Werte sind das, woran sich die Generationen scheiden, denn nichts prägt eine jeweilige Gesellschaft stärker, als die Werte, die sie sich zu gewissen Zeiten selbst gab und gibt. So paradox dies auch klingt, so ist es nur absolut normal, dass eine jede Generation ihre eigenen Werte entwickelt, denn anderenfalls wären wir für immer und ewig dazu bestimmt, ohne aktive Kritik und ohne gestaltende Teilnahme auf das zu ruhen, was uns von Generation zu Generation tradiert wurde. Gleichwohl scheint und schien es zu keiner Zeit selbstverständlich, die Werte einer neuen Generation als etwas gleichsam Naturgegebenes und notwendiges zu akzeptieren. Stattdessen wurden und werden Werte zum Spielball eines Generationenkonfliktes, den es eigentlich nur deswegen zu geben scheint, weil unterschiedliche Werte und Werthaltungen existieren. Ein Circulus Vitiosus also, aus dessen Schleifen wir uns wohl niemals "retten" werden können? Werteerziehung in der Schule greift hier ein und versucht die für die jeweilige Kultur existierenden Werte als "Propria" einer Gesellschaft darzustellen - ein nicht unumstrittener Prozess, denn es stellt sich nur allzu leicht die Frage nach der Legitimation.
Die vorliegende Arbeit möchte einen Überblick über den Werte- und Generationenkonflikt geben, indem sie verschiedene Grundlagen beleuchtet, auf welche Werte basieren. Im gleichen Moment wird die Notwendigkeit, nach Werten und Normen zu fragen, als ein Zeichen von Kultur als bildende Größe dargestellt.
Inhalt
I. Sachverhalt
II. Werte- und Normpolyvalenzen und Wertewandel
III. Werteerziehung und deren ethische Grundlegungen
III.1. Die christliche Position
III. 2. Die Philosophie Platons und Aristoteles’
III.3. Die Aufklärung
IV. Werteerziehung im Sinne des Schulgesetzes für Baden-Württemberg
V. Der Auftrag der Pädagogik
VI. Fazit
Schlussreflexion
Bibliographie
„Gut ist das, was dem Guten als gut erscheint: und: gut ist der, dem das an sich Gute als gut erscheint, oder zusammengefasst: der Gute ist Maß für das Gute.“
(Aristoteles)
I. Sachverhalt
In seinem Buch „Lob der Disziplin – eine Streitschrift“, welches bei seinem Erscheinen für einiges Aufsehen sorgte, schreibt Bernhard Bueb, am Ende seiner dreißig Jahre langen Rektorentätigkeit an der Eliteschule Schloss Salem, in einer eindeutig fordernden Tonart, wir bräuchten „wieder Mut zur Disziplin“[1]. Damit legt er seinen Finger in die wunde Seite einer sozialen und pädagogischen Diskussion, die mindestens ebenso alt ist, wie die Gesellschaft als solche und die Pädagogik selbst. Somit ist sein Handeln eo ipso zwar nichts Neues, doch ist er ungemütlich, da die Urgenz der Befassung mit der Frage, wie Erziehung und Bildung zu praktizieren sei, nur allzu gerne verdrängt wird. Immerhin setzt der „Dichterfürst“ von Goethe, indem er sich auf den griechischen Dramatiker Menandros bezieht, den Spruch „O m h d a r e i V a n J r w p o V o u p a i d e u e t a i“, verbaliter, wer nicht geschunden würde, würde nicht erzogen, an den Anfang seines autobiographischen Werkes „Dichtung und Wahrheit“ und artikuliert somit sein Verhältnis zur Erziehung.
In beiden Fällen, sowohl bei Bueb, als auch bei Menandros, haben wir es also mit Denkarten über die Wesenheit der Erziehung zu tun. Dabei müssen wir ein jedes Mal erkennen, dass Erziehung immer nur Werteerziehung sein kann, die einem bestimmten Menschenbilde folgt, welches, in der jeweils aktuellen und nach mehrheitlichem Dafürhalten gültigen Auffassung von Menschsein, propagiert und angestrebt wird.
