Der Sicherheitsrat ist, wie die aktuelle Diskussion um den Einsatz einer Friedenstruppe im Libanon beweist, ein zentrales Organ zur Regelung und im Idealfall zur Schlichtung internationaler Konflikte. Die mediale Resonanz auf sicherheitspolitisch relevante Sicherheitsrats-Beschlüsse gibt einen Hinweis auf die bedeutende Stellung in den Internationalen Beziehungen. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion ist der Sicherheitsrat seit seiner Gründung 1945 ausgiebig behandelt worden. Dabei werden dem Sicherheitsrat, wie dem System der Vereinten Nationen insgesamt, immer wieder Handlungsunfähigkeit und Bürokratismus vorgeworfen. Dem Sicherheitsrat kommt im System der Vereinten Nationen eine gewichtige Rolle zu. Als einziges Organ kann er für alle Mitgliedsstaaten bindende Beschlüsse fassen. Diese Funktion misst ihm besondere Bedeutung zu und hat ihn wiederholt ins Licht und die Kritik der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt, gerade wenn wie in Ruanda Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden und der Sicherheitsrat unzureichend gehandelt hat. Die Unzulänglichkeiten des Sicherheitsrats, also die ihm durch die Charta zugedachte und unbefriedigend erfüllte Aufgabe der Wahrung des Weltfriedens, hat die Debatte um die Reform besonders nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und der neuen Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrats wieder entfacht. Es gibt viele Bestrebungen die von den meisten Mitgliedern konstatierte Reform des Sicherheitsrats, angesichts der vielfältigen Probleme in Angriff zu nehmen. Allerdings mangelt es bis heute an einem konsensfähigen Vorschlag.
Diese werden in der vorliegenden Arbeit diskutiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Einführung
1.2. Zusammensetzung des Sicherheitsrats, Vetorecht und Sicherheitsbegriff
1.3. Vorgehensweise
2. Einordnung in den Kontext der Reformbemühungen
2.1. Institutionelle Reformen
2.2. Reformen im Bereich der Friedenssicherung
2.3. Reformdiskussion im Bereich des Völkerrechts
2.4. Reformen im Bereich der Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt
3. Argumente in der Reformdiskussion
3.1. Argumente für eine Reform
3.1.1. Globalisierung als neue Herausforderung
3.1.2. Die neue Rolle des Sicherheitsrats nach Ende des Ost-West Konflikts
3.1.3. Gestiegene Mitgliederzahl
3.1.4. Vetorecht - gerecht?
3.1.5. Abwahl ständiger Mitglieder?
3.1.6. Praxis des Sicherheitsrats. Rechtliche Grundlage und Realität
3.1.7. Zusammensetzung des Sicherheitsrats
3.2. Argumente gegen eine Reform
3.2.1. Effektivitätserhöhung ohne Chartarevision
4. Reformmodelle
4.1. Reformanforderungen
4.2. Aktuell diskutierte Reformvorschläge
4.3. Warum gab es noch keine Reform?
5. Ein europäischer Sitz?
5.1. Deutschland
5.2. Italien
5.3. Andere europäische Staaten
5.4. Reformwille der ständigen Sicherheitsratsmitglieder
6. Fazit und Reformperspektiven
7. Literaturverzeichnis
8. Anhang
8.1. Abbildungsverzeichnis
8.2. Deutsche Übersetzung der Charta der Vereinten Nationen (nach UNRIC)
1. Einleitung
1.1. Einführung
Der Sicherheitsrat ist, wie die aktuelle Diskussion um den Einsatz einer Friedenstruppe im Libanon beweist, ein zentrales Organ zur Regelung und im Idealfall zur Schlichtung internationaler Konflikte. Die mediale Resonanz auf sicherheitspolitisch relevante Sicherheitsrats-Beschlüsse gibt einen Hinweis auf die bedeutende Stellung in den Internationalen Beziehungen. Auch in der wissenschaftlichen Diskussion ist der Sicherheitsrat seit seiner Gründung 1945 ausgiebig behandelt worden. Dabei werden dem Sicherheitsrat, wie dem System der Vereinten Nationen[1] insgesamt, immer wieder Handlungsunfähigkeit und Bürokratismus vorgeworfen. Dem Sicherheitsrat kommt im System der Vereinten Nationen[2] eine gewichtige Rolle zu. Als einziges Organ kann er für alle Mitgliedsstaaten bindende Beschlüsse fassen. Diese Funktion misst ihm besondere Bedeutung zu und hat ihn wiederholt ins Licht und die Kritik der öffentlichen Aufmerksamkeit gestellt, gerade wenn wie in Ruanda Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden und der Sicherheitsrat unzureichend gehandelt hat. Die Unzulänglichkeiten des Sicherheitsrats, also die ihm durch die Charta zugedachte und unbefriedigend erfüllte Aufgabe der Wahrung des Weltfriedens, hat die Debatte um die Reform besonders nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes und der neuen Handlungsfähigkeit des Sicherheitsrats neu entfacht. Es gibt viele Bestrebungen die von den meisten Mitgliedern konstatierte Reform des Sicherheitsrats, angesichts der vielfältigen Probleme in Angriff zu nehmen. Allerdings mangelt es bis heute an einem konsensfähigen Vorschlag.
