Wohl kein Thema scheint in der Erwartung der meisten Rezipienten literarischer Werke gleich welcher Gattung eher „geeignet“ zu sein, um in der Form eines Gedichts dargestellt zu werden, als das der „Liebe“.
Das Seminar „Lyrische Liebeskonzepte im Vergleich“, das im Wintersemester 2006/2007 unter der Leitung von Frau Professor Gabriele Rohowski stattfand, beschäftigte sich eingehend unter anderem mit solchen durch Konvention, literarische Bildung und ästhetische Traditionen entstandenen Rezeptionsmustern. Als eine wichtige Erkenntnis der Auseinandersetzung mit den im Seminar aufgeworfenen Fragen hinsichtlich Definition eines Gedichts oder der Möglichkeit einer typologischen Systematik ergab sich schnell die Einsicht in die ungeheure Vielfalt und Komplexität der Lyrik und in die große Bedeutung der historischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Gedichten.
1.Einleitung: Probleme und Wagnisse der Interpretation von „Gedichten“ 3
1.1. Was ist ein Gedicht und was bedeutet es, ein Gedicht zu interpretieren? 3
2. Gedichtvergleich 5
2.1. Auswahl der Autoren und Gedichte 5
2.2. Vorbemerkungen zu Rainer Maria Rilke: „Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn“ 6
2.3. Aufbau und Struktur des Gedichts: Einfachheit nach außen – Komplexität nach innen 8
2.4. Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn: Liebe als radikales Paradoxon 9
3. Arno Holz: „Erfüllung“ 12
3.1. Aufbau und Struktur des Gedichts: Die unerfüllte Jagd 12
3.2. „Erfüllung“: Liebe als wiederholte Auflösung der paradoxen Angst vor dem anderen 13
4. Schlussbemerkung: Liebe – unmöglich in der Kunst oder im Leben? 15
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Probleme und Wagnisse der Interpretation von „Gedichten“
1.1. Was ist ein Gedicht und was bedeutet es, ein Gedicht zu interpretieren?
2. Gedichtvergleich
2.1. Auswahl der Autoren und Gedichte
2.2. Vorbemerkungen zu Rainer Maria Rilke: „Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn“
2.3. Aufbau und Struktur des Gedichts: Einfachheit nach außen – Komplexität
nach innen
2.4. Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn: Liebe als radikales Paradoxon
3. Arno Holz: „Erfüllung“
3.1. Aufbau und Struktur des Gedichts: Die unerfüllte Jagd
3.2. „Erfüllung“: Liebe als wiederholte Auflösung der paradoxen Angst vor dem anderen
4. Schlussbemerkung: Liebe – unmöglich in der Kunst oder im Leben?
5. Literaturangaben
1. Einleitung: Probleme und Wagnisse der Interpretation von „Gedichten“
1.1. Was ist ein Gedicht und was bedeutet es, ein Gedicht zu interpretieren?
Wohl kein Thema scheint in der Erwartung der meisten Rezipienten literarischer Werke gleich welcher Gattung eher „geeignet“ zu sein, um in der Form eines Gedichts dargestellt zu werden, als das der „Liebe“.
Das Seminar „Lyrische Liebeskonzepte im Vergleich“, das im Wintersemester 2006/2007 unter der Leitung von Frau Professor Gabriele Rohowski stattfand, beschäftigte sich eingehend unter anderem mit solchen durch Konvention, literarische Bildung und ästhetische Traditionen entstandenen Rezeptionsmustern. Als eine wichtige Erkenntnis der Auseinandersetzung mit den im Seminar aufgeworfenen Fragen hinsichtlich Definition eines Gedichts oder der Möglichkeit einer typologischen Systematik ergab sich schnell die Einsicht in die ungeheure Vielfalt und Komplexität der Lyrik und in die große Bedeutung der historischen Produktions- und Rezeptionsbedingungen von Gedichten.
Es überrascht daher nicht, dass der Versuch der Begriffsbestimmung eines Gedichts in einer – wenn auch schlüssigen – Minimaldefinition endet:
„Das einzige eindeutig feststellbare Merkmal, das den größten Teil der heute als Gedichte bezeichneten Texte auszeichnet, ist die Vers- struktur.“[1]
Bezüglich der Schwierigkeit oder sogar Aussichtslosigkeit der Entwicklung einer umfassenden Typologie von Gedichten besteht weitgehende Einigkeit – selbst wenn man sich auf eine spezielle Thematik wie etwa „Liebeslyrik“ beschränkt.[2]
Vor dem Hintergrund dieser begrifflichen und typologischen Komplexität stellt sich die Frage nach einer „erfolgversprechenden“ Herangehensweise für die Interpretation oder sogar den Vergleich von Gedichten. Gedichte, die in einer bestimmten Traditionslinie häufig (miss-)verstanden werden als „unmittelbarer Ausdruck der Innerlichkeit. der Subjektivität des Autors“[3], könnten eine ebenso subjektive Interpretation rechtfertigen. Aber müssen Interpretationen nicht auch einen Bezug zu den Produktionsbedingungen des Gedichts, der Biografie des Autors, gesellschaftlichem Rahmen oder zur geistes- und literaturgeschichtlichen Tradition herstellen – also sich selbst sozusagen „objektivieren“?
Je nachdem, ob man ein Gedicht als „Mimesis“ der Wirklichkeit im aristotelischen Sinn, als Text mit einem hohen Grad an Fiktionalität – verstanden als „Wahrheit von Aussagen über reale Sachverhalte“ ohne den Anspruch, dass etwas „in ihr wahr sein muss“[4]- oder als „unmittelbaren Gefühlsausdruck des Autors (des Genies, wie schon J. A. Schlegel sagt)“[5]versteht, werden die Methodik und die Ziele einer Interpretation weit voneinander abweichen.
