Die vorliegende Magisterarbeit untersucht im Rahmen eines Modellprojektes eine Gruppe, die von einem allgemeinen Vorverständnis ausgegangen, bezogen auf Vorbildung und Position, als am wenigsten qualifiziert für und interessiert an computerbasiertem Lernen erscheinen könnte. Nachdem im theoretischen Teil die Probleme von E-Learning im Allgemeinen und bezogen auf berufliche Weiterbildung herausgearbeitet worden sind, werden im empirischen Teil detailliert mittels qualitativer Interviews und flankierender quantitativer Datenerhebung das Lernverhalten der Gruppe, ihre Umwege und positiven Lernverläufe nachvollzogen. Als Ergebnis zeigt sich u. a., dass allseits propagierte Vorteile von E-Learning sich im Berufsalltag rasch ins Gegenteil kehren können; auf die auftretenden Probleme kann jedoch ein Teil der Zielgruppe adäquat in ihrem Lernverhalten reagieren.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Theoretischer Teil
1. Grundlagen von E-Learning
1.1 Begriffsvielfalt und Zielsetzung
1.2 Einsatz Neuer Medien im Bildungsprozess
1.3 Konstitutive Merkmale der Neuen Medien
1.3.1 Multimedialität
1.3.2 Interaktivität
1.3.3 Adaptivität
1.3.4 Zwischenfazit: Einfluss auf den individuellen Lernprozess
1.4 Konstitutive Merkmale des Internets
1.4.1 Kommunikation
1.4.2 Information
1.4.3 Zwischenfazit: Einfluss auf den kooperativen Lernprozess
1.5 Konstitutive Merkmale der Rahmenbedingungen
1.5.1 Lerninhalte
1.5.2 Lernorte
1.5.3 Lernzeiten
1.5.4 Technisches Lernarrangement
1.5.5 Zwischenfazit: Effekte der Rahmenbedingungen
1.6 Vier Grundformen virtueller Lernszenarien
2. E-Learning im Unternehmen
2.1 Wandel der Arbeitswelt
2.1.1 Veränderte Anforderungen an die berufliche Weiterbildung
2.1.2 Zwischenfazit: Effekte des Einsatzes von E-Learning im Unternehmen
2.1.3 Reelle Verbreitung von E-Learning im Unternehmen
2.2 Spezifika der beruflichen Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen
2.2.1 Definition und wirtschaftliche Bedeutung
2.2.2 Einsatz von E-Learning im Handwerk
2.2.3 Darstellung abgeschlossener Modellprojekte
2.2.4 Formulierung der Hypothesen
III. Empirischer Teil
1. Projektbeschreibung
2. Forschungsdesign
2.1 Methodenwahl
2.2 Durchführung
2.3 Auswertungsmethode
3. Auswertung der Interviews
3.1 Fallanalysen
3.2 Tabellarische Übersicht der Fallanalysen
3.3 Generalisierende Aspekte
4. Ergebnis der Auswertung
5. Reflexion des Forschungsprozesses
IV. Fazit und Ausblick
V. Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen
VI. Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Hoher Wettbewerbsdruck, beschleunigter technischer und organisationaler Wandel und die zunehmende Bedeutung des Produktionsfaktors Wissen sind die Kernelemente der Globalisierung (vgl. Wiesheu 2000: 12f) und weisen deutlich eine Zuspitzung auf die Ökonomisierung der Arbeitswelt aus. Um sich unter diesen gewandelten Rahmenbedingungen heutzutage am Markt behaupten zu können, müssen Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU), auf die veränderte Arbeitswelt und die daraus resultierenden veränderten Kompetenzen und Anforderungen an ihre Mitarbeiter reagieren. „Der Umfang der Weiterbildungserfordernisse nimmt damit insgesamt zu“ (Reglin/Schuberth o. J.: online). Das schlägt sich einerseits in systematischen Schulungen und andererseits in punktuellen, zeitnah zu deckenden Weiterbildungsbedarfen nieder (vgl. Reglin/Schuberth o. J.: online). Lernaktivitäten sind demnach nicht mehr ausschließlich der Erstausbildung vorbehalten, sondern müssen ein Leben lang fortgeführt werden (vgl. Europäische Union 2000: 9). Zur Erreichung des Zieles des Lebenslangen Lernens werden insbesondere die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) als omnipotente Werkzeuge angepriesen.
