Das Land Siebenbürgen stellt in vielerlei Hinsicht eine besondere Region dar, denn dieser multiethnische Landeskreis bietet vom historischen, ethnographischen und künstlerischen Standpunkt eine besonders interessante Konfiguration. Das Karpatenbecken hat eine bewegte Geschichte. Die drei großen Nationalitätengruppen Siebenbürgens, die in dieses Arbeit Erwähnung finden sollen, stellen Rumänen, Ungarn und Deutsche dar. Natürlich haben neben diesen „großen“ Bevölkerungsgruppen zahlreiche andere Ethnien das heutige Gesicht des Landes mitgeprägt, so beispielsweise – ohne auf Vollständigkeit zu zielen – Juden, Roma und Sinti, Armenier oder Griechen. „Aus dem Zusammenwirken all dieser Nationalitäten entstand ein Kulturgebiet von bemerkenswertem Reichtum und von großer Mannigfaltigkeit, das mit keinem anderen Europas zu vergleichen ist.“ (Vasile DRĂGUŢ: Historische Denkmäler in Siebenbürgen aus der Perspektive der Restaurierungsarbeiten. In: Siebenbürgen als Beispiel Europäischen Kulturaustausches. Hrsg. von Paul PHILIPPI. Köln, Wien: Bühlau 1975. (= Siebenbürgisches Archiv. 12.), S. 19-26, hier S. 19 f., in der Folge zitiert als: DRĂGUŢ: Historische Denkmäler.)
Die vorliegende Arbeit wird kurz die ethnische Struktur Siebenbürgens nachzeichnen, soll dann einen Abriss über die Geschichte des Landes in der Zwischenkriegszeit bieten und sich letztlich in gegebenem Rahmen mit der Frage nach den drei größten und bedeutendsten Nationalitätengruppen der Region und deren Zusammenleben in genanntem Zeitraum auseinander setzen. Verweisen möchte ich darauf, dass das hier behandelte Thema nur sehr marginal dargestellt werden kann und weiters darauf, dass die wissenschaftliche Erforschung rumänischer Politik des 20. Jahrhunderts dahingehend bis in die Gegenwart auf zahlreiche Schwierigkeiten stößt, als dass es einerseits bis in die Gegenwart nur begrenzt die Möglichkeit gibt, bestimmte Archive zu konsultieren und andererseits aufgrund der Tatsache, dass die Literatur (aller drei großen Sprachgruppen) sowohl vom jeweilig vorherrschenden politischen Klima als auch von der Unmittelbarkeit des Geschehens beeinflusst war und ist.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die ethnische Struktur Siebenbürgens
3. Geschichte Siebenbürgens von 1918 bis 1941
a) Schicksalsjahr 1918: Anschluss Siebenbürgens an Rumänien
b) Siebenbürgen in den 20er und 30er Jahren
4. Die Nationalitäten Siebenbürgens von 1918 bis 1941
a) Die Rumänen: Von der nationalen Minderheit zum Staatsvolk
b) Die Ungarn: Von Mehr- zu Minderheitlern
c) Die Siebenbürger Sachsen
5. Verbindungen zwischen den Volksgruppen im Rumänien der Zwischenkriegszeit
a) Probleme zwischen den drei großen ethnischen Gruppen in Siebenbürgen
b) Das Cultura-Modell
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Das Land Siebenbürgen, Herzprovinz Rumäniens, stellt in vielerlei Hinsicht eine besondere Region dar, denn dieser multiethnische Landeskreis, im weiteren Sinn das innerkarpatische Rumänien – also auch die Maramuresch, das Kreischgebiet und das Banat – bietet vom historischen, ethnographischen und künstlerischen Standpunkt eine besonders interessante Konfiguration. Das Karpatenbecken hat eine bewegte Geschichte, war „Durchzugsland und auch Heimat wechselnder Volksstämme seit frühester Zeit – einige sind geblieben und in anderen Bevölkerungsgruppen aufgegangen, andere haben sich als ethnische Gruppen bis in die Gegenwart erhalten.