1. Einleitung: Themen, Hintergründe, Fragen , Thesen
Diese Diplomarbeit will sich mit dem Thema Alkoholismus und Co- Abhängigkeit aus sozialarbeiterischer Perspektive auseinandersetzen.
Seit längerem beschäftige ich mich in Studium und Praxis mit dem Themenfeld Sucht, insbesondere mit Problematiken im Zusammenhang mit illegalen Alltagsdrogen.
Durch die Thematisierung von Alkoholabhängigkeit und Co- Abhängigkeit im Rahmen dieser Ausarbeitung verspreche ich mir den persönlichen Nutzen der Verbreiterung und Vertiefung meiner bisherigen theoretischen Kenntnisse, vor allem aber eine Erweiterung meiner Handlungskompetenzen im sozialarbeiterischen Tätigkeitsfeld der Suchthilfe.
Den Ausgangspunkt meiner Reflexionen zum Themenfeld bilden zahlreiche offene Fragen:
Ist Alkoholismus eine Volkskrankheit welche aber immer nur einzelne Personen betrifft? Müssen Ursachen und Problemlösungsmittel demnach (nur) hier, auf der individuellen Ebene, gesucht bzw. entwickelt werden?
Oder sind mit jedem Alkoholkranken auch dessen Familie, Kollegenkreis und sogar die eigentlichen Helfer (Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal) betroffen?
Wie hängt eine Alkoholerkrankung zusammen mit der Lebenswelt und den sozialen Bezügen einer Person? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die häufig bemühte Formel von der „Co- Abhängigkeit“? Was ist überhaupt „co-abhängig“?
Was sind die Symptome? Kann es jeden treffen? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Sozialisation in „Alkoholikerfamilien“ und dem Weitertragen der Symptome in die nächste Generation?
Was kann in diesem Kontext die Soziale Arbeit leisten? Wie kann sie den Betroffenen helfen? Gibt es überhaupt ein Entkommen?
Viele Fragen stehen also im Rahmen dieser Arbeit an. Mein Hauptaugenmerk soll in einem ersten Teil auf dem Phänomen der Co- Abhängigkeit, dem Begreifen von Entstehungsursachen und Wirkungen von Co- Abhängigkeit, sowie sozialarbeiterischen Hilfeansätzen liegen.
Dabei werde ich amerikanische Therapien und Erklärungsversuche mit den im Deutschland aktuellen Methoden vergleichen und dazu Stellung beziehen.
Eine weitere wichtige Komponente dieses Teils besteht in der Thematisierung des gesellschaftlichen Umgangs mit Alkoholsucht, bzw. Sucht im Allgemeinen.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Themen, Hintergründe, Fragen , Thesen
2. Sucht als gesellschaftliches Problem im Kontext Rausch und Krankheit
2.1 Alkohol in seiner Bedeutung für die Gesellschaft
3. Begriffsdefinitionen ,medizinisch gesellschaftlicher Kontext
3.1 Alkoholismus: Verlauf und Symptome
3.2 Stadien einer Suchtkarriere
3.2.1 Pseudoharmonie
3.2.2 Kritische Gewöhnung
3.2.3 Die Sucht
3.2.4 Abbau und Zusammenbruch
4. Co- Abhängigkeit
4.1 Begriffsklärung: „Co- Abhängigkeit“, was ist das?
4.2 Symptome von Co-Abhängigkeit
4.3 Gefühls- Entfremdung , Angst und Wut
5. Familie als systemische Gemeinschaft
5.1 „Niemand ist eine Insel“
5.2 Das „Mobile“ und die systemische Wechselwirkungen in der Familie
5.3 Dysfunktionalität in Familien: Offene und geschlossene Systeme
5.4 Rollenverteilung in Suchtfamilien und die Weitergabe an die nächste Generation
6. Missbrauchserfahrungen und ihre Auswirkungen
7. Suchtarbeit: Formen und Möglichkeiten
7.1 Selbsthilfegruppen
7.2 Beratungsstellen und die Grundsätze sozialer Arbeit
7.3 Arbeitsansätze: Sammlung praktischer Leitlinien
7.3.1 Eigene Möglichkeiten Co-Abhängigkeit zu beenden
7.3.2 Möglichkeiten professioneller Hilfen
8. Prävention: Eine soziale Notwendigkeit
9. Stellungnahme und Schlussfolgerungen
LITERATURVERZEICHNIS
ANHANG: ZWÖLF SCHRITTE PROGRAMM DER ANONYMEN ALKOHOLIKER
1. Einleitung: Themen, Hintergründe, Fragen , Thesen
Diese Diplomarbeit will sich mit dem Thema Alkoholismus und Co- Abhängigkeit aus sozialarbeiterischer Perspektive auseinandersetzen.
