Bei der Formulierung der Präambel des EG-Vertrages stellten die Vertragsparteien die beiden Ziele der wirtschaftlichen und der sozialen Integration scheinbar gleichberechtigt nebeneinander. Über 40 Jahre später ist die Diskrepanz zwischen der jeweils erreichten inhaltlichen Breite und und institutionellen ′Tiefe′ -im Sinne des Grades supranationaler Autorität- offenkundig. Vor diesem Hintergrund ist die vorliegende Arbeit ein Versuch, die folgenden Fragen zu beantworten, die sich aus dem obigen Zitat in bezug auf die Herausbildung einer Sozialpolitik der Europäischen Gemeinschaft ergeben:
Weshalb blieb die Politik der Europäischen Gemeinschaft zur aktiven Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen so weit hinter dem Abbau der trennenden Schranken, insbesondere der Handelsschranken, zurück? Unter welchen Rahmenbedingungen vollzieht sich heute die Entwicklung einer europäischen Sozialpolitik?
Welche Ergebnisse hat diese Politik erbracht?
Wie ′entstehen′ die sozialpolitischen Zielsetzungen in der EU? Welche Akteure und Akteurskoalitionen tragen mit welchen Handlungsmotivationen dazu bei?
Unter diesen Gesichtspunkten ist die Arbeit in vier Kapitel gegliedert:
Im Kapitel 2 werden die Grundlagen für die Analyse der EU-Sozialpolitik unter der dargelegten Fragestellung gelegt: Dazu gehört zunächst eine ausführliche Darstellung der Möglichkeiten supranationaler Sozialpolitik in einem Kontext aus wirtschaftlicher Integration und der Ausdifferenzierung staatlichen Handelns in Mehrebenensystemen. Als weiteres wird der methodische Analyserahmen für die sozialpolitischen Outputs sowie für die Analyse der Akteure, ihrer Handlungsmotivationen und Präferenzen abgesteckt. Dazu werden unter anderem anhand grundsätzlicher Überlegungen zu politischen Handlungsmotivationen wie Interessen und Normen Annahmen über ihre Präferenzen gemacht. Schließlich werden, ausgehend von umfassenden theoretischen Ansätzen zur Erklärung des europäischen Integrationsprozesses, Hypothesen für die Entwicklung der EU-Sozialpolitik formuliert.
Im Kapitel 3 werden Outputs der EU-Sozialpolitik dargestellt und anhand einzelner Policies einige mittlerweile erkennbare Tendenzen und Besonderheiten dieser Politik aufgezeigt.
Im Kapitel 4 werden maßgeblich an der Formulierung von EU-Sozialpolitik beteiligte Akteure vorgestellt. Dabei werden, soweit möglich, anhand von deren Äußerungen, Stellungnahmen u.ä., sowie anhand der Forschungsliteratur die Annahmen über ihre Präferenzen überprüft.[...]
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1. Fragestellung
- 1.2. „Soziale Dimension“ und EU-Sozialpolitik
- 2. Grundlagen der Arbeit
- 2.1. Rahmenbedingungen der EU-Sozialpolitik
- 2.1.1. Sozialpolitik im Kontext internationaler wirtschaftlicher Integration
- 2.1.2. Die EU-Sozialpolitik als „positive Integration“: Binnenmarkt-Flankierung oder Sozialraum-Gestaltung
- 2.1.3. Die EU als „Mehrebenensystem im Werden“: Sozialpolitik und Subsidiaritätsprinzip
- 2.1.4. EU-Sozialpolitik und Pfadabhängigkeit
- 2.2. Methodische Grundlagen: Die Anwendung von Policy- und Netzwerkanalyse auf die EU-Sozialpolitik
- 2.2.1. Policy-Analyse
- 2.2.2. Netzwerkanalyse
- 2.2.3. Integrationstheoretische Hypothesen für die EU-Sozialpolitik
- 3. Der Output der EU-Sozialpolitik
- 3.1. Historische Entwicklung
- 3.2. Die Polity der EU-Sozialpolitik
- 3.3. Exemplarische Einzelmaßnahmen
- 3.4. Zusammenfassung und Bewertung
- 4. Die Formulierung von EU-Sozialpolitik: Akteure und ihre Präferenzen
- 4.1. EU-Institutionen
- 4.2. Transnationale Akteure
- 4.3. Nationale politische Akteure
- 5. Entscheidungssituationen und -prozesse in der EU-Sozialpolitik
- 5.1. EU-Sozialpolitik als „Spill-over“-Ergebnis der Wirtschaftsintegration: Die Arbeitsschutz-Regulierung
- 5.2. EU-Sozialpolitik als Ergebnis intergouvernementaler Bargaining-Prozesse: Die Beschäftigungspolitik
- 5.3. Transnationale Vernetzung der Sozialpartner: Probleme „euro-korporatistischer“ Regulierung und Steuerung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Herausbildung der EU-Sozialpolitik als neues Politikfeld. Ziel ist es, die Entwicklung, die Akteure und die Entscheidungsprozesse dieses Politikfeldes zu analysieren und zu verstehen. Dabei werden verschiedene theoretische Ansätze herangezogen und anhand empirischer Beispiele überprüft.