Für die berufliche Weiterbildung fungiert E-Learning als Hoffnungsträger schlechthin, um den gestiegenen Qualifizierungsbedarf schnell, kostengünstig und flexibel zu bedienen (vgl. Reglin/Schuberth o. J.: online). Doch hinsichtlich des Erfolges solcher mediengestützter Anwendungen gehen die Meinungen auseinander. So propagiert Hewlett-Packard, Konzern der IT-Branche, E-Learning als ‚Zauberformel’, denn „E-Learning bietet Ihnen mehr Flexibilität, erhöhte Aktualität der Lerninhalte und Zeitersparnis durch weniger Abwesenheit am Arbeitsplatz. Des Weiteren erfahren Sie eine Kostenersparnis durch effektiveres Lernen und eine direkte Leistungssteigerung am Arbeitsplatz“ (www.hewlett-packard.de/hpeducation/elearning/, Zugriff am 22.02.2005). Diese Begründung verweist, wie viele andere der Anbieterseite auch, auf Kosten- und Zeitersparnis sowie auf erhöhten Lernerfolg. Die Lernenden bestimmten selbst was, wann und wo sie lernten und steigerten dadurch ihre Lern-Effizienz.
Die wissenschaftliche Literatur um das Thema E-Learning hingegen schätzt den Erfolg von Weiterbildungsmaßnahmen mittels Computer sehr unterschiedlich ein. Man spricht von den Neuen Medien als Chance aber auch als Bedrohung pädagogischer Errungenschaften (Euler 2002: 3f). Es bestehe die Gefahr des ‚Durchklickens’, der Isoliertheit, des Motivationsmangels und der fehlenden Möglichkeit der Rückversicherung im eigenen Lernprozess (vgl. Grotlüschen 2003, Reichelt 2000), berge aber ebenfalls Potentiale selbstbestimmten Lernens, losgelöst von Raum und Zeit (vgl. Thomas 2001, Zimmer 2002b, Kerres 2002, Zimmer 2002a).
Die in dieser Arbeit vorgenommene qualitative Untersuchung soll einen Beitrag zur Aufklärung der Kontroverse leisten und dabei nicht dem bisher vorherrschenden Weg der quantitativen Evaluationen folgen (vgl. Döring 2002: 261), die Auswirkungen auf das lernende Subjekt nicht berücksichtigen (vgl. Grotlüschen 2003: 278). Vielmehr geht es darum, fernab von Markteuphorie und Technik-Pessimismus den Nutzen von E-Learning differenziert darzustellen und zu untersuchen, ob durch E-Learning ein „mediale[r] Mehrwert“ (Meisel 2001: 6) des Lernens erreicht wird oder ob mögliche „Nebenwirkungen“ (Meisel 2001: 6) des Computereinsatzes Barrieren für den Lernprozess aufbauen.
Als Untersuchungsgegenstand fungiert das von der Europäischen Union geförderte Modellprojekt lernen. just in time – Unternehmenspartner im Netz. Es zielt auf die Weiterbildung von mithelfenden Familienangehörigen, meist die Ehefrau des Betriebsinhabers, in Berliner Handwerkerbetrieben mittels E-Learning ab und greift damit die Problematik auf, dass KMU selbst die berufliche Weiterbildung immer noch stark vernachlässigen, obwohl sie sich deren Wichtigkeit für die eigene Wettbewerbsfähigkeit durchaus bewusst sind (vgl. Michel, Heddergott et al. 2000: 39, Ibb 2001: 17). Als Gründe für diese Zwangslage artikulieren die Betriebe zumeist Zeitmangel, Kostenintensität, Arbeitsplatzgebundenheit und praxisferne Inhalte (vgl. Reichelt 2000; Reglin 2000a; Hagedorn/Zielinski 2004). An diesen Begründungen der Nicht-Inanspruchnahme von Weiterbildung knüpft das Modellprojekt an und bietet ganzheitliche Lösungsstrategien für diese Weiterbildungsdilemmata. Die Konzeption umfasst nicht nur die Erstellung von Lernmodulen für individuelles E-Learning, sondern auch die Schaffung einer internetbasierten Lernplattform für den kommunikativen Austausch untereinander.