Seit längerem beschäftige ich mich in Studium und Praxis mit dem Themenfeld Sucht, insbesondere mit Problematiken im Zusammenhang mit illegalen Alltagsdrogen.
Durch die Thematisierung von Alkoholabhängigkeit und Co- Abhängigkeit im Rahmen dieser Ausarbeitung verspreche ich mir den persönlichen Nutzen der Verbreiterung und Vertiefung meiner bisherigen theoretischen Kenntnisse, vor allem aber eine Erweiterung meiner Handlungskompetenzen im sozialarbeiterischen Tätigkeitsfeld der Suchthilfe.
Den Ausgangspunkt meiner Reflexionen zum Themenfeld bilden zahlreiche offene Fragen:
Ist Alkoholismus eine Volkskrankheit welche aber immer nur einzelne Personen betrifft? Müssen Ursachen und Problemlösungsmittel demnach (nur) hier, auf der individuellen Ebene, gesucht bzw. entwickelt werden?
Oder sind mit jedem Alkoholkranken auch dessen Familie, Kollegenkreis und sogar die eigentlichen Helfer (Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal) betroffen?
Wie hängt eine Alkoholerkrankung zusammen mit der Lebenswelt und den sozialen Bezügen einer Person? Was bedeutet in diesem Zusammenhang die häufig bemühte Formel von der „Co- Abhängigkeit“? Was ist überhaupt „co-abhängig“?
Was sind die Symptome? Kann es jeden treffen? Besteht ein Zusammenhang zwischen der Sozialisation in „Alkoholikerfamilien“ und dem Weitertragen der Symptome in die nächste Generation?
Was kann in diesem Kontext die Soziale Arbeit leisten? Wie kann sie den Betroffenen helfen? Gibt es überhaupt ein Entkommen?
Viele Fragen stehen also im Rahmen dieser Arbeit an. Mein Hauptaugenmerk soll in einem ersten Teil auf dem Phänomen der Co- Abhängigkeit, dem Begreifen von Entstehungsursachen und Wirkungen von Co- Abhängigkeit, sowie sozialarbeiterischen Hilfeansätzen liegen.
Dabei werde ich amerikanische Therapien und Erklärungsversuche mit den im Deutschland aktuellen Methoden vergleichen und dazu Stellung beziehen.
Eine weitere wichtige Komponente dieses Teils besteht in der Thematisierung des gesellschaftlichen Umgangs mit Alkoholsucht, bzw. Sucht im Allgemeinen.
Einerseits ist Alkohol ein legales Suchtmittel, dessen Konsum grundsätzlich auch als Alltagsdroge akzeptiert ist („Feierabendbierchen“), ja in bestimmten Situationen geradezu gefordert wird („Party machen“, „Anstoßen“ etc. pp.). Andererseits wird Alkohol immer wieder problematisiert: Jugendliche werden durch Alko- Pops abhängig, es kommt immer wieder zu Straftaten unter Alkoholeinfluss, zudem sinkt die Leistungsfähigkeit eines Alkoholabhängigen.
Ich bin der Auffassung, dass der gesellschaftlich- staatliche Umgang mit Alkohol nicht einheitlich ist und zudem deutliche Merkmale einer Doppelmoral aufweist.
Es stehen sich präventive, gesundheitsfördernde und natürlich steuerliche Interessen der „Gesellschaft“ gegenüber. Immerhin sind laut Drogenbericht der Bundesregierung 6 Millionen Menschen in Deutschland alkoholkrank(www.dhs.de)
Ist es das Begehren des Menschen nach Rausch, was krank macht? Oder ist es der Versuch, nicht zu ertragende und zu lösende Probleme mittels der abhängigmachenden Substanzen zu bewältigen?
