Eines der wesentlichsten Merkmale, welches den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, ist die Fähigkeit verbal miteinander zu kommunizieren. Die Sprache ist also elementar für die Entwicklung des Menschen. In einer multilingualen Welt gibt es größere und kleinere Sprachen. Es gibt globale Sprachen, wie zum Beispiel Spanisch, es gibt große Sprachen, die von hunderten von Millionen Menschen gesprochen werden, wie zum Beispiel Mandarin, es gibt alte Sprachen, wie zum Beispiel Arabisch oder junge Sprachen, wie zum Beispiel Englisch. Sprache entwickelt sich auch ständig weiter, die Grenzen zwischen Sprachen sind oftmals fließend, es bilden sich neue Sprachen aus regionalen Dialekten und andere sterben aus, wie zum Beispiel die Sprache der Buschmenschen in Südafrika. Neben den Dialekten bilden sich auch sowas wie Szene- oder Arbeitssprachen. Kurz gesagt, das menschliche Sprechen mit Hilfe von Sprachen ist alles andere als statisch.
Bei der Erstellung dieser Hausarbeit haben mich aber persönlich folgende Leitfragen besonders interessiert:
Wie kommt es, dass in einer plastischen Sprachenwelt so viele statische Sprachinseln entstehen konnten?
Welche Vorteile bieten einsprachige Gesellschaften, gegenüber Mehrsprachigen?
Was passiert mit Sprachen, deren Sprecher in der gesellschaftlichen Minderheit sind?
Welche Faktoren spielen eine Rolle beim Erstspracherwerb und welchen Einfluss hat dieser auf den Sprecher?
Was ist Mehrsprachigkeit?
Welche Unterschiede gibt es beim Zweitspracherwerb?
Welche Rolle spielt der Zweitspracherwerb für Sprachminderheiten?
Was ist doppelte Halbsprachigkeit und wie entsteht sie?
Wie kann man der doppelten Halbsprachigkeit entgegenwirken?
Dabei setze ich bei der Beantwortung der mich interessierenden Fragen jedoch mehr einen soziologischen Akzent, als einen Linguistischen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Einsprachigkeit vs. Mehrsprachigkeit im historischen Kontext
1.1 Einsprachigkeit – Mittel zur Staatenbildung
1.2 Migrationssprachen
2. Der Spracherwerb
2.1 Der Erstspracherwerb
2.2 Die Muttersprache – eine unbefriedigende Definition
2.3 Simultane Mehrsprachigkeit
2.4 Sukzessive Mehrsprachigkeit
2.5 Der Zweitspracherwerb
2.6 Die Bedeutung des Zweitspracherwerbs für Sprachminderheiten
2.7 Der natürliche Zweitspracherwerb
2.8 Die doppelte Halbsprachigkeit
2.9 Das Berliner Schulmodell
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Eines der wesentlichsten Merkmale, welches den Menschen von anderen Lebewesen unterscheidet, ist die Fähigkeit verbal miteinander zu kommunizieren. Die Sprache ist also elementar für die Entwicklung des Menschen. In einer multilingualen Welt gibt es größere und kleinere Sprachen. Es gibt globale Sprachen, wie zum Beispiel Spanisch, es gibt große Sprachen, die von hunderten von Millionen Menschen gesprochen werden, wie zum Beispiel Mandarin, es gibt alte Sprachen, wie zum Beispiel Arabisch oder junge Sprachen, wie zum Beispiel Englisch. Sprache entwickelt sich auch ständig weiter, die Grenzen zwischen Sprachen sind oftmals fließend, es bilden sich neue Sprachen aus regionalen Dialekten und andere sterben aus, wie zum Beispiel die Sprache der Buschmenschen in Südafrika. Neben den Dialekten bilden sich auch sowas wie Szene- oder Arbeitssprachen. Kurz gesagt, das menschliche Sprechen mit Hilfe von Sprachen ist alles andere als statisch.
Bei der Erstellung dieser Hausarbeit haben mich aber persönlich folgende Leitfragen besonders interessiert:
Wie kommt es, dass in einer plastischen Sprachenwelt so viele statische Sprachinseln entstehen konnten?
Welche Vorteile bieten einsprachige Gesellschaften, gegenüber Mehrsprachigen?
Was passiert mit Sprachen, deren Sprecher in der gesellschaftlichen Minderheit sind?
Welche Faktoren spielen eine Rolle beim Erstspracherwerb und welchen Einfluss hat dieser auf den Sprecher?
Was ist Mehrsprachigkeit?
Welche Unterschiede gibt es beim Zweitspracherwerb?
Welche Rolle spielt der Zweitspracherwerb für Sprachminderheiten?
