Unser tägliches Leben besteht aus hunderten von Entscheidungen.
Diese reichen von der morgendlichen Kleiderwahl über verschiedene Menüs in der Kantine bis zum abendlichen Fernsehprogramm. Auswahlstress steht an der Tagesordnung.
Der durchschnittliche deutsche Supermarkt bot seinen Kunden bereits im Jahr 2003 eine Auswahl aus rund 12.000 Artikeln an – etwa 1,6-mal mehr als noch zehn Jahre zuvor - Tendenz steigend. Trotzdem scheinen die Umsätze mit dem stetig wachsenden Angebot zu sinken. Discounter wie Aldi oder Lidl, die weit weniger umfassende Sortimente anbieten, verzeichnen dagegen Rekordumsätze (Kliger, Messner & Niemeier, 2003).
Auch in anderen Lebensbereichen scheint die Optionsvielfalt die Menschen langsam aber sicher zu überfordern. Bücher, in denen das Sprichwort „weniger ist mehr“ als Lebensmaxime gepriesen wird, sind aus den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken.
Eigentlich verwunderlich, denn insbesondere in westlichen Kulturen, in denen das Streben nach (Wahl-) Freiheit als Grundbedürfnis angesehen wird, ist die Auffassung weit verbreitet, dass mehr auch automatisch besser sein muss (z.B. Iyengar & Lepper, 1999).
Kann es also wirklich sein, dass mit zunehmender Optionsvielfalt die Unzufriedenheit steigt? Oder brauchen wir bei unserem täglichen Einkauf tatsächlich die Auswahl aus 100 Sorten Kaffee und 30 Sorten Toilettenpapier, damit wir glücklich sind?
Dieser Fragestellung soll im Verlauf der vorliegenden Seminararbeit auf den Grund gegangen werden. Dazu werden zunächst zwei Entscheidungstypen definiert, die sich hinsichtlich der Zielsetzung ihrer Entscheidung und ihrer Reaktion auf steigende Wahlmöglichkeiten unterscheiden. Anschließend wird anhand verschiedener aktueller Studien gezeigt, dass mehr Auswahl auch negative Folgen haben kann und worin die Gründe hierfür liegen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Grundpositionen der Entscheidungsforschung
2.1. Der homo oeconomicus
2.2. Die bounded rationality nach Simon
2.3. Die Maximization Scale nach Schwartz et al
3. Auswirkungen ansteigender Wahloptionen
3.1. Ist mehr immer besser?
3.2. Konsequenzen für den Satisficer
3.3. Konsequenzen für den Maximizer
4. Zusammenhang zwischen Maximierungstendenz und anderen psychologischen konstrukten
4.1. Bedauern
4.2. Informations- und Opportunitätskosten
4.3. Soziale Vergleiche
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Unser tägliches Leben besteht aus hunderten von Entscheidungen. Diese reichen von der morgendlichen Kleiderwahl über verschiedene Menüs in der Kantine bis zum abendlichen Fernsehprogramm. Auswahlstress steht an der Tagesordnung.
Der durchschnittliche deutsche Supermarkt bot seinen Kunden bereits im Jahr 2003 eine Auswahl aus rund 12.000 Artikeln an – etwa 1,6-mal mehr als noch zehn Jahre zuvor - Tendenz steigend. Trotzdem scheinen die Umsätze mit dem stetig wachsenden Angebot zu sinken. Discounter wie Aldi oder Lidl, die weit weniger umfassende Sortimente anbieten, verzeichnen dagegen Rekordumsätze (Kliger, Messner & Niemeier, 2003).
Abbildung 1: Entwicklung Artikelanzahl und Umsatz in deutschen Supermärkten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kliger et al. (2003), S. 18
Auch in anderen Lebensbereichen scheint die Optionsvielfalt die Menschen langsam aber sicher zu überfordern. Bücher, in denen das Sprichwort „weniger ist mehr“ als Lebensmaxime gepriesen wird, sind aus den Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken.
Eigentlich verwunderlich, denn insbesondere in westlichen Kulturen, in denen das Streben nach (Wahl-) Freiheit als Grundbedürfnis angesehen wird, ist die Auffassung weit verbreitet, dass mehr auch automatisch besser sein muss (z.B. Iyengar & Lepper, 1999).
