„Die Triaden – die chinesische Mafia“, „ Organisierte Kriminalität in Deutschland. Das blutige Geschäft der asiatischen Mafia“, […] – Massaker nach Mafia-Manier“, so lauten nur drei aktuelle Schlagzeilen namhafter deutscher Zeitungen. Aufgrund der Ereignisse in Deutschland ist das ausgewählte Thema brisant und wichtig, zumal Organisierte Kriminalität nicht nur als Bedrohung, sondern auch als handfester wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Einflussfaktor existiert.
Zweifellos nimmt die Mafia in Hinblick auf die Organisierte Kriminalität eine sehr bedeutende Rolle ein. Dies zeigt sich beispielsweise dadurch, dass der Begriff Mafia gemeinhin als Synonym für Organisierte Kriminalität verwendet wird. Das Wirken krimineller Bündnisse beschränkt sich jedoch nicht nur auf das Herkunftsgebiet der Mafia, unbestritten ist auch eine zunehmende Ausbreitung der Organisierten Kriminalität über den gesamten Globus. Teil des organisierten Verbrechens sind die Triaden, die für die Gesamtheit der organisierten chinesischen Kriminalität stehen.
"Verglichen mit den Triaden backen Mafia, Camorra und Cosa Nostra kleine Brötchen". Dieser Aussage von Ian Seabourn beinhaltet, dass die Triaden ‚mächtiger’ sind als die Mafia. Der Großteil der deutschen Bevölkerung hingegen kennt ‚nur’ die italienische Mafia, für eine chinesische Organisierte Kriminalität hat sich bisher kaum ein Bewusstsein entwickelt, woraus sich folgende These ableiten lässt:
Eine Sensibilität für das Thema Triaden entwickelte sich unter der deutschen Bevölkerung kaum, da zum einen diese Organisation tatsächlich weniger in Deutschland agiert und sie zum anderen selten in den Medien thematisiert wird.
Der oben genannten Aussage gilt es in dieser Arbeit einer Überprüfung zu unterziehen und anhand einer Analyse die daraus abgeleitete These aufzuarbeiten.
Inhaltsverzeichnis
I. Abkürzungsverzeichnis
II. Abbildungsverzeichnis
III. Einleitung
IV. Vorblick auf den Gang der Untersuchung
V. Die Macht der Organisierten Kriminalität
1. Das Phänomen der Organisierten Kriminalität
1.1 Begriff der Organisierten Kriminalität
1.2 Problematik dieses Begriffs
1.3 Bedeutung der Organisierten Kriminalität
2. Die Macht der Mafia
2.1 Mafia als historisches Phänomen
2.2 Mafia und ‚Schwesteroganisationen’
2.3 Globale Präsenz
2.4 Deliktbereiche
3. Die Macht der Triaden
3.1 Triaden als historisches Phänomen
3.2 Struktur der Triaden
3.3 Globale Präsenz
3.4 Deliktbereiche
VI. Analyse
1. Mafia und Triaden im Vergleich
2. Mafia und Triaden in Deutschland
2.1 Tätergruppen und Deliktbereiche
2.2 Medienpräsenz
3. Schlussbetrachtung
3.1 Zusammenfassung und Auswertung
3.2 Ausblick
VII. Literaturverzeichnis
VIII. Anhang
I. Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
II. Abbildungen
Abb. 1: ‚Schwesterorganisationen’ der Mafia
Abb. 2: Die beiden großen Reiche der Mafia in Italien
Abb. 3: Die größten Triaden in Hongkong
Abb. 4: Faktoren der Macht der Mafia
Abb. 5: Anzahl der Verfahren nach Gruppenstruktur in Deutschland 2005
Abb. 6: Artikel über die ‚Mafia’ in der FAZ seit Januar 2000
Abb. 7: Artikel über Mafia und Triaden in der FAZ seit Januar 2000
III. Einleitung
„Die Triaden – die chinesische Mafia“[1], „Organisierte Kriminalität in Deutschland.