Viele Familienangehörigen möchten dem direkt Betroffenen helfen? Machen sie sich dabei oftmals zu Komplizen?
Führt die Mischung aus Angst, Scham und die gesellschaftliche Akzeptanz dazu, dass die Familienmitglieder sich mit in den Suchtkreislauf einbeziehen lassen und selbst ein Teil davon werden?
Dazu sagt Reinhold Ruthe in „Alkohol in Ehe und Familie:
Der Alkoholiker und sein Partner sind in der Regel stärker miteinander verzahnt, als wir glauben: Beide haben sich gesucht und gefunden, entsprechen einander, spielen sich perfekt in die Hände, sind ungewollt zu Komplizen geworden und brauchen einander […].
Zum Symptomträger gehört ein Symptompfleger, zum Hilflosen ein Helfer und zum Leidenden ein Leidenspfleger […]. Die Ziele und Wünsche zweier Menschen entsprechen sich. Zwei Ergänzungssysteme kooperieren. Ein Sender und ein Empfänger, ein Passiver und ein Aktiver, ein Regressiver und ein Dominanter ein Verwöhnter und ein Verwöhnender, ein Selbstsüchtiger und ein Selbstloser (R.Ruthe 1999, S.11).
Nicht nur der Partner natürlich auch die Kinder in solchen Familien werden häufig zu Systemträgern, reproduzieren die gelernten Verhaltenweisen und geben sie weiter.
Im zweiten Teil der Arbeit will ich mich den systemischen Lösungsstrategien befassen, die seit einiger zeit angewandt werden um Angehörigen von Alkoholkranken zu helfen.
Zugrunde liegt der Arbeitsansatz von Virginia Satir, dieser stammt ursprünglich aus der Familientherapie.
Gerade die Beratungsarbeit mit Angehörigen zählt zu einem besonders wichtigen Aufgabenfeld der Sozialarbeit und darf nicht unterschätzt werden, insbesondere da viele Formen und Krankheitsbilder bis zu einer eigenen Suchterkrankung der Angehörigen oder schweren seelischen Beeinträchtigungen führen können.
Diese Arbeit folgt einem kritischen Anspruch. Das heißt, dass sie sowohl fachliche Interpretationen als auch das moralisierende Alltagsverständnis von Co- Abhängigkeit hinterfragt. Sehr wichtig sind mir die Überschneidungen zwischen helfender Beziehung der sozialen Arbeit und in den Systemen von Alkoholikerfamilien. Die Verknüpfung des Themas der Co- Abhängigkeit mit der Struktur der Sozialen Arbeit erscheint mir außerordentlich erkenntnisversprechend.
In dieser Arbeit sollen Autoren verschiedener Richtungen zu Wort kommen, wobei ich auch viele dieser Ansichten kritisch sehe und dazu auch Stellung beziehen will. Grade die Vielfalt der vorhandenen Literatur macht einen vollständigen Überblick unmöglich, ich versuche daher, mich an Werke zu halten, die eine umfassende Aussagekraft entwickeln. Der Einfachheit halber verwende ich die männliche Redeform.
2. Sucht als gesellschaftliches Problem im Kontext Rausch und Krankheit
2.1 Alkohol in seiner Bedeutung für die Gesellschaft
Der Rausch ist eine den Menschen faszinierende Sache. Seit alters her haben sich Menschen ob ritualisiert oder nicht, kollektiv oder zur Selbstfindung in Rauschzustände versetzt.
Dazu dienten ihnen die verschiedensten Substanzen: Pilze, Kräuter, Beeren und schließlich der Alkohol.
Alkohol ist in unserem Kulturkreis das Rauschmittel Nummer eins, legal erhältlich und für jedermann an fast jeder Stelle und Uhrzeit zu erreichen. Er wird in Nahrungsmitteln (Pralinen, Soßen) und in flüssiger Form genossen.
