Die Autorin Terézia Mora ist gebürtige Ungarin. Sie stammt aus einem kleinen Dorf nahe der österreichischen Grenze, wo sie 1971 geboren wurde. In diesem Ort fühlte, in dem sie ihre Kindheit verbrachte, fühlte sie sich eingeengt, sowohl von der Landesgrenze als auch von den dort lebenden Menschen. Stets hatte sie das Gefühl, von den Dorfbewohnern am Fröhlichsein gehindert zu werden, anders als sie zu sein und nicht wirklich dazuzugehören. „Ich hasste es, dort Kind zu sein“, erzählt sie in einem Interview mit wortlaut.de vom Oktober 1999, und bezieht sich dabei auf ihre „prinzipielle Ablehnung der Kleingeistigkeit und der Provinzialität.“
Mit ihrer Erzählung Der Fall Ophelia gewann Terézia Mora im Juni 1999 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Im Oktober erschien ihr Erzählband Seltsame Materie. Die Geschichten dieses Erzählbandes berichten von dem Leben in Ungarn nahe der österreichischen Grenze in der Zeit vor dem Mauerfall und von den Bewohnern dieser Dörfer, die sowohl von der Landesgrenze als auch ihren moralischen Vorstellungen gefangen zu sein scheinen.
Diese Arbeit soll zeigen, dass es in Terézia Moras Erzählband nicht nur um die offensichtlichen Landesgrenzen geht, sondern auch um Grenzen, die Menschen einerseits durch "Kleingeistigkeit" und "Provinzialität" abstecken und die sie andererseits durch den Wunsch nach Abgrenzung ihrer eigenen Individualität selber ziehen.
Anhand einiger beispielhafter Erzählungen soll außerdem aufgezeigt werden, wie die Autorin diese vielschichtigen Arten von Grenzen, die die Erzählungen durchziehen, präsentiert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die verschiedenen Ebenen von Grenzen in dem Erzählband Seltsame Materie
2.1 Der See
2.2 Seltsame Materie
2.3 Ein Schloß
3. Schluß
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Die Autorin Terézia Mora ist gebürtige Ungarin. Sie stammt aus einem kleinen Dorf nahe der österreichischen Grenze, wo sie 1971 geboren wurde. In diesem Ort fühlte sie sich, sowohl von der Landesgrenze als auch von den dort lebenden Menschen, eingeengt. Sie hatte stets das Gefühl, von den Dorfbewohnern am Fröhlichsein gehindert zu werden, anders als sie zu sein und nicht wirklich dazuzugehören[1]. „Ich hasste es, dort Kind zu sein“, erzählt sie in einem Interview mit wortlaut.de vom Oktober 1999, und bezieht sich dabei auf ihre „prinzipielle Ablehnung der Kleingeistigkeit und der Provinzialität.“[2]
Mit ihrer Erzählung Der Fall Ophelia gewann Terézia Mora im Juni 1999 den Ingeborg-Bachmann-Preis. Im Oktober erschien ihr Erzählband Seltsame Materie. Die Geschichten dieses Erzählbandes berichten von dem Leben in Ungarn nahe der österreichischen Grenze in der Zeit vor dem Mauerfall und von den Bewohnern dieser Dörfer, die sowohl von der Landesgrenze als auch ihren moralischen Vorstellungen gefangen zu sein scheinen.
Diese Arbeit soll zeigen, dass es in Terézia Moras Erzählband nicht nur um die offensichtlichen Landesgrenzen geht, sondern auch um Grenzen, die Menschen durch "Kleingeistigkeit" und "Provinzialität" stecken, oder die sie durch den Wunsch nach Abgrenzung ihrer eigenen Individualität selber ziehen.
Anhand einiger beispielhafter Erzählungen soll außerdem aufgezeigt werden, wie die Autorin diese vielschichtigen Arten von Grenzen, die die Erzählungen durchziehen, präsentiert.
