Um das Leben, Wirken und Schaffen von Karl Friedrich Friesen soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Diese Aspekte sollen dabei im sozialen Kontext ihrer Zeit und ihrer zeitgenössischen Rezeption dargestellt werden. Die Betrachtung letzterer wird auf der Grundlage des von Schilling (2002) entworfenen Modells des patriotisch-wehrhaften Bürgerhelden stattfinden. Zusätzlich soll Friesens Bedeutung für Turnen, Leibesübungen und Sport verdeutlicht und diese auch im Verhältnis zu Jahn erörtert werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zur Biografie Friesens
3. Beziehung zu Jahn und Bedeutung für den Sport
4. Zur Situation des Bürgertums am Anfang des 19. Jahrhunderts
4.1 Bürgerliche Ideale und Werte
4.1.1 Das Verhältnis zur Armee
4.2 Die Verkörperung der Ideale und Werte: der patriotisch-wehrhafte Bürgerheld
5. Friesen als bürgerlicher Held der Befreiungskriege
6. Schlussbetrachtung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Von allen Menschen, die ich habe kennengelernt, ist Friesen der, welcher am wenigsten zu missen ist und an dem das Vaterland in jeder Beziehung am meisten verliert.“
„Wohl viele sind gepriesen Was blühend in reichem Herzen
Im hehren teutschen Land, Die Jugend so lieblich umschloß,
Doch dich mein frommer Friesen, Ist jeglichem Laut der Schmerzen,
Hat Gott allein gekannt: Ist jeglichem Lobe zu groß.“
„Friesen war ein aufblühender Mann in Jugendfülle und Jugendschöne, an Leib und Seele ohne Fehl, voll Unschuld und Weisheit, beredt wie ein Seher“[1]
Diese Nachrufe bzw. Ausschnitte von Nachrufen auf Friedrich Friesen von Major von Lützow, seinem Mitkämpfer und Vorgesetzten bei der Lützower Freischar, dem Dichter Ernst Moritz Arndt und Friedrich Ludwig Jahn (in dieser Reihenfolge) sind nur drei Beispiele aus einer ganzen Fülle von Aussagen über ihn, die von Zeitgenossen vor und nach seinem Tod getätigt wurden. Solche Zeitgenossen sind unter anderem Immermann, Harnisch, Alexander von Humboldt, von Schenkendorf, Eiselen, Maßmann, Gruner und der Freiherr vom Stein. Von allen wird Friesen ausnahmslos Hochachtung und Respekt entgegengebracht und das obwohl er schon mit 29 Jahren starb und „kein Werk in Worten oder Tönen, in Erz oder Stein hinterlassen“ hat[2].
Um das Leben, Wirken und Schaffen jenes Friesen soll es in der vorliegenden Arbeit gehen. Diese Aspekte sollen dabei im sozialen Kontext ihrer Zeit und ihrer zeitgenössischen Rezeption dargestellt werden. Die Betrachtung letzterer wird auf der Grundlage des von Schilling (2002) entworfenen Modells des patriotisch-wehrhaften Bürgerhelden stattfinden. Zusätzlich soll Friesens Bedeutung für Turnen, Leibesübungen und Sport verdeutlicht und diese auch im Verhältnis zu Jahn erörtert werden.
Da Friesen außer ein paar Briefen keine Werke unter eigenem Namen hinterlassen hat[3], kann eine Darstellung nur auf Grundlage von Biografien erfolgen. Die beste und brauchbarste Friesenbiografie liefert in dieser Hinsicht Rundnagel (1936)[4]. Rundnagels Werk entstand während der NS-Zeit und neigt vereinzelt auch zu Abschweifungen im Sinne der NS-Ideologie[5]. Zudem wird Friesen teilweise durch einen sehr leidenschaftlichen Schreibstil überglorifiziert, trotzdem aber wirkt die Biografie insgesamt objektiv und scheint kritisch und authentisch mit seinen Quellen umzugehen[6]. Eine Hauptquelle ist Wilhelm Harnisch[7], der ein Lehrerkollege Friesens in Berlin war. Darüber hinaus beruft sich Rundnagel auf zahlreiche Zeit- und Schaffensgenossen Friesens[8].
2. Zur Biografie Friesens
Karl Friedrich Friesen lebte vom 25.9.1784 bis zum 16.3. 1814. Das Licht der Welt erblickte er als Sohn des Beamten Johann Friedrich Friesen und Marie Luise Gramkes in der Garnisonsstadt Magdeburg. Hier verbrachte er die ersten 16 Jahre seines Lebens, die letzten 7 davon ohne den 1793 verstorbenen Vater.
