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2 Zusammenfassung
B. weist ein erhöhtes altersinadäquates Angstniveau auf, dass durch das inkonsequente und unsichere (Erziehungs-)Verhalten der Mutter verstärkt wird. Die daraus resultierende Angsterwartung äußert sich in Trennungs-Situationen und Leistungssituationen (Schulverweigerung, Versagensangst) und weitete sich bis zur Schulphobie aus. Seine seit der Kindheit persistierende Trennungsangst könnte daneben auf eine fehlende Bindungssicherheit zur Mutter und realen Erfahrungen des Verlassenwerdens von Seiten des Vaters zurück-geführt werden, die in Trennungssituationen gegenüber der Mutter erneut aufleben. Die damit einhergehenden aggressiven Ausbrüche B.s könnten auf seine verringerte Fähigkeit, Probleme konfliktfrei zu lösen, zurückgeführt werden; zudem weist er laut Testbefunden ein unterdurchschnittliches Aggressionspotential auf. Diese kindhaften Bewältigungsstrategien sowie seine Überangepasstheit zeigen seine ungenügende Ablösung vom familiären Kontext an, die durch seine affektive Bindung und der Überbehütung seiner Mutter erschwert wird. Daneben wirken zahlreiche zeitnahe Risikofaktoren (neue familiäre Konstellation, neue Umgebung durch Umzug und Schulwechsel) kumulierend und verstärkend auf seine Störungsgenese ein. B. weist erhebliche Defizite im Erleben eigener Kompetenz sowohl im Leistungsbereich (Legasthenie, Sitzen bleiben) als auch im emotionalen Bereich (Konflikte lösen) auf, was in einem labilen und negativ geprägten Selbstbild zum Tragen kommt. Damit könnten seine Ängstlichkeit und Aggressivität als Hilflosigkeitsreaktionen im Sinne mangelnder Kompetenz verstanden werden. Neben einer Störung mit Trennungsangst konnte bei B. eine spezifische Entwicklungsstörung des Lesens und Rechtschreibens - bei durchschnittlicher Intelligenz - diagnostiziert werden, die eine vor allem neurobiologische Begründung hat. Interventionsvorschläge beziehen sich hauptsächlich auf kognitiv-behaviorale Verfahren zur Behandlung seiner Trennungsangst sowie auf eine schulische und außerschulische Förderung B.s bezüglich seiner Legasthenie. B. sollte außerdem einen stärkeren Außenbezug in einer gut strukturierten Gruppe erfahren (z.B. Pfadfinder). Hier könnte er eigene Kompetenz erleben und sein Ablösen vom familiären Kontext gefördert werden.
Inhalt
Zu den Fragen
1. Welche Störung liegt vor?
2. Diskutieren Sie die Genese sowie aufrechterhaltende Bedingungen
3. Welche Maßnahmen sollten eingeleitet werden?
1 Anlass für die Begutachtung und Fragestellung
B. M. befindet sich seit dem 08.10.2001, auf Anregung seiner ambulanten Therapeutin Frau Dipl. Psych. L. und mit Unterstützung seiner Mutter, aufgrund verschiedenartiger Verhaltensauffälligkeiten stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie in P. Seit den Osterferien verweigerte er zeitweise und seit den Sommerferien vollständig den Schulbesuch. Des weiteren berichtet seine Mutter, Frau S., von Trennungsängsten, die seit der Kindergartenzeit bestehen, sowie aggressivem und regellosem Verhalten, jedoch nur ihr gegenüber.
Durch die vorliegende testpsychologische Untersuchung soll Aufschluss darüber gewonnen werden, welche Störung bei B. vorliegt. Die Störungsgenese sowie etwaige aufrechterhaltende Bedingungen sollen erörtert werden. Mögliche intervenierende Maßnahmen bezüglich B.s Entwicklung nach seiner Entlassung, die noch vor Weihnachten geplant ist, sollen vorgeschlagen werden. Abgeklärt werden soll zudem, ob eine, nach Angaben B.s und seiner Mutter in der Grundschule diagnostizierte Lese-Rechtschreib-Schwäche tatsächlich bei B. vorliegt.
