Was passiert, wenn tausende Menschen unfreiwillig auf engstem Raum unter schlimmsten Bedingungen miteinander leben müssen? Wie verändern sie sich? Ist sich dann wirklich jeder selbst der Nächste?
Unter Zuhilfenahme verschiedener soziologischer und psychologischer Abhandlungen, sowie hunderter Biografien werden diese und weiter Fragen bearbeitet.
Gleichzeitig erscheint es auch sinnvoll, die Aussagen der Täter näher zu betrachten, um einer Erklärung näher zu kommen, wie es überhaupt zu diesem Morden kommen konnte.
Dabei kann man den Tätern in den Lagern nicht die Alleinschuld zuweisen, sondern muss sie im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Ideologie und Hitlers Vernichtungspolitik betrachten.
Die Autorin besuchte die Lager Buchenwald, Sachsenhausen, Dachau, Ravensbrück, Theresienstadt, Bergen- Belsen und Auschwitz. Dort konnte sie sich mit Hilfe der unzähligen Exponate, Fotos und autobiografischer Erzählungen in die Lage der KZ- Häftlinge einfühlen.
Das Buch ist so aufgebaut, dass Kapitel 1 und 2 gegliedert sind wie Kapitel 5, um eine Verbindung zwischen Theorie und Praxis herzustellen.
Die ersten beiden Kapitel beschäftigten sich mit dem theoretischen Konzept der sozialen Unterstützung, in Abhängigkeit von sozialen Netzwerken.
Da die Häftlinge vollkommen rechtlos waren, wird in der Arbeit nicht auf formelle Netzwerke und Hilfen eingegangen.
Im dritten Kapitel wird in kurzer Form auf die theoretischen Grundlagen der Biographieforschung eingegangen. Dadurch kann dem Leser die Methodik nahe gebracht werden.
Im vierten Abschnitt folgt die Beschreibung des Setting „Konzentrationslager“.
Hauptbezug besteht dabei auf Eugen Kogon, der als Überlebender einen nicht zu ersetzenden Einblick in die Systematik gewinnen konnte und Wolfgang Sofski, der eine wunderbare und ausführliche soziologische Abhandlung dazu verfasst hat.
Nur mit diesem Vorwissen kann man sich in die Berichte der Überlebenden hinein versetzen und deren Erlebnisse zuordnen.
Im fünften und letzen Kapitel wird schließlich die Frage bearbeitet, weshalb und in welcher Form es in dieser Extremsituation des KZ zu sozialen Unterstützungsleistungen kam. Dazu hat die Autorin eine große Anzahl (Auto-) Biographien von ehemaligen Häftlingen und Lagerpersonal bearbeitet, die zitiert der Arbeit beigefügt sind. Sie veranschaulichen einerseits die Situation, in der sich die Gefangenen befanden und belegen gleichzeitig Thesen und Aussagen, die im Voraus getroffen wurden.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Soziale Netzwerke
1.1. Definition
1.2. Bedeutung und Formen sozialer Netzwerke
1.2.1. Partnerbeziehungen
1.2.2. Familie, Verwandtschaft
1.2.3. Freunde, Bekannte
1.2.4. Kollegen
1.3. Effektivität sozialer Unterstützung
1.4. Entstehung und Erhaltung sozialer Netzwerke- Austauschtheorie (nach Kelley, Blau, Thibaut)
1.4.1. Psychologischer Ansatz der Austauschtheorie
1.5. Eigenschaften sozialer Netzwerke
1.5.1. Strukturmerkmale
1.5.2. Interaktionskriterien
1.5.3. Qualität
1.6. Funktion sozialer Netzwerke
2. Soziale Unterstützung
2.1. Definition
2.2. Inhaltliche Typologie sozialer Unterstützung
2.2.1. Konkrete Interaktionen - Verhaltensaspekt
2.2.2. Vermittlung von Kognitionen
2.2.3. Vermittlung von Emotionen
2.3. Reziprozität
2.4. Wirkungen sozialer Unterstützung
2.4.1. Haupteffekt
2.4.2. Puffereffekt
2.4.3. Negative Aspekte sozialer Unterstützung
2.5 Zusammenfassung
3. Einführung in die qualitative Forschung
3.1. Grenzen qualitativer Forschung
3.2. Forschungsmethode der Biographieforschung
4. Setting Konzentrationslager
4.1 Entstehung der nationalsozialistischen Konzentrationslager
4.2. Die Massengesellschaft der Häftlinge
4.3. Einrichtung der Lager
4.3.1. Grenze
4.3.2. Tor
4.4. Die Häftlingsselbstverwaltung
4.4.1. Unterbringung
4.4.2. Verpflegung
4.5. Formen des Terrors
4.5.1. Die Zeit im Lager
4.5.2. Dauer des Aufenthaltes
4.5.3. Vernichtung des Handelns
4.6. Klassifikation der Häftlinge
4.6.1. Funktionshäftlinge und Häftlingsprominenz
4.7. Arbeit als Form des Terrors
4.8. Widerstand
4.8.1. Formen des Widerstands in den Lagern
5. Auswertung der Zeitzeugenberichte
5.1. Verhältnis zwischen Häftlingen und SS-Personal
5.2. Verhalten der Häftlinge untereinander
5.3. Unterstützungsformen
5.3.1. Praktische Unterstützung
5.3.2. Kognitive Unterstützung
5.3.3. Emotionale Unterstützung
5.4. Unterstützungsbeziehungen
5.4.1. Eltern – Kind
5.4.2. Geschwister
5.4.3. Verwandtschaft
5.4.4. Freunde und Bekannte
5.4.5. Kollegen
5.4.6. Fremde
5.5. Hilfemotivation
5.6. Funktion der Funktion
5.7. Moralischer Konflikt der Häftlinge
5.8. Reziprozität
Zusammenfassung
Quellenverzeichnis
Internetquellen
Einleitung
Im Juni 1998 besuchte ich im Zuge eines Kurzurlaubes in Polen das Konzentrationslager Auschwitz. Die Eindrücke, die ich während meines Besuches an diesem Ort sammeln konnte, beeindruckten mich so stark, dass ich mich ab diesem Zeitpunkt näher mit dem Thema beschäftigten wollte.
Im Laufe der Zeit nutzte ich verschiedene Möglichkeiten, um weitere KZ zu besichtigen. So sah ich auch die Lager Dachau, Buchenwald, Sachsenhausen, Ravensbrück, Bergen- Belsen, sowie das Ghetto Theresienstadt. Bei jedem Besuch war ich von neuem erschüttert über das, was ich dort sehen musste.