Das blutige Geschäft der asiatischen Mafia“[2], „[…] - Massaker nach Mafia-Manier“. [3]
So lauten nur drei aktuelle Schlagzeilen namhafter deutscher Zeitungen. Aufgrund der Ereignisse in Deutschland ist das ausgewählte Thema brisant und wichtig, zumal Organisierte Kriminalität (OK)[4] nicht nur als Bedrohung, sondern auch als handfester wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und politischer Einflussfaktor existiert. „Die Organisierte Kriminalität (...) ist ein internationales Phänomen, das nicht leicht darstellbar ist. Auf der einen Seite ein Mythos, der von Hollywood teilweise filmisch schon glorifiziert wurde, auf der anderen Seite eine unsichtbare Bedrohung der Realität.“[5]
Zweifellos nimmt die Mafia in Hinblick auf die Organisierte Kriminalität eine sehr bedeutende Rolle ein. Dies zeigt sich beispielsweise dadurch, dass der Begriff Mafia gemeinhin als Synonym für Organisierte Kriminalität verwendet wird. Der umgangssprachlich genutzte Begriff Mafia für jegliche Form organisierter Kriminalität ist jedoch sachlich falsch, da hier eine Differenzierung zwischen Mafia und anderen ähnlich angesiedelten kriminellen Organisationen auf der Welt, die lokal und historisch von der Mafia völlig unabhängig entstanden, nicht mehr stattfindet.[6] Das Wirken krimineller Bündnisse beschränkt sich nicht nur auf das Herkunftsgebiet der Mafia, unbestritten ist auch eine zunehmende Ausbreitung der Organisierten Kriminalität über den gesamten Globus.[7] Teil des organisierten Verbrechens sind die Triaden, die für die Gesamtheit der organisierten chinesischen Kriminalität stehen.
„ Verglichen mit den Triaden backen Mafia, Camorra und Cosa Nostra kleine Brötchen!“[8]
Diese Aussage von Ian Seabourn, Superintendend der Royal Hongkong Police beinhaltet, dass die Triaden ‚mächtiger’ sind als die Mafia.
Der Großteil der deutschen Bevölkerung hingegen kennt ‚nur’ die italienische Mafia, für eine chinesische organisierte Kriminalität hat sich bisher kaum ein Bewusstsein entwickelt, woraus sich folgende These ableiten lässt:
Eine Sensibilität für das Thema Triaden entwickelte sich unter der deutschen Bevölkerung kaum, da zum einen diese Organisation tatsächlich weniger in Deutschland agiert und sie zum anderen selten in den Medien thematisiert wird.
Der oben genannten Aussage gilt es in dieser Arbeit einer Überprüfung zu unterziehen und anhand einer Analyse die daraus abgeleitete These aufzuarbeiten:
Da aufgrund der Literaturlage nur über ein ‚eventuelles’ Machtverhältnis spekuliert werden kann,[9] wird ein Vergleich zwischen Mafia und Triaden angestellt, der Aufschluss über Stärken und Schwächen der Organisationen geben soll. Dabei wird insbesondere auf den Aspekt der mafiosen Strukturen geachtet, aus denen sich die besondere Macht dieser Form von Kriminalität ergibt. Ohne den Status einer speziellen gesellschaftlichen Organisation könnten Mafia und Triaden nicht die kriminelle Macht ausüben, die ihnen in der Realität zuzuschreiben ist.
Des Weiteren wird analysiert, welche der beiden Gruppierungen in Deutschland präsenter ist und ob sich dies mit dem Bewusstsein in der Gesellschaft deckt.
Es sei darauf hingewiesen, dass aufgrund des eingeschränkten Umfangs dieser Arbeit die Bekämpfungsansätze außer Acht gelassen werden.
IV. Vorblick auf den Gang der Untersuchung
Diese Arbeit ist in zwei Abschnitte, einen theoretischen und einen analytischen, gegliedert.
Um eine allgemeine Einführung in das Thema zu geben, wird im ersten Abschnitt (IV), mittels intensiver Literaturstudie definiert, was genau die Organisierte Kriminalität ist. Die Geister scheiden sich bereits an dieser Stelle. Natürlich kann meine Arbeit diese Frage ebenfalls nicht allgemeingültig und abschließend beantworten. Vielmehr soll anhand unterschiedlicher Definitionen die Problematik, die sich hinter diesem Begriff verbirgt, aufgezeigt werden. Des Weiteren soll auf die Bedeutung der Organisierten Kriminalität in der heutigen Zeit eingegangen werden.
