Yoga. Der indische Erlösungsweg.
Von Anja Brandl
ABSTRACT
Thema dieser Arbeit ist das komplexe, philosophische System des indischen Yoga, das sich in erster Linie mit Bewusstseinsmodalitäten auseinandersetzt und die Erlösung von dieser Welt durch die Einswerdung mit einem unpersonifizierten Gott, der bereits im Innern eines jeden Menschen angelegt ist, anstrebt.
Das Mittel dazu ist in erster Linie die meditative Praxis, die anhand der Samyama - Meditation genauer beschrieben wird.
Anhand dieser Beschreibungen wird in dieser Arbeit deutlich gemacht, dass es beim klassischen Yoga überhaupt nicht darum geht, irgendeine Form von Heil oder spiritueller Lebensqualität in dieser Welt zu erlangen. In seiner klassischen Form besteht der Yoga vielmehr auf einer kompromisslosen Überwindung dieser Welt, die mit den zahlreichen Yoga-Systemen der heutigen Zeit wenig wenn nicht gar nichts gemeinsam hat.
GLIEDERUNG
Einleitung
Allgemeine Vorstellungen
Vorbereitung auf die Meditation
Die meditative Praxis
Verschiedene Schulen des Yoga
Säkularisierter Yoga
Schlussbetrachtungen
Einleitung
Thema dieser Arbeit ist der indische Yoga, ein sehr komplexes philosophisches System, dass sich in erster Linie mit Bewusstseinsmodalitäten auseinandersetzt und die Erlösung von der Welt durch die Einswerdung mit einem unpersonifizierten Gott, der bereits im Innern eines jeden Menschen angelegt ist, anstrebt.
Das Mittel dazu ist in erster Linie die meditative Praxis.
Das Sanskritwort Yoga bedeutet im Deutschen soviel wie Joch, Übung oder Anstrengung und bezieht sich damit auf ein religiöses Ziel.
Das Wort stammt von der Wurzel yui, was soviel bedeutet wie binden, anschirren oder ins Joch spannen.[1]
Der Begriff ist nicht systemspezifisch. Viele indische Religionen haben ihren Yoga, also ihre ganz bestimmte Art und Weise der Anstrengung, um ein religiöses Ziel zu erreichen.
Der Yoga als ganz spezifischer Erlösungsweg, der sogenannte klassische Yoga, begründet sich auf dem Yoga Sutra des Patanjali und wird zwischen 400 und 500 n. Chr. datiert.
Patanjali wird als Kompilator des Yoga Sutra angesehen. Er war der erste, der es systematisch erfasst und niedergeschrieben hat.
Das Yoga Sutra besteht aus vier kurzen Büchern und umfasst insgesamt nur 194 Verse. Diese sind in einem knappen Nominalstil verfasst und ohne Erläuterungen oft kaum verständlich. Ein Fülle exegetischer Literatur befasst sich durch die Jahrhunderte mit Erläuterungen und Kommentaren.[2]
Der Yoga gehört zu einem der sechs philosophischen Lehrsysteme Indiens, den sogenannten Schad Darshanas, die alle die Erlösung zum Ziel haben.[3]
Allgemeine Vorstellungen
Zu den allgemeinen Vorstellungen im Yoga gehört die Annahme, dass das Leben in dieser Welt nichts als leiden bedeutet. Sterben bedeutet wiedergeboren werden, um zu leiden.
Dieser Geburtenkreislauf, das Samsara, muss durchbrochen werden, um Erlösung, Moksha, zu erlangen. Es wird angenommen, dass jede Inkarnation dazu dient, diesem Ziel näher zu kommen.
Die Werke, Karma, sind nicht nur für die Art der Wiedergeburt, sondern für die Wiedergeburt überhaupt verantwortlich.
Mit Karma sind im Yoga nicht in erster Linie Werke, sondern Bewusstseinstätigkeiten gemeint, denn sie gelten als Grund, Antrieb und Ursache jeglicher Tat und Handlung.[4]
Der Yoga postuliert die Existenz von Atman und Brahman.
Brahman ( Gott ) ist eine letztgültige Wirklichkeit, eine abstrakte Größe und ein allumfassender Geist, den man sich jedoch nicht körperlich und unpersonifiziert vorstellen muss.
Atman existiert im innersten Wesen eines jeden Menschen, er macht das wahre Selbst aus, und er ist identisch mit Brahman.