Die logische Konsequenz war, sich mit Berichten von Überlebenden und Zeitzeugen zu befassen.
Gleichzeitig erschien es mir auch sinnvoll, die Aussagen der Täter näher zu betrachten, um eventuell eine Erklärung dafür zu finden, wie es überhaupt zu diesem Morden kommen konnte. Allerdings kann man den Tätern in den Lagern nicht die Alleinschuld zuweisen, sondern muss sie im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Ideologie und Hitlers Vernichtungspolitik betrachten.
Da ich bereits in das Thema eingearbeitet war, war es für mich naheliegend, meine Diplomarbeit zum Thema Konzentrationslager zu verfassen.
Soziale Unterstützung, die in den KZ erbracht wurden, kann oft nur zwischen den Zeilen der Zeitzeugenberichte herausgelesen werden. Ich habe keine Abhandlung finden können, die sich explizit mit diesem Thema beschäftigt. Deshalb befand ich es für sinnvoll, mein bisheriges Wissen mit dem Versuch, eine Aussage zu informeller Hilfe zu finden, zu verknüpfen.
Ich habe meine Arbeit so aufgebaut, dass die Kapitel eins und zwei gegliedert sind wie das fünfte Kapitel, um die Nähe zwischen Theorie und Praxis herzustellen.
Die ersten beiden Kapitel beschäftigten sich mit dem theoretischen Konzept der sozialen Unterstützung. Diese wird in Abhängigkeit von sozialen Netzwerken betrachtet, die Voraussetzung dafür sind, dass Hilfeleistungen erbracht werden.
Da die Häftlinge vollkommen rechtlos waren, wird die Arbeit hauptsächlich informelle Unterstützung behandeln und die formellen Netzwerke und Hilfen außen vor lassen.
Im dritten Kapitel werde ich in kurzer Form auf die theoretischen Grundlagen der Biographieforschung eingehen. Dadurch kann dem Leser die Methodik nahegebracht werden. Das ist nötig, da sich der Hauptteil der Arbeit vorrangig mit (auto-) biographischen Texten beschäftigen wird.
Danach folgt im vierten Abschnitt die Beschreibung des Setting „Konzentrations-lager“.
Ich beziehe mich dazu an erster Stelle auf Eugen Kogon, der als Überlebender einen nicht zu ersetzenden Einblick in die Systematik gewinnen konnte und sie der Nachwelt hinterließ. Das zweite grundlegende Werk ist von Wolfgang Sofski, der eine wunderbare und ausführliche soziologische Abhandlung dazu verfasst hat.
Gleichzeitig gewinnt man einen Einblick in die KZ- Systematik. Nur mit diesem Vorwissen kann man sich in die Berichte der Überlebenden hinein versetzen und deren Erlebnisse nachvollziehen.
Im fünften und letzen Kapitel werde ich die Frage untersuchen, warum und in welcher Form es in dieser Extremsituation, wie sie im KZ vorlag, zu sozialen Unterstützungsleistungen kam. Dazu habe ich eine große Anzahl (Auto-) Biographien von ehemaligen Häftlingen und Lagerpersonal bearbeitet. Zitate, die die Aussagen verdeutlichen, habe ich in die vorliegende Arbeit eingefügt. Sie veranschaulichen einerseits die Situation, in der sich die Gefangenen befanden und belegen gleichzeitig Thesen und Aussagen, die im Voraus getroffen wurden.
1. Soziale Netzwerke
Soziale Bindungen wirken sich auf das psychische Wohlbefinden von Individuen aus. Um herauszufinden wieso, müssen auch deren Inhalte untersucht werden.
Aus den Ergebnissen kann abgeleitet werden, inwiefern sie sich positiv auf die psychische Gesundheit auswirken.
Man kann soziale Bindungen nach vier Charakteristika unterscheiden:
- motivationale Grundlagen
- Annahmen zur Art der Beziehung und damit verbundenen Verpflichtungen
- ihre Entwicklungsgeschichte aufgrund gemeinsamer Erfahrungen und Erlebnisse
- Hilfebereitschaft
Damit Menschen soziale Bindungen eingehen können, müssen sie in Netzwerken verankert sein.
Soziale Netzwerke sind wichtig für ein Rollenverhalten, Wahrnehmung sozialer Normen und soziales Handeln. In dichten Netzwerken sind die Einstellungen der Mitglieder durch Prozesse des sozialen Vergleichs und der gegenseitigen Attraktion ähnlich. Andernfalls würden die Personen nicht in ein und demselben Netzwerk verkehren können.
1.1. Definition
Soziale Netzwerke bestehen aus einer definierten Anzahl sozialer Beziehungen (Verbindungen) zwischen einer definierten Anzahl von Individuen (Knoten).
Ein soziales Netz schließt formelle Hilfen und Institutionen ein.
Netzwerke werden eingeteilt in direkte soziale Beziehungen (zwischen den Mitgliedern) und indirekte Beziehungen (Mitglieder, zu denen kein persönlicher Kontakt besteht).
Im Normalfall ist eine Person Mitglied mehrerer Netzwerke, die sich überlagern. Ein Arbeitskollege kann demzufolge ebenso zum Freundeskreis gehören.
Grenzen von Netzwerken werden anhand ethnischer oder religiöser Merkmale, sowie durch die politische Zugehörigkeit gezogen (vgl. Manz, 1994).
1.2. Bedeutung und Formen sozialer Netzwerke
Soziale Netzwerke bestehen aus einem Geflecht sozialer Beziehungen. Sie werden unterschieden in informelle Hilfesysteme, wie Familie, Freunde, Nachbarn etc. und formelle, wie Selbsthilfegruppen, Laienhilfe, religiöse und professionelle Hilfen.
Für diese Arbeit sollen nur die informellen von Bedeutung sein.
Diese spontanen natürlichen Netzwerke dienen der Bedürfnisbefriedigung, Geselligkeit, Dienstleistung und materiellen Hilfe.
Wie wichtig sie im Alltag sind tritt zutage, wenn die Leistungsgrenzen privater Haushalte erreicht sind und auf informelle Hilfe zurückgegriffen wird (vgl. Glatzer; Berger-Schmitt, 1986).
Im Gegensatz zu Gruppen, haben nach Sarason Netzwerke die Merkmale, dass:
- nicht alle Mitglieder miteinander in Verbindung stehen
- keine klaren Grenzen gezogen werden können, da diese sich mit jeder neuen Beziehung ändern
- Netzwerke nur über die Beziehung zum Ego definiert werden
(vgl. Diewald, 1991)
Im folgenden werden die verschiedenen Formen informeller Beziehungen näher erläutert.