Friesen besuchte vermutlich die realienorientierte Altstädter Bürgerschule, die ihn mit grundlegendem Wissen in Mathematik, Naturwissenschaften, Erdkunde, Philosophie, Mathematik, Bauwesen und, wenn auch weniger erfolgreich, in Französisch ausstattete. Besonderen Einfluss hatte hierbei wohl der dort lehrende Philosoph und Pfarrer Mellin, ein enger Vertrauter Immanuel Kants, der Friesen insbesondere für Philosophie und Frömmigkeit, aber auch für die Mathematik und die Baukunst begeisterte. Nicht zuletzt dürfte auch die permanente Militärpräsenz in Magdeburg, in dem auf 26000 Einwohner 7000 Garnisonssoldaten kamen, den jungen Friesen nicht unbeeinflusst gelassen haben[9].
Im Jahr 1800 erfolgte die Übersiedlung mit der Mutter nach Berlin. Hier studierte er bis zu seinem Abschluss im September 1802 Bauwesen an der 1799 gegründeten Bauakademie. Für die nächsten vier Jahre gibt es keine konkreten Angaben bezüglich seines Schaffens, vermutlich war er weiterhin im Bauwesen tätig[10]. 1806 begann er auf Vermittlung eines Freundes für Alexander von Humboldt, der Mitarbeiter zur Fertigstellung seines Mexikoatlas suchte, als Kartenzeichner zu arbeiten. Der Berufswechsel, so Rundnagel (1936), drängte sich auf Grund der französischen Besetzung Berlins geradezu auf, denn das Bauwesen war weitestgehend zum Erliegen gekommen. Für von Humboldt arbeitete er bis 1808, dann ging dieser nach Paris. In den zwei Jahren der Zusammenarbeit lernte Friesen durch seinen Arbeitgeber viele Vertreter der intellektuellen und politischen Szene Berlins kennen[11].
Im Zuge dessen begann er sich zunehmend für das Land und die politische Situation zu interessieren. Ab 1807 war er aufmerksamer Hörer der Reden Fichtes, welcher ihn neben Jahn, nach der Aussage des Zeitgenossen Immermanns, prägte wie kein Zweiter[12]. Fichte forderte den Nationalstaat und früh ansetzende Nationalerziehung, welche er als einzige Möglichkeit für einen effektiven Widerstand gegen die Franzosen und gegen den Verlust der deutschen Kultur ansah. Nationalerziehung sollte nach dem Konzept Pestalozzis erfolgen und selbstständige Individuen hervorbringen, wobei sowohl geistige als auch körperliche Fertigkeiten zu entwickeln sein würden[13]. Wesentlich zum Erreichen dieser Ziele sei der Wille des Einzelnen etwas zu bewegen, denn, wie Fichte betonte, „dein Handeln und allein dein Handeln bestimmt deinen Wert.“[14]
Insbesondere auch der Appell an den Aktionismus des Einzelnen schien Friesen zu erreichen. 1808 begann er die Arbeit an der nach Pestalozzis Vorbild errichteten Planmann’schen Schule in Berlin, an der er Erdkunde, Pflanzenkunde, Mineralogie, Mathematik, Zeichnen und Gymnastik unterrichtete[15]. Während hier die Kinder und Jugendlichen im Sinne Fichtes beeinflusst wurden, geschah dies mit den Älteren in der noch im gleichen Jahr von Friesen gegründeten Fechtbodengesellschaft. Im gemeinsamen Fechttraining wurde die körperliche Wehrfähigkeit geschult; durch den Austausch nationalpatriotischen Gedankenguts wurden neue Mitstreiter gewonnen und diese über Berufs- und Standesgrenzen hinweg ideologisch miteinander verbunden[16]. Wie Heise & Pahncke (1984) anmerken wies die Fechtbodengesellschaft Geheimbundstrukturen auf. So wurden Neubewerber erst nach einhelliger Überprüfung zugelassen, und Mitglieder trugen als Erkennungssymbol eine spezielle Ledermarke[17].
Auch militärisch wurde Friesen 1808 erstmals aktiv. Im Dienste Major von Schills kundschaftete er das französisch besetzte Magdeburg aus.
Ein Angriff war allerdings durch das opponieren der preußischen Regierung nicht möglich, und von Schill starb während einer Einzelaktion im nächsten Jahr, dem Angriff auf Stralsund, den Heldentod[18].