Der Atman wird als das eigentliche, wahrhaftige Sein eines Menschen angesehen, im Gegensatz zur Individualität, dem ‚Ich-Bewusstsein’ oder der ‚Ich-Idee’. Die Idee von einem Ich, bzw. die Bewusstseinsidentifizierung mit dieser Idee wird als Grund für das Leiden und für sämtliche Begierden eines Menschen verstanden und ist somit auch letztendlich Ursache für jede Wiedergeburt.[5]
Das Wissen um diese Wahrheit und die Erkenntnis, die mit dieser Wahrheit einhergeht, ist Grundlage für die Erlösung.[6]
Friedrich benutzt die Begriffe reines Bewusstsein und empirisches Bewusstsein, um die Polarität der jeweiligen Bewusstseinsausrichtung zu verdeutlichen. Das erstere entspricht dem Bewusstsein des wahren Selbst, es ist frei von Einflüssen, geistig, untätig und gottgleich. Das empirische Bewusstsein hingegen besteht aus Bewusstseinstätigkeiten, fesselt den Menschen an die Welt, die es zu überwinden gilt und entspricht dem unwissenden Zustand.[7]
Laut der Lehre des Yoga blickt das reine Bewusstsein durch das empirische, wie durch einen Filter, auf die Welt. Aufgrund der Unbeständigkeit des empirischen Bewusstseins wird die Welt dem Seher wie durch ein Kaleidoskop verzerrt präsentiert.
Diese Verzerrung führt der Yoga auf die fünf Bewusstseinstätigkeiten zurück, aus denen das empirische Bewusstsein besteht. Sie lauten: Erkenntnis ( durch Mittel ), Irren, Einbildung, Schlaf und Erinnerung.
Es heißt, dass das empirische Bewusstsein ständig mit vermeintlichem Erkennen, mit Irren, mit Einbildung, mit schlafen und erinnern beschäftigt ist. Dadurch bleibt der Blick auf das wahre Selbst verbaut. Das Bewusstsein erfährt sich, aufgrund dieser beständigen Tätigkeit, als identisch mit dem Objekt, eben dadurch, dass es sich mit der Bewusstseinstätigkeit
identifiziert.[8]
Die Aktivität der fünf Bewusstseinstätigkeiten führt der Yoga wiederum auf die fünf Befleckungen zurück.
Durch sie werde das Bewusstsein mit Inhalten gefüllt, die den Menschen an den Geburtenkreislauf binden.
Die fünf Befleckungen lauten: Unwissenheit, Ich-bin-heit ( Ich-Idee), Leidenschaft, Abneigung und Lebenswille.
Die Unwissenheit spielt dabei die wichtigste Rolle, denn sie gilt als Vorraussetzung dafür, dass die vier anderen überhaupt tätig werden können. Der Yogin, der erkannt hat, dass sein wahres Ich der Atman ist und nicht die Erfahrungen und Vorstellungen, die er von seinem Ich hat, aus denen dann wiederum die Leidenschaften und Abneigungen hervorgehen, ist auf dem besten Wege, die fünf Befleckungen eben durch diesen kognitiven Moment zu schwächen und abzubauen.
Die Unwissenheit wird als Grund für die Verbindung der beiden Bewusstseinspole angesehen. Ein Bewusstsein, das erkannt hat, dass es der Atman, also das reine Bewusstsein ist, erkennt das empirische Bewusstsein als ‚nicht-ich’ und ist daher auch nicht länger mit dessen Tätigkeiten verhaftet.[9]
Dem Yoga gilt jedes empirische Bewusstsein als befleckt und daher in seiner Erkenntnisfähigkeit getrübt.
[...]
[1] ELIADE, Mircea, Yoga. Unsterblichkeit und Freiheit, Frankfurt/Zürich: 1985, ( Chicago: 1959 ), 12
[2] FRIEDRICH, Elvira, Yoga. Der indische Erlösungsweg, München: 1997, 86ff
[3] ebd., 1997, 15
[4] ebd., 1997, 98, 29
[5] ebd., 1997, 29ff
[6] „ Der unwissende Mensch will seine Leidenschaften befriedigen und trachtet danach, durch Werke, seien sie gut oder schlecht, Erfüllung im Leben zu finden. Dadurch verliert er das Wesen seiner selbst und der Welt aus dem Blick. Erst wenn Wissen über den Atman erlangt ist, wird der wahre Kern freigelegt. Wer Wissen erlangt hat, überwindet seine Begierden und die ichbezogene Weltsicht. Seine Werke dienen nur noch dem einzigen Zweck, aus dem Geburtenkreislauf auszutreten. Das Wissen führt endlich zum Ziel der religiösen Übungen: „Nachdem er erkannt hat, ist der Geborene erlöst und geht ein in die Unsterblichkeit.“ Ebd., 1997, 32
[7] ebd., 1997, 90ff
[8] ebd., 1997, 94ff
[9] ebd., 1997, 95ff
- Quote paper
- Anja Brandl (Author), 2004, Yoga, der indische Erlösungsweg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/73019
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