1.2.1. Partnerbeziehungen
Partnerbeziehungen können ehelich oder unehelich sein. Die Ehegemeinschaft nimmt damit eine besondere Stellung ein, da sie mit ihren Verpflichtungen und Regeln juristisch verankert ist.
Zwischen Partnern herrscht eine hohe gegenseitige Erwartungshaltung bezüglich der Hilfeleistungen. Schon die Tatsache des Verheiratetseins gilt als Indikator für die Unterstützungsfunktion, besonders bei Männern.
Als entscheidender Faktor für die positive Wirkung dieser Beziehung gilt die gute Qualität der Beziehung. Erst dann ist sie in der Lage, Geborgenheit und Vertrautheit besser als alle anderen Bezüge zu vermitteln und so vor psychischen Krankheiten zu schützen und Wohlbefinden zu erzeugen.
Nur Partnerbeziehungen liefern zweifache Unterstützung – typische Freundschaftsunterstützung (emotional, gesellig) und typische Verwandtschafts unterstützung (verlässlich, dauerhaft) (vgl. Diewald, 1991).
1.2.2. Familie, Verwandtschaft
Familien und Verwandtschaftsbezüge gelten unter den Unterstützungs-beziehungen als die wichtigsten und konstantesten.
Hier besteht die Möglichkeit zu zeitintensiver Hilfe, basierend auf den normativen Verpflichtungen, die in Verwandtschaftsbezügen vorherrschend sind. Diese sind
zum Teil gesetzlich festgeschrieben und damit vorgegeben und lebenslang (vgl. Diewald, 1991).
Familiale Beziehungen sind die zentrale Instanz der Vorsorge und Bewältigung, sowie zur Sozialisierung, nach wie vor am häufigsten (90%) geleistet von weiblichen Mitgliedern der Familie. Hilfen werden langfristig und intensiv geleistet, teils aus Betroffenheit und normativer Verpflichtung, teils wegen der hohen Hilfemotivation (vgl. Nestmann, 1988).
Bei älteren Verwandten kann die Befürchtung aufkommen, Hilfeleistungen wären kostenintensiver. Diese entsteht aus der Annahme, dass verwandtschaftliche Hilfe in manchen Fällen mehr aus Verpflichtung denn aus Neigung stattfindet. Das bringt für den alten Menschen das negative Gefühl mit sich, auf andere angewiesen zu sein, ohne sich revanchieren zu können, teils auch aus physischen Gründen. Andererseits haben sie im Laufe ihres Lebens ein positives Hilfekonto aufgebaut, auf das sie nun zurückgreifen können (ebd.).
In verwandtschaftlichen Beziehungen werden konkrete Hilfen bei Krankheit und Unfällen, Informationen und Unterstützung in Erziehung und Partnerschaft, sowie gemeinsame Freizeitaktivitäten als häufigste Unterstützungsformen angegeben.
Hilfe gilt als normal und selbstverständlich und wird daher nicht als Leistung,
sondern als gelungener Normalisierungsprozess angesehen. Um so größer ist die Enttäuschung, wenn die Unterstützung subjektiv als nicht ausreichend wahrgenommen wird (ebd.).
1.2.3. Freunde, Bekannte
Eine weitere Form von Netzwerkbezügen bieten Freunde und Bekannte. Deren Hilfe greift besonders bei Problemen und psychischen Krisen, die im Familialen ihre Ursache haben und deswegen nicht mit familiärer Unterstützung bewältigt werden können (vgl. Manz, 1994).
Hilfe von Freunden basiert ebenso auf Freiwilligkeit und gegenseitiger Sympathie, wie auf sozialer Ähnlichkeit, gegenseitiger Anerkennung und gemeinsamer Vergangenheit (vgl. Diewald, 1991).
Freundschaften sind eigene Systeme mit besonderen Eigenschaften und nur wenig eindeutigen Vorschriften.
Sie sind dyadisch, gegenseitig und freiwillig. Sie funktionieren ohne offene sexuelle Handlungen.
Obwohl Konflikte auftreten, sind Freundschaften Beziehungen mit positivem Grundgefühl.
Freunde haben eine gemeinsame Vergangenheit, also gemeinsame Erinnerungen und Erlebnisse und gehen von einer gemeinsamen Zukunft aus.
Diese Bezüge sind informell, da sie ohne amtliche Bestätigung und offizielle Verpflichtungen und Regelungen bestehen. Die Auswahl des Freundes, Dauer der Freundschaft und Gestaltung der Beziehung liegt beim Individuum. Freundschaften sind also freiwillig und offen für alle Beziehungsinhalte.
Sie geben Hilfe, Vertrauen, Respekt und Zuneigung. Des weiteren sind freundschaftliche Beziehungen emotional unterstützend und fördern das Zugehörigkeitsgefühl sowie emotionale Integration und Stabilität.
An ihre Grenzen gelangt diese Unterstützungsform bei schweren Krisen, das heißt wenn langfristige und einseitige Hilfeleistungen gefordert sind ohne Möglichkeit zur Reziprozität. Hilfe von Freunden ist gewöhnlich kurzfristig und in der Regel auf Informationsaustausch beschränkt (vgl. Auhagen; von Salisch, 1993).
1.2.4. Kollegen
Zwischen Kollegen herrschen sachbezogene Bezüge. Sie haben häufige Kontakte in wiederkehrenden Settings (Arbeitsplatz). Hier zeigt sich, dass die Kontakthäufigkeit nicht im Zusammenhang zur Beziehungsintensität steht, da diese Bezüge nicht zu den freiwilligen gehören. Hauptsächlich bleiben Beziehungen also distanziert und in der Regel nur für allgemeine Probleme offen (ebd.).
Neben den genannten Formen informeller Bezüge existieren des weiteren Beziehungen zu Nachbarn, zu Helfern in der Gemeinde und zu berufs-spezialisierten Helfern. Diese drei Formen informeller Bezüge traten jedoch in ihrer gewohnten Form nicht in einem Konzentrationslager auf.
Aus diesem Grund werden sie für diese Arbeit nicht betrachtet.
1.3. Effektivität sozialer Unterstützung
Soziale Netzwerke sind, neben ihrer direkten Hilfefunktion, zentral bei der Verweisung an formelle Hilfedienste. Dabei bleibt jedoch offen, in welche Richtung sie die Hilfesuche lenken.