2 Zusammenfassung
B. weist ein erhöhtes altersinadäquates Angstniveau auf, dass durch das inkonsequente und unsichere (Erziehungs-)Verhalten der Mutter verstärkt wird. Die daraus resultierende Angsterwartung äußert sich in Trennungssituationen und Leistungssituationen (Schulverweigerung, Versagensangst) und weitete sich bis zur Schulphobie aus. Seine seit der Kindheit persistierende Trennungsangst könnte daneben auf eine fehlende Bindungssicherheit zur Mutter und realen Erfahrungen des Verlassenwerdens von Seiten des Vaters zurück-geführt werden, die in Trennungssituationen gegenüber der Mutter erneut aufleben. Die damit einhergehenden aggressiven Ausbrüche B.s könnten auf seine verringerte Fähigkeit, Probleme konfliktfrei zu lösen, zurückgeführt werden; zudem weist er laut Testbefunden ein unterdurchschnittliches Aggressionspotential auf. Diese kindhaften Bewältigungsstrategien sowie seine Überangepasstheit zeigen seine ungenügende Ablösung vom familiären Kontext an, die durch seine affektive Bindung und der Überbehütung seiner Mutter erschwert wird. Daneben wirken zahlreiche zeitnahe Risikofaktoren (neue familiäre Konstellation, neue Umgebung durch Umzug und Schulwechsel) kumulierend und verstärkend auf seine Störungsgenese ein. B. weist erhebliche Defizite im Erleben eigener Kompetenz sowohl im Leistungsbereich (Legasthenie, Sitzen bleiben) als auch im emotionalen Bereich (Konflikte lösen) auf, was in einem labilen und negativ geprägten Selbstbild zum Tragen kommt. Damit könnten seine Ängstlichkeit und Aggressivität als Hilflosigkeitsreaktionen im Sinne mangelnder Kompetenz verstanden werden. Neben einer Störung mit Trennungsangst konnte bei B. eine spezifische Entwicklungsstörung des Lesens und Rechtschreibens – bei durchschnittlicher Intelligenz – diagnostiziert werden, die eine vor allem neurobiologische Begründung hat. Interventionsvorschläge beziehen sich hauptsächlich auf kognitiv-behaviorale Verfahren zur Behandlung seiner Trennungsangst sowie auf eine schulische und außerschulische Förderung B.s bezüglich seiner Legasthenie. B. sollte außerdem einen stärkeren Außenbezug in einer gut strukturierten Gruppe erfahren (z.B. Pfadfinder). Hier könnte er eigene Kompetenz erleben und sein Ablösen vom familiären Kontext gefördert werden.
3 Darstellung der Symptomatik
B. M. wurde am 12.07.19** ehelich geboren. Er ist das einzige Kind von Frau S. und Herr M.. Die Mutter hat einen Sonderschulabschluss und ist Hausfrau. Gelegentlich ist sie als Reinigungskraft tätig. Herr M. ist von Beruf Elektriker. Die Ehe der Eltern wurde 1994 geschieden; B. wohnt seit der Scheidung, der ein dreijähriger Sorgerechtsstreit vorausging, bei seiner Mutter.
Frau S. hat, seitdem B. drei Jahre alt ist, einen neuen Lebenspartner, den sie im Jahr 2000 geheiratet hat. Seit diesem Zeitpunkt wohnen sie auch zusammen mit B. in einer Wohnung.
Zu seinem Vater hat B., so Frau S. und B. selbst, ein positives Verhältnis. B. selbst gibt an, dass es bei seinem Vater schöner sei. Dort würde er auch besser gehorchen. Er räumt jedoch ein, dass er dort auch nicht so viele Regeln gesetzt bekomme. B. möchte, wie aus einem Gespräch hervorgeht, seinen Vater und seine Mutter wieder zusammenbringen, trotzdem habe er – nach Angaben von Frau S. – ein gutes Verhältnis zu ihrem neuen Partner.
Frau S. betont, dass Herr M. B. sehr verwöhne und keine Grenzen setze, z.B. nur lache, wenn B. ihn als „Arschloch“ beschimpfte. Sie selbst habe versucht, ihre Großzügigkeit einzuschränken und auch ihren Ex-Mann gebeten, dies zu tun. Darüber und zu anderen Erziehungsfragen gibt es immer wieder Gespräche zwischen beiden Elternteilen. Sie „treffe alle wichtigen Entscheidungen für B.“ und wirft ihrem Ex-Mann vor, dass er diese „untergraben“ würde. B. bestätigt in einem Gespräch mit der behandelnden Ärztin, dass sein Vater und seine Mutter ihn verwöhnten und er beide gegeneinander ausspielen würde. Dies habe sich in letzter Zeit geändert, was er auch richtig fände.