Von zentralem Interesse in dieser Untersuchung ist, ob mithelfende Familienangehörige in Handwerkerbetrieben E-Learning als mögliche Weiterbildungsform wahrnehmen, akzeptieren und auch erfolgreich nutzen. Es wird danach gefragt, wie hoch die Akzeptanz des Lernzentrums und der Lernmodule ist und welche Faktoren bei der Nutzung von E-Learning, einerseits in der Person selbst und andererseits im (Arbeits-)Umfeld, eine Rolle spielen.
Die übergeordnete Arbeitshypothese lautet, dass die Methode E-Learning die klassischen Weiterbildungsdilemmata in KMU lösen und ihren Weiterbildungsanteil steigern kann.
Aus diesem Grunde ist es sinnvoll, dass sich die Magisterarbeit aus einem theoretischen und einem empirischen Teil zusammensetzt. Der theoretische Teil gliedert sich in zwei übergeordnete Kapitel, wovon das erste sich E-Learning als Methode zuwendet. Es führt in die Begriffsvielfalt und Begründung des Einsatzes medialer Lernformen ein (Abschnitt 1.1) und versucht eine Abgrenzung dieser voneinander vorzunehmen, um danach gründlicher auf die in der einschlägigen Literatur aufgezeigten Potentiale und Probleme des Lernens mit Neuen Medien und Internet einzugehen (Abschnitt 1.2-1.5). Anschließend werden die vier gängigsten virtuellen Lernszenarien dargestellt (Abschnitt 1.6). Im zweiten Kapitel des theoretischen Teils wird die Implementierung von E-Learning in Unternehmen abgehandelt. Nachdem der Wandel der Arbeitswelt im Allgemeinen dargestellt wurde (Abschnitt 2.1), wird die spezifische Weiterbildungssituation in KMU eingängig aufgezeigt (Abschnitt 2.2). Darin werden Chancen für die Erhöhung der Weiterbildungsbeteiligung von Mitarbeitern aber auch Hürden bei der Einführung von E-Learning dargestellt. Zum Abschluss des theoretischen Teils werden Erfahrungen anderer Modellprojekte kurz dargestellt (Abschnitt 2.2.3). Die gesamten Erkenntnisse des theoretischen Teils stellen abschließend die Basis für die zu formulierenden Hypothesen der eigenen empirischen Untersuchung dar (Abschnitt 2.2.4).
Der empirische Teil gliedert sich in fünf Kapitel. Der Projektbeschreibung (Abschnitt 1) folgt die Darlegung des Forschungsdesigns (Abschnitt 2). Daran schließt sich die Auswertung der Interviews an (Abschnitt 3). Als letztes werden die Forschungsergebnisse präsentiert (Abschnitt 4) sowie der gesamte Forschungsprozess reflektiert (Abschnitt 5).
In Anlehnung an die Gliederung läuft das methodische Vorgehen in zwei Schritten ab. Im ersten Schritt wird der Fokus auf die Rezeption von Forschungsergebnissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen zum Computereinsatz im Bildungsprozess gelegt. Diese werden gegliedert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den individuellen und kooperativen Lernprozess sowie auf die Rahmenbedingungen des Lernens hin untersucht. Anschließend werden spezifisch für den Anwendungsbereich der beruflichen Weiterbildung theoretische und empirische Arbeiten sowie Statistiken verwertet, um den Blick für die Chancen aber auch Problematiken der Implementierung von E-Learning in der beruflichen Weiterbildung zu schärfen.