1.2. Zusammensetzung des Sicherheitsrats, Vetorecht und Sicherheitsbegriff
Die heutige Zusammensetzung des Sicherheitsrats besteht seit der ersten Erweiterung 1965 von sechs auf zehn nicht ständige Mitglieder. Der Sicherheitsrat setzt sich aus fünf namentlich in der Charta erwähnten ständigen Mitgliedern mit so genanntem Vetorecht und zehn nicht ständigen Mitgliedern ohne Vetorecht zusammen.
Die nicht ständigen Mitglieder werden auf zwei Jahre, nach einem bestimmten Schlüssel von der Generalversammlung, gewählt. Eine direkte Wiederwahl ist ausgeschlossen. Die ständigen Mitglieder sind: die Vereinigte Staaten von Amerika, die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken[3], die Volksrepublik China[4], Frankreich und das Königreich Großbritannien und Nordirland (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 298).
Entscheidungen des Sicherheitsrats bedürfen, mit Ausnahme von Verfahrensfragen, der Zustimmung aller fünf ständigen Mitglieder. Das Vetorecht wird seit Ende des Ost-West Konflikts nur noch verhältnismäßig selten eingesetzt. Dennoch hat das Veto nicht an Bedeutung verloren, da die ständigen Mitglieder nach außen oft geschlossen auftreten und das Veto „latent“[5] aber immer präsent ist (vgl. Andreae, 2002, 23). Der Sicherheitsrat hat nach Art. 23 der UN-Charta[6] „die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“. Die klassische Definition von Sicherheit bezieht sich auf den Schutz vor äußeren Bedrohungen von Staaten und durch Staaten. Dieser eingeschränkte Sicherheitsbegriff hat in den letzten Jahren eine inhaltliche Ausdifferenzierung und Ausweitung des Kreises der betroffenen Subjekte erfahren. Zum einen werden Bedrohungen „nicht mehr ausschließlich als militärische Bedrohungen der nationalen territorialen Integrität und Entscheidungsautonomie“ definiert, sondern es wurden alle transsouveränen Probleme[7] unter den Begriff subsumiert und andererseits wird die Souveränität „nicht mehr allein […] als Schutz vor Einmischung in innere Angelegenheiten begriffen, sondern als Verantwortung jedes einzelnen Staates, die eigene Bevölkerung vor vermeidbaren, ihre physische Existenz gefährdenden Sozial- oder humanitären Katastrophen zu bewahren“ (Baumgärtner/Rittberger, 2005, 313 ff.).
Dieser fortgeschrittene normative Wandel von Souveränität als Abwehrrecht zu Souveränität als Schutzverpflichtung verdeutlicht nicht zuletzt das Abschlussdokument des so genannten Millennium+5-Gipfels: „Jeder einzelne Staat hat die Verantwortung für den Schutz seiner Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ (Generalversammlung, 2000, 41).
1.3. Vorgehensweise
Der Bezug auf die aktuelle Reformdiskussion im Titel der Arbeit soll nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Diskussion um eine Überarbeitung der Zusammensetzung, Transparenz und Verfahrensweisen des Sicherheitsrats seit Gründung der Vereinten Nationen geführt wird. Auch die Stoßrichtung der Argumentationen hat sich nicht Grundlegend geändert: „Es handelt sich also keineswegs um eine neue Diskussion, sondern um die Fortführung eines alten Themas vor einem neuen weltpolitischen Hintergrund, jedoch unter Verwendung fast identischer Argumente“ (Andreae, 2002, 39). Die Arbeit verschafft einen Überblick über die Reformbemühungen im Zusammenhang mit dem Sicherheitsrat und berücksichtigt dabei besonders die Rolle der Europäischen Union. Als Höhepunkte der mit unterschiedlicher Intensität geführten Diskussion können die Gründung der Vereinten Nationen, sowie die 70er und die in dieser Arbeit genauer untersuchten 90er Jahre gelten.