Das Wort Alkohol stammt ursprünglich aus der arabischen Sprache es wurde von Paracelsus geprägt. Dieser benutze es 1520 im Sinne von „feines Pulver“. Das deutsche Wort „Alcool“ gebrauchte man ab 1616, was soviel wie Branntwein bedeutete.
Menschen in unterschiedlichsten Kulturen haben sei prähistorische Zeit alkoholische Getränke aus Fruchtsäften, Getreide, Honig und Milch hergestellt. Dabei machten sie sich wohl zufällig entdeckte natürliche Gärungsprozesse zunutze […]. Zum Löschen des Durstes und auch des Hungers waren Bier und Wein übliche Getränke, im Altertum sowie auch im Mittelalter, da das Wasser meist eine schlechte Qualität hatte […] aber auch die psychoaktive Wirkung wurde sehr geschätzt. Bei sakralen Festen, galt der Rausch als Fahrzeug in eine andere Welt (www.btonline.de).
Trotz der offensichtlichen Verankerung in der Kultur und einem gewissen Nutzen des Alkohols konnten allerdings schon vor Jahrhunderten massive Probleme im Zusammenhang mit Alkohol beobachtet werden, die einer gesellschaftlichen Regulation bedurften:
Branntwein kam erst im sechzehnten Jahrhundert in Europa auf. Hier löste sie in manchen Staaten erhebliche Krisen aus, weil der Konsum nicht ausreichend gesellschaftlich reguliert war. In England gab es im ausgehenden 17.Jh. eine regelrechte Gin Epidemie. Beginnende Industrialisierung und fallende Preise für landwirtschaftliche Produkte bei fehlender Regulierung führten zu dort zu teilweise chaotischen Zuständen mit Kriminalität, Armut und Verzweiflung. Gin war zeitweilig billiger als Brot und die Produzenten wehrten sich lange gegen eine Besteuerung des Branntweins. Die Bilder der damaligen Verelendung glichen heutigen Bildern von Slums in denen Crack, Kokain und Heroin zur Verelendung führen. Erst staatliche Regulierung führte dazu dass die Gesellschaft sich auf den Gin einstellte.
Es wurden Steuern erhoben, Aufklärung betrieben und Trinkschulden von mehr als 20 Schilling erlassen. Durch die dadurch einsetzende Sensibilisierung der Bevölkerung und die Kostensteigerung sank der Gin Konsum Ende des 18.Jahrhunderts auf ein Zehntel der Menge vierzig Jahre zuvor (A.Knoll 2004, S.91.).
Mit dem aufkommenden 19. Jahrhundert entwickelte sich die aus der christlich-puritanischen Moral hervorgehende Abstinenz- Bewegung. Alkoholmissbrauch aber auch Enthaltsamkeit waren mit dem Frühkapitalismus und der Industrialisierung Massenphänomene geworden.
Alkohol scheint das wichtigste Getränk nach Wasser für den Menschen geworden zu sein.
Besonders bei Feiern und Festen und zur Entspannung wird er in Mengen genossen. Da eine Industrie mit der Herstellung von Alkoholika beschäftigt ist und natürlich auch für den Konsum von Alkohol geworben wird, wird der Konsum von Alkohol gefördert, solange er nicht am Arbeitsplatz genossen wird und der Konsument kein „anstößiges“ Verhalten an den Tag legt. Damit in dieser Gesellschaft nicht der Einzelne zu sehr dem Alkoholkonsum verfällt, musste sich eine Permissivkultur etablieren um den kontrollierten Umgang mit der Droge möglich zu machen.
In der Premissivkultur wie in Deutschland ist die Bevölkerung von Kindheit an einen kontrollierten Alkoholkonsum gewöhnt. Die Kinder lernen regelrecht den Umgang mit der Droge Alkohol. Am Beispiel von Jugendlichen wird dies deutlich. Jugendliche dürfen von Gesetzwegen ab dem sechzehnten Lebensjahr Alkohol trinken, Branntwein erst ab achtzehn Jahren. In Begleitung der Eltern dürfen Jugendliche sogar ab dem vierzehnten Lebensjahr Bier oder Wein in der Öffentlichkeit zu sich nehmen. Die Kultur erwartet, dass ihre Mitglieder den problemfreien Umgang mit Alkohol gelernt haben.