In einem zweiten Schritt werden eigenständig Daten erhoben und ausgewertet. Die Datenerhebung im empirischen Teil speist sich aus quantitativen und qualitativen Daten. Die quantitativen Daten werden über Usertracking gewonnen, d.h. das Verhalten und die Wege der Teilnehmerinnen am Computer werden aufgezeichnet, um u. a. aufzuzeigen, welche Internetseite die Lernenden zuerst aufrufen oder wie lange sie auf den einzelnen Seiten verweilen. Die qualitativen Daten werden durch problemzentrierte, halbstandardisierte Leitfadeninterviews mit den Teilnehmerinnen des Modellprojektes gewonnen. Das problemzentrierte Interview, dem ein Kurzfragebogen vorangestellt ist, bietet sich hier besonders gut an, da einerseits bereits theoretisches Vorwissen zum Thema existiert und andererseits direkt am handelnden Subjekt nach neuen Erkenntnissen geforscht werden kann. In einem Wechselspiel aus Deduktion und Induktion erfolgt der Erkenntnisgewinn, in dem die aufgestellten Hypothesen durch die Interviews verifiziert oder falsifiziert werden bzw. Neues aufgegriffen wird.
Ziel ist es, einen empirisch gestützten Wissenschaftsbeitrag zum virtuellen Lernen jenseits von marktwirtschaftlicher Euphorie zu leisten, Implikationen für die Praxis aufzuzeigen und einen visionären Blick in die Zukunft zu wagen.
II. Theoretischer Teil
Der theoretische Teil gliedert sich grob in zwei Kapitel. In Kapitel 1 wird sich E-Learning als Methode im Bildungsprozess zugewandt. Im zweiten Kapitel geht es um die Integration von E-Learning in die berufliche Weiterbildung.
Kapitel 1 ist wie folgt gegliedert: E-Learning wird definiert und es werden propagierte Ziele dargestellt und kommentiert (Abschnitt 1.1). Anschließend wird die Nutzung Neuer Medien und des Internets zu Bildungszwecken anhand konstitutiver Merkmale beleuchtet (Abschnitt 1.2-1.5). Es wird deutlich gemacht, dass durchaus neu gewonnene Möglichkeiten und Freiheiten durch E-Learning existieren, die aber gleichzeitig neue Gefahren für die Sicherstellung von Bildung mit sich bringen. Letztendlich kristallisiert sich heraus, dass E-Learning sich auf Lernprozesse auswirkt und veränderte Anforderungen an die Lernenden, Lehrenden und das Umfeld stellt. Die daran anschließende Darstellung von vier Grundformen elektronisch basierter Lernszenarien weist die in der Praxis gängigen E-Learning-Konzepte aus (Abschnitt 1.6) und leitet somit in den zweiten Abschnitt des theoretischen Teils über.
Kapitel 2 ist folgendermaßen unterteilt: Der Darstellung des Wandels der Arbeitswelt allgemein (Abschnitt 2.1) folgen die spezifischen, veränderten Anforderungen an berufliche Weiterbildung in kleinen und mittleren Unternehmen des Handwerks (Abschnitt 2.2). In Modellprojekten wird den entstandenen Weiterbildungsdilemmata der KMU mit passgenauen E-Learning-Lösungen begegnet, die jedoch nicht sämtliche Herausforderungen lösen (Abschnitt 2.2.3). Offen gebliebene Fragen zur Umsetzbarkeit, Akzeptanz sowie zum Nutzerverhalten von E-Learning in KMU werden in Hypothesen transferiert und dem sich anschließenden empirischen Teil zugeführt (Abschnitt 2.2.4).