2. Die verschiedenen Ebenen von Grenzen in dem Erzählband Seltsame Materie
Die offensichtlichsten Arten von Grenzen in dem Erzählband sind die der Landesgrenzen, das heißt sowohl die von Menschen definierte Landesgrenze als auch die natürliche Landesgrenze, wie sie beispielsweise der See in der gleichnamigen Erzählung darstellt, denn die Orte der Erzählungen befinden sich alle nahe der ungarisch-österreichischen Grenze in der Nähe des Neusiedler Sees, der einen Teil der Grenze zwischen Ungarn und Österreich bildet.
Diese Landesgrenzen sind zusätzlich eng verknüpft mit der Grenze zwischen Leben und Tod, teils durch die Grenzhüter wie zum Beispiel in der Erzählung Stille. mich. NACHT. oder durch die Gefahren, die die natürliche Landesgrenze in sich birgt, wie es in Der See der Fall ist.
Eine weitere Grenze stellt in einigen Erzählungen die geographische Lage des Grundstücks der im Mittelpunkt der Erzählung stehenden Familie dar. Sie symbolisiert dadurch die Abgrenzung dieser Familie von den anderen Dorfbewohnern. Diese Abgrenzung der jeweiligen Familie ist in der Regel durch deren in Zusammenhang mit einer anderen Herkunft stehenden Andersartigkeit begründet, das heißt es handelt sich hierbei um intrakulturelle Grenzen. Die Ausgrenzung der Familie wird allerdings nicht nur durch die exponierte Lage des Grundstücks der ausgegrenzten Familie, sondern auch durch das Verhalten der anderen Dorfbewohner ihr gegenüber beziehungsweise umgekehrt durch die Haltung der Familie der Dorfbevölkerung gegenüber sichtbar.
Eine weitere Ebene von Grenzen, die sichtbar werden, besteht in der Haltung der einzelnen Familienmitglieder untereinander, in innerfamiliären Grenzen. Sie werden dadurch offenkundig, dass einzelne Familienmitglieder sich von den anderen Familienmitgliedern beispielsweise durch Schweigen oder Misstrauen abgrenzen, oder ihre Familie sogar verlassen.
Auch moralische Grenzen spielen in den Erzählungen eine Rolle. So geht es zum Beispiel in der Erzählung Die Lücke um die Überschreitung inzestuöser Tabus oder in der Erzählung Ein Schloß um die Überschreitung der moralischen Grenze, einen Menschen zu töten.
Im Folgenden soll anhand von drei Erzählungen aufgezeigt werden, wie diese unterschiedlichen Grenzen im Einzelnen dargestellt werden, wie sehr die einzelnen Erzählungen mit den verschiedenen Arten von Grenzen durchzogen sind und wie diese Grenzen miteinander in Verbindung stehen.
2.1 Der See
Eine wichtige Rolle spielen in dieser Erzählung die Landesgrenzen, das heißt sowohl die natürliche als auch die von Menschen gezogene Landesgrenze.
Im Mittelpunkt dieser Erzählung steht eine Familie, die direkt an einem See lebt, der Teil dieser Landesgrenze ist. Für die Familie ist dieser See existentiell, denn der Großvater versorgt die Familie mit frischem Fisch aus dem See, und er sorgt für zusätzliches Auskommen der Familie, indem er heimlich Flüchtlinge über die Grenze schafft. "Der See ist unser Auskommen. So oder so."[3], sagt wiederholt der Vater der Ich-Erzählerin.
Ob die Flüchtenden die andere Seite der Grenze jedoch lebend erreichen, bleibt dabei durchweg ein Geheimnis. Der Großvater ist der einzige, der den See kennt und weiß, wo sich die Grenze befindet. Selbst der Bruder der Erzählerin und sein Freund, der Seemann, versuchen den See zu überqueren und niemand weiß mit Sicherheit:, sind sie „drüben oder tot?“[4] Dadurch symbolisiert der See für die Familie sowohl die Grenze zwischen Ungarn und Österreich als auch zwischen Leben und Tod.
[...]
[1] Kultur-Spiegel. Ausgabe 8/99. S. 40.
[2] www.wortlaut.de. Interview vom 16.10.1999.
[3] Seltsame Materie. S. 57 und 58.
[4] Seltsame Materie. S. 69.
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