Die Gesellschaftsmitglieder, die auffällig trinken, werden in Maßen geduldet, wenn sie sich trotz ihres Verhaltens an gewisse Regeln halten. (ebd., S.69).
Die Gesellschaft, aus der sich unsere heutige Konsumkultur entwickelt hat war die Industriegesellschaft.
Mit ihrer kapitalistischen Ausprägung nach Gewinn und Profitorientierung trug sie zu einem so genannten „Werteverfall“ und einem Bedeutungsverlust der Systeme „Religion“ und „Familie“ bezüglich sozialer Stabilisierungsfunktionen bei. Einkommen und wirtschaftlicher Erfolg sind neue Wertelieferanten, wie Marx und Engels eindrucksvoll beschreiben:
Die Bourgeoisie, wo sie zur Herrschaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchalischen, idyllischen Verhältnisse zerstört. Sie hat die […] Feudalbande, die den Menschen an seinen natürlichen Vorgesetzten knüpften, unbarmherzig zerrissen und kein anderes Band zwischen Mensch und Mensch übriggelassen als das nackte Interesse, als die gefühllose „bare Zahlung“. Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeisterung, der spießbürgerlichen Wehmut in dem eiskalten Wasser egoistischer Berechnung ertränkt. Sie hat die persönliche Würde in den Tauschwert aufgelöst und an die Stelle der zahllosen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die eine gewissenlose Handelsfreiheit gesetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiösen und politischen Illusionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverschämte, direkte, dürre Ausbeutung gesetzt (Marx/ Engels 1848, S.1).
In der modernen kapitalistischen Industriegesellschaft sind Rationalität, Berechnung, Leistungsbereitschaft und –Fähigkeit gefordert. Der ökonomische Gewinn des Einzelnen vollzieht sich wie sein Scheitern in der Konkurrenz mit Anderen. Die Rolle des Rausches in der Moderne bleibt dabei unbestimmt (vgl. Jungblut 2004, S.30).
Unter den benannten „Bedingungen sind die Menschen gezwungen, andere soziale Beziehungen einzugehen und leistungsfähig zu sein […], Alkohol wird von den Erfolgreichen zur Leistungssteigerung und zu Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit gebraucht. Von den Erfolgreichen wird er zur Verdrängung der Konflikte und Frustrationen aufgrund des Misserfolges gebraucht (A.Knoll 2004, S.69).
Im neuen Jahrtausend zeigt sich wieder eine gesellschaftliche Wende, eine post- fordistisch- globalisierte Welt die von Wirtschaftsinteressen und Industriekonzernen dominiert wird macht das Leben für den Einzelnen zusehends unkalkulierbar.
Dabei kollidiert die (erzwungene) Selbstdefinition der Menschen nach ihrem Beruf und beruflichen Erfolg mit der sinkenden Nachfrage nach der Ware Arbeit.
Die Trennung von Besitzenden, Produzierenden und „Nutzlosen“ wird größer.
Die Gesellschaft droht sich zu spalten; und zwar in diejenigen die den Anforderungen des Arbeitsmarktes nicht genügen und arbeitslos sein werden und diejenigen die voll in dieser Welt stehen, aber dafür ihre private Kommunikation von Mensch zu Mensch verlieren. Für letztere Gruppe bieten sich dann neue Drogen an, von denen Ecstasy möglicherweise nur der Anfang ist. Es sind die Drogen, die harmonische Gemeinschaftserlebnisse fördern und vortäuschen. Den Verlierern dieser Gesellschaft bleibt dann der Suff (A.Knoll 2004, S.73)
Das die neue Sozialgesetzgebung („Hartz IV“) und die zunehmende Arbeitslosigkeit Armutserscheinungen weiter verschärfen, scheint offensichtlich. Eine zunehmende Spaltung der Gesellschaft belegen selbst offizielle Regierungsdokumente, bspw. der Armuts- und Reichtumsbericht (www.bundesregierung.de). Interessant ist der Griff der betroffenen Personen zu Suchtstoffen um eben diese Enttäuschungen zu lindern und den Ist- Zustand zu ertragen.