Vier Formen solcher Beeinflussung konnten festgestellt werden:
- Stress wird abgepuffert, so dass weitere Hilfe nicht benötigt wird
- Hilfesuche in professionellen Systemen wird durch präventive Maßnahmen vermieden
- Netzwerkmitglieder verweisen direkt an professionelle Hilfen
- Vermittlung bestimmter Normen und Einstellungen zur Hilfesuche
(vgl. Nestmann, 1988).
Es existiert eine Vielzahl an Erkenntnissen zur Effektivität sozialer Netzwerke, die im folgenden ausschnittsweise dargestellt werden.
Granovetter stellte fest, dass enge und dichte Netzwerke in einigen Situationen eher behindern können, während in lockeren Beziehungen ein umfangreicher Informationsaustausch stattfindet. Somit ist ein höheres Wissen von Hilfequellen und deren Zugang verfügbar.
Auch McKinley bemerkte, dass in engen Netzen existierende Normen die Netzwerkmitglieder in bezug auf ihre Hilfesuche unter Druck setzen. Dagegen bieten weite und lockere Netzwerke größere Angebote an weit gefächerten Ressourcen (ebd.).
Phillips & Fischer ergänzen die Vorteile lockerer Netzwerke:
Je weniger Verwandte sich im persönlichen Netzwerk befinden, desto zufriedener die Netzwerkmitglieder. Der Grund könnte darin liegen, dass Verwandtschaft vorgegeben ist, wogegen Freundschaftsbeziehungen auf Freiwilligkeit und Ähnlichkeit in Einstellungen und Werten basieren und so eine Gleichberechtigung zwischen den Mitliedern existiert, die den Selbstwert und das Gefühl eigener Angemessenheit hoch halten (ebd.).
Walker fand heraus, dass zwischen Personen und Netzwerken schwache Beziehungen als Brücken fungieren und so eine Vielzahl von helfenden Informationen bieten. Dagegen stabilisieren kleine, dichte Bezüge die eigene Identität, behindern aber gleichzeitig die Rollenwechsel, die nach Krisen notwendig sein können.
Unterstützungsfunktionen der Netzwerke und Helfer sind begrenzt durch den Versuch, eine Balance zwischen Geselligkeit und Privatheit, Hilfsbereitschaft und Nichteinmischung, Engagement und Distanz herzustellen, da zu viel Nähe Konflikte provoziert.
Sein Fazit:
Die Effektivität von Unterstützung im Netzwerk ist abhängig von Struktur, Problemart, Phase des Problems und dem Wunsch des Betroffenen nach Hilfe.
Enge, kleine, dichte, mehrdimensionale Netzwerke sind belastbar, verlässlich und versorgend, aber auch kontrollierend, fremdbestimmt und normativ regulierend.
Lockere, weite, eindimensionale Netzwerke sind anregend, fordernd, vielseitig,
aber auch riskant, unsicher und begrenzt bei der Problembewältigung (ebd.).
1.4. Entstehung und Erhaltung sozialer Netzwerke- Austauschtheorie (nach Kelley, Blau, Thibaut)
Um die Entstehung und Erhaltung sozialer Netzwerke plausibel erklären zu können, scheint es sinnvoll, die Austauschtheorie heranzuziehen, da das Konzept der sozialen Unterstützung über keine eigenständige Theorie verfügt.
Soziale Strukturen bleiben nur dann stabil, wenn für die Beteiligten der Nutzen höher ist, als bei alternativen Beziehungen (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
Homaus bemerkt: Soziales Verhalten ist ein ständiger Güteraustausch, der materiell und immateriell sein kann. Das heißt, wer viel gibt, verlangt viel und wer viel erhält, möchte viel wiedergeben (vgl. Schenk, 1984).
Die Austauschtheorie besagt, dass Menschen soziale Beziehungen aufgrund ihrer Erwartungen auf Belohnung aufnehmen, sowie ihre sozialen Beziehungen aufrecht erhalten, weil sie tatsächlich belohnende Wirkungen empfinden.
Es darf dabei nicht übersehen werden, dass nicht alle sozialen Bedürfnisse über Interaktionen zu befriedigen sind. Jede Beziehung funktioniert jedoch nur über das Reziprozitätsprinzip, also in Gegenseitigkeit (vgl. Schenk, 1984).
Dabei ist die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen abhängig von den Merkmalen und Funktionen sozialer Netzwerke (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
Die Belohnung kann intrinsisch in Form positiver Gefühle und Gesellschaft sein oder extrinsisch als Rat und praktische Hilfe (vgl. Schenk, 1984).
1.4.1. Psychologischer Ansatz der Austauschtheorie
Die Interaktion zwischen zwei Personen ist abhängig von ihren Verhaltenssets, ist also selektiv bezüglich ihrer Inhalte und Teilnehmer, das heißt zufriedenstellende Interaktionen werden wiederholt, nicht zufriedenstellende dagegen aufgegeben oder abgebrochen (Schenk, 1984).
Im Gegensatz kann folgendes Paradox bei sozialem Austausch auftreten: die Person, die Dienste bereitstellt, hat mehr Macht. Aus der einseitigen Abhängigkeit vom Anbieter können Machtverschiebungen resultieren.
Dem Ungleichgewicht kann entgegengewirkt werden, indem:
- der Abhängige selbst etwas zum Tausch anbietet
- Druck auf den Anbieter ausgeübt wird
- gelernt wird, ohne ihn zu leben oder
- Alternativquellen erschlossen werden (ebd.).
Ein Austauschnetzwerk ist also die Zusammenfassung verknüpfter Austausch-relationen. An ihnen sind die Machtprozesse innerhalb eines Netzwerkes ablesbar.
1.5. Eigenschaften sozialer Netzwerke
Um Netzwerke zu beschreiben, bedient man sich mehrerer Strukturmerkmale, die im nachfolgenden Abschnitt bezeichnet sind.
Durch Mobilität, Rollenwechsel und Lebenszyklus sind Netzwerke ständigem Wandel unterworfen. Aus diesem Grund kann eine Netzwerkanalyse stets nur eine Momentaufnahme sein. Individuen bauen sich immer wieder neue soziale Identitäten in neuen Netzwerken auf, absichtlich oder unbeabsichtigt (Tod eines Familienangehörigen, Mutterschaft, neuer Beruf).
Ein Teil der Beziehungen muss permanent mobilisiert werden, während der andere latent existiert (Schenk, 1984).