Das erste inhaltliche Kapitel beschäftigt sich mit der Einordnung der Sicherheitsratsreform in den Kontext der globalen Reformbemühungen die Vereinten Nationen betreffend. Nicht nur der Sicherheitsrat der UNO ist reformbedürftig, auch andere Teile der Charta, wie Strukturen und Arbeitsabläufe sollen den „Herausforderungen des beginnenden 21. Jahrhunderts“ (Schaefer, 1994, 208) angepasst werden. Die Leserin, bzw. der Leser erhält in diesem Abschnitt einen Überblick über die allgemeine Reformproblematik innerhalb der Vereinten Nationen, welche sich nicht nur auf den Sicherheitsrat bezieht, sondern in vielen Kontexten in ähnlicher Weise besteht. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil einzelstaatliche Ambitionen auf einen Platz im Sicherheitsrat wohl nicht ohne Einbettung in eine Reform des Gesamtsystems mehrheitsfähig werden (vgl. Schäfer, 1994, 208). Dem Überblick schließt sich eine Analyse der vorgebrachten Argumente für oder gegen eine Reform des UN-Sicherheitsrats an. Es soll den Fragen nach den unterschiedlichen Interessen der Staaten oder Staatengruppen nachgegangen werden und die verschiedenen Faktoren, welche eine Änderung der Charta nötig machen, untersucht werden. Welche externen Variablen haben sich geändert, die eine Chartarevision bedingen und von wem werden sie zu welchem Zweck angeführt?
Diese Analyse bildet die Grundlage für das bessere Verständnis der anschließend diskutierten Reformmodelle für den Sicherheitsrat. Abschnitt vier skizziert die am meisten beachteten und aktuell diskutieren Vorschläge.
Anschließend wird die Rolle der Europäischen Union im Reformprozess des Sicherheitsrats geprüft. Dazu ist es sinnvoll die staatlichen Hauptakteure zu isolieren und deren Position herauszuarbeiten. Welche Reformvorstellungen haben die potentiellen Beitrittskandidaten aus der Ländergruppe Europa und welche Für- und Widersprecher behindern oder fördern einzelne Reformvorschläge? Eine besondere Rolle kommt dabei den europäischen Ländern mit ständigem Sitz im Sicherheitsrat zu, da sie den Reformablauf blockieren können. Auch die Haltung der ständigen Mitglieder Vereinigte Staaten von Amerika, Volksrepublik China und Russland werden besonders berücksichtigt. Außerdem wird in diesem Zusammenhang die Möglichkeit eines gesamteuropäischen Sitzes diskutiert. Den Abschluss der Untersuchung bildet ein Fazit und eine Einschätzung der Reformperspektiven für den Sicherheitsrat.
Der Autor geht von grundlegenden Kenntnissen der Leserin, bzw. des Lesers über die Organisation, Struktur, sowie Prozeduren innerhalb der einzelnen Organe der Vereinten Nationen aus, da diese nicht teil der Arbeit sind und ihren Umfang übersteigen würden.