Trinkende Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger und deren Kinder, die in marginalisierten Wohnvierteln ein trostloses Dasein fristen und sich mit günstigen Alkoholika versorgen, sind Bilder die man in jeder größeren Stadt sammeln kann und die immer mehr in den Medien thematisiert werden
Da Alkohol in der BRD legal erhältlich ist, stellt sich die Frage, welchen Nutzen die Konsumenten aus dem Alkohol ziehen, sondern welcher politisch- soziale Nutzen sich aus verbreitetem Alkoholkonsum für die herrschende Ordnung ergibt.
Legale Suchtstoffe werden zwar besteuert, sind aber, in geringer Qualität, durchaus auch für den „kleinen Geldbeutel“ eines Marginalisierten an jedem Kiosk, bzw. für Preisbewusste im örtlichen Verbrauchermarkt, erwerblich. Alkoholkonsum verspricht einen schnellen Rausch und die entsprechende Gesellschaft an den Treffpunkten vor diesen Lokalitäten tut ein Übriges, dass der Konsument sich akzeptiert und in integriert fühlt. Die subjektiven Belohnungsaspekte einer Alkoholkultur scheinen also neben der Rausch- und Betäubungswirkung auch im sozialen Bereich zu liegen. Als Stichpunkte seien genannt: Geselligkeit, Kommunikation, Anerkennung, Schutz, Integration, Identität und Sinnstiftung.
Neben diesen durchaus vorhandenen subjektiven Nutzen treten soziale Stigmatisierungen. Unterschichtige Alkoholiker sind gebrandmarkt und werden belächelt, bedauert oder von Ordnungskräften des Platzes verwiesen. Gleichzeitig stellen sie kaum eine organisierte Gefahr für die „öffentliche Ordnung“ dar. Sind diese Personen ruhig gestellt mit den „Medikamenten“ staatlicher Transferleistungen und Alkohol? Zumindest widerspricht der Zustand der Trunkenheit einer gezielten, geplanten und rationalen Protestaktion. Alkoholkonsum liefert also nicht nur dem Einzelnen Abhängigen gewisse „Erfolgserlebnisse“, sondern scheint auch eine oberflächliche, nicht- revoltierende Kompensation von Frustration, Desintegrationserfahrungen, sozialem Ausschluss und Missachtung zu ermöglichen. Es erscheint mir daher berechtigt, von objektiven, durchaus gewollten, Effekten sozialer Kontrolle im Zusammenhang mit Alkohol zu sprechen.
Alkohol hat somit sowohl die subjektive Funktion der Problembewältigung als auch der objektiven sozialen Kontrolle in politisch- sozialen Krisensituationen, wie ein Blick auf die ehemalige Sowjetunion zeigt:
Drogen sind dann besonders unentbehrlich, wenn sich eine Gruppe in ihrer Identität bedroht fühlt, und in dem Rauschgift einen Weg sieht, Angst und Unsicherheit über die eigene Zukunft zu betäuben. Das gilt für Kat im Jemen, für Crack in den Elendsvierteln der USA und für Wodka in Russland. Die meisten Drogentoten sind gegenwärtig in der durch einen kulturellen Umbruch krisengeschüttelten ehemaligen Sowjetunion zu beklagen. Sie sterben an gepanschtem Wodka- in den ersten neun Monaten des Jahres 2002 waren es nach einer Dpa Meldung 28000 Opfer. Wie der Vorsitzende der Staatsduma, Genadi Kulik, in Moskau erklärte, wird in Russland zur Zeit etwa die Hälfte aller hochprozentigen Alkoholika Illegal hergestellt […]. Die Gefahr wird durch den steigenden Bierpreis erhöht; zur Sowjetzeit kostete eine Flasche Wodka soviel wie zehn Flaschen Bier, während heute dieses Verhältnis auf eins zu drei gesunken ist (W.Schmidtbauer 2003, S.49).
Der zunehmende gesellschaftliche Druck und die Angst vor materiellen Verlusten und Zukunftsängsten sind hier nur in ihrer schlimmsten Ausprägung zu sehen. Alkoholmissbrauch erstreckt sich auf alle gesellschaftlichen Schichten.