Kann es also wirklich sein, dass mit zunehmender Optionsvielfalt die Unzufriedenheit steigt? Oder brauchen wir bei unserem täglichen Einkauf tatsächlich die Auswahl aus 100 Sorten Kaffee und 30 Sorten Toilettenpapier, damit wir glücklich sind?
Dieser Fragestellung soll im Verlauf der vorliegenden Seminararbeit auf den Grund gegangen werden. Dazu werden zunächst zwei Entscheidungstypen definiert, die sich hinsichtlich der Zielsetzung ihrer Entscheidung und ihrer Reaktion auf steigende Wahlmöglichkeiten unterscheiden. Anschließend wird anhand verschiedener aktueller Studien gezeigt, dass mehr Auswahl auch negative Folgen haben kann und worin die Gründe hierfür liegen.
2. Grundpositionen der Entscheidungsforschung
Seit den fünfziger Jahren existieren zwei klassische Positionen der Entscheidungsforschung: Die Maximierungsmodelle nach von Neumann und Morgenstern, die den Idealtypus des homo oeconomicus hervorbrachten und die Theorie der bounded rationality nach Herbert A. Simon.
2.1. Der homo oeconomicus
John von Neumann und Oskar Morgenstern legten 1944 mit ihrem Buch „Theory of Games and Economic Behavior“ erstmals eine umfassende Theorie präferentieller Entscheidungen vor. Den nachfolgenden Theorien der präskriptiven Optimierungsmodelle lag die Annahme zugrunde, dass der Mensch stets rational handelt und das Ziel hat, mit den getroffenen Entscheidungen seinen Nutzen zu maximieren. Voraussetzung hierfür ist die vollkommene Information und deren fehlerlose Verarbeitung. In der Ökonomie entstand so das Menschenbild des so genannten homo oeconomicus. Dieser Idealtyp verfügt in der Theorie über eine stabile Präferenzordnung, besitzt vollständige Informationen, ist in der Lage, Informationen unendlich schnell zu verarbeiten und wählt so stets die Alternative, die seinen individuellen Nutzen maximiert.
2.2. Die bounded rationality nach Simon
Herbert A. Simon kritisierte 1955 genau diese Annahmen. Er basierte sein „Behavioral Model of Rational Choice“ daher auf unvollständigen Informationen und deren begrenzter Verarbeitungsfähigkeit. Er stellte die Hypothese auf, dass Menschen in Entscheidungssituationen nicht nach der optimalen Alternative suchen, sondern sich mit der ersten Option zufrieden geben, die ihr Anspruchsniveau erfüllt. Er nannte dieses Verhalten „Satisficing“, eine Wortneuschöpfung aus satisfying (befriedigend) und suffice (genügen). Es werden also nicht alle, sondern nur ein Teil der bestehenden Alternativen betrachtet. Die Bewertung der Alternativen erfolgt anhand partieller Präferenzen.
2.3. Die Maximization Scale nach Schwartz et al.
Schwartz, Ward, Monterosso, Lyubomirsky, White und Lehman gelang es 2002 erstmals, beide Positionen entlang einer Persönlichkeitsdimension zu vereinen. Sie entwickelten mittels Befragungen von über 1.400 Versuchspersonen die so genannte Maximization Scale (Maximierungsskala), einen 13 Items umfassenden Fragebogen, dessen Ergebnis die Maximierungstendenz eines Menschen widerspiegelt (Abb. 2).
Die Items waren 7-stufig Likert-skaliert, mit den Ankern 1 (trifft nicht zu) und 7 (trifft zu). Der individuelle Maximierungswert wurde durch die Berechnung des arithmetischen Mittels über die gleichgewichteten Maximierungsitems bestimmt. Die Einteilung in die Persönlichkeitstypen „Maximizer“ oder „Satisficer“ erfolgte anhand eines Mediansplits (Md =4.77). Hierbei wurden Personen mit einem niedrigen Maximierungswert (M =3.87) eher den Satisficern und mit einem hohen Wert (M =5.60) eher den Maximizern zugeordnet (Schwartz et al., 2002).