Ausgehend von der Erläuterung des Untersuchungsgegenstandes wird, nach einer kurzen Darstellung ihrer Entwicklung, die ‚Organisation Mafia’ in allen ihren regionalen Ausprägungen aufgelistet. Die heutigen Tätigkeitsbereiche der Mafia werden beschrieben und es wird aufgezeigt in welchen Ländern diese aktiv ist.
Anschließend wird analog zum zweiten Teil auf die aus China stammende Gruppierung der Triaden näher eingegangen werden.
Nachdem die Grundsteine für eine vertiefende Analyse gelegt sind, wird, anschließend an die ‚Vorstellung’ von Mafia und Triaden, im zweiten Abschnitt (V), ein Vergleich angestellt, der Unterschiede in Hinblick auf ihre Organisationsstruktur und ihr Wirken in der Gesellschaft aufzeigen soll.
Bevor im letzten Teil die Ergebnisse zusammengefasst werden, soll zuvor die Präsenz der Organisationen in Deutschland zum Thema gemacht werden. Anhand von Daten des Bundeskriminalamtes wird deren Aktivität in Deutschland nachgewiesen, um festzustellen, welche Organisation präsenter ist. Diese Vorüberlegung ermöglicht es, auf die Diskrepanz von ‚Gefährlichkeit’ und Berichterstattung einzugehen. Während die Mafia – aufgrund der großen Medienpräsenz – einen großen Bekanntheitsgrad besitzt und von ‚Allen’ gefürchtet wird, werden andere einflussreiche Vereinigungen, wie die Triaden ‚vernachlässigt’. Es soll festgestellt werden, inwiefern in Deutschland ein mediales Interesse für die beiden kriminellen Organisationen besteht, woraus der Schluss gezogen werden soll, dass das der Grund für das geringe Bewusstsein über die Triaden in der deutschen Gesellschaft ist.
Im Schlussteil wird dann, aufbauend auf die erlangten Erkenntnisse, anhand verschiedener ‚Faktoren’ von Macht ein abschließender Vergleich zwischen Mafia und Triaden gezogen, der die Aussage von Ian Seabourn bestätigen oder widerlegen wird.
V. Die Macht der Organisitierten Kriminalität
1. Das Phänomen der Organisierten Kriminalität
1.1 Begriff der Organisierten Kriminalität
In der Öffentlichkeit werden mit dem Begriff des organisierten Verbrechens in der Regel historisch gewachsene kriminelle Männerbünde verstanden, wie sie etwa in der Form der sizilianischen Mafia oder der chinesischen Triaden bekannt sind.[10] Mafiaähnliche Strukturen sind jedoch nicht die einzige Erscheinungsform der Organisierten Kriminalität. In einer weiten Definition kann bereits von Organisierter Kriminalität gesprochen werden, wenn folgende Beschreibung zutrifft: „Ein arbeitsteiliges, bewusstes und gewolltes, auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zur Begehung strafbarer Handlungen – häufig unter Ausnutzung moderner Infrastrukturen – mit dem Ziel, möglichst schnell hohe finanzielle Gewinne zu erreichen."[11] Hier handelt es sich jedoch um eine Definition, die beträchtlich unter den Charakteristika bleibt, die für Mafia und Triaden typisch sind. Sie kann in vielen Fällen auch auf eine Komplizenschaft zur Begehung von zum Beispiel Bankeinbrüchen zutreffen.
Dem jährlichen Lagebild des BKA liegt folgende Definition der OK zugrunde:
„Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig
a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,
b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder
c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.
Der Begriff umfasst nicht Straftaten des Terrorismus.“[12]
Es sollte berücksichtigt werden, dass bezüglich einer Definition von Organisierter Kriminalität zunächst festgestellt werden kann, dass hier keine präzise Beschreibung möglich ist. Der Begriff „eignet sich daher nicht für die Umschreibung von prozessualen Eingriffstatbeständen, kann jedoch die Öffentlichkeit für die Gefahren organisierter Straftätergruppen sensibilisieren und die Zuständigkeit spezieller Strafverfolgungsbehörden umschreiben“.[13] Der Versuch, zu einer solchen Definition zu kommen, stößt also auf einige Schwierigkeiten.