Die Struktur eines Netzwerkes ist zusammengesetzt aus Beziehungen, die Individuen zueinander oder zu Mitgliedern anderer Netzwerke haben. Deren Inhalte sind die spezifischen Ressourcen eines Netzwerkes (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
Sie werden unter Punkt 1.5.3. Interaktionskriterien näher beleuchtet.
Aber auch die Qualität sozialer Netzwerke hat Einfluss auf deren Funktionen und wird als abschließendes Merkmal erläutert.
1.5.1. Strukturmerkmale
Die Strukturmerkmale wurden der Einfachheit halber zusammengefasst, da sich die Merkmale in der Netzwerkforschung je nach Untersuchungsschwerpunkt unterscheiden oder überschneiden. Es fließen im Folgenden Merkmale ein, die von Diewald, Manz, Röhrle und Schenk herausgefunden wurden.
1. Cluster und Cliquen sind Teile im Netzwerk, die dichter miteinander verbunden sind als mit anderen. Dabei sind Cliquen charakterisiert durch maximale Dichte und direkte Kontakte und Cluster durch hohe Dichte zwischen mindestens fünf Personen.
2. Größe, Umfang ist die Anzahl der Netzwerkmitglieder.
3. Offenheit - Anzahl der Verbindungen zwischen Netzwerken
4. Stabilität - Konstanz im Zeitverlauf
5. Dichte ist das Verhältnis tatsächlicher zu möglichen Kontakten zwischen allen Mitgliedern. Die Dichte ist leichter bei kleinen Netzwerken zu erreichen, da bei großen wesentlich mehr Aufwand für das gleiche Ergebnis betrieben werden muss.
6. Erreichbarkeit meint die indirekte Kontaktmöglichkeit zum Ego über Dritte. Hohe Erreichbarkeit erzielt einen hohen Informationsstand mit Macht und Einfluss.
7. Zentralität - alle Relationen laufen über eine zentrale Person (hohe Zentralität bringt hohe soziale Integration mit sich, wogegen eine geringe Zentralität zu Isolation führt)
8. räumliche Distanz
9. Kontakthäufigkeit
1.5.2. Interaktionskriterien
Interaktionskriterien sind:
a.) Inhalte sozialer Netzwerke
- Gefühl
- Macht
- Information - soziale Beziehungen sind innerhalb eines Netzwerkes Kommunikationsbeziehungen
- Dienste - soziale Beziehungen dienen dem Austausch von Gütern und Diensten, wobei der Nutzen gleich hoch oder höher den Kosten ist
- Normen, Werte, Einstellungen - Individuen in Netzwerken unterliegen
bestimmten Erwartungen und Rollenanforderungen
b.) strukturelle Eigenschaften
Die Formen von Interaktionsbeziehungen beeinflussen die Größe und
Funktion von Netzwerken, da soziale Beziehungen sehr vielfältig sein
können, wobei sie aber nicht zeitgleich aktiviert sein müssen.
1. Reziprozität - Symmetrie der Beziehung, gleichwertiger Austausch von
Leistungen
2. Rollen- Verhaltensnormen durch Rollenanforderungen in bestimmten
Situationen
3. Multiplexität - Anzahl der Inhalte und Funktionen, unterteilt in:
a. multiplexe Beziehungen mit mehreren unterschiedlichen Inhalten, hoher
Erreichbarkeit, sozialem Druck und Verpflichtung und
b. uniplexe Beziehungen mit nur einem bestimmten Inhalt.
4. Intensität - Bindungsstärke, Umfang der ausgetauschten Leistungen, Grad
der emotionalen Verbundenheit, aufgewendete Zeit für die
Beziehungspflege, Intimität, Vertrauen
5. Intimität- wahrgenommene Nähe, gegenseitige Kenntnis privater Dinge,
hohes Maß an Vertrautheit
6. Verpflichtung- hoch, wenn Partner die Beziehung als dauerhaft anerkennen
und daher versuchen, sie optimal zu gestalten
7. Dauer der Beziehung - in Abhängigkeit von der Intensität
8. Häufigkeit - ist unabhängig von Intensität (z.B. Beziehungen zu
Arbeitskollegen sind sehr häufig, müssen aber nicht zwangsläufig intensiv
sein). Die Ausnahme bilden Verwandtschaftsbeziehungen. Diese bleiben
auch bei geringer Kontakthäufigkeit intensiv.
1.5.3. Qualität
Die Qualität hat entscheidenden Einfluss auf Funktion eines Netzwerkes. Dabei wobei muss beachtet werden, dass Personen gleiche Beziehungen formal unterschiedlich beurteilen. Das gilt ebenso bei den Geschlechtern - Männer und Frauen empfinden gleiche Beziehungen formal anders.
Die Qualität von Kontakten ist also wichtiger als ihre Quantität, um Wohlbefinden zu erzeugen. Das bedeutet, dass subjektive Merkmale des Netzwerkes (Intensität) wichtiger sind als objektive (Größe).
Ein Netzwerk ist angemessen, wenn das Verhältnis zwischen Bedürfnis nach spezifischen Beziehungen mit den im Netzwerk tatsächlich vorhandenen übereinstimmt (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
1.6. Funktion sozialer Netzwerke
Die am häufigsten genannte Funktion sozialer Netzwerke ist die soziale Unterstützung. Sie wirkt als Puffer in Belastungssituationen und Krisen.
Wer in einem vertrauensvollen Netzwerk mit engen Beziehungen verankert ist, erträgt leichter chronische Erkrankungen, leidet seltener an Depressionen und/ oder überwindet solche schneller.
Positive soziale Unterstützung bietet große Vorteile bei der erfolgreichen Trauerarbeit und besseren Bewältigung von Krisen, wie Scheidung und Arbeitslosigkeit (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
Walker stellte fünf Konfigurationen von Netzwerkstrukturen auf, die Einfluss auf die Netzwerk-Funktionen haben können:
1. affektive Unterstützung: Hohe Dichte, Homogenität und räumliche Nähe
sind vorteilhaft für emotionale Unterstützung.
2. instrumentelle Unterstützung: Sind Netzwerke groß und dicht, werden
praktische Hilfen und Dienstleistungen erfolgreicher bereitgestellt.
3. kognitive Unterstützung: Schwache Bindungen zwischen
Netzwerkmitgliedern, die ihrerseits Verbindungen zu anderen Netzwerken
mit unterschiedlichen Typen von Mitgliedern (geringe Homogenität)
herstellen, ermöglichen viele verschiedene Informationen.
4. Aufrechterhaltung sozialer Identität: In dichten, engen Netzwerken mit
hoher Statusgleichheit kann ein Individuum ein Identitätsmuster ausbilden.