Was ist doppelte Halbsprachigkeit und wie entsteht sie?
Wie kann man der doppelten Halbsprachigkeit entgegenwirken?
Dabei setze ich bei der Beantwortung der mich interessierenden Fragen jedoch mehr einen soziologischen Akzent, als einen Linguistischen.
1. Einsprachigkeit vs. Mehrsprachigkeit im historischen Kontext
1.1 Einsprachigkeit – Mittel zur Staatenbildung
Vor der Entstehung der ersten Nationalstaaten ab dem Mittelalter war Multilingualität etwas völlig Normales. Die Grenzen der Machtgebilde hatten oft nur wenig mit Sprach- und Kulturgrenzen gemeinsam. Oft lebten verschiedene Sprachgemeinschaften in ein und demselben Gebiet. Dialekte und Akzente waren sehr ausgeprägt und der Übergang zu anderen Sprachen fließend. Die Analphabetenrate war hoch und Händler und Reisende mussten oft mehrere Sprachen und Dialekte zumindest teilweise beherrschen. Für die Herrschenden gab es eine oder mehrere globale (Europaweite) Verkehrssprachen. Ein nationales Bewusstsein, so wie wir es heute verstehen gab es nicht. Erst mit dem Entstehen der Nationalstaaten und einer immer komplexer werdenden Bürokratie wurde es immer notwendiger eine gemeinsame Verkehrssprache pro Staat zu haben. Im ausklingenden Mittelalter und der Renaissance entstand dann so etwas wie „Rechtstaatlichkeit". Gesetze wurden erlassen, um das Leben im Staat zu regulieren. Gesetze mussten irgendwo aufgeschrieben und festgehalten werden und diese mussten für die Bevölkerung verständlich sein. Je mehr Kontrolle der Staat ausüben wollte, um so mehr musste er in das Leben seiner Bewohner eingreifen. Die Herrschenden traten also vermehrt (über Mittelsmänner) in Kontakt mit seinen Bewohnern. Je größer ein Staat wurde (durch Krieg und Bevölkerungswachstum), desto schwieriger wurde es, alle Bewohner zu erreichen. Es wurde immer wichtiger, dass die Bevölkerung die Gesetze, die ihr Leben regeln sollte, auch selbst nachlesen können. Im Zuge der Säkularisierung nahm der Einfluss der Kirche ab und der Staat übernahm deren Rolle. Eine einheitliche Sprache wurde immer wichtiger für die Staaten Europas. Mit dem aufkommenden Konkurrenzkampf der Staaten in der Zeit des Merkantilismus und später des Imperialismus, wurde die Sprache dann elementar wichtig. Die Sprache half den Machthabern, die Bewohner des Landes schneller und umfassender zu erreichen. Eine einheitliche Sprache stiftete ein Nationalbewusstsein, welches sich für die Machthaber für viele Dinge gut instrumentalisieren lässt. Eine einheitliche Sprache fördert den innerstaatlichen Handel und stärkt somit auch die Wirtschaftsleistung. Der Wissensaustausch wird vereinfacht und schafft so günstigere Voraussetzungen für technologischen Fortschritt. Einfachere Kommunikation zwischen den Bewohnern erleichtert die Binnenwanderung (setzt Arbeitskräfte frei) und stärkt die militärische Schlagkraft. Alle diese Gründe veranlasste die Machthaber innerhalb ihres Territoriums mehr und mehr für eine einheitliche Verkehrssprache zu sorgen. Spätestens seit Napoleon wird dann auch die Bedeutung von Bevölkerungsgröße deutlich. Die Staaten Europas suchten fortan ihr Glück in Größe. Je größer die Staaten jedoch wurden, desto mehr Dialekte und Sprachen beinhalteten diese Gebilde, desto instabiler wurden sie. Die nationale Identität mit dem Staat wurde wichtiger. Auch aus diesem Grund (viele andere Gründe waren auch vorhanden) wurde Anfang der 19. Jh. in vielen europäischen Staaten die Schulpflicht eingeführt. Die Bewohner sollten lesen und schreiben lernen und zwar alle dieselbe Sprache. Der Erfolg blieb nicht aus, es entwickelte sich in vielen Fällen ein starkes Nationalgefühl. Die Grundlage der modernen Nationalstaaten wurde geschaffen. Ein Nebeneffekt war aber auch, dass durch die fortschreitende Bildung der Bewohner sich sog. Bürgerbewegungen gründeten. Natürlich ist Voraussetzung dafür, dass ein gewisser Teil der Bevölkerung nicht mehr unmittelbar mit dem eigenen Überleben beschäftigt ist, was wiederum maßgeblich dem technischen Fortschritt zu verdanken war. Diese Bürgerbewegungen sahen sich aber zunehmend nicht mehr als Untertanen, sondern als Bürger. In einem langen Prozess entstanden so nach und nach die sog. bürgerlichen Nationalstaaten. Die Sprache half dabei entscheidend mit.