1. Grundlagen von E-Learning
1.1 Begriffsvielfalt und Zielsetzung
Die Fachliteratur offeriert eine verwirrende begriffliche Vielfalt im Zusammenhang mit der Nutzung des Computers zu Bildungszwecken. Begriffe wie Hyperlearning, E-Leaning, Intelligente Tutorielle Systeme (ITS), virtuelles Lernen, Web Based Training (WBT), Computer Assisted Learning (CAL), Online-Lernen, telematisches Lernen, Computer Based Teaching (CBT), multimediales Lernen und hypertextuelles Lernen werden oft synonym verwandt, was zu Definitions- und Abgrenzungsproblemen führen kann. Diese Arbeit hat nicht zum Inhalt, die einzelnen Begriffe in eine Tradition von computerbasierten Lernformen mit dahinter stehender Lerntheorie zu stellen, vielmehr soll kurz entlang einiger oben genannter Begriffe der Entscheidungsprozess für den Titel der vorliegenden Arbeit dargestellt werden.
Laut Döring sind die Termini „Online-Lernen“ und „virtuelles Lernen“ (Döring 2002: 248) in Deutschland sehr beliebt, dennoch werden sie im Rahmen dieser Arbeit als weniger geeignet angesehen. Der Begriff Online-Lernen ist zu eng, denn er schließt begrifflich aus, dass Lerninhalte auch ohne Internetanbindung (Offline) des Computers beispielsweise lokal auf CD-ROM bearbeitet werden können. Der Begriff virtuell besitzt die Konnotation des nicht real Existierenden, was der Tatsache, dass Lernen immer real ist, „unabhängig ob es mit physischen oder elektronischen Materialien, in realen oder virtuellen Umgebungen stattfindet“ (Schulmeister 2003: 1) nicht genügend Rechnung trägt.
Der von Gerhard Zimmer geprägte Begriff des telematischen Lernens ist ein Kunstwort, dass sich aus der Integration von zwei Begriffen, der Tele kommunikationstechnik und Infor matik (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 15) zusammensetzt. Es beschreibt präzise die technisch-organisatorische Basis des computerbasierten Lernens, wirkt aber sehr technokratisch und erklärungsbedürftig, weshalb er sich vermutlich nicht durchgesetzt hat.
Die beiden Begriffe multimediales und hypertextuelles Lernen benennen m.E. zwei den Neuen Medien inhärente Charakteristika – Multimedia und Hypertext - und beschreiben somit höchstens Unterformen bzw. Nutzungsmöglichkeiten des Lernens mittels Computer.
E-Learning bedeutet schlichtweg, dass das Lernen e lektronisch unterstützt wird. Es reiht sich in die so genannten E-Terms wie beispielsweise E-Commerce, E-Business und E-Government ein, die alle im Grunde genommen traditionelle Anwendungen darstellen, die sich durch die Digitalisierung und die computerisierte Verarbeitung gewandelt haben (vgl. Kaltenbaek 2003: 41). Dieser Fokus, was sich beim Lernen tatsächlich durch das E- verändert hat (und was nicht), soll in der vorliegenden Arbeit stets betrachtet werden. Des Weiteren scheint es sinnvoll, dem allgemeinen Sprachgebrauch, der sich u. a. in über 44 Millionen Fundstellen bei Google zum Suchwort E-Learning manifestiert und auch im untersuchten Modellprojekt Anwendung findet, zu folgen und keine zusätzlichen begrifflichen Barrieren - es werden noch genügend technische Begriffe zu klären sein - aufzubauen.
E-Learning soll deshalb in Anlehnung an das Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung (Cedefop) vergleichsweise breit definiert werden als
auf Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) gestütztes Lernen. ELearning ist daher nicht nur auf ‚digitale Kompetenz’ (d.h. den Erwerb von Kompetenzen im IT-Bereich) beschränkt, sondern kann multiple Formate und hybride Methoden umfassen, insbesondere der Einsatz von Software, des Internets, von CD-ROMs, von Online-Lernformen sowie von anderen
elektronischen und interaktiven Medien. (Cedefop 2001: 6)
E-Learning ist demnach jegliches Lernen mit Unterstützung des Computers.