Andererseits kann es in großen Netzwerken mit schwachen Bindungen und
dadurch geringer Homogenität eine Identität entwickeln, die offen für
Veränderungen ist.
5. Vermittlung sozialer Kontakte: Besonders in Netzwerken mit schwachen
Bindungen entstehen neue Verbindungen zu anderen Netzwerken (ebd.).
2. Soziale Unterstützung
Im zweiten Kapitel dieser Arbeit soll näher betrachtet werden, was soziale Unterstützung als Funktion sozialer Netzwerke leistet.
Die Bereitstellung von sozialer Unterstützung wird beeinflusst von verschiedenen Umgebungsvariablen. Diese können einerseits die sozialen und individuellen Lebens-, Wohn-, und Arbeitsumwelten sein, die wiederum
städtisch, ländlich, eng oder weit sind.
Andererseits beeinflussen die Persönlichkeitsfaktoren eines Menschen, wie
Bevölkerungsgruppe, Herkunft, Ausbildung, Einkommen, Geschlecht und Alter die Bereitschaft zu sozialer Unterstützung (vgl. Keupp; Röhrle, 1987).
2.1. Definition
Eine eindeutige Definition für soziale Unterstützung wird man kaum finden. Verschiedene social-support- Forscher ergänzen sich in ihren Versuchen, gültige Theorien aufzustellen.
Nach Diewald ist soziale Unterstützung ein ständiger Austauschprozess und keine einzelne Leistung oder Wirkung. Sie erfordert situationsspezifisches Zusammen-wirken der Akteure. Das bedeutet, soziale Unterstützung ist ein zwischen-menschlicher Prozess, bei dem die soziale Umwelt einer Person zugleich Ressource und aktiv handelndes System ist.
Die Wirkung sozialer Unterstützung wird von allen Beteiligten unterschiedlich empfunden, und ist nicht eingeschränkt auf bestimmte Situationen oder Kontexte (vgl. Diewald, 1991).
Nach House ist sie eine interpersonelle Transaktion, die emotionale Verbunden-heit, instrumentelle Hilfen, Informationen und Wertschätzung bietet.
Für Cobb heißt soziale Unterstützung die Versicherung einer Person, sich anerkannt zu fühlen und umsorgt zu werden und einem Netzwerk gegenseitiger Verpflichtung und Kommunikation anzugehören.
Das Bewusstsein des einzelnen über das Vorhandensein und die Verfügbarkeit anderer Personen, die ihm helfen und ihn mögen, ist nach Sarason besonderes Merkmal.
Soziale Unterstützung verhilft zu sozialer Integration durch gemeinschaftliche Aktivitäten und Eingebundensein (vgl. Manz, 1994).
Soziale Unterstützung schützt also vor bedrohlichen und beeinträchtigenden Umweltfaktoren. Sie ist in verschiedenen Konzepten näher beleuchtet worden und soll nun an zwei Beispielen erläutert werden (vgl. Nestmann, 1988).
1. Gottlieb
Personen unterstützen bereits durch ihre faktische Anwesenheit. Allerdings lässt Gottlieb die negativen Netzwerkbelastungen außer acht. Seiner Meinung nach hat jeder Mensch persönliche und soziale Ressourcen.
Direkte Unterstützung gibt hier ein Gefühl des Wohlbefindens dadurch, dass Situationen als weniger belastend eingeschätzt werden. Indirekte Unterstützung wirkt als Puffer, durch den das Selbstbewusstsein gestärkt wird. Dadurch nimmt der Stress ab (ebd.).
Netzwerkmitglieder haben in dieser Konzeption zwei Funktionen.
Einerseits eine diagnostische, mit der die Stress-Situation beurteilt wird, andererseits eine lösungsorientierte, also ein Dirigieren der Hilfesuche.
Das heißt, Helfer unterstützen bei der Problemidentifikation, -interpretation und -bewertung (ebd.).
2. Shinn u.a.
Die Forschergruppe um Shinn fand heraus, dass zwischen sozialer Unterstützung und Stresssituationen Wechselwirkungen bestehen.
Hohe und andauernde Belastung kann Netzwerkunterstützung einschränken, ebenso die Reaktion auf die Hilfe.
Unterstützung muss vom Nehmenden nicht zwangsläufig als helfend empfunden werden.
Es sind fünf Dimensionen der Beziehung zwischen Helfer und Empfänger möglich:
1. das Ausmaß der Hilfe muss angemessen sein an Bedürfnis und Bedarf
2. Timing: der Hilfebedarf variiert während des Bewältigungsprozesses
3. auch die Hilfequellen variieren
4. Struktur: je nach Hilfebedarf ist engeres oder weiteres Netzwerk hilfreich
5. Funktion: Hilfe muss der Situation angemessen sein (beispielsweise
ist emotionale Hilfe unpassend bei Geldnöten) (ebd.).
2.2. Inhaltliche Typologie sozialer Unterstützung
Soziale Unterstützung kann als konkrete Interaktion oder als Vermittlung von Kognitionen oder Emotionen stattfinden. Sie wird in der Regel nach konkreten Interaktionen und Vermittlung von Kognitionen und Emotionen unterschieden. Diese drei Kategorien werden im Folgenden erläutert (vgl. Diewald, 1991).
2.2.1. Konkrete Interaktionen - Verhaltensaspekt
1. Arbeitshilfen- der Unterstützende hilft bei praktischen Arbeiten oder
übernimmt sie komplett, Arbeitshilfen sind personen- und/ oder
güterbezogen
2. Pflege- muss als Unterschied zu den Arbeitshilfen betrachtet werden, da
Arbeit nicht für den, sondern am Hilfesuchenden geleistet wird.
3. Materielle Unterstützung- als Sachleistung oder Geldzuwendung
4. Intervention- kann innerhalb des sozialen Netzwerkes geschehen in Form
von Streitschlichtung und außerhalb, indem sich der Helfende für die Person
bei Dritten oder Institutionen einsetzt.