1810 bekam Friesen an der Schule Unterstützung durch Harnisch, der noch im gleichen Jahr auch Jahn an die Schule holte. Gemeinsam unterrichteten sie im Sinne der Nationalerziehung, wobei Friesen und Jahn, der wenige Monate zuvor sein Deutsches Volkstum veröffentlicht hatte, schnell Freunde wurden und auch außerhalb der Schule gemeinsam zu wirken begannen. Am 14.11.1810 wurde von Friesen, Jahn und 10 weiteren Gründern[19] der Deutsche Bund ins Leben gerufen, dessen vorrangige Ziele die deutsche Einheit, die Befreiung von den Franzosen und die Volkserziehung darstellten. Vorsteher dieses Geheimbundes war Friesen. Er warb viele Mitglieder der Fechtbodengesellschaft und war wohl noch vor Jahn Hauptverfasser des Bundesbuches, in dem das Programm des Bundes niedergeschrieben war. Es befasste sich insbesondere auch mit der Zeit nach der Befreiung Deutschlands. So sollte, aufgebaut auf einer gemeinsamen Verfassung, der Nationalstaat unter Führung Preußens entstehen und die Vorrechte des Adels weitgehend abgeschafft werden. Dementsprechend stand ihm die preußische Regierung skeptisch gegenüber[20].
Im Juni 1811 wurde der Turnplatz auf der Hasenheide gegründet. Während Jahn hier die Hauptrolle spielte, war Friesen stärker im Deutschen Bund und der Fechtbodengesellschaft aktiv, die Rundnagel (1936) „als eine Keimzelle des deutschen Turnens“ ansieht, „da hier zuerst in der Hauptstadt Angehörige aller Stände auf vaterländischer Grundlage durch gemeinsamen Betrieb von Leibesübungen vereinigt wurden.“[21] Mittel für diese Vereinigung im Turnen waren Einheitskleidung, Ausflüge und Turnfahrten, sowie das Duzen.
Die Turnbegeisterung verbreitete sich rapide. Bereits ein Jahr später wurden bis zu 500 Turner und mehrere Tausend Beobachter auf der Hasenheide gezählt[22]. Wiederum war das Turnen neben der Bewahrung der Jugend „vor Schlaffheit und Ausschweifung“[23] Mittel zum Zweck der Nationalerziehung. Während in Friesens Fechtbodengesellschaft ein eher kleines, älteres und intellektuelles Publikum erreicht wurde, war das Turnen massentauglich und sprach vor allem die Jugend und die unteren Stände an. So könnte man sagen, war Jahn mehr für die Gewinnung der Masse, Friesen für die der Klasse zuständig[24].
[...]
[1] von Lützow, Arndt, Jahn zitiert nach Rundnagel (1936) S. III, Neuendorff (1931) S. 453
[2] Neuendorff (1931) S. 449
[3] Ebd. S. 449
[4] vgl. auch Schilling (2002) S. 36
[5] vgl. z.B. S. 42
[6] Ein weniger gutes Beispiel ist Emil Pusch (1939). Friedrich Friesen: ein Lebensbild; mit einer kurzen
Geschichte des Lützowschen Freikorps. Berlin: Weidmann., das hier keine Verwendung finden wird.
[7] Harnisch: Erziehungsrat und Mein Lebensmorgen
[8] vgl. Rundnagel (1936) S. 180-201
[9] Ebd. S. 6-15
[10] vgl. Ebd. S. 26-27
[11] Ebd. S. 27-30
[12] Ebd. S. 31
[13] Ebd. S. 32-36
[14] zitiert nach Heise & Pahncke (1984) S. 373
[15] Rundnagel (1936) S. 39
[16] Ebd. S. 46-47
[17] S. 373
[18] Rundnagel (1936) S. 51-53
[19] Heise & Pahncke (1984), S. 374
[20] Rundnagel (1936) S. 66-75
[21] S. 47
[22] Heise & Pahncke (1984), S. 375
[23] Jahn zitiert nach Rundnagel (1936) S. 86-87
[24] Wobei festzuhalten ist, dass Friesen im und für das Turnen aktiv war. Mehr dazu in Kap. 3
- Arbeit zitieren
- Mathias Wick (Autor:in), 2006, Karl Friedrich Friesen als bürgerlicher Held der Befreiungskriege - Zur Person und ihrer zeitgenössischen Rezeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74491
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