Um Missverständnissen vorzubeugen, muss an dieser Stelle Folgendes deutlich gemacht werden. E-Learning ist keine neue Theorie des Lernens und hat auch keine neuen didaktischen Modelle hervorgebracht. Häufig wird etwas als innovativ ausgegeben, was faktisch nur ‚alter Wein in neuen Schläuchen’ ist. Hagedorn kritisiert zu Recht, „dass es bisher keinen konsistenten Entwurf für eine multimedial modernisierte Bildung gibt: Es gibt keinen neuen Pestalozzi, Freinet oder Oskar Negt, der tatsächlich eine Innovation zu bieten hätte“ (Hagedorn 1998: 20). Es handelt sich um eine Methode, die, wenn sie ein Mindestmaß an Qualität aufweist, sich heutzutage bekannter Lerntheorien und didaktischer Modelle bedient. Allerdings erreicht sie zumeist nicht annähernd das gleiche Niveau, auf dem sich die traditionelle Pädagogik längst bewegt (vgl. Schulmeister 2001: 363).
Im Bildungswesen soll der Computereinsatz kein Selbstzweck sein. Vielmehr werden ihm Potentiale zugeschrieben, spezifische Probleme traditioneller Lehr-Lern-Formen zu lösen und bestenfalls sogar einen zusätzlichen Nutzen zu erzeugen. Im Folgenden werden die propagierten Ziele aufgelistet und anschließend kommentiert (vgl. Döring 2002: 251f):
1. Ökonomisches Ziel: Kosteneinsparung
In der Präsenzlehre betreue eine Lehrkraft zumeist wenig Lernende. Alle müssten zur selben Zeit am selben Ort anwesend sein.
E-Learning reduziere diese Kosten, indem große Gruppen von Lernenden ortsungebunden und zeitflexibel auf dasselbe Angebot zurückgreifen könnten.
2. Politisches Ziel: Bildung für alle
Präsenzlehre schließe durch obligatorische Anwesenheit und institutionelle Zugangsbarrieren bestimmte Gruppen von Lernwilligen aus. E-Learning als offenes Angebot im Internet erweitere diese Zugangsmöglichkeiten.
3. Didaktisches Ziel: Effizienteres Lernen
Mediennutzung sei Anlass zu spezifischen Reflexions-, Rezeptions-, Produktions-, Kommunikations- und Kollaborationsprozessen, die die Aneignung der Inhalte besonders begünstigten und in der Präsenzlehre nicht in vergleichbarer Weise stattfinden würden.
4. Inhaltliches Ziel: Erwerb von Medienkompetenz [1]
E-Learning biete die Chance Medienkompetenz zu erwerben. Zusätzlich zu Fachwissen würde Bedienungskompetenz vermittelt und für medienbezogene Fragen, beispielsweise Datenschutz, sensibilisiert.
Die geforderten Ziele sind kritisch zu kommentieren, denn insbesondere ökonomische und didaktische Ziele lassen sich schwer vereinbaren: Didaktisch hochwertige, neue E-Learning-Angebote erfordern seitens der Produzenten einen ernormen Arbeitsaufwand und aufseiten der Lehrenden und Lernenden einen erhöhten Zeitaufwand. Das politische Ziel Bildung für alle erfordert m.E. nicht nur das offene Angebot, sondern auch die Gewährleistung des technischen Zugangs für alle. Inwiefern tatsächlich Chancengleichheit bei Zugang zu und für (kompetente) Nutzung der Neuen Medien vorliegt und sich die Bildungsschere (Digital Divide, ausführl. siehe Seite 35) statt zu schließen weiter öffnet, bleibt in der Zielsetzung unreflektiert.
Zusammenfassend ist bereits an dieser Stelle festzuhalten, dass Lernprozesse sich durch Computereinsatz nicht automatisch verbessern, Medienbildung nicht per se gefördert und Zugangsbarrieren abgebaut werden, ohne dass dafür u. a. zusätzliche finanzielle und/oder personelle Ressourcen bereitgestellt werden müssen.
