter ein Polizist, Schüler1 und Schulpersonal. Danach richtet er sich selbst.
Aufgrund dieser erschreckenden Taten wird vielerorts davon gesprochen, wir hätten in Deutschland bereits amerikanische Verhältnisse was die Jugendgewalt betrifft. Trotzdem spricht der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 2002 nach dem Amoklauf von Erfurt von einem schrecklichen, aber singulären Verbrechen.
Im November dieses Jahres gibt die Bundesregierung den Sicherheitsbericht 2006 heraus, in dem festgestellt wird, Deutschland ist eines der sichersten Länder, die Jugendgewalt nicht steigend und seit den 1990er Jahren ist ein zunehmendes Sicherheitsgefühl der deutschen Bürger zu beobachten.
Kurz nach Erscheinen dieses Berichtes, begeht Sebastian B. einen Amoklauf in Emsdetten, bei dem er mehrere Leute verletzt und schließlich sich selbst umbringt.
Immer, wenn die Gesellschaft durch derlei Verbrechen aufgerüttelt wird, folgen stets Debatten, um das Phänomen Jugendgewalt.
So zahlreich diese Debatten über Jugend und Gewalt sind, so zahlreich sind auch die Auffassungen darüber, was Gewalt und Aggression ist. Um klar zu machen, auf welche Definition sich in dieser Arbeit bezogen wird, wird zunächst eine Eruierung der beiden Begriffe vorgenommen.
Mit Hilfe von Thesen befasst sich die vorliegende Arbeit dann mit den Fragen, ob eher Jungen oder Mädchen gewaltbereit sind, ob es einen Unterschied zwischen der Gewaltbereitschaft von deutschen und nichtdeutschen Jugendlichen gibt und ob man von einem Anstieg der Jugendgewalt sprechen kann.
In den folgenden Thesen werden die Gründe herausgearbeitet, die Kinder und Jugendliche dazu veranlassen können, Gewalt anzuwenden.
Hurrelmann spricht sich in einem Zeitungsbericht dafür aus, dass jede Schule zwei bis drei spezialisierte Beratungslehrer haben sollte, damit schon eingegriffen werden kann, bevor es zu solch schrecklichen Vorfällen wie in Erfurt oder Emsdetten kommen kann. Daher befasst sich der abschließende Abschnitt der Arbeit mit Handlungskonzepten und Präventionsprogrammen, die in Elternhaus und Schule angewendet werden können, um Jugendgewalt entgegen zu wirken.
Inhaltsverzeichnis
1. Hinführung
2. Menschenhandel
2.1 Viktimisierung "gehandelter Frauen"
2.2 Restriktive Migrationspolitik zum Schutz der Opfer
3. Sans Papiers
3.1 Viktimisierung der Sans Papiers
3.2 Reduktion der Realitäten
4. Diskurse und ihre Folgen für Wahrnehmung und Praxis – ein Fazit
5. Bibliographie
1. Hinführung
„Das Ende des Kalten Krieges und das zurückgehende Wirtschaftswachstum in den reichen Ländern haben die Ausgangssituation der Migrationsbewegungen verändert. Millionen Menschen sehen aus den unterschiedlichsten Notlagen keinen anderen Ausweg als das Exil. [...] Gleichzeitig wächst in den reichsten Nationen die Ausländerfeindlichkeit, und man ist weniger denn je bereit, das „Elend dieser Welt“ bei sich aufzunehmen. Angesichts dieser Situation [hat] die Europäische Union Massnahmen ergriffen, die sie vor der angeblichen Gefährdung durch die zu ihnen strebenden Menschen schützen sollen.“ (Morice 2006: 50)
Die Zeit der europäischen Integration ist zugleich eine Zeit der Abgrenzung nach aussen. Während die Binnengrenzen an Bedeutung verlieren, werden die Aussengrenzen durch technologische Aufrüstung und zwischenstaatliche Zusammenarbeit verstärkt, was der Union die streitbare Bezeichnung der „Festung Europa“ eingebracht hat. Eben diesen Prozess der Ein- und Ausgrenzung spricht Morice an. Er identifiziert die neuen Voraussetzungen, unter denen Migration heute stattfindet. Im Kern verweist seine Aussage auf die Dichotomie „Europa“ und „Nicht-Europa“: Auf der einen Seite stehen die Migrantinnen und Migranten (die scheinbar alle „auf der Flucht“ sind), auf der anderen Seite die Europäische Union, welche die Grenzen reguliert und damit den genannten MigrantInnen den Zugang verwehrt.