Zum verfassen der Arbeit wurden Monografien, aktuelle Zeitschriftenartikel in Deutsch und Englisch, Sammelbände und Dokumente der Vereinten Nationen von der Homepage der Vereinten Nationen in englischer Sprache und vom deutschen Übersetzungsdienst der ständigen Vertretung Deutschlands bei den Vereinten Nationen verwendet.[8]
2. Einordnung in den Kontext der Reformbemühungen
Die Reformbemühungen der Mitgliedsstaaten und der Generalsekretäre[9] beziehen sich auf viele Teilgebiete der Vereinten Nationen, nicht nur auf den Sicherheitsrat. In der Tat ist die Reform des Sicherheitsrats die Aufgabe, an der sich die Leistungsfähigkeit des Systems[10] der UNO in Zukunft messen lassen muss, doch gibt es gerade im unübersichtlichen System der Vereinten Nationen viele Aufgabenüberschneidungen und Redundanzen, welche einen Überblick weiterer Reformbemühungen unerlässlich machen. Gareis und Varwick identifizieren sieben Unzulänglichkeiten als treibendes Moment für Reformbemühungen:
- „Viele Bestimmungen der Charta haben sich […] als nicht durchführbar erwiesen oder sind […] obsolet geworden;
- dagegen sind neue Aufgabenfelder der Vereinten Nationen wie Krisenprävention, Umweltschutz, Bevölkerungswachstum etc. in der Charta nicht oder nur unzureichend repräsentiert;
- die Zusammensetzung des Sicherheitsrates widerspiegelt bezüglich seiner Ständigen Mitglieder die Situation am Ende des Zweiten Weltkriegs, bezüglich der Zahl der Nichtständigen Mitglieder die Struktur der Vereinten Nationen zu Beginn der 1960er Jahre;
- das Vetorecht wird zunehmend als diskriminierend und auch von seiner Funktion her nicht mehr gerechtfertigt empfunden;
- ein Hauptorgan – der Treuhandrat – hat seine Arbeit mangels zu verwaltender bzw. zu beaufsichtigender Gebiete suspendiert;
- die Arbeit der Generalversammlung ist umständlich und zeitraubend, die Rolle des Wirtschafts- und Sozialrates verliert immer weiter an Gewicht und schließlich ist
- eine wirksame Koordination des Gesamtsystems mit seinen vielfältigen Verschachtelungen und Redundanzen kaum mehr möglich“ (Gareis/Varwick, 2003, 291).
Aus den konstatierten Defiziten leiten sich Reformansätze für verschiedene Bereiche der Vereinten Nationen ab. Grundsätzlich ist zwischen Reformen der inneren Struktur, welche ohne Charta Änderung von der Generalversammlung beschlossen werden können oder im Hoheitsbereich des Generalsekretärs liegen, und zwischen Verfassungsänderungen zu unterscheiden. Für letztere liegen die Hürden besonders hoch. Eine Chartareform bedarf einer Zweidrittelmehrheit in der Generalversammlung. Darüber hinaus muss die Änderung von zwei Drittel der Mitgliedsländer der Vereinten Nationen inklusive der fünf ständigen Mitglieder ratifiziert werden. Dies hat nicht übersehbare Folgen für eine Reform des UN-Sicherheitsrats. Jegliche Reformen dieses höchsten Exekutivorgans bedürfen der Zustimmung der so genannten „permanent five“ („Ständigen Fünf“ oder „P5“).
2.1. Institutionelle Reformen
In den Bereich der institutionellen Reformen werden die Umstrukturierung der Finanzen, die Reform des Sicherheitsrats und die Reorganisation der Verfahren in der Generalversammlung gezählt. „Dass über Verbesserungen der Arbeitsweisen der Vereinten Nationen im allgemeinen und des Sicherheitsrats im besonderen nachgedacht werden müsse, räumten [sogar, J.L.] die Mitglieder des Sicherheitsrats […] ein […]. Ganz erheblich begünstigt wurde eine Institutionalisierung der Debatte über die Reform des Sicherheitsrats Anfang der neunziger Jahre durch die Einsicht, dass eine Reform der Vereinten Nationen in ihrer Gesamtheit erforderlich sei“ (Andreae, 2002, 38). Die Defizite des System der UNO betreffend ist es Konsens, dass es in vielen Bereichen an Kosteneffizienz und überschaubarer Organisation mangelt (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 288). Besonders die Vereinigten Staaten von Amerika (USA, US-Amerikanisch) haben dieses Argument in den 90er Jahren benutzt, um die Vereinten Nationen durch Zurückhaltung ihrer Beiträge zum ordentlichen Haushalt zu Reformen zu zwingen (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 289). Der damalige Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali hat aus diesem Grund Mitte der 90er Jahre einige Reformen[12] in Gang gesetzt, welche von Kofi Annan[13], z.B. mit einer Restrukturierung des Generalsekretariats, weitergeführt wurden. Im Jahre 2000 wurde die Beitragsskala überarbeitet, was einerseits den Forderungen der USA nach niedrigeren Beiträgen und andererseits den Haushalten der ärmsten Länder entgegen kam und die Zahlungsmoral der Mitgliedsländer verbesserte[14]. Im Bereich der Generalversammlung gehen die Reformbemühungen in Richtung Vereinfachung der Abstimmungs- und Verfahrensregeln, welche sich auf Grund der gewachsenen Mitgliederzahl als zu kompliziert erwiesen haben (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 291).[11]