Der Computereinsatz bzw. die Verwendung Neuer Medien im Bildungsprozess wird höchst unterschiedlich bewertet. Misst die eine Seite dem Computer den Stellenwert eines „neue[n] und exzellente[n] Arbeitsmittel[s]“ (Arnold, Kilian et al. 2004: 30) zu, schätzt die andere den Einfluss als wesentlich weit reichender ein. Neue Medien seien nicht nur ein „weiteres Gestaltungsmittel für Bildungsmaßnahmen. Sie werden diese in ihrer bisher bekannten Form verändern.“ (Seppmann 2001c: 92) Es ist schwierig, an dieser Stelle eine pauschale Einschätzung der Auswirkungen des Computereinsatzes in Bildungsprozessen zu liefern. Betrachtet man jedoch den gesellschaftlichen Einfluss und Verbreitungsgrad von Computern und Internet, wird deutlich, dass die Neuen Medien, insbesondere der Computer als „Katalysatoren der Veränderung“ (Stang 2001: 15) eine zunehmend ausdifferenzierte Informations- und Kommunikationskultur erzeug(t)en (vgl. Stang 2001: 18). Aus diesem Grund ist es sinnvoll zu hinterfragen, was das spezifisch Neue an den Neuen Medien ist und ob ihr Einsatz nachhaltige Wirkungen auf den Bildungsprozess ausübt.
1.2 Einsatz Neuer Medien im Bildungsprozess
Mit dem Begriff Neue Medien werden unweigerlich neue und bessere[2] Möglichkeiten (vgl. Nolda 2001: 127, Peuke/Wolf 2003: 13) assoziiert. Diese positive Konnotation legt jedoch keineswegs das spezifisch Neue offen, sondern wirkt vielmehr verschleiernd im Hinblick auf die mit erweiterten Möglichkeiten einhergehenden neuen Gestaltungsnotwendigkeiten.
Will man das Neue an den Neuen Medien herausfiltern, bietet es sich an, die Neuen Medien den so genannten ‚alten’ Medien kontrastierend gegenüber zu stellen[3]. Nach Scherer verhalten sich die Neuen zu den ‚alten’ Medien „wie der Buchdruck zur handschriftlichen Vervielfältigung“ (Scherer 2002: online). Die Neuen Medien haben das Informationswesen erneut revolutioniert.
Damals hat der Buchdruck das Wissen der Welt verfügbar gemacht, indem es die Rezeption von Büchern ermöglichte.
Die neuen ‚Informations- und Kommunikationstechnologien’ eröffnen nun den Weg für jedermann und jederfrau, nicht nur passiver Empfänger von Botschaften zu sein, die andere verbreiten, sondern
- sich einerseits Informationen AKTIV anzueignen, im unerhörten Fundus weltweiten Wissen zu stöbern
- und anderseits selber als Sender aufzutreten, die eigene Sicht der Dinge hemmungslos und kaum gehindert […] in einem weltweit zugänglichen Medium zu verbreiten. (Scherer 2002: online, Herv. i. O.)
Im Gegensatz zur herkömmlichen Massenkommunikation der ‚alten’ Medien, die als Einwegkommunikation bzw. unilateral abläuft, indem ein Sender – das Fernsehen beispielsweise - seine Botschaft an ein Publikum verteilt (one-to-many), zeichnen sich die Neuen Medien durch Multilateralität aus. Jede einzelne Person kann die Rolle der Senderin einnehmen und gleichzeitig können alle miteinander in Kontakt treten (many-to-many) (vgl. Döring 1999: 88). Produziertes Wissen steht somit universell und flexibel (im Internet) zur Verfügung und wird durch Partizipation und Interaktion vermehrt.
Der Einsatz von Medien in Bildungsprozessen ist nichts Neues (vgl. Stang 2001: 18). Doch den Neuen Medien wird durch die drei Merkmale Universalität, Flexibilität und Interaktivität[4] (vgl. Dick 2000: 18) eine Qualität zuteil, welche für die Bildung von besonderer Bedeutung ist. Forderungen nach aktiver Teilnahme der Lernenden und Selbstbestimmung[5] des Lernprozesses können eingelöst werden. Der Potentialis ‚können’ verweist darauf, dass Passivität und Fremdbestimmung[6] mit den Neuen Medien genauso realisiert werden können wie mit den ‚alten’. Aus diesem Grunde müssen die Möglichkeiten, die Lernen mit dem Computer bietet, immer auch unter diesem Fokus betrachtet werden.