Der Maximizer ähnelt dabei dem homo oeconomicus. Er zielt auf die optimale Entscheidung. Hierfür versucht er, möglichst alle existierenden Alternativen zu vergleichen und die beste auszuwählen.
Der Satisficer hingegen legt ein Zielkriterium, bzw. eine persönliche Anspruchsgrenze fest. Findet er eine Alternative, die dieses Kriterium erreicht oder die Grenze überschreitet, wird diese gewählt und der Suchvorgang beendet. Er begnügt sich demnach mit einer zufrieden stellenden Option, obwohl es bessere Lösungen geben mag (Schwartz, 2004).
Reliabilität und Validität der Skala konnten durch diese und andere Studien (z.B. Greifeneder und Betsch, 2006) empirisch bestätigt werden. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass durch den Wert auf der Maximierungsskala lediglich eine Tendenz zu einer der beiden Verhaltensweisen festgestellt werden kann. Wann und wie stark dieses Verhalten zum Tragen kommt, hängt möglicherweise von bisher unbekannten Faktoren ab.
Abbildung 2: Items der Maximization und Regret Scale
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Schwartz et al. (2002), S. 1182
3. Auswirkungen ansteigender Wahloptionen
Im folgenden Abschnitt geht es nun darum, ob der Anstieg der Wahlmöglichkeiten in der heutigen Welt nur positive oder auch negative Konsequenzen haben kann und wie die oben vorgestellten Persönlichkeitstypen mit der steigenden Optionsvielfalt umgehen.
3.1. Ist mehr immer besser?
In modernen Gesellschaften besteht die weit verbreitete Annahme, dass die Menschen umso glücklicher sind, je mehr Auswahlmöglichkeiten sie haben. Bis zu einem gewissen Punkt bringen steigende Wahloptionen durchaus Vorteile mit sich. Loewenstein (1999) nennt hier zum Beispiel die Befriedigung unterschiedlicher Bedürfnisse oder steigenden Wettbewerb zwischen den Unternehmen, der zu höherer Qualität und niedrigeren Preisen führt. Allerdings zeigen jüngere Forschungsergebnisse, dass der Anstieg an Alternativen auch mit negativen Konsequenzen wie Unzufriedenheit oder niedrigerer Motivation einhergehen kann.
In ihrer im Jahr 2000 veröffentlichten Studie „When Choice is Demotivating: Can One Desire Too Much of a Good Thing“ nahmen sich Iyengar und Lepper dieser Thematik an. In einem Feldexperiment wurden an zwei Samstagen in einem bekannten Delikatessengeschäft in Kalifornien Marmeladen verkostet. Hierbei gab es zwei verschiedene Versuchsanordnungen, die stündlich wechselten. Bei der ersten Versuchsanordnung wurden 24 verschiedene exotische Marmeladensorten präsentiert, bei der zweiten nur die (zuvor bestimmten) sechs beliebtesten. Jeder Kunde, der probierte, bekam einen Gutschein über einen Dollar Rabatt, der beim Kauf der Marmelade eingelöst werden konnte. Ziel der Studie war es, zu untersuchen, ob die Anzahl der angebotenen Produkte Einfluss darauf hatte, ob probiert bzw. gekauft wurde. Interessanterweise wurde bei extensiver Auswahl zwar mehr Marmelade probiert (60% der Kunden) als bei limitierter Auswahl (40% der Kunden), aber weniger gekauft. Nur 3% der Kunden, die bei extensiver Auswahl probiert hatten, kauften auch tatsächlich eine Marmelade. Bei limitierter Auswahl waren dies jedoch fast 30%.
Dieses Ergebnis lässt die Hypothese zu, dass eine große Auswahl zwar anziehend auf die Kunden wirkt, ihre tatsächliche Kaufmotivation aber senkt. Eine weitere Studie stützt das Ergebnis, dass eine zu große Optionsvielfalt die intrinsische Motivation sinken lässt:
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- Arbeit zitieren
- Cathrin Voß (Autor:in), 2007, Satisficing vs. Maximizing: Ist mehr immer besser?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72916
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