2.2. Reformen im Bereich der Friedenssicherung
Die Aufgaben im Bereich der Friedenssicherung haben sich seit Ende des Ost-West Konflikts und der Renaissance des so genannten Peacekeeping erheblich verändert. „Binnen weniger Jahre musste die Organisation unter dem Druck der weltpolitischen Geschehnisse neue Aufgabenprofile und Einsatzformen für Friedensmissionen entwickeln, die mit den klassischen Peacekeeping-Operationen der ersten Generation bald nur noch wenig mehr als den Namen gemeinsam hatten“ (Gareis/Varwick, 2003, 304). Die in diesem Zusammenhang sichtbar gewordenen Unzulänglichkeiten untersuchte eine von Kofi Annan eingesetzte Expertenkommission unter Vorsitz des damaligen algerischen Außenministers Lakhdar Brahimi. Der so genannte Brahimi-Report konstatiert, dass die Vereinten Nationen gegründet wurden um „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren“ (vgl. Präambel der Charta) und dass die Vereinten Nationen im letzten Jahrzehnt wiederholt an dieser Aufgabe gescheitert sind (PUNPO, 2000, 1). Aus einer umfangreichen Analyse leitet der Report Verbesserungsvorschläge ab, welchen im Folgenden kurz skizziert werden:
- Die Missionen waren nicht mit so genannten robusten Mandaten[15] ausgestattet und als Folge dessen nicht im Stande den hohen Erwartungen zu genügen.
- Die Hauptabteilung für Friedenssicherungseinsätze (Department of Peacekeeping Operations, DPKO) wird aufgefordert, die notwendigen personellen und strukturellen Voraussetzungen zur Durchführung komplexer Friedensmissionen zu schaffen.
- Die Mitgliedstaaten werden zur verbindlichen Bereitstellung von Ressourcen zur Durchführung von Friedensmissionen angehalten (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 306).
Die Empfehlungen des Brahimi-Reports werden derzeit umgesetzt. Ein Beispiel ist das Standby-Arrangement-System, nach dem die Mitgliedstaaten Militär- und Zivilkräfte in verschiedenen kodifizierten Verbindlichkeitsstufen (levels)[16] für Friedensmissionen bereitstellen (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 305 und 310). Einige Beobachter schließen für die Zukunft auch eine Privatisierung der Friedenssicherung zu einem gewissen Grad nicht aus (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 308 f.).
2.3. Reformdiskussion im Bereich des Völkerrechts
In der Diskussion im Bereich des Völkerrechts[17] geht es um die Anpassung des normativ-rechtlichen Rahmens an neue Krisenszenarien in einem veränderten Weltumfeld. Eine umfassende Revision des Völkerrechts wird von keiner Seite angestrebt, da der größte Teil der Regelungen völkerrechtlich gebundener Staaten unproblematisch befolgt wird. Im Zentrum steht dabei die, während und nach dem Irak-Krieg 2003 geführte Debatte um präemptive[18] Sicherheitspolitik. Die zwischenstaatlich geführten Kriege nehmen ab und die Bedrohungspotentiale durch nicht staatliche Gegner im Zusammenhang mit Terrorismus und Massenvernichtungswaffen zu. Einige Staaten, darunter die Vereinigten Staaten von Amerika plädieren daher für eine Ausweitung des Selbstverteidigungsbegriffs (Art. 51). Unklar ist, welche Kriterien angewandt werden sollen um einen Fall festzustellen der einen präemptiven militärischen Einsatz rechtfertigen würde und wie sich ein Präemptionskrieg mit dem Gebot der Gewaltfreiheit (Art. 1) vereinbaren lässt (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 314 ff.).
[...]
[1] Der Begriff der Vereinten Nationen (VN) bezieht sich, sofern nicht explizit darauf hingewiesen wird, auf die Charta der Vereinten Nationen und wird synonym zu UNO (United Nations Organizantion), UN (United Nations), Weltorganisation.
[2] Einen guten Überblick bietet das Organigramm im Anhang, Seite 29.
[3] Die Russische Föderation hat - allgemein akzeptiert - ohne Änderung der Charta die Nachfolge der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR oder Sowjetunion) angetreten. Dies ist zumindest aus rechtlicher Sicht fragwürdig (vgl. Andreae, 2002, 36).
