Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, wie der Begriff der Nation zum zentralen Legitimierungsbegriff der Französischen Revolution werden konnte. Dazu soll untersucht werden, welche Bedeutung und Funktion „Nation“ in den verschiedenen Phasen der französischen Geschichte hat und welche gesellschaftlichen Prozesse und Diskurse zur zunehmenden Politisierung des Begriffs hauptsächlich im Laufe des 18.Jahrhunderts führen. Es wird der Prozess der Entstehung eines nationalen Bewusstseins bei immer weiteren Kreisen der französischen Bevölkerung beschrieben und gezeigt welche unterschiedlichen Klasseninteressen dadurch deutlich werden.
Als wichtigste Quellen dienen dabei verschiedene Beschwerdeschriften der parlements und der cour des aides, die als Gerichtshöfe ihr konservatives Bild von einer Ständenation gegenüber dem König darlegen sowie die zwei wohl wichtigsten französischen staatsrechtlichen Abhandlungen des 18. Jahrhunderts: Montesquieus „Vom Geist der Gesetze“ und Rousseaus „Der Gesellschaftsvertrag“.
Inhalt
1. Einleitung
2. Begriffsgeschichte
3. Der absolutistische Staat als Wegbereiter nationaler Identität der Eliten
4. Der politische Diskurs um die Nation im 18. Jahrhundert
5. E. J. Sieyès’ „Was ist der dritte Stand?“ und die Konstituierung der Nationalversammlung
6. Zusammenfassung
7. Literaturverzeichnis
Quellen:
Sekundärliteratur:
1. Einleitung
Es ist heutzutage nicht einfach, eine klare Definition des Begriffes „Nation“ zu finden. Die Palette der Ansätze reicht von ethnischen, geografischen, kulturellen, sprachlichen bis hin zu politischen und staatsrechtlichen Erklärungsversuchen. Die jüngste Nationalismusforschung geht sogar dahin, ihn primär als einen Begriff aus der Ideenwelt zu beschreiben und bezeichnet „Nation“ dabei als „vorgestellte Gemeinschaft“.[1] Der Begriff wird jedoch bereits in der Antike benutzt und bezeichnet lediglich die Abstammung eines Menschen.[2] Zu dieser eklatanten Verständniserweiterung hat die Französische Revolution wie kein anderes historisches Ereignis beigetragen.
Die vorliegende Arbeit widmet sich der Frage, wie der Begriff der Nation zum zentralen Legitimierungsbegriff der Französischen Revolution werden konnte. Dazu soll untersucht werden, welche Bedeutung und Funktion „Nation“ in den verschiedenen Phasen der französischen Geschichte hat und welche gesellschaftlichen Prozesse und Diskurse zur zunehmenden Politisierung des Begriffs hauptsächlich im Laufe des 18.Jahrhunderts führen. Es wird der Prozess der Entstehung eines nationalen Bewusstseins bei immer weiteren Kreisen der französischen Bevölkerung beschrieben und gezeigt welche unterschiedlichen Klasseninteressen dadurch deutlich werden.
Als wichtigste Quellen dienen dabei verschiedene Beschwerdeschriften der parlements und der cour des aides, die als Gerichtshöfe ihr konservatives Bild von einer Ständenation gegenüber dem König darlegen sowie die zwei wohl wichtigsten französischen staatsrechtlichen Abhandlungen des 18. Jahrhunderts: Montesquieus „Vom Geist der Gesetze“ und Rousseaus „Der Gesellschaftsvertrag“.
In diesen beiden Schriften zeigt sich das politische Staatsverständnis der Aufklärung, das in der Revolution unter dem Schlachtruf „Nation“ zum Tragen kommen soll. Sieyès’ Pamphlet „Was ist der dritte Stand?“ und seine aktive Rolle bei der Konstituierung der Nationalversammlung zeigen schließlich den engen Zusammenhang von Theorie und Praxis.