1.2 Problematik dieses Begriffs
Zunächst muss eine wichtige Abgrenzung vorgenommen werden, die vielleicht eine Möglichkeit zur Begriffsbestimmung bietet. Unter dem Begriff der Organisierten Kriminalität darf man zunächst keinen bestimmten Straftatbestand auffassen, sondern eine bestimmte Form von Verbrechen, die geprägt ist durch bestimmte Taktiken und Techniken.
Die an der Form der Verbrechensbegehung orientierte Beschreibung von Organisierter Krimi-nalität kann differenziert werden, indem die folgenden Tatbestandsmerkmale herangezogen werden:[14]
1) Vorbereitung und Planung der Tat
2) Ausführung der Tat
3) Finanzgebaren
4) Verwertung der Beute
5) Konspiratives Täterverhalten
6) Täterverbindungen/Tatzusammenhänge
7) Gruppenstruktur
8) Hilfe für Gruppenmitglieder
9) Korrumpierung
10) Monopolisierungsbestrebungen
11) Öffentlichkeitsarbeit
Mit Hilfe eines so umfassenden Begriffes von Organisierter Kriminalität kann es vielleicht gelingen, sich auch solcher Phänomene wie der Mafia, der chinesischen Triaden und ähnlicher krimineller Strukturen bzw. Parallelgesellschaften zu nähern. Dieser umfassende Begriff ist aber sicher nicht auf alle Phänomene anzuwenden, die von manchen Autoren als Ausprägungen der Organisierten Kriminalität aufgefasst werden. Viele der Bestandteile der aufgeführten Tatbestandsmerkmale können auch auf andere Formen der Kriminalität angewandt werden. Es bleibt die Frage, welche Kriterien die Kernkriterien sein sollen, die unverzichtbar sind, um von Organisierter Kriminalität sprechen zu können.
Ein weiteres Problem stellt die Frage nach dem Ausmaß des Vorliegens einzelner Kriterien dar. Bandenmäßige Verabredungen zur Begehung von Straftaten sind keine neue Erscheinung. Viele Delikte erfordern gerade eine gemeinschaftliche Begehung. Es stellt sich jedoch die Frage, was die Planung eines Bankraubs durch mehrere Personen grundsätzlich von Organisierter Kriminalität unterscheidet. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass Strukturen gefordert werden, die über längere Zeit bestehen. Auch bei ‚Partnern’ bei Bankräubern und anderen Verbrechen können über längere Zeit immer wieder die gleichen Personen zusammen arbeiten. In der Regel wird hier jedoch nicht von Organisierter Kriminalität gesprochen. Auch unter dieser Perspektive stellt der Begriff der Organisierten Kriminalität kein scharfes Abgrenzungskriterium bereit, um ‚gewöhnliche’ Kriminalität von Organisierter Kriminalität unterscheiden zu können.[15]
Man könnte versuchen, den Begriff der ‚Parallelgesellschaft’ als wichtiges Kriterium für die Abgrenzung von Organisierter Kriminalität zu verwenden. Dann muss man allerdings akzeptieren, dass viele Formen von Kriminalität, die in manchen Zusammenhängen als ‚organisiert’ bezeichnet werden, aus dieser Definition herausfallen. Eine solche Definition kann aber auf die kriminellen Strukturen angewandt werden, die unter den Bezeichnungen Mafia und Triaden bekannt sind. Dann muss man allerdings auch darauf hinweisen, dass nach einer solchen Definition von Organisierter Kriminalität in Deutschland nur sehr eingeschränkt die Rede sein kann.[16]
Die vorangegangenen Ausführungen machen die Problematik in Bezug auf eine allgemein-gültige Definition von Organisierter Kriminalität deutlich. Wie bereits anfangs erwähnt, kann hier die ‚Definitionsfrage’ ebenfalls nicht beantwortet werden. Um Verwirrungen zu vermeiden, erfordert der Abschluss dieses ‚Kapitels’ zumindest die Festlegung einer ‚für diese Arbeit geltenden’ Definition. Es wird festgehalten, dass die Definition über Organisierte Kriminalität des Bundeskriminalamtes dieser Untersuchung zugrunde gelegt wird, da diese in ihren Beschreibungen am geeignetsten erscheint, Organisationen wie die Mafia oder die Triaden, in Hinblick auf ihre Struktur und ihr Handeln in der Gesellschaft, zu charakterisieren. Ferner sei zu beachten, dass diese Aussage auf dem subjektiven Empfinden der Verfasserin beruht.