- Entwicklung der EU-Sozialpolitik
- Akteure und Interessen in der EU-Sozialpolitik
- Entscheidungsprozesse im Mehrebenensystem der EU
- Theoretische Erklärungsansätze (Funktionalismus, Intergouvernementalismus, Transnationalismus)
- Exemplarische Analyse einzelner Politikbereiche
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung formuliert die Forschungsfrage nach der Herausbildung der EU-Sozialpolitik als neues Politikfeld und definiert den Untersuchungsgegenstand. Sie skizziert den methodischen Ansatz und gibt einen Überblick über die Struktur der Arbeit. Der Begriff der „Sozialen Dimension“ im Kontext der Europäischen Union wird erläutert und die Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes wird präzisiert.
2. Grundlagen der Arbeit: Dieses Kapitel legt die theoretischen und methodischen Grundlagen der Arbeit dar. Es beleuchtet die Rahmenbedingungen der EU-Sozialpolitik, die Rolle des Binnenmarktes, das Subsidiaritätsprinzip und den Einfluss von Pfadabhängigkeiten. Der methodische Teil beschreibt die Anwendung von Policy- und Netzwerkanalyse, die Klassifizierung von Akteuren und deren Präferenzen, sowie die Herausforderungen bei der empirischen Erhebung von Daten. Schliesslich werden integrationstheoretische Hypothesen vorgestellt, die im weiteren Verlauf der Arbeit geprüft werden.
3. Der Output der EU-Sozialpolitik: Kapitel 3 beschreibt den Output der EU-Sozialpolitik anhand ihrer historischen Entwicklung und der Polity-Entwicklung. Es analysiert die Stärkung der sozialpolitischen Kompetenz der EU, die Reform der legislativen Entscheidungsverfahren und die Institutionalisierung des Sozialen Dialogs. Einzelmaßnahmen wie Arbeitsschutzbestimmungen, das Recht auf Information und Konsultation und die Beschäftigungspolitik werden exemplarisch untersucht und in ihren Kontext eingeordnet. Die Zusammenfassung und Bewertung dieses Kapitels integriert die verschiedenen Aspekte der EU-Sozialpolitik in einem umfassenden Überblick.
4. Die Formulierung von EU-Sozialpolitik: Akteure und ihre Präferenzen: Dieses Kapitel untersucht die Akteure der EU-Sozialpolitik und deren Präferenzen. Es analysiert die Rolle der EU-Institutionen (Kommission und Parlament), transnationaler Akteure (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) und nationaler politischer Akteure (Regierungen, Parteien) in drei ausgewählten Ländern (Deutschland, Frankreich und Großbritannien). Es werden deren jeweiligen Interessen und Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung der EU-Sozialpolitik detailliert dargestellt.
5. Entscheidungssituationen und -prozesse in der EU-Sozialpolitik: Kapitel 5 analysiert Entscheidungssituationen und -prozesse in der EU-Sozialpolitik anhand dreier ausgewählter Bereiche: Arbeitsschutz, Beschäftigungspolitik und die Rolle der Sozialpartner. Es untersucht die Gültigkeit der in Kapitel 2 vorgestellten integrationstheoretischen Hypothesen anhand empirischer Beispiele und beleuchtet die komplexen Verhandlungsprozesse und Interessenskonflikte im Mehrebenensystem der EU.