“[1] Die drei großen Nationalitätengruppen Siebenbürgens, die in dieses Arbeit Erwähnung finden sollen, stellen Rumänen, Ungarn und Deutsche dar. Natürlich haben neben diesen „großen“ Bevölkerungsgruppen zahlreiche andere Ethnien das heutige Gesicht des Landes mitgeprägt, so beispielsweise – ohne auf Vollständigkeit zu zielen – Juden, Roma und Sinti, Armenier oder Griechen. „Aus dem Zusammenwirken all dieser Nationalitäten entstand ein Kulturgebiet von bemerkenswertem Reichtum und von großer Mannigfaltigkeit, das mit keinem anderen Europas zu vergleichen ist.“[2]
Die vorliegende Arbeit wird kurz die ethnische Struktur Siebenbürgens nachzeichnen, soll dann einen Abriss über die Geschichte des Landes in der Zwischenkriegszeit bieten und sich letztlich in gegebenem Rahmen mit der Frage nach den drei größten und bedeutendsten Nationalitätengruppen der Region und deren Zusammenleben in genanntem Zeitraum auseinander setzen. Verweisen möchte ich darauf, dass das hier behandelte Thema nur sehr marginal dargestellt werden kann und weiters darauf, dass die wissenschaftliche Erforschung rumänischer Politik des 20.Jahrhunderts dahingehend bis in die Gegenwart auf zahlreiche Schwierigkeiten stößt, als dass es einerseits bis in die Gegenwart nur begrenzt die Möglichkeit gibt, bestimmte Archive zu konsultieren und andererseits aufgrund der Tatsache, dass die Literatur (aller drei großen Sprachgruppen) sowohl vom jeweilig vorherrschenden politischen Klima als auch von der Unmittelbarkeit des Geschehens beeinflusst war und ist. „Die Entwicklung Rumäniens in der Zwischenkriegszeit im Allgemeinen und besonders die Minderheitenfrage hat eine reichhaltige und oft widersprüchliche historische Literatur hervorgebracht, die sich vor allem auf Siebenbürgen bezieht.“[3]
2. Die ethnische Struktur Siebenbürgens
Die Ansiedlung von Menschen im Siebenbürgischen Territorium, welches aufgrund seiner natürlichen Grenzen – es ist „in weitem Bogen […] von den Gebirgszügen der Karpaten umspannt“ – „deutlich von seinen Nachbargebieten getrennt“ ist, ist schon seit der älteren Steinzeit nachzuweisen.[4] Um das zweite Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung war das Gebiet „von indogermanischen Völkern besiedelt, vom 5. Jahrhundert an von den Agathyrsen, später von den Skythen, die wiederum durch das thrakogeto-dakische Staatsgebilde abgelöst wurden.“[5] Nachdem die seit spätestens 200 v. Chr. das Land besiedelnden Dakier um die erste Jahrhundertwende unserer Zeitrechnung in zwei aufeinander folgenden Feldzügen (105 bzw. 107n.Chr.) vom römischen Kaiser Trajan besiegt wurden, wurde das Land zur römischen Provinz Dacia umformiert. Diese römische Ostprovinz bestand bis in das Jahr 271, dann wurde das Territorium für lange Zeit Durchzugs- sowie Siedlungsgebiet unterschiedlichster Ethnien und Stammesverbände – als erstes wurde das Karpatenbecken nach dem Rückzug der römischen Legionen von den Goten besetzt, welche wiederum von den Hunnen verdrängt wurden. Weitere Volksgruppen, die das Gebiet des heutigen Siebenbürgen beherrschten, stellen die Gepiden und danach die Awaren dar.