1.3 Bedeutung der Organisierten Kriminalität
Es gibt weltweit identische Delikte bzw. Deliktbereiche, bei denen die Organisierte Kriminalität eine besonders große Bedeutung besitzt. Dazu werden etwa gezählt: Drogenhandel, Prostitution, Menschenhandel, Glücksspiel, Schutzgelderpressung, Kfz-Diebstahl, Raub und Hehlerei, Vertrieb von Falschgeld und Waffenhandel. Es gibt darüber hinaus in einigen Staaten typische spezielle Deliktsformen, bei denen die Organisierte Kriminalität Bedeutung besitzt. Dies gilt etwa für die USA und für Italien in Bezug auf Be-stechung und Korruption sowie für die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion in Bezug auf Veruntreuungen von Firmen- und Staatseigentum.[17]
Wichtige Entwicklungstendenzen innerhalb der Organisierten Kriminalität wurden von Sieber folgendermaßen beschrieben:[18]
- es gibt eine zunehmende Brutalisierung und Gewaltbereitschaft,
- die Tatausführung wird zunehmend technisiert und professionalisiert,
- die Korruption nimmt zu, d.h. es gibt mehr Verbindungen zwischen Organisierter Kriminalität, Verwaltung und Politik,
- die Straftätergruppen zeigen eine zunehmende internationale Verflechtung.
„Die OK ist heute zumeist länderübergreifend oder sogar weltweit tätig.“[19]
Europol stellte in seinem Lagebericht für das Jahr 2004 ebenfalls fest, dass die Organisierte Kriminalität immer professioneller wird und sich dabei auf externes Fachwissen stützt, in einem immer größer werdenden internationalen und heterogenen Umfeld.[20]
Bei der Beurteilung der Bedeutung der Organisierten Kriminalität kann nicht nur die Häu-figkeit und die Schwere der für diese Erscheinungsform von Kriminalität charakteristischen Delikte herangezogen werden. Es geht auch nicht nur um die berufsmäßige und mit erheb-lichen Spezialkenntnissen und hohem technischen Aufwand ausgestattete Begehung von Verbrechen. Wichtig ist vor allem, dass es sich hier um kriminelle Organisationen handelt, die über den einzelnen Straftatbestand hinaus bestehen und feste Strukturen ausbilden, die es ihnen erlauben, leichter künftige Straftaten zu begehen. Die Struktur von OK-Gruppierungen zeichnen sich vor allem durch eine Hierarchie, ein internes ‚Sanktionssystem’, gegenseitige Unterstützung und Zusammenarbeit sowie die hohe Gewaltbereitschaft aus. Charakteristisch ist ferner die Durchdringung von Politik und Wirtschaft, sowie die Profitmaximierung durch methodisches Handeln.[21]
Solche Organisationen können schließlich zu einer Art ‚Gegengesellschaft’ führen, in der planvoll und systematisch Verbrechen geplant und ausgeführt werden, und in der die Normen des Staates und der zivilen Gesellschaft keine Anwendung finden.[22]
Daraus kann sich auch eine Bedrohung der staatlichen Autorität und der gesellschaftlichen Normen ergeben, die ihre Bedeutung verlieren können, wenn sie in bestimmten Bereichen grundsätzlich nicht mehr anerkannt werden. Organisierte Kriminalität beschädigt durch die Schaffung eines Milieus, in dem die rechtsstaatliche Ordnung nicht mehr gilt, gezielt das rechtsstaatliche Funktionieren von Staat und Gesellschaft.[23]
Schon Hamacher wies 1986 darauf hin, dass die Organisierte Kriminalität eine neue Qualitätsstufe der Kriminalität darstellt und dass bei kriminellen Organisationen vor allem das vom Straftatenziel unabhängige Bezugssystem wichtig ist, das auf Dauer angelegte Kommandostrukturen und einen kanalisierten Informationsfluss einschließt. Darüber hinaus geschieht die Planung von Verbrechen innerhalb der Organisierten Kriminalität nach einer zweckrationalen und strategischen Planung bis hin zu aus dem modernen Marketing bekannten Methoden wie Bedarfsforschung und Absatzplanung.