Das kann man an der Verbreitung von Alkoholismus in der Gesellschaft und Krankheitsrate sehen.
Nach einer Studie Prof. Jean Bernard von 1980 am Beispiel Frankreichs, sind:
demnach zwei Millionen Franzosen behandlungsbedürftige Alkoholiker; für drei weitere Millionen bringt der Alkohol schwere gesundheitliche Risiken mit sich (nach Kreislauf und Krebsleiden ist er die dritthäufigste Todesursache) 20 000 bis 30 000 Menschen sterben allein an Leberzirrohse, Delirium tremens und Nepritis. „Es steht fest, dass bereits eine Teillösung des Alkoholismusproblems für sich allein genügen würde, die finanziellen Nöte der Sozialversicherung zu lindern.“ Heißt es in dem Bericht. 0 bis 50 Prozent der Krankenhausbetten seien regelmäßig mit Patienten belegt deren Leiden sich auf das Trinken zurückführen lassen.
Die sozialen Kosten dieser Sucht werden auf Dutzende von Milliarden Franc pro Jahr geschätzt.
Aber das Problem ist kaum lösbar, denn:
- der Weinbau macht wertmäßig elf Prozent der französischen Landwirtschaft aus
- mehr als 200 000 Bauernfamilien leben nur von der Rebe
- 400 00 weitere bewirtschaften Weinberge nebenher als Zusatzerwerb
- der jährliche Wert der Weinproduktion beträgt 17 Milliarden Franc
- jeder zehnte Franzose lebt direkt oder indirekt vom Alkohol.
- Jeder Versuch, das Problem politisch zu lösen, wird durch eine Lobby blockiert, die quer durch alle Parteien der Republik ihre Anhänger hat. (W.Schmidtbauer 2003, S.33)
Die herrschaftspolitisch günstigen Effekte einer regulierten, d.h. aufrechterhaltenden, unterschichtigen- Alkoholkultur werden also eingeschränkt durch die enormen Kosten für das Gesundheitssystem. Während die soziale Befriedung gewünscht ist, gelten die Folgekosten des Alkoholkonsums als ernstes Problem. Dem Interesse des Gesundheitssystems wiederum gegenüber stehen die Interessen einer gewaltigen steuerzahlenden (!) Alkoholindustrie (Bauern, Produktionsbetriebe, Zulieferer, Transporteure, Großhändler, Kleinhändler). Innerhalb dieses Interessengeflechts, welches den widersprüchlichen Charakter kapitalistischer Gesellschaften beispielhaft verdeutlicht, muss der Staat als „Ideeller Gesamtkapitalist“ (Engels) vermitteln, Entscheidungen fällen und Prioritäten setzen. Entsprechend widersprüchlich gestaltet sich der offizielle Umgang mit dem Alkohol. Verständlicher wird dann auch die Doppelmoral, mit der die Regierungen einerseits selbst Alkohol herstellen und vertreiben und auch auf das Steueraufkommen einziehen, welches daraus resultiert. So war allein das Steueraufkommen nur aus der Branntweinsteuer 2.143 Milliarden Euro, im Jahr 2001 (Quelle: www.dhs.de).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle:W. Schmidtbauer, 2003,S. 52)
Die Gesamtkosten aus allen Alkoholbedingten Schäden beliefen sich auf ca. 20 Milliarden Euro, die allerdings auch nicht allein von der Staatskasse sondern von allen Steuer- und Versicherungszahlern getragen werden (Quelle: ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle:W. Schmidtbauer, 2003,S. 50)
Besonders die Industrie erschließt immer neue Märkte und schafft neue Probleme, so sei nur einmal an Alkopops erinnert, die nach wie vor, zwar teurer, aber bei Jugendlichen immer noch sehr beliebt sind (Quelle: ebd.).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle.H.Kolitzus,2004, S.32)
Die Menge an unterschiedlichsten Alkoholika ist immens und kaum aufzuzählen, allerdings auch die damit verbundenen Probleme: Es besteht eine direkt Korrelation zwischen der Menge an Suchtstoffen in einer Gesellschaft und den Problemen, die sie und ihre Mitglieder mir ihr haben(H .Kolitzus, 2004, S.32).
