"Gesetzgeberische Reformen der 1960er und 1970er Jahre"
Bildungs- und Universitätsreform/ Masse statt Klasse
Die seriöse politische wie wissenschaftliche Diskussion über eine Reformierung des Bildungswesens wird Mitte der 60er Jahre zunehmend durch einen ideologischen Disput ersetzt. Es ging nun nicht mehr um ein Optimierung des bestehenden Systems, sondern um radikale Umwälzungen der bestehenden Strukturen. Die von marxistischen Theoretikern entwickelte Kritik an den herrschenden Machtverhältnissen in den modernen Industriegesellschaften begeisterten vor allem die studentische Jugend und die progressiven Bildungspolitiker. Die entscheidenden Impulse für die Formulierung ihrer gesellschaftskritischen Thesen lieferten der Studentengeneration dabei die Begründer der Frankfurter Schule (Max Horkheimer, Theodor Adorno und Herbert Marcuse).
Doch schon bald zeigte sich, daß die klassenkämpferischen Aufrufe zur Revolutionierung der Gesellschaft weder bei der Arbeiterschaft noch dem breiten bürgerlichen Mittelstand größere Resonanz fanden und so wurde die Diskussion bald ausschließlich innerhalb des Hochschulbereichs geführt. Hier erschien eine totale Veränderung des Bildungswesens der richtige Hebel zu sein, um die bisherigen gesellschaftlichen Strukturen zu reformieren. Unter den propagandistisch äußerst wirkungsvollen Schlagworten wie "Demokratisierung der Bildungsinstitutionen", "Förderung der Chancengleichheit", Leistungsgerechtigkeit" und "soziale Integration", wurden Anfang der 60er Jahre die ersten Reformen in Angriff genommen.
Inhalt
1 Ausgangssituation in den 60er Jahren
2 Die Mitbestimmung in der gesellschaftspolitischen Diskussion
3 Die Folgen des Hochschulrahmengesetzes vom 1. Juli 1970
4 Das Vorschaltgesetz als Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde
5 Urteil des BVerfG
6 Thesen für die Diskussion
1 Ausgangssituation in den 60er Jahren
Die seriöse politische wie wissenschaftliche Diskussion über eine Reformierung des Bildungswesens wird Mitte der 60er Jahre zunehmend durch einen ideologischen Disput ersetzt. Es ging nun nicht mehr um ein Optimierung des bestehenden Systems, sondern um radikale Umwälzungen der bestehenden Strukturen. Die von marxistischen Theoretikern entwickelte Kritik an den herrschenden Machtverhältnissen in den modernen Industriegesellschaften begeisterten vor allem die studentische Jugend und die progressiven Bildungspolitiker. Die entscheidenden Impulse für die Formulierung ihrer gesellschaftskritischen Thesen lieferten der Studentengeneration dabei die Begründer der Frankfurter Schule (Max Horkheimer, Theodor Adorno und Herbert Marcuse).
Doch schon bald zeigte sich, daß die klassenkämpferischen Aufrufe zur Revolutionierung der Gesellschaft weder bei der Arbeiterschaft noch dem breiten bürgerlichen Mittelstand größere Resonanz fanden und so wurde die Diskussion bald ausschließlich innerhalb des Hochschulbereichs geführt. Hier erschien eine totale Veränderung des Bildungswesens der richtige Hebel zu sein, um die bisherigen gesellschaftlichen Strukturen zu reformieren. Unter den propagandistisch äußerst wirkungsvollen Schlagworten wie „Demokratisierung der Bildungsinstitutionen“, „Förderung der Chancengleichheit“, Leistungsgerechtigkeit“ und „soziale Integration“, wurden Anfang der 60er Jahre die ersten Reformen in Angriff genommen.
An den Hochschulen organisierten sich Interessengruppen, bestehend aus progressiven Professoren sowie Vertretern der Assistentenschaft und der Studenten, die die alte Ordinarienuniversität reformieren und durch ein Modell der Gruppenuniversität - in der Regel mit drittelparitätischer Besetzung der Entscheidungsgremien - ablösen wollten. Bereits in diesem frühen Stadium kam es zu Meinungsverschiedenheiten, die weniger gruppenspezifisch zu bewerten waren als vielmehr einen Riß in der Professorenschaft deutlich machten. Während die Anhänger der Ordinarienuniversität sich einer Reform, die in stärkeren Mitspracherechten des Mittelbaus und der Studenten bestehen sollte, widersetzten, befürworteten ein Teil der zumeist jüngeren Professoren einen Mitbestimmungskurs.
Doch die Reformen im Hochschulbereich kamen vielen Studenten „zu langsam“ voran, so daß sie mit ihren Forderungen auf die Straße gingen, um so die Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen. Der Ausbruch der studentischen Unruhen markierte den Höhepunkt in der damaligen Debatte der Linksintellektuellen, die sich gegen alle Autoritäten und hierarchische Unterordnung innerhalb der bestehenden Strukturen richtete. Das wirkungsvolle Schlagwort Demokratisierung, also Mitbestimmung verfehlte dabei nicht seine Wirkung in der öffentlichen Meinungsbildung.
In fast allen Zeitungen und Zeitschriften wurde die Mitbestimmungsdiskussion aufgegriffen und leidenschaftlich von Beteiligten und Unbeteiligten nicht nur im Hochschulbereich, sondern inzwischen auch in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens diskutiert. Unter dem Druck der öffentlichen Diskussion brach mit dem Regierungswechsel Ende der 60er Jahre eine wahre „reformerische Mitbestimmungseuphorie“ aus.
2 Die Mitbestimmung in der gesellschaftspolitischen Diskussion
Daraufhin räumte die Politik den öffentlichen Forderungen nach Bildungsreformen und damit auch der Mitbestimmung einen nie dagewesenen Stellenwert ein. So begann der erste Bundeskanzler einer sozial-liberalen Bundesregierung in Bonn, Willy Brandt, seine Regierungsarbeit (21.10. 1969) unter dem Motto „Wir wollen mehr Demokratie wagen“. „Wir wollen eine Gesellschaft, die mehr Freiheit bietet und mehr Mitverant-wortung fordert.“ Damit aber die Regierung ihre Reformversprechen halten und ihre bildungspolitischen Ziel verwirklichen konnte, bedurfte es einer verläßlichen gesetzlichen Grundlage, um den bildungspolitischen Rahmen für das Hochschulwesen zu schaffen.
Zu diesem Zweck wurde eine Verfassungsänderung angestrengt, die dem Bund mehr Gesetzgebungsbefugnisse nicht nur bei der Ausbildungsbeihilfe und Förderung der wissenschaftlichen Forschung einräumen, sondern vor allen Dingen auch die Rahmen-planung der allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens beinhaltete sollte. Nach der Grundgesetzänderung vom 12.05. 1969 konnte sich erstmals der Bund in die direkte Gesetzgebung auf landespolitischer Ebene einschalten, da ihm durch die Novellierung der Verfassungsartikel ( Art. 75, 91a, 91b GG) nun weitgehende Kompetenzen für die Rahmengesetzgebung sowie Mitwirkungsrechte bei der Bildungsplanung zustanden. Damit konnte die sozial-liberale Regierung die Gangart verschärfen, mit der die Schul- und Hochschulreform vorangetrieben wurde.
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- Citar trabajo
- Olaf Kuche (Autor), 2000, Gesetzgeberische Reformen der 1960er und 1970er Jahre, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7369
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