Schließlich entstehen auf diese Weise kriminelle ‚Institutionen’ vergleichbar mit großen Unternehmen, nur mit einer autoritären Führung und quasi-staatlicher Machtausübung jenseits moralischer oder demokratischer Kontrolle. Rechtsberatung, Betreuung von Inhaftierten und deren Angehörigen, die soziale Abdeckung durch Scheinberufe bis hin zu planvoller Öffentlichkeitsarbeit zum Aufbau legaler Positionen in der Wirtschaft gehören zu einer solchen Verselbständigung von kriminellen Organisationen.[24] Die Bedeutung der Organisierten Kriminalität hängt ferner mit der Globalisierung, mit der Entwicklung der Telekommunikation und mit der zunehmenden Mobilität von Waren und Geld zusammen.[25]
Die Auswirkungen der Organisierten Kriminalität lassen sich nach Klahr folgendermaßen beschreiben: Sie führt zu Einnahmeverlusten des Staates (Steuern, …), zur Erhöhung der Ausgaben für die Strafverfolgung und zum Aufbau geschlossener Subkultursysteme mit antisozialen Normen. Die entstehende Schattenwirtschaft beeinträchtigt das wirtschaftliche Gefüge und durch ihren Einfluss auf Politik, Medien und Justiz wird das Vertrauen der Bevölkerung beeinträchtigt.[26]
2. Die Macht der Mafia
2.1 Mafia als historisches Phänomen
Der Begriff der Mafia wird heute geradezu inflationär[27][28] gebraucht und stellt für die breite Öffentlichkeit den Prototyp Organisierter Kriminalität dar.[29] Eine verlässliche Datierung der
Entstehung der Mafia ist heute angesichts der dürftigen Quellenlage nicht mehr möglich. Zudem gehört es zum Wesen der Mafia, möglichst wenig Spuren – und schon gar keine schriftlichen – zu hinterlassen. Für Paoli steht aber fest, dass es bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts zumindest Mafia-Vorläufer gegeben hat.[30] Grundlage war zunächst die historische Entwicklung Siziliens mit raschen Herrschaftswechseln. Sizilien war lange Zeit ein Spielball europäischer und mediterraner Mächte.[31] Auf diese Weise konnte sich in Sizilien keine Identifikation mit der staatlichen Gewalt entwickeln. Die Rechtsprechung blieb in der Willkür örtlicher Machthaber, die das Recht zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen benutzten. Eine der wichtigsten Entstehensbedingungen der sizilianischen Mafia war also die Abwesenheit des Staates als einer Institution, die dem einzelnen Bürger Rechtssicherheit gewähren konnte. Auf Sizilien herrschte bis weit in die Neuzeit eine Art ‚Naturzustand’, in dem nur das Recht des Stärkeren galt.[32]
Die Gesellschaft Siziliens blieb deshalb auf der sozialen Grundlage der Familie aufgebaut, die ein informelles System von Selbsthilfeorganisationen darstellte und auf diese Weise den abwesenden Staat ersetzen konnte. In diesem Rahmen herrschten weiter archaische Ehrbegriffe.[33] Auf dieser Grundlage entstand ein Feudalsystem, das auf einer gestaffelten Ordnung von Verpachtungen von Land beruhte. Der Pächter konnte auf diese Weise selbst Herr werden, indem er andere Pächter zwang, für ihn zu arbeiten, blieb aber selbst weiterhin seinem eigenen Herrn verpflichtet. Man spricht hier von ‚Agrarmafia’.[34]
[...]
[1] Käppner (Süddeutsche Zeitung, 06.02.2007).
[2] Leyendecker (Süddeutsche Zeitung, 07.02.2007).
[3] Jüttner (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.02.2007).
[4] Es sei darauf hingewiesen, dass der Begriff ‚Organisierte Kriminalität’ in der Literatur von vielen Autoren groß geschrieben wird.
[5] Bossert; Korte (2004, S. 5).
[6] Vgl. Klahr (1998, S. 193).