Wie dieses Zitat zeigt, sind Beschreibungen sozialer Phänomene immer auch Schöpfungen der AutorInnen, da durch die Verwendung bestimmter Begriffe und die Art, wie diese angeordnet werden, das vermeintlich objektiv beschriebene Phänomen erst konstruiert wird. In dieser Arbeit möchte ich der Frage nachgehen, wie sich Diskurse strukturieren, die ihrem Anspruch nach für die Migrantinnen und Migranten Partei ergreifen. Auf dieser Basis soll anschliessend danach gefragt werden, welche Konsequenzen sich aus diesen Repräsentationen im Kontext der heutigen Migrationspolitik und -praxis ergeben. Ich werde diese beiden Fragen – nach Inhalt und Folgen der Diskurse – an den Beispielen des "Menschenhandels" und der "Sans Papiers" zu beantworten suchen. Ich bezeichne die untersuchten Diskurse als Menschenrechtsdiskurse, was insofern sinnvoll ist, als die Menschenrechte jeweils als Kernargument funktionieren. Damit soll auch versucht werden, die Wirkungsweise "der Menschenrechte" anhand konkreter Beispiele anschaulich zu machen und so zu zeigen, in welcher Weise die positive Konnotation dieses Konstruktes im Widerspruch steht mit den eigentlichen Implikationen der genannten Diskurse.
2. Menschenhandel
Die Repräsentation der als Menschenhandel bezeichneten Migration gehört zu den interessantesten Beispielen der Verflechtung von Diskurs und Praxis. Dass es sich hier um ein äusserst sensibles, emotional aufgeladenes Thema handelt, erschwert eine kritische Distanz zu den gängigen Repräsentationsformen.
„Der Handel mit Menschen in seinen unterschiedlichsten Formen (Organhandel, Frauen- und Kinderhandel, Sextourismus, Entführungen, Schleuserei usw.) ist die kriminelle Aktivität, die derzeit am schnellsten zunimmt. [...] Die IOM (International Organization for Migration) schätzt die Anzahl illegaler Migranten auf zwischen 20 und 40 Millionen. Mafios organisierte Schleuserbanden verdienen an ihnen zwischen 3 und 10 Milliarden US-Dollar.“ (Conesa 2006: 48)
Der Begriff des Menschen-handels verweist bereits auf die dominante Wahrnehmung dieses Phänomens: Ein Subjekt (MenschenhändlerIn) nimmt gegenüber einem Menschen (dem oder der Gehandelten) eine dominante Position ein, die es ermöglicht, ihn/sie als Ware gegen z.B. ökonomische Entschädigung an einen Abnehmer weiter zu reichen. Dieser Handel zeichnet sich auf struktureller Ebene aus durch seinen Organisationsgrad („Schleuserbanden“) und seine extralegale Natur („kriminelle Aktivität“); auf individueller Ebene durch die Passivität der Gehandelten.
2.1 Viktimisierung “gehandelter Frauen”
In gleicher Weise verstehen heute Akteure mit unterschiedlichsten Interessen den Menschenhandel als eine Täter-Opfer-Konstellation, die es entschieden zu bekämpfen gilt. Es scheint, als wären sich Nichtregierungsorganisationen, die EU, die Medien und zwischenstaatliche Organisationen wie die IOM in diesem Punkt für einmal einig. Diese klare Position wird in der Regel begründet durch Berufung auf die Menschenrechte, die durch den Handel mit Menschen verletzt werden.
Zwar kann diese Einmütigkeit als Hinweis auf den Machtgewinn des Menschenrechtsregimes (Sassen 1998) und den zunehmenden Einfluss der Zivilgesellschaft gedeutet werden. Andrijasevic (2006) zeigt jedoch auf, dass eine allzu optimistische Interpretation sich vor der Erkenntnis verschliesst, dass dieser beschützende Diskurs (zumindest) im Zusammenhang mit Menschenhandel als eine Ansammlung anti-emanzipatorischer Annahmen interpretiert werden kann.
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- Arbeit zitieren
- Magister Carolin Kuhn (Autor:in), 2006, Jugend und Gewalt - Ursachen, Handlungskonzepte und pädagogische Präventionsansätze, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74802
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