Klar zu erkennen ist, dass der Pro- Kopf- Konsum an reinem Alkohol- vom Säugling bis zum Greis- seit der Nachkriegszeit steil angestiegen ist (H.Kolitzus, 2004, S.32)
Auffallend sind in diesem Schaubild die Zahlen aus der ehemaligen DDR, in der ich aufgewachsen bin, hier lag der Alkoholkonsum noch einen Liter über dem der BRD. Alkohol gab es reichlich. Sogar in direkter Nähe des Arbeitsplatzes war in den betriebseigenen Läden ein reichhaltiges Angebot an Alkohol zu haben. Wenn es auch sonst nur wenige hochwertige Konsumgüter gab, so gab es auch in der „Mangelwirtschaft“ immer genügend Alkohol zu kaufen.
3. Begriffsdefinitionen ,medizinisch gesellschaftlicher Kontext
3.1 Alkoholismus: Verlauf und Symptome
Alkoholmissbrauch zerstört den Organismus, lässt den Betroffenen verelenden und kostet ihn letztendlich sein Leben. Es ist nicht leicht einheitliche Daten zur Verbreitung von Alkoholismus zu finden. A. Knoll schreibt von 2.5 Millionen direkt Betroffenen in der BRD (A. Knoll 2004, S.89), während das Lehrbuch Neurologie und Psychiatrie für Pflegeberufe nur 600.000 angibt (W.F. Haupt/ K-A. Jochheins/ H. Remschmidt 1997, S.311). Chronischer Alkoholismus hingegen wird hier als weitverbreitete Krankheit genannt, in den USA und Mitteleuropa sollen auf 100 000 Erwachsene Einwohner etwa 2 500 Alkoholiker kommen (W.Haupt u.a. 1997, S.314).
Sehr anschaulich verdeutlicht S. von Kroge die Verbreitung von Alkoholismus. Er ermittelt den Protzentsatz von 10 (vgl. ebd., S.5).
Jeder zehnte Bürger ist also direkt davon Betroffen, denn die sehr hohe Dunkelziffer wird selten in Lehrbüchern überhaupt erwähnt. Alkoholismus ist ein Massenerscheinung bis in die „Mitte“ der Gesellschaft, keine Randerscheinung.
Um diesem Phänomen Herr zu werden fing man bereits in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts an, Alkoholismus als Erkrankung zu definieren. W. Feuerlein schreibt dazu:
Das Krankheitsmodell des Alkoholismus stellt durch seine Wertneutralität einen Fortschritt dar, während andere Erklärungsmodelle des Alkoholmissbrauchs (z.B. „Schlechte Angewohnheit“) zwangsläufig wertbezogen sind. Die Wertneutralität hilft aber, die Tabuisierung des Alkoholismus aufzuheben und den therapeutischen Zugang zu erleichtern (W.Feuerlein 1975, S.7).
Die WHO hat in ihrem International Code of Disabilitie in Tabelle 15 unter F10 „Störungen durch Alkohol“ als psychische Erkrankung aufgelistet (W. Haupt u.a. 1997, S3.10). Eng damit verbunden ist der Missbrauchsbegriff:
Unter Missbrauch verstehen wir die nicht sachgerechte oder über das sachgerechte Maß hinausgehende Anwendung von Arznei- oder Genussmitteln(W.Haupt ua. S.309). Und Sucht: Als Sucht bezeichnen wir einen Zustand periodischer und chronischer Vergiftung, der durch den wiederholten Genuss eines natürlichen oder synthetischen Arzneimittels hervorgerufen wird, schädlich für den Einzelnen oder (und) die Gesellschaft (WHO- Definition des Ausschusses für Rauschgifte) (W.Haupt u.a. 1997, S.310).
Die Definition des chronischen Alkoholikers zeigt an, dass es sich hier um eine Person handelt, die eine Stufe erreicht hat, in der die „Anstößigkeit“ und Folgekosten des Alkoholkonsums die sozial erwünschten Effekte deutlich überschreiten:
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