5. Information- Vermittlung sachbezogener Informationen und Auskünfte
6. Beratung- Erteilung persönlicher Ratschläge mit intimen Charakter
7. Geselligkeit- positive Effekte für die Gemütslage durch gemeinsame
Unternehmungen und/ oder das zielgerichtete Einbinden isolierter oder
depressiver Personen
8. alltägliche Interaktionen- ritualisierte konstante Verhaltensweisen, die
unbewusst sind und erst vermisst werden, wenn sie wegfallen (vgl. Diewald,
1991)
2.2.2. Vermittlung von Kognitionen
1. Vermittlung von Anerkennung- entweder Vermittlung persönlicher
Wertschätzung (Stärkung des Selbstwertgefühls) oder Status-Vermittlung
(Zugehörigkeit zu Gruppen mit hoher sozialer Anerkennung)
2. Orientierung- Vermittlung von Verhaltensmodellen und sozialen Normen,
in ihrer negativen Ausprägung findet sie als soziale Kontrolle statt.
3. Vermittlung eines Zugehörigkeitsgefühls insofern, als die Person das
Gefühl vermittelt bekommt, gebraucht zu werden und Verantwortung für
andere übernehmen zu können.
4. Erwartbarkeit von Hilfe
5. Ort für den Erwerb sozialer Kompetenzen - Neben gesellschaftlicher
Orientierung können in Netzwerken auch soziale Kompetenzen vermittelt
und eingeübt werden (vgl. Diewald, 1991).
2.2.3. Vermittlung von Emotionen
1. Vermittlung eines Geborgenheitsgefühls- Gefühle des Aufgehobenseins und der Stabilität, die sich durch Netzwerkzugehörigkeit entfalten können
2. Vermittlung von Liebe und Zuneigung
3. Motivationale Unterstützung- Person wird ermutigt und vor Ängsten und Hilflosigkeitsgefühlen geschützt (vgl. Diewald, 1991). Diese Dimensionen sind empirisch nicht eindeutig unterscheidbar, da Beziehungen nicht nur auf eine Form von Hilfeleistung beschränkt und Interaktionen multifunktional sind, also konkrete Hilfen implizieren stets symbolische Unterstützung (ebd.).
2.3. Reziprozität
Eine unverzichtbare Voraussetzung für Unterstützungsleistungen ist die Reziprozität, also die potentielle und aktuelle Gegenseitigkeit.
Voraussetzungen für diese Wechselseitigkeit sind Verfügbarkeit, Hilfebereit-schaft, Spontaneität des Interaktionspartners, sowie die beiderseitige Bereitschaft, Hilfe zu empfangen (vgl. Nestmann, 1988).
Reziprozität ist ein unreflektierter Prozess, wenn sie jedoch fehlt oder ungleich und unausgeglichen ist, belastet sie die Beziehung. Je enger eine Beziehung ist, desto weniger direkt, zeitgleich und artgleich ist die Reziprozität.
Im Laufe der Dauer einer Beziehung entstehen Unterstützungsreserven, auf die erst im Notfall zurückgegriffen wird (ebd.).
Äquivalenz, also der gleichwertige Austausch ist entweder
a. heteromorph, das heißt, der Austausch erfolgt auf verschiedene Art, ist aber gleichwertig und sein Wert nur subjektiv beurteilbar, oder
b. homeophorph, also mit gleichen Austauschmedien, wodurch Gleichwertigkeit bestimmbar ist (vgl. Diewald, 1991).
Der wechselseitige Austausch kann unmittelbar oder aufgeschoben sein.
> unmittelbare Reziprozität
...ist der gleichzeitige und direkte Austausch äquivalenter Leistungen. Geben und Nehmen sind in einer Transaktion gekoppelt. Das wird vor allem von Personen praktiziert, die die gegenseitigen Verpflichtungen gering halten möchten und kurzzeitige Beziehungen haben. Beide müssen über Ressourcen verfügen, um die Transaktion einzugehen.
> aufgeschobene Reziprozität
...gibt es bei längerfristigen Beziehungen, die auf Vertrauen basieren.
Zeitpunkt und Äquivalenz werden nicht festgelegt, Überschussleistungen akzeptiert, da beide um den langfristigen Austausch wissen. Leistungen werden miteinander verrechnet und für Notzeiten kann ein Vorschuss aufgebaut werden (ebd.).
2.4. Wirkungen sozialer Unterstützung
Soziale Unterstützung ist fähig, schädigende Einflüsse zu verringern, sich positiv auf die (psychische) Gesundheit auszuwirken und negative Einflüsse abzu-schwächen (vgl. Pearson, 1997).
Sie wirkt entweder direkt oder indirekt, während sie Belastungen abpuffert.
Diese Haupt- und Puffereffekte schließen sich gegenseitig nicht aus, treten aber selten gemeinsam auf und können sich nicht ersetzen.
2.4.1. Haupteffekt
Der Haupteffekt wirkt unabhängig vom Vorhandensein eines Problems und ist die Voraussetzung für seelisches Wohlbefinden (vgl. Manz, 1994).
Elementare soziale Bedürfnisse, die nicht situationsgebunden sind, werden befriedigt. Zu diesen zählt die soziale Einbindung, die wichtig für das Gefühl der Zugehörigkeit ist. Der Mensch findet sich durch soziale Integration, durch die soziale Beeinflussung des Selbstkonzeptes und/ oder durch die Ressource „Soziales Netzwerk“ in seiner Umwelt zurecht (vgl. Diewald, 1991).
Zu 1. soziale Integration
Isolierte Menschen haben oft einen schlechteren Gesundheitszustand.
Soziale Einbindung findet teilweise unbewusst in ritualisierten Alltagshandlungen statt und werden erst bei Wegfall vermisst, da sie beiläufige Nebenerscheinungen im alltäglichen Zusammenleben sind. Bewusst wahrgenommen wird ein Zugehörigkeitsgefühl, welches aus Gründen der Sicherheit und Stabilität entlastend wirkt.
Andere Direkteffekte sind die Vermittlung von Liebe, Geselligkeit und der Erwartbarkeit von Hilfe (vgl. Diewald, 1991).
Zu 2. soziale Beeinflussung des Selbstkonzeptes
Der Erwerb sozialer Kompetenzen erfolgt über erfolgreiches Problemlöse-verhalten. Hierbei ist es wichtig, welches Fremdbild man von sich hat. Dieses bildet sich auf drei Ebenen:
1. über das Selbstwertgefühl, das heißt, die allgemeine Wertschätzung, die eine Person von sich hat
2. über das Selbstvertrauen einer Person, seine Lebensverhältnisse kontrollieren zu können und Umweltanforderungen gewachsen zu sein
3. durch das Kohärenzempfinden, was das Bedürfnis meint, „in sich stimmige Überzeugungen entwickeln zu können“
Soziale Unterstützung wirkt dabei als Rückmeldung zum eigenen Verhalten und als soziale Bestätigung (ebd.).