Burdorf empfiehlt wenn auch nur im Sinne einer Prioritätensetzung, die die vielfältigen Beziehungen des Gedichts zur außertextlichen Wirklichkeit und damit die vielfältigen hier ansetzenden Interpretationsmöglichkeiten nicht leugnet:
„In diesem Buch wurde schon vielfach dazu geraten, das Gedicht primär als einen für sich stehenden literarischen Text anzusehen und bei der Strukturanalyse nur soweit unbedingt nötig literar- oder allge- meinhistorische, biographische oder sonstige Kontextinformationen hinzuzuziehen.“[6]
Einen ähnlich subjektiven Ansatz schlägt im übrigen etwa auch Erich Auerbach für „die Interpretation des Wirklichen durch literarische Darstellung oder Nachahmung“[7]bezogen auf Prosa und Drama vor.
Die Rechtfertigung für diese Subjektivität kann einerseits in der Anerkenntnis einer unleugbaren Qualität des Prozesses gefunden werden:
„Die Methode der Textinterpretation lässt dem Ermessen des Interpre- ten einigen Spielraum: er kann auswählen und die Akzente setzen, wie es ihm gefällt. Immerhin muss das, was er behauptet, im Text zu finden sein.“[8] Und diese Aussage bezieht sich wohlgemerkt auf die Gattungen, die weitaus stärker als vielleicht die Lyrik einem wie auch immer verstandenen „Realismus“, eben einer Nachahmung der Wirklichkeit, verpflichtet sind.
Andererseits ist Subjektivität bei der Interpretation von Gedichten – die allerdings nicht als Willkürlichkeit missverstanden werden darf – auch eine Form von Pragmatismus, ohne die die Gattung viel von ihrer „Wucht“ und „unmittelbaren Eingängigkeit“ verlieren würde. Anders gesagt: Es muss möglich sein, ein Gedicht zu lesen und ein Verständnis textimmanent ohne Studium von Sekundärliteratur gleich welcher Art zu entwickeln, sofern diese Interpretation argumentativ entwickelt ist und das Behauptete - in den Worten Auerbachs – also „im Text zu finden ist“. In diesem Zusammenhang sei auch auf unsere schulische Praxis hingewiesen, bei der Generationen von Schülern zum freien Interpretieren von Gedichten – gerade einmal angeleitet durch mehr oder weniger dürre Kenntnisse der literarischen Epoche, der die Werke entstammen, – aufgefordert werden.
Selbstverständlich spricht – fußend auf dieser auch diese Arbeit leitende Grundüberzeugung - nichts ausdrücklichgegeneine Vertiefung des Verständnisses eines Gedichts durch die Hinzuziehung weiterführender Sekundärliteratur. Damit wird der Interpret letztlich nur der Vielfalt und den beinah universellen Ausdrucksmöglichkeiten der Lyrik gerecht:
„Sie kann die ganze Breite der menschlichen Existenz zu ihrem Gegen- stand machen, sie kann sich des gesamten zur Verfügung stehenden sprach- lichen Materials und Instrumentariums bedienen und es durch dessen non- konformistische Benutzung erweitern, und sie kann durch ihren besonderen Status gesellschaftliche Funktionen übernehmen (...).“[9]
2. Gedichtvergleich
2.1. Auswahl der Autoren und Gedichte
Diese Arbeit vergleicht zwei Gedichte von Arno Holz und Rainer Maria Rilke. Es handelt sich um zwei Autoren der Avantgarde der Jahrhundertwende, deren literaturgeschichtliche Einordnung sehr vielfältig und widersprüchlich ist. Arno Holz gilt als einer der Schöpfer des sogenannten „Sekundenstils“, der den Naturalismus an eine Grenze geführt hat.[10]Mein Interesse an seinem Liebesgedicht „Erfüllung“ wurde gerade durch den möglichen Widerspruch zwischen naturalistischem Telegrammstil sowie der Tendenz zu beinah photographischer Objektivierung, die für Teile seines sonstigen Werkes kennzeichnend sind, einerseits und dem Thema der „Liebe“ andererseits geweckt. Rilkes Biografie und Werk ist noch umstrittener und widersprüchlicher bewertet als das von Holz. Einige Rezensenten sehen es „bestimmt durch das leidenschaftliche, selbstvernichtende Streben, den Bezug zu Gott zu finden, zum Transzendenten vorzustoßen..“[11]Den christlichen Gott hielt Rilke im Sinne Nietzsches jedoch für tot.[12]Gerühmt wird Rilke auch als Sprachartist – Glaser aber spricht von ästhetischer Gebärde bzw. Manierismus[13]- und teilweise sogar als Vertreter einer europäischen Kulturkritik am amerikanischen Lebensstil im Zeitalter des Massenkonsums:
[...]
[1]Burdorf, Gedichtanalyse, S. 11
[2]Vgl. etwa Kittstein, Sprachkunst, S. 9, oder Burdorf, Gedichtanalyse, S. 1 - 21
[3]Burdorf, Gedichtanalyse, S. 5
[4]Vgl. ebd. S. 164
[5]Ebd. S. 4
[6]Ebd. S. 228
[7]Auerbach, Mimesis, S. 515
[8]Ebd. S. 517
[9] Burdorf, Gedichtanalyse, S. 22
[10]Siehe Glaser u.a., Wege der deutschen Literatur, S. 297/298
[11]Ebd. S. 401 f.
[12]Siehe Günther, Rainer Maria Rilke und Lou Andreas Salomé, S. 71
[13]Vgl. Glaser S. 402
- Arbeit zitieren
- Nazife Öztürk (Autor:in), 2007, Lyrische Liebeskonzeptionen im Vergleich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74423
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