B.s Mutter gibt an, dass Herr S. gar nicht wirklich an der Erziehung beteiligt sei. Frau S. ist sich jedoch, wie in der Exploration zu beobachten, unsicher über ihre Erziehungsmaßnahmen. Im Gespräch versucht sie sich oft rückzuversichern, dass ihre ergriffenen Erziehungsmaßnahmen richtig sind.
Schon in frühester Kindheit kam es immer wieder zu teilweise auch gewalttätigen Konflikten zwischen seinen leiblichen Eltern, die B., so die Mutter, teilweise unvermittelt mitbekam. Herr M. habe sie, auch im Beisein von B., geschlagen. Frau S. berichtet von einem Zwischenfall als B. sechs Monate alt war. Sie habe B. auf dem Arm gehalten und ihr Mann habe ihr trotzdem eine Ohrfeige gegeben.
Als Herr M. und Frau S. sich trennten, war B. zwei Jahre alt. In diesem Zusammenhang betont die Mutter, dass ihr außer B. nur noch ihre Freiheit wichtig war.
Als Herr M. von dem neuen Freund seiner Ex-Frau erfahren hat – B. war zu diesem Zeitpunkt vier Jahre alt – habe er mit einer Pistole B. und seine Mutter bedroht.
Die Schwangerschaft mit B. verlief, so Frau S., abgesehen von der psychischen Belastung, hervorgerufen durch Streitigkeiten mit ihrem Ehemann, komplikationslos. Die kindliche Entwicklung (Laufen, Sprechen, Sauberkeit) vollzog sich altersgemäß. Im Kindergarten, den B. von seinem 4. Lebensjahr an besuchte, sowie in der Grundschule habe er zunächst Probleme gehabt, sich von der Mutter zu lösen. Er habe sich dann aber mit der Zeit an die Situation gewöhnt, sich im Kindergarten eng an eine der Betreuerinnen gebunden. Probleme mit nächtlichen Aufenthalten bei Freunden, den Großeltern oder auch in Schule und Kindergarten habe es nicht gegeben.
In der Grundschule, in die B. wegen seiner „Verspieltheit“ erst mit fast sieben Jahren eingeschult wurde, war er nach Angaben von Frau S. ein mittelmäßiger Schüler, habe „Dreier“ und „Vierer“ gehabt. Eine Lese-Rechtschreibschwäche sei damals bei ihm diagnostiziert worden.
Schulangst habe er, so die Mutter, damals nicht gehabt. Dies sei erst in der fünften Klasse aufgetreten, als B. auf die Gesamtschule kam. Zur gleichen Zeit etwa ist die Familie in eine andere Stadt gezogen. B. blieb im Sommer diesen Jahres in der fünften Klasse sitzen; seit den Sommerferien verweigert er den Schulbesuch jedoch vollständig. B. sagt, auf seine Schulverweigerung angesprochen „Ich hatte halt Angst“. Seine Schulangst wird auch von psychosomatischen Reaktionen wie Schweißausbrüchen, Durchfall, Zittern begleitet. B. findet sich auf der neuen Schule nicht zurecht und findet sie nach eigenen Angaben nicht „schön“.
Auf der Gesamtschule hatte B. bis dato einen Freund gehabt, dieser habe jedoch nach den Sommerferien die Schule gewechselt. B. gibt während der testpsychologischen Untersuchung an, dass er in der Schule oft gehänselt worden sei.
B. hat sich nach Angaben der behandelnden Ärztin gut in den Alltag der Kinderstation eingepasst. Er hat Kontakt zu anderen Kindern, insbesondere zu seinen Zimmergenossen, und ist beliebt. Seinen „Kumpel“, mit dem er das Zimmer teile, erwähnt er während der testpsychologischen Untersuchung häufiger. B. nimmt an den Angeboten der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Sport, Theatergruppe, Kochen) teil.
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- Citar trabajo
- Anónimo,, 2002, Psychologisches Gutachten eines kinderpsychiatrischen Falls, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7411
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