Das erste staatsbildende Volk im Siebenbürger Becken waren die Magyaren – sie „schufen die Voraussetzungen für geregelte Verhältnisse und Stabilität in diesem Raum“.[6] Dieses finnisch-ugrische Volk wurde, nachdem es 955 von Otto dem Großen in der Schlacht auf dem Lechfeld bei Augsburg besiegt worden war, sesshaft. Bezüglich des Verlaufs der Landnahme durch die Ungarn in Siebenbürgen ist sich die Forschung noch uneinig, fest steht aber, dass die Magyaren schon zu Beginn des 10. Jahrhunderts in das Karpatenbecken vorstießen und dass sie dann im Laufe desselben Jahrhunderts anfingen, das Land etappenweise in Besitz zu nehmen.[7]
Im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts wurden erstmals Angehörige der deutschen Volksgruppe, die Siebenbürger Sachsen, von den damals dort herrschenden ungarischen Königen in Transsylvanien angesiedelt.[8] Diese Sachsen waren „das erste nichtmagyarische Element, das nach der ungarischen Landnahme im Südosten Siebenbürgens in geschlossenen Gebieten angesiedelt wurde“ und stellen „die älteste deutsche ethnische Gruppe Südosteuropas“ dar.[9]
Als die Sachsen in Siebenbürgen angesiedelt wurden, trafen sie auf die rumänische Landesbevölkerung – auch Walachen genannt. Ihre genaue Herkunft ist in der Forschung zwar immer noch umstritten, doch wird das Vorhandensein einer autochthonen rumänischen Bevölkerung in Siebenbürgen vor dem 13. Jahrhundert gemeinhin nicht angenommen, denn „historischen Urkunden zufolge begann erst Anfang des 13. Jahrhunderts nördlich der Donau, so auch auf dem Gebiet Siebenbürgens […] die erste Einwanderung der nomadisierenden Volksgruppe der Rumänen“, welche hier slawo-rumänische Dorfgemeinschaften bildeten.[10] Am Ende des Spätmittelalters war der Großteil der Siebenbürger Bevölkerung ungarischer, etwas mehr als ein Viertel rumänischer und etwas weniger als ein Viertel deutscher Muttersprache. Ab dem Ende des 14. Jahrhunderts kam es dann zu einer massiven rumänischen Zuwanderung, welche durch die ungarische Gesetzgebung gefördert wurde und dazu führte, dass „die rumänische Volksgruppe in Siebenbürgen um 1760 den 60%-en Anteil der Gesamtbevölkerung erreichte.“[11]
3. Geschichte Siebenbürgens von 1918 bis 1941
a) Schicksalsjahr 1918: Anschluss Siebenbürgens an Rumänien
Schon 1883 war die damalige Monarchie Rumänien mit Österreich-Ungarn und Deutschland ein Bündnis eingegangen, dennoch blieb das Land nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorerst neutral. Gemäß dem Historiker István Eördögh war sich der Staat „seiner bestimmenden Rolle im Balkanraum wohl bewusst“ und hatte längst erkannt, dass „die Möglichkeit zur Verwirklichung seiner imperialistischen Pläne an der Seite der Entente größer war“[12], weswegen es bald Verhandlungen mit der anderen Seite aufnahm. Am 17. August des Jahres 1916 trafen sich Regierungsdelegierte der Entente und der rumänische Ministerpräsident in Bukarest und schlossen ein geheimes politisch-militärisches Abkommen, welches Rumänien das Recht zubilligte, sich „als Gegenleistung für seinen Kriegseintritt gegen die Mittelmeermächte Gebiete und plurinationale Bevölkerung […] einzuverleiben“, nämlich die ungarischen Gebiete Siebenbürgen, die Bukovina und das Banat – jeweils von verschiedenen Nationalitäten besiedelt – sowie „etwa die Hälfte der ungarischen Tiefebene […] mit einer rein ungarischen Bevölkerung.“[13]
Nach Beendigung des Ersten Weltkrieges besiegelten dann 1919/1920 die Pariser Vorort-Verträge die Auflösung der Österreich-Ungarischen Monarchie und regelten die Neuverteilung der abgetrennten Ländereien. Schon am 1.Dezember 1918 hatte die rumänische Nationalversammlung – trotz magyarischen Protestes – den Anschluss Siebenbürgens an Rumänien proklamiert, welcher „im Friedensvertrag von Trianon (4. Juni 1920) von den Alliierten und Assoziierten Großmächten bekräftigt wurde“.[14] Durch diesen Friedensvertrag wurde Transsylvanien zur rumänischen Zentralprovinz. 1915 noch hatte die Fläche Rumäniens 137.092 km² betragen, auf welcher eine Bevölkerung von 7.867.311 Einwohnern lebte. Das Land wurde kaum von nationalen Minderheiten bewohnt. Nach dem Ersten Weltkrieg nun vergrößerte sich das Staatsgebiet auf Kosten Ungarns und Russlands auf 295.049km² (Stat. 1930). Einwohner zählte es jetzt 18.057.028 und davon 4 Millionen Angehörige anderer Nationalitäten – Großrumänien war entstanden.[15]
Besonders in Ostmitteleuropa „gerieten die Lebensbedingungen und Zielsetzungen der Völker […] in scharfen Gegensatz zueinander“, denn „Angehörige früherer Staatsnationen waren Bürger fremder Staaten und damit nationale Minderheiten geworden“ während sich „andere, die ehemals ethnische Minoritäten gebildet hatten, […] in den Stand von herrschenden Staatsnationen versetzt“ sahen.[16] In der Zwischenkriegszeit und auch nachher war das „Hauptstreben der rumänischen Innen und Außenpolitik […] die Zusammenhaltung dieser Gebiete von verschiedenen Kulturen, unterschiedlichem wirtschaftlichem Niveau, von verschiedenen Nationalen- und Religionsstrukturen.“[17]
[...]
