In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, eine primär im angloamerikanischen Raum1 geführte, interdisziplinäre Debatte nachzuzeichnen, welche die möglichen Implikationen des häufig als „postmodern“2 rubrizierten erkenntnistheoretischen Paradigmas für die Erforschung und die Darstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung zum Gegenstand hat. Die radikale Erkenntniskritik dieser skeptizistischen Denkrichtung wirft mit einem häufig apodiktischen und nicht selten destruktiven Gestus3 Fragen um den Charakter der historischen „Wahrheit“ auf, welche bei „traditionellen“ Historikern häufig auf fundamentale Ablehnung stoßen. Bislang zeichnet sich noch keine konsensfähige Synthese ab, was möglicherweise mit dem nicht selten polemischen Charakter der Debatte zusammenhängt, der dazu angetan ist, die Differenzen zwischen einem vermeintlichen nihilistischen Relativismus auf der einen und einem vermeintlichen naiven Realismus auf der anderen Seite zu überbetonen.4 Der nationalsozialistische Judenmord, seine – zumindest in Annäherung – adäquate Darstellung und die Gefahr seiner Leugnung sind in diesem Zusammenhang von zentraler Bedeutung. Insbesondere für die Didaktik der Geschichte könnte sich angesichts dieses Gegenstandes der Gegensatz von „Konstruktivisten“ und „Objektivisten“5 als Unterschied ums Ganze erweisen. Im Folgenden soll der Begriff „Leugnung“ bzw. „Leugner“ im Sinne des engeren Revisionismusbegriffs6 verstanden werden.
Eine systematische Trennung von der umfassenderen Bedeutung, welche auch die Relativierung der Kriegsschuld und ähnliche Apologetik beinhalten kann, soll jedoch nicht unternommen werden, da dieser Unterschied in der Praxis der Revisionisten häufig nur ein gradueller ist.7
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Die Herausforderung der Postmoderne.
- Zwei Vorwürfe an den Relativismus
- Postmoderne und Holocaust.
- Vernunftkritik als Antwort auf den Holocaust
- Widersprüche und Ambivalenzen
- Umstrittene Vordenker
- Die Debatte in der Geschichtswissenschaft
- Einige Positionen postmoderner Geschichtstheorie: ,,Wahrheitseffekte\" und Diskurse
- Die Narrativität historischer Darstellungen
- Leugnung des Holocaust als inhärente Konsequenz?
- Die Kontroverse zwischen Hayden White und Carlo Ginzburg
- Die Verteidigung der Postmoderne
- der,,Positivismus“ der Leugner
- Postmoderne Toleranz und hermetische Ideologien
- Synthese: Der Konsens der Zunft als Korrektiv
- Schlussbetrachtung: Plädoyer für einen moderaten Konstruktivismus in der Geschichtsdidaktik.
- Die Herausforderungen des historischen Relativismus im Kontext der Holocaust-Forschung
- Die Kritik an der Postmoderne und ihre möglichen Verbindungen zu rechtsextremen Ideologien
- Die Rolle der historischen Narrativität in der Darstellung des Holocaust
- Die Bedeutung des Konsenses der Geschichtswissenschaft in der Auseinandersetzung mit Holocaust-Leugnern
- Die Notwendigkeit eines moderaten Konstruktivismus in der Geschichtsdidaktik
- Einleitung: Die Herausforderung der Postmoderne: Die Einleitung stellt die Debatte um die Auswirkungen des postmodernen Paradigmas auf die Holocaust-Forschung dar. Sie beleuchtet den grundlegenden Streit zwischen traditionellen Historikern und postmodernen Denkern bezüglich des Charakters historischer "Wahrheit".
- Zwei Vorwürfe an den Relativismus: Dieses Kapitel analysiert die Kritik am historischen Relativismus im Kontext des Holocaust. Es werden zwei zentrale Vorwürfe gegen die Postmoderne herausgearbeitet: die angebliche Nähe zur faschistischen Theorietradition und die Schaffung eines Klimas, in dem Holocaust-Leugnung als diskutable Meinung etabliert werden kann.
- Die Debatte in der Geschichtswissenschaft: Dieses Kapitel behandelt die Debatte um die Postmoderne innerhalb der Geschichtswissenschaft. Es werden verschiedene Positionen postmoderner Geschichtstheorie vorgestellt, darunter die Betonung von "Wahrheitseffekten" und Diskursen sowie die Rolle der Narrativität in historischen Darstellungen.
- Die Kontroverse zwischen Hayden White und Carlo Ginzburg: Dieses Kapitel analysiert den Streit zwischen den beiden prominenten Historikern Hayden White und Carlo Ginzburg. Es wird die relativistische Position von White und die Kritik von Ginzburg daran beleuchtet.
- Die Verteidigung der Postmoderne: Dieses Kapitel untersucht die Verteidigung der Postmoderne und argumentiert gegen die Vorwürfe der Nähe zu rechtsextremen Ideologien. Es wird betont, dass der "Positivismus" der Holocaust-Leugner mit der postmodernen Denkweise nicht vereinbar ist.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert die Debatte um die möglichen Implikationen des postmodernen erkenntnistheoretischen Paradigmas für die Erforschung und Darstellung der nationalsozialistischen Judenvernichtung. Sie beleuchtet die Kritik am historischen Relativismus im Kontext des Holocaust und untersucht die Rolle der Postmoderne in dieser Diskussion.
Zusammenfassung der Kapitel
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter dieser Arbeit sind Postmoderne, historischer Relativismus, Holocaust-Leugnung, Geschichtsdidaktik, Konstruktivismus, Objektivismus, Narrativität und Diskurs. Die Arbeit untersucht den komplexen Zusammenhang zwischen diesen Begriffen und analysiert die Auswirkungen der postmodernen Denkweise auf die Holocaust-Forschung und die Geschichtsdidaktik.
- Arbeit zitieren
- Bernhard Pirkl (Autor:in), 2007, Postmoderne, historischer Relativismus und die Leugnung des Holocaust, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73961