Haupteffekte befriedigen Zugehörigkeits- und Rückzugsbedürfnisse, sowie die Ausbildung individueller Orientierungs- und Handlungskompetenzen. Beide
Wirkungsweisen ergänzen sich und sind wichtig, um in komplexen Umwelten
reagieren und handeln zu können (ebd.).
2.4.2. Puffereffekt
Als Puffer wirkt soziale Unterstützung, wenn sie die gesundheitsbeeinträchtigende Wirkung von Belastungen reduziert oder verhindert, indem:
a. Ressourcen genutzt werden, um dem Stressor zu begegnen,
b. Beistand, je nach Anforderungen der Situation, verlangt wird,
c. man sie in Form von materieller Hilfe annimmt, oder
d. sie als kognitive Anleitung und Rat gebraucht wird (vgl. Pearson, 1997)
Der Puffereffekt entfaltet seine positive Wirkung als harte oder weiche Version. Hart bedeutet hierbei, dass soziale Unterstützung direkt auf belastende Umstände bezogen ist; weich, dass soziale Unterstützung in Belastungsmomenten stärker wirkt als gewöhnlich.
Dabei werden objektive Ereignisse von Personen als unterschiedlich stark belastend empfunden (vgl. Diewald, 1991).
Eine Belastung ist also nur relevant, wenn sie subjektiv wahrgenommen wird. In diesem Fall kann der Betroffene auf drei Bewältigungsstrategien zurückgreifen.
1. Ändern der objektiven Situation = problembezogene Bewältigung
- Anpassen der Lebensumstände an die eigenen Bedürfnisse
- Anpassung des eigenen Verhaltens an die Lebensumstände
- Rückzug aus der belastenden Situation
2. Ändern der subjektiven Einschätzung der Situation = wahrnehmungsbezogene Bewältigung
- Ausblenden besonders belastender Momente
- Ursachen- und Schuldzuschreibungen
3. Lindern der kognitiven Folgen der Belastung
- Wiederherstellen des seelischen Gleichgewichtes und des Selbstvertrauens
Die Folgen von belastenden Situationen können bewältigt werden, indem der Betroffene in Geselligkeiten einbezogen wird und positive Gefühle vermittelt bekommt. So kann er seine negativen Emotionen verarbeiten und sein Selbstbild wiederherstellen (ebd.).
2.4.3. Negative Aspekte sozialer Unterstützung
Alle Netzwerkbezüge beinhalten Kosten und Nutzen für die Mitglieder.
Nachdem bisher das Augenmerk auf den positiven Aspekten lag, sollen im Folgenden die negativen beleuchtet werden.
Soziale Unterstützung kann einerseits vom Betroffenen, andererseits vom Helfenden als negative Belastung empfunden werden.
Unterstützung, die vom Betroffenen als nicht helfend empfunden wird, tritt in verschiedenen Formen auf:
- statt schneller Hilfe erfolgen Beschwichtigungen
- falsche Hilfe wird geleistet, die nicht der Situation, dem Bedürfnis und der Person angemessen ist
- durch Hilfe entstehen Schuld- und Schamgefühle, weil aufgrund unzureichender Möglichkeiten das Reziprozitätsprinzip nicht beachtet werden kann
In Stresssituationen können soziale Erwartungen in der hilfesuchenden Person intrapsychisch Versagergefühle wecken, besonders dann, wenn keine Besserung möglich ist, wie in Fällen chronischer Krankheiten. Durch die entstandene Abhängigkeit rutscht der Betroffene in die Rolle des Unselbständigen.
Ein weiterer Punkt ist die normative Verpflichtung zu Dank, die verhindert, dass die Qualität der Hilfe bewertet wird (vgl. Nestmann, 1988).
Aber auch auf den Geber können sich zu starke oder andauernde Hilfeforderungen negativ auswirken.
Es wurden drei Gründe herausgefunden, weshalb mögliche Helfer nicht helfen:
1. Opfer lösen unangenehme Gefühle aus (... könnte mir auch passieren) und
steigern so die Gefühle der Hilflosigkeit. Dadurch sinkt die Hilfsbereitschaft.
Weiterhin ist es möglich, dass der Nichthelfer Angst vor eigener Belastung
im Falle von Hilfeleistung empfindet. Es ist für ihn einfacher, dem Opfer
die Verantwortung für die Situation zuzuschreiben, damit er nicht helfen
muss. „Er ist ja selber Schuld an seinem Unglück“.
2. Unsicherheit über angemessenes Verhalten und Hilfe. Oft wissen Helfer, dass
falsche Hilfen Belastungen steigern können. Es folgt die sogenannte
„Hilflosigkeit der Helfer“, auf die aus Angst Beschwichtigungen statt
empathischer Hilfe folgen.
3. Fehleinschätzung des Bewältigungsprozesses, indem die emotionale
Verarbeitung falsch eingeschätzt und beurteilt wird (ebd.).
Diese Verhaltensweisen ermöglichen dem Helfer, eine gefühlsmäßige Distanz zu erhalten.
Gleichzeitig aber wertet er das Problem ab und das Opfer fühlt sich alleine gelassen und unverstanden. Es hat nicht das Gefühl, Hilfe zu erhalten (ebd.).
2.5 Zusammenfassung
Das Konzept der sozialen Netzwerke mit ihrer Hauptfunktion, der sozialen Unterstützung ist sehr vielfältig und umfassend. Es existiert keine eindeutige Theorie, sondern eine Vielzahl möglicher Erklärungen.
Gemein ist allen theoretischen Ansätzen, dass Netzwerkbezüge unterschiedliche Funktionen und Wirkungen haben, die der Situation entsprechen müssen, um nicht als Belastung und Hindernis empfunden zu werden.
Es ist wichtig, Beziehungen unterschiedlicher Intensität zu pflegen, da je nach Situation einmal enge, ein anderes Mal eher die lockeren Bezüge unterstützend wirken.
Grundsätzlich dienen soziale Netzwerke der Dienstleistung und Bedürfnis-befriedigung, wobei die familialen Bezüge die intensivste und leistungsstärkste Unterstützung bietet. Aber auch sie erreicht ihre Grenzen. Krisen, die ihre Ursache in familialen Problemen finden, können nicht mit familialer Unterstützung bewältigt werden. In diesen Fällen greift die Hilfe von Freunden und Bekannten.
[...]
- Citar trabajo
- Diplom-Pädagoge Mandy Schmeißer (Autor), 2003, „Jeder ist sich selbst der Nächste“ - Soziale Unterstützung in nationalsozialistischen Konzentrationslagern, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73518
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