2. Begriffsgeschichte
Das lateinische Wort natio (geboren sein) stammt aus der römischen Antike und wird bis zum Spätmittelalter weitgehend synonym für Geschlecht, Stamm oder Volk benutzt, ohne dabei seine heutige recht umstrittene politische Bedeutung zu besitzen[3]. Die Nation wird dabei als etwas geradezu Vorhistorisches gesehen und ihre Existenz als etwas ewig Gegebenes vorausgesetzt[4]. Ihr innerer Zusammenhalt wird auf Blutsbande, also letztendlich auf eine gemeinsame Familienabstammung zurückgeführt. In diesem Zusammenhang werden Nationen unterschiedliche Charaktereigenschaften zugesprochen[5], die diese per Geburt erhalten haben und die damit unabhängig von gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen existieren.
Diese Sichtweise von der „ewigen“ Nation wird erst in den letzten Jahrzehnten vor der Französischen Revolution ernsthaft hinterfragt. Gerade zu dem Zeitpunkt, als die Diskussion um die Nation auf ihrem Höhepunkt angelangt ist, taucht auch die Frage auf, inwieweit die Franzosen denn tatsächlich bereits eine einheitliche Nation darstellen[6]. Es wird festgestellt, dass die sprachliche, kulturelle und ethnische Identität der Bevölkerung im Reichsgebiet kaum ausreicht, um von einer solchen zu sprechen und dass es der politischen Aktion bedarf, um diese Gemeinsamkeiten zu befördern und dadurch nationale Identität im Bewusstsein zu verankern. Die Französische Revolution bildet somit den entscheidenden Wendepunkt im Nationskonzept. Die oben beschriebene Sichtweise, die bisher ein allgemeines europäisches Axiom dargestellt hat, wird erschüttert und somit der Weg zu einer Vorstellung der Nation als politisches Konstrukt geebnet.[7]
In der Nationalismusforschung setzt sich diese Vorstellung jedoch erst in den 1980-er Jahren einheitlich durch.[8]
Es wäre allerdings im Falle Frankreichs verkürzt, die Konstruktion der Nation auf die Revolution, die hierbei zweifellos den Höhepunkt darstellt, zu reduzieren. Es handelt sich dabei vielmehr um einen Prozess, der tendenziell bereits im Spätmittelalter beginnt und erst etwa zu Beginn des 20. Jahrhunderts als abgeschlossen betrachtet wird.[9]
Erste Anschübe erhält dieser Prozess bereits in früheren Machtauseinandersetzungen, wobei versucht wird, die Nation als politisches Legitimationsinstrument und somit als Unterstützung eines Machtanspruches zu benutzen. Dabei erweist sich ihr innerer Zusammenhalt meist als nicht vorhanden oder für den entsprechenden Zweck als unausreichend. Um eine ausreichende Legitimationsgrundlage zu schaffen, wird dieser Zusammenhalt gestärkt und schrittweise auf immer breitere Bevölkerungsschichten, angefangen bei den Eliten bis zum gemeinen Bürger, erweitert.
Im Mittelalter erscheint die Nation weder als gesellschaftliche Ordnungsinstanz noch als politisch – rechtlicher Begriff. Vielmehr existiert ein theozentrisches Weltbild, dessen Autorität einzig durch den Papst vertreten wird. Das Christentum bildet die entscheidende kollektive Identität. Religion, Klerus und Lateinische Sprache wirken als Mittler zwischen den Menschen.[10] Herrschaftsanspruch kann allein durch Gott legitimiert werden. Die göttliche Sphäre scheint sich in der politischen Macht direkt zu verkörpern, wodurch sich der Mensch nicht als selbstständig handelndes Subjekt, sondern als in allen Dingen geleitetes Objekt versteht. Dieser christliche Universalismus gerät durch Investiturstreit, Reformation, Religionskriege und schließlich durch die Entstehung der Naturwissenschaften zunehmend ins Wanken.
[...]
[1] Gellner, S. 7; Suter, S. 480; Stauber, S. 161
[2] Foerster, S. 7
[3] Conze, S. 9
[4] Bell, „The Unbearable Lightness...“,S. 2
[5] L’Encyclopédie, Eintrag „Nation“
[6] Bell, „The Unbearable Lightness...“, S. 2
[7] ebenda, S. 6
[8] Suter, S. 480
[9] ebenda, S. 492
[10] Jafroodi, S. 17/18
- Citar trabajo
- Stefan Zeuge (Autor), 2006, Das Konzept der Nation im Frankreich des 18. Jahrhundert, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73514
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