[7] Um dem Eindruck entgegenzuwirken, die Organisierte Kriminalität beschränke sich auf einige wenige Länder und bestimmte ethnische Minderheiten, sei an dieser Stelle auf andere Beispiele für Gruppierungen der OK hingewiesen, wie die japanische „Yakuza“, die „russische Mafia“ oder das „Cali-Kartell“ in Lateinamerika.
[8] Vgl. Thamm (1996, S. 4).
[9] Bezüglich der Literatur zur Organisierten Kriminalität ist einschränkend darauf hinzuweisen, dass hier oft mit plakativen Titeln die Macht der Internationalen Organisierten Kriminalität übertrieben dargestellt wird. Titel wie „Drachen bedrohen die Welt“ sind wenig geeignet, eine rationale Auseinandersetzung mit diesem Phänomen zu fördern. Darüber hinaus wird an vielen Stellen in der Literatur nicht ganz deutlich, ob die Macht generell dem Phänomen des Verbrechens oder doch speziell dem Organisierten Verbrechen zugeschrieben werden muss. Mann gewinnt oft den Eindruck, dass das ‚normale’ Verbrechen zu pauschal mit dem Phänomen Organisierte Kriminalität identifiziert wird. Aus diesem Grund ist es schwer, die Macht des organisierten Verbrechens realistisch einzuschätzen.
[10] Vgl. Freiberg; Thamm (1992, S. 107).
[11] zitiert nach Freiberg; Thamm (1992, S. 109).
[12] Wessel (2001, S. 47); Wittkämper (1996, S. 48).
[13] Sieber (1997a, S. 272).
[14] Die folgende Liste nach Luczak (2004, S, 206ff); siehe vollständig im Anhang S. 33.
ähnlich auch die Kriterien in Bossert; Korte (2004, S. 46ff) und Wittkämper (1996, S. 52ff).
[15] Vgl. Klahr (1998, S. 232f).
[16] Vgl. Schaefer (1997, S. 109).
[17] zur Organisierten Kriminalität in Russland siehe ausführlich Chebotarev (1997, S. 131-144).
[18] Sieber (1997a, S. 272f).
[19] Bayerisches Staatsministerium des Innern (2002, S. 2).
[20] Europol (2004, S. 8).
[21] Vgl. Klahr (1998, S. 244).
[22] Vgl. Hofmann (2003, S. 71ff).
[23] Zachert (Frankfurter Allgemeine Zeitung,18.09.1998).
[24] Hamacher (1986, S. 20f).
[25] Vgl. Mörbel (1999, S. 45).
[26] Vgl. Klahr (1998, S. 245f).
[27] Hess weist darauf hin, dass es eigentlich nicht möglich ist, eine Geschichte der Mafia zu schreiben, denn dies müsste auf einem Missverständnis dessen beruhen, was Mafia wirklich ist. Es gibt eigentlich keine geschlossene Organisation und keinen einheitlichen Geheimbund ‚Mafia’. Es kann letztlich deshalb auch nicht die Geschichte einer solchen Institution geschrieben werden. An die Stelle einer solchen Geschichte tritt in der Regel eine Beschreibung des Verhaltens von Mafiosi in verschiedenen historischen Situationen und eine Beschreibung der Rolle, die die Mafia in der Geschichte Siziliens spielte. Es gibt also nicht eine Geschichte der Mafia, sondern es kann nur Geschichten über die Mafia geben. Vgl. Hess (1993, S. 165).
[28] „wenn irgendwo auf der Welt straff organisierte Kriminalität beobachtet wird, spricht der Volksmund sofort vergröbernd von MAFIA“. Loeser (2004, S. 90).
[29] Vgl. Paoli (2004a, S. 9).
[30] Vgl. Paoli (2004b, S. 59); Dies wird auch von Petersen bestätigt.
[31] Siehe Klahr (1998, S. 194f).
[32] Hierzu Hess (1993, S. 16ff) ;vausführlich auch bei Loeser (2004, S. 66ff).
[33] Vgl. Klahr (1998, S. 195).
[34] Vgl. ebenda (S. 196ff).
- Citar trabajo
- Simone Espey (Autor), 2007, Die Macht der Organisierten Kriminalität. Mafia und Triaden im Vergleich, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73097
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