Häufig gestellte Fragen zu: Herausbildung der EU-Sozialpolitik
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Herausbildung der EU-Sozialpolitik als neues Politikfeld. Sie analysiert die Entwicklung, die Akteure und die Entscheidungsprozesse dieses Politikfeldes und prüft verschiedene theoretische Ansätze anhand empirischer Beispiele. Der Fokus liegt auf der "Sozialen Dimension" im Kontext der Europäischen Union.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in fünf Kapitel: Einleitung, Grundlagen der Arbeit, Output der EU-Sozialpolitik, Formulierung von EU-Sozialpolitik: Akteure und ihre Präferenzen, und Entscheidungssituationen und -prozesse in der EU-Sozialpolitik. Jedes Kapitel behandelt spezifische Aspekte der EU-Sozialpolitik, von der theoretischen Fundierung über die historischen Entwicklungen bis hin zur Analyse der Akteure und Entscheidungsprozesse.
Welche methodischen Ansätze werden verwendet?
Die Arbeit verwendet Policy- und Netzwerkanalyse, um die EU-Sozialpolitik zu untersuchen. Sie klassifiziert Akteure und deren Präferenzen und prüft integrationstheoretische Hypothesen (Funktionalismus, Intergouvernementalismus, Transnationalismus) anhand empirischer Beispiele. Die Herausforderungen bei der empirischen Datenerhebung werden ebenfalls thematisiert.
Welche Akteure werden in der Arbeit betrachtet?
Die Arbeit analysiert die Rolle verschiedener Akteure in der Gestaltung der EU-Sozialpolitik: EU-Institutionen (Kommission und Parlament), transnationale Akteure (Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) und nationale politische Akteure (Regierungen, Parteien) in ausgewählten Ländern (Deutschland, Frankreich und Großbritannien). Die jeweiligen Interessen und Einflussmöglichkeiten dieser Akteure werden detailliert dargestellt.
Welche Bereiche der EU-Sozialpolitik werden exemplarisch untersucht?
Die Arbeit untersucht exemplarisch verschiedene Bereiche der EU-Sozialpolitik, darunter Arbeitsschutzbestimmungen, das Recht auf Information und Konsultation, und die Beschäftigungspolitik. Diese Beispiele dienen der Illustration der theoretischen Ansätze und der Analyse der Entscheidungsprozesse.
Welche theoretischen Erklärungsansätze werden herangezogen?
Die Arbeit bezieht verschiedene theoretische Erklärungsansätze ein, darunter Funktionalismus, Intergouvernementalismus und Transnationalismus, um die Entwicklung und Gestaltung der EU-Sozialpolitik zu verstehen und zu erklären. Diese Ansätze werden anhand empirischer Daten überprüft.
Wie wird die historische Entwicklung der EU-Sozialpolitik dargestellt?
Kapitel 3 beschreibt die historische Entwicklung der EU-Sozialpolitik, einschließlich der Stärkung der sozialpolitischen Kompetenz der EU, der Reform der legislativen Entscheidungsverfahren und der Institutionalisierung des Sozialen Dialogs. Die Entwicklung der "Polity" der EU-Sozialpolitik wird ebenfalls analysiert.
Wie werden Entscheidungsprozesse in der EU-Sozialpolitik analysiert?
Kapitel 5 analysiert Entscheidungsprozesse anhand von Fallstudien zu Arbeitsschutz, Beschäftigungspolitik und der Rolle der Sozialpartner. Es beleuchtet die komplexen Verhandlungsprozesse und Interessenskonflikte im Mehrebenensystem der EU und prüft die Gültigkeit der in Kapitel 2 vorgestellten integrationstheoretischen Hypothesen.
Was ist das Fazit der Arbeit?
Das Fazit der Arbeit lässt sich aus den einzelnen Kapiteln ableiten, welche die Herausbildung der EU-Sozialpolitik von verschiedenen Perspektiven beleuchten. Es wird ein umfassendes Bild der Entwicklung, der Akteure und der Entscheidungsprozesse im Bereich der EU-Sozialpolitik gezeichnet und die Gültigkeit der untersuchten theoretischen Ansätze bewertet.
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- Patrick Thalacker (Author), 2001, EU-Sozialpolitik - Die Herausbildung eines neuen Politikfeldes in der EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7431