Frank Castorf inszenierte an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in der
Spielzeit 2000/2001 in Koproduktion mit der Wiener Festwoche Dostojewskis „Erniedrigte
und Beleidigte“. In diesem Großstadtroman „[...] geht [es] um zwei sich überschneidende
Dreiecksverhältnisse zwischen Menschen in unterschiedlichen sozialen Positionen, die von
einem fürstlichen Machtmenschen, der es sich leisten kann, (fast) immer die Wahrheit zusagen,
oder das, was er dafür hält, für seine Interessen ein- und ausgespannt werden. Das
halbwüchsige, bettelarme Waisenkind, das eigentlich eine Prinzessin ist, der aufstrebende
und verachtete Schriftsteller, die Tochter aus gutem aber verarmten Hause, der sympathische
aber willenschwache Sohn des Fürsten und die bezaubernde reiche Erbin begegnen
sich [...].“1 Castorf inszeniert den Stoff auf einer Bühne, deren Mittelpunkt ein Big-
Brother-artiger Container ist, auf dessen Dach eine Videoleinwand installiert wurde, die
das Geschehen aus dem Inneren zum Teil geschnitten wiedergibt.
Zu analysieren ist, ob sich eine Form der Intimität, der Privatheit, des Rückzuges in einer
solchen Situation einstellen kann. Anhand der Person des Wanja, eines Schriftstellers mit
Schreibhemmung, soll in folgender Arbeit erläutert werden, welche Räume und Gebiete er
sich schafft, welche ihm zugestanden werden, wie er sie verteidigt und sich in ihnen verhält.
Keine der Figuren scheint besser dafür geeignet zu sein als er ,weil er besonders großen
Wert auf seine Privatsphäre legt und man sie ihm nicht gewähren will.
Im ersten Teil der Arbeit habe ich mich mit Erving Goffmans Theorien zur Hinter- und
Vorderbühne, sowie mit Irwin Altmans Ansichten zur Privatheit beschäftigt. Beide Grundsätze
geben hilfreiche Erkenntnisse hinsichtlich des menschlichen Verhaltens in Bezug auf
Räume, auf die sich die Analyse des Wanja aufbauen lässt.
Nützlich für die Arbeit war die, vom Institut für Theaterwissenschaft der FU Berlin, auf
Video aufgezeichnete Vorstellung am 10.11.2001 in der Berliner Volksbühne am Rosa-
Luxemburg-Platz. Dieses Material ließ eine eingehendere Betrachtung verschiedener Szenen
zu, die bei einem normalen Theaterbesuch nicht möglich gewesen wären.
Da es sich bei der Inszenierung Castorfs um ein fünf-stündiges Stück handelt, habe ich
mich bei der Analyse auf die ersten zweieinhalb Stunden bis zur Pause beschränkt, da eine
umfangreichere Betrachtung dieser Thematik den Rahmen dieser Hausarbeit gesprengt
hätte. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort
- Hauptteil
- Bedeutung der Privatheit und das damit verbundene Verhalten
- Welche Bedeutung hat Privatheit für Wanja?
- Welchen Raum kann Wanja für sich beanspruchen?
- Wie verteidigt Wanja sein Revier?
- Wie verhält sich Wanja in seinem Revier?
- Wie verhält sich Wanja in anderen Räumen?
- Verhalten im Salon
- Verhalten im begehbaren Schrank
- Schluss
- Literaturverzeichnis
- Anhang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Analyse des Territorialverhaltens der Figur des Wanja in Frank Castorfs Inszenierung von Dostojewskis „Erniedrigte und Beleidigte" an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Die Arbeit untersucht, wie Wanja, ein Schriftsteller mit Schreibblockade, in der Inszenierung mit dem Thema der Privatheit und Intimität umgeht.
- Bedeutung von Privatheit und Hinterbühne im Theater
- Wanja's Bedürfnis nach einem privaten Raum
- Wanja's Versuche, sein Revier zu verteidigen
- Wanja's Verhalten in seinem Revier und in anderen Räumen
- Die Erniedrigung von Wanja als ein zentrales Thema der Inszenierung
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit beschäftigt sich mit Erving Goffmans Theorien zur Hinter- und Vorderbühne sowie mit Irwin Altmans Ansichten zur Privatheit. Diese Theorien dienen als Grundlage für die Analyse des Wanja's Verhaltens in Bezug auf Räume und Gebiete.
Im zweiten Teil wird die Bedeutung der Privatheit für Wanja untersucht. Es wird deutlich, dass er einen privaten Raum benötigt, um sich selbst zu finden und seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Die Arbeit analysiert, welche Räume Wanja für sich beanspruchen kann, wie er sein Revier verteidigt und sich in seinem Revier und in anderen Räumen verhält.
Die Arbeit betrachtet insbesondere Wanjas Verhalten im Salon, seinem Kabuff und im begehbaren Schrank. Es wird gezeigt, wie Wanja durch die Ignoranz der anderen Figuren in seiner Privatsphäre verletzt wird und wie er schließlich selbst zu einem Instrument der Erniedrigung wird.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Territorialverhalten, Privatheit, Hinterbühne, Vorderbühne, Erniedrigung, Frank Castorf, Dostojewski, „Erniedrigte und Beleidigte", Berliner Volksbühne, Wanja, Inszenierung, Raum, Theateranalyse.
- Citation du texte
- Simone Bley (Auteur), 2002, Untersuchung des Territorialverhaltens anhand der Figur des Wanja in Castorfs Erniedrigte und Beleidigte (Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/7278
-
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X. -
Téléchargez vos propres textes! Gagnez de l'argent et un iPhone X.