„Wir können“ – so Goethe in seinem Schauspiel „Hermann und Dorothea“ – die Kinder nach unserem Sinne nicht formen“. So verstehen sich zwar Christen als Kreaturen, die einst nach Gottes Bild erschaffen wurden, durch die Ursünde für alle Ewigkeit, bis zum apokalyptischen Verdikt verdammt sind, Kommunisten glauben an den durch egalitäre ökonomische Zustände selbstlos gewordenen Menschen und Nationalsozialisten exaltierten sich selbst zu einem arischen Herrengeschlechte, doch haben wir es auch hier nur mit Formen und nicht mit Inhalten zu tun: Menschen bilder, also indirekt pädagogischen Topoi liegen hier vor, aus denen erwächst, legt man die Prämisse zugrunde, Werte immanierten immer eine Sicht des Menschen auf den Menschen, dass Pädagogik eine Autoreflexivität von Menschsein in einer sich kontinuierlich wandelnden historischen Gegenwärtigkeit ist. Da jede Gegenwärtigkeit durch die Dimension der Zeit determiniert ist, unterliegen auch Werte temporären determinativen Kommutationen. Im Augenblicke jedoch, in dem Werte die Pädagogik generieren, generiert die Pädagogik die Werte. In diesem Chiasmus liegt die Kontinuität der pädagogischen Wertediskussion, denn Werte sind die Inhalte, die in die Form des Menschen hineingewünscht werden. Ob er sich ihrer annimmt oder nicht, ist und bleibt seine autonom mündige oder seine unreflektiert unmündige Entscheidung.
Nichtsdestotrotz aber ist es die Aufgabe einer Gesellschaft, soll ihr Kontinuität inhärent sein, Werte durch Erziehung und Bildung zu vermitteln, um ein Zusammenleben von Individuen zu ermöglichen. Eine Ablehnung von Wertevermittlung ist eo ipso peremptorisch, bedeutet sie doch, die kulturelle Selbstzerstörung durch Anarchie.
Bewusst ist es mir durchaus, welche Folge eine solche Zugrundelegung hat, wie in folgenden Beispiel hervorgehen kann: sind materielle oder immaterielle Werte und Erziehungsaxiome durch eine Mehrheit gesellschaftlich anerkannt beziehungsweise erwünscht und ist die allgemeine Auffassung eines Wertes von sich aus amoralisch, so legitimiert die Mehrheit die Amoralität des Wertes, da Werte normative Größen darstellen.
Es ist falsch zu sagen, die „triviale“ Gesellschaft, in der wir leben, habe keine Werte mehr. Das eigentliche Problem besteht eigentlich darin, dass wir gleichsam einen ganzen Urwald von Werten haben, durch die es nicht mehr möglich ist, Werte zu erkennen und Normen auszumachen.
II. Werte- und Normpolyvalenzen und Wertewandel
Normpolyvalenzen führen zu Wertewandel. Das ist keineswegs eine negative Erscheinung, nein, sie ist zum Fortbestande unserer Kultur von eminentem Belang. Würden sich Normen durch das Vorhandensein von voneinander zu differenzierenden Werten und Normen nicht verändern, so gäbe es keine kulturelle Prolongation. Nur durch Kulturmorphologie kann Kultur ohne Stagnation überleben. Morphologie ist insofern belangreich, als dass sie den Anspruch artikuliert, auf die Veränderung des Menschen als eine anthropologische Grundkonstante zu reagieren. Es kann also festgehalten werden, dass auch für Normen und Werte der delphische Spruch „p a n t a r e i“ Geltung und Aktualität hat.
[...]
[1] BUEB, B., S. 13.
- Citation du texte
- Daniele Lupardi (Auteur), 2004, Über den Wertewandel zwischen den Generationen und von deren pädagogischer Implikation in der Werteerziehung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73106
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