Sie erfüllte und erfüllt immer noch u. a. die Funktionen: Stiftung von Gemeinschaftsgefühl, persönliche kulturelle Identifikation, ein Zugehörigkeitsgefühl zu etwas Größerem und auch die Abgrenzung zu anderen Individuen im Kleinen, wie im Großen. Das Entstehen einer monolingualen Gesellschaft ist also das Ergebnis eines langen geschichtlichen Prozesses, der nicht abgeschlossen ist. Die Normalität der Einsprachigkeit ist also erheblich verbunden mit dem Konzept des Nationalstaates (vgl. Gogolin 1999b: 90f).
Ob die Nationalstaaten auch in Zukunft noch die wesentliche Rolle spielen werden, wie sie es damals taten und auch heute noch tun bleibt abzuwarten. Fakt ist aber, dass Nationalstaaten gerade in einem Prozess stecken, der sie mehr und mehr an Bedeutung verlieren lässt. Der technische Fortschritt lässt die Welt schrumpfen, nationale Grenzen verlieren an Bedeutung, Gebiete 100%iger Einsprachigkeit werden wieder seltener und Mehrsprachigkeit wird fast überall, als positiv betrachtet.
Abgesehen davon ist es eine Tatsache, dass auf derzeit rund 200 Nationalstaaten über 5000 Sprachen und Dialekte kommen. In den meisten Staaten der Erde werden also ohnehin noch immer viele Sprachen nebeneinander gesprochen. Die meisten Staaten sind also de facto multilingual mit mehr oder weniger dominierenden Verkehrs- oder Mehrheitssprachen. Die Menschen in diesen Ländern, deren Erstsprache nicht die Amtssprache ist, sind also in den meisten Fällen gezwungen eine Zweitsprache zu erlernen. Der Fakt, dass ihre Erstsprache nicht die Amtssprache ist, bedeutet, dass sie weniger Macht haben, als die monolingualen Sprecher ihres Landes. In Deutschland sind das also alle Minderheiten, die Deutsch nicht als Erstsprache erlernen (vgl. Skutnabb-Kangas 1992: 39f).
Sprachminderheiten haben in multilingualen Staaten, wie z. B. Indien oder Nigeria, meistens eine feste örtliche Konzentration. In diesen Arealen stellen sie die Mehrheitsbevölkerung und wenn ihre Sprachkultur nicht gerade unterdrückt wird, dann kann sich die Sprache auch weitestgehend autonom behaupten. In Staaten, in deinen Sprachminderheiten ihre Sprache aber nicht sprechen und schreiben dürfen, können diese Sprachen mit der Zeit sehr rudimentäre Züge annehmen oder sogar völlig vom Globus verschwinden. Das liegt daran, wie groß die Sprachminderheit ist und wie viel Macht und Einfluss die dominante Sprache ausübt.
In den verallgemeinernd gesagt monolingualen europäischen Nationalstaaten sind die Sprachminderheiten meistens das Produkt von Zuwanderung. Bei immigrierten Sprachminderheiten spricht man deshalb auch von Emigranten- bzw. von Immigrantensprachen, je nach dem, aus welchem Blickwinkel man sie betrachtet.
1.2 Migrationssprachen
In der Emigration verändert sich die Herkunftssprache der Minderheit in der Regel mehr oder weniger stark. Einflüsse der Mehrheitssprache sind der Grund dafür. So ist bspw. das Türkisch der deutschen Türken etwas anders, als das Türkisch der englischen Türken und beide Minderheitssprachen unterscheiden sich vom Türkischen in der Türkei. Die „Emigrantensprachen" sind also grundsätzlich immer den Einflüssen der jeweiligen Mehrheitssprache ausgesetzt (vgl. Gogolin 1999a: 42).
Anders als in „richtigen" multilingualen Staaten sind Minderheiten mit Migrationshintergrund oft wesentlich kleinere und verstreutere Sprachminderheiten. Ihre Nachkommen sind sehr stark den Einflüssen der Mehrheitssprache ausgesetzt und so kommt es zu einer mehr oder wehniger starken Beeinflussung der Minderheitensprache durch die Mehrheitssprache. Im Laufe der Generationen entwickelt sich so in der Emigration oft eine Variante der Sprache, die sich von der Mehrheitssprache in der Heimat unterscheidet.
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- Sebastian Puhle (Autor), 2006, Welchen Einfluss hat Sprache auf Minderheiten?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72781
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