[4] Die Volksrepublik China hat 1971 die Republik China (Taiwan) abgelöst (vgl. Andreae, 2002, 36).
[5] In manchen Fällen reichte die einfache Vetodrohung einzelner Mitglieder um Beschlüsse zu verhindern.
[6] Im Folgenden wird mit sich mit „Art.“ immer auf die UN-Charta bezogen.
[7] Transsouveräne Probleme sind durch die Überschreitung der Staatsgrenzen und die Unfähigkeit eines Staates zur unilateralen Lösung gekennzeichnet (vgl. Baumgärtner/Rittberger, 2005, 313). Beispiele sind sozioökonomische Bedrohungen (Armut, Krankheit, Umweltzerstörung), zwischenstaatliche Kriege, innerstaatliche Gewaltkonflikte, Massenvernichtungswaffen, Terrorismus und organisierte Kriminalität (vgl. Generalversammlung, 2005, 8 ff.).
[8] Die verwendeten Internetquellen liegen der Arbeit als Compact Disk bei. Zur leichteren Identifizierung sind die Internetnachweise nicht nur unter ihrem Namen abgespeichert, sondern enthalten eine Sortierung nach Datum als Präfix. Das Präfix hat die Folgende Syntax: Jahr – Monat – Tag – Name der Ursprungsdatei, zum Beispiel: „06 - 08 - 01 - organe.htm“.
[9] Auf eine genaue, in anderem Kontext sicherlich interessante, Analyse der Impuls gebenden Akteure für die verschiedenen Reformziele wird verzichtet, da sie den Rahmen der vorliegenden Untersuchung übersteigen.
[10] Einen guten Überblick bietet das Organigramm „Das System der Vereinten Nationen“ auf den deutschen Seiten des Regionalen Informationszentrums der Vereinten Nationen für Westeuropa (UNRIC) http://www.unric.org/html/german/organe.htm .
[11] Die Gliederung folgt der von Gareis/Varwick im Kapitel „Reformansätze für das 21. Jahrhundert“ (2003, 285-326).
[12] Dazu zählen insbesondere Stellenstreichungen von 2500 Mitarbeitern, Ausgabenzuwachs der Organisation gestoppt, eine computergestützte Personal-, Sach- und Haushaltsverwaltung eingeführt, die IOIS (Office of Internal Oversight Services) zur Innenrevision gegründet und ein transparenteres Beschaffungswesen durchgesetzt, u.a. (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 293 f.).
[13] Seit dem 13. Dez. 1996 ist Kofi Annan 7. Generalsekretär der Vereinten Nationen. Übersicht der bisherigen Generalsekretäre bei Gareis/Varwick, 2003, 62.
[14] Gleichwohl hat die UNO ausstehende Beiträge in beträchtlicher Höhe und außer der Möglichkeit des Entzugs des Stimmrechts nach Art. 19 in der Generalversammlung keine Sanktionsinstrumente gegen ihre Mitglieder.
[15] Personell gut ausgebildete und materiell solide ausgerüstete Missionen.
[16]
- Level 1: list of capabilities: Listen mit im Bedarfsfall bereitstellbahren Einheiten (25 Staaten);
- Level 2: Planning data sheets: Schneller einsatzfähige Truppen bei denen Rahmenbedingungen eines Einsatzes klar sind (11 Staaten);
- Level 3: Planing data sheets + Memoradum of Understanding: Wie Level 2 nur inklusive genauer Bedingungen für einen Einsatz (41 Staaten);
- Level 4: Rapid Deployment Level: Truppenbereitstellung innerhalb von 30 bzw. 90 Tagen (vgl. Gareis/Varwick, 2003, 309 – 314).
[17] Das Völkerrecht wird hier verstanden als verbindliche, völkerrechtliche Verträge (zum Teil mit Sanktionsmöglichkeiten), dem Völkergewohnheitsrecht und den allgemeinen Rechtsprinzipien (vgl. Dolzer, 2003, 560 – 564).
[18] Es gilt zwischen präventiv (ein feindlicher Angriff steht nachweislich unmittelbar bevor), präemptiv (ein Angriff wird vermutet) zu unterscheiden.
- Citation du texte
- Julian Lenk (Auteur), 2006, Die aktuell diskutierten Vorschläge zur Reform des UN-Sicherheitsrates und die EU, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/74191
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