[1] Annemie Schenk: Deutsche in Siebenbürgen. Ihre Geschichte und Kultur. München: C.H. Beck 1992, S. 17, in der Folge zitiert als: Schenk: Deutsche in Siebenbürgen.
[2] Vasile Drăguţ: Historische Denkmäler in Siebenbürgen aus der Perspektive der Restaurierungsarbeiten. In: Siebenbürgen als Beispiel Europäischen Kulturaustausches. Hrsg. von Paul Philippi. Köln, Wien: Bühlau 1975. (=Siebenbürgisches Archiv. 12.), S. 19-26, hier S. 19 f., in der Folge zitiert als: Drăguţ: Historische Denkmäler.
[3] Ioana Alexandra Negreanu (Hrsg.): Minorităţile naiţonale din România 1918-1925 / Die nationalen Minderheiten in Rumänien 1915-1925. Bukarest: ohne Verlag 1995, S.45, in der Folge zitiert als: Negreanu (Hrsg.): Minderheiten.
[4] Schenk: Deutsche in Siebenbürgen, S. 13.
[5] Elmer Illyés: Nationale Minderheiten in Rumänien. Siebenbürgen im Wandel, Wien: Braumüller 1981. (=Ethnos.23.), S. 3., in der Folge zitiert als: Illyés: Nationale Minderheiten.
[6] Illyés: Nationale Minderheiten, S. 3.
[7] Schenk: Deutsche in Siebenbürgen, S. 29f.
[8] Aus der Geschichte wissen wir nicht genau, woher diese Siedler genau gekommen sind, jedoch hat die Sprachwissenschaft „durch den Vergleich der Mundarten festgestellt, daß die Siebenbürger Sachsen ihren Ursprung vom deutschen Stamm der Mittelfranken herleiten und dass ihre Heimat, aus der sie ausgewandert sind, an den Ufern der Mosel […] sowie in den Eifeltälern des heutigen Luxemburg lag.“, vgl. Nicolae Iorga: Die Siebenbürger Sachsen. Wer sie sind und was sie wollen. Köln, Wien: Bühlau 1969. Aus dem Rumänischen übersetzt von Nikolaus Hubert. [Originaltitel: Ce sînt şi ce vor saşii din ardeal ], S. 17, in der Folge zitiert als: Iorga: Die Siebenbürger Sachsen.
[9] Illyés: Nationale Minderheiten, S. 7f.
[10] Ebda, S. 12.
[11] István Eördögh: Geschichte , Gründe und Voraussetzungen der rumänischen Expansion in Siebenbürgen (1916-1920). Keine weiteren Angaben, S. 13, in der Folge zitiert als: Eördögh: Rumänische Expansion.
[12] Eördögh: Rumänische Expansion, S. 34.
[13] Eördögh: Rumänischen Expansion, S.35f.
[14] Der Anschluss wurde in den so genannten Karlsburger Beschlüssen vom 1. Dezember 1918 in Gyulafehérvár/Alba-Iulia proklamiert und zwei Jahre darauf von den Alliierten anerkannt. Vgl. Illiés: Nationale Minderheiten, Vorwort.
[15] Richard Wagner, Helmut Frauendorfer (Hrsg): Der Sturz des Tyrannen. Rumänien und das Ende einer Diktatur. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1990. (= rororo aktuell. 12839.), S. 102.
[16] Illyés: Nationale Minderheiten, S. 79.
[17] Lázló Révész: Minderheitenschicksal im Nachfolgestaat der Donaumonarchie. Unter besonderer Berücksichtigung der magyarischen Minderheit. Wien: Braumüller 1990. (= Ethnos. 37.), S. 111, in der Folge zitiert als: Révész: Minderheitenschicksal.
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