Im Folgenden soll die Bezeichnung Neue Medien sämtliche technischen Informations-, Kommunikations- und Gestaltungsmöglichkeiten, die sich als Basis digitaler Informations- und Kommunikationstechniken bedienen, einschließen. Schwerpunktmäßig wird dabei der Computer als „Universalmedium“ (Stang 2001: 15) betrachtet.
Unter seinen vielfältigen Potentialen werden drei konstitutive Merkmale als besonders einflussreich für den individuellen Lernprozess angesehen: Multimedialität, Interaktivität und Adaptivität. Eine weitere Funktion von Computern stellt die Einwahl in das Internet dar. „Das Internet fasst nicht nur einzelne Rechner, sondern ganze Netzwerke zu einem ‚Netz der Netze’ zusammen." (Döring 1999: 15) Dabei entstehen neue Kommunikations- und Informationsfunktionen, die die Schwächen des Allein-Lernens kompensieren (sollen) und Einflüsse auf individuelle und kooperative Lernprozesse nach sich ziehen.
Mit der Hervorhebung dieser Perspektive sind gleichzeitig Abgrenzungen verbunden. So liefert diese Arbeit keinen Überblick über die grundlegenden lerntheoretischen Positionen[7], die bei der Gestaltung von E-Learning-Programmen hineinspielen, keine technischen Detailinformationen und auch keine betriebswirtschaftliche Kostenrechnung.
Des Weiteren handelt es sich um eine bewusst hergeleitete künstliche Differenzierung der zu untersuchenden Merkmale, die tatsächlich nie isoliert vorkommen, sondern immer ineinander greifen. Eine systematische Abhandlung einzelner Merkmale kann jedoch tiefer in die Materie eindringen und schärft letztendlich den Blick fürs Ganze.
1.3 Konstitutive Merkmale der Neuen Medien
Ziel ist es, in einem ersten Schritt die drei konstitutiven Merkmale Multimedialität, Interaktivität und Adaptivität zu beschreiben und ihren Nutzen für Bildung sichtbar zu machen. In einem zweiten Schritt wird anhand von Forschungsergebnissen zusammenfassend kritisch Stellung zu den Veränderungspotentialen, die E-Learning auf den individuellen Lernprozess ausübt, genommen.
1.3.1 Multimedialität
1995 wurde der Begriff Multimedia von der Gesellschaft für deutsche Sprache (Gfds) zum Wort des Jahres gekürt (vgl. Gfds: online). Der Modebegriff wird oftmals als Pars pro Toto für die Neuen Medien bzw. abgewandelt in multimediales Lernen (siehe oben) für E-Learning verwandt, stellt aber genau genommen nur einen Aspekt der technologischen Entwicklung dar (vgl. Stang 2001: 15) und kann teilweise auch mit ‚alten’ Medien realisiert werden. Aus diesen Gründen plädiert Weidenmann für eine präzisere Fassung des Begriffes Multimedia (vgl. Weidenmann 2002b: 45). Nach ihm lassen sich (multi-)mediale Repräsentationen auf drei Ebenen realisieren: in der Art der technischen Medien, der benutzten Symbolsysteme und der rezipierenden Sinnesorgane (vgl. Weidenmann 2002b: 45-47). Multimediale Medien unterscheiden sich von medialen bzw. genauer von mono medialen Medien wie beispielsweise Büchern, die ausschließlich in Textform vorliegen und visuell rezipiert werden können, darin, dass sie
- „unterschiedliche Speicher- und Präsentationstechnologien“ (Weidenmann 2002b: 47) auf einem Gerät integrieren. Ein Computer mit eingebautem CD-ROM-Player ist multimedial.
- sich gleichzeitig unterschiedlicher Symbolsysteme wie z.B.
Sprache (geschrieben/gesprochen), Bildern, Tönen bedienen. Eine Grafik mit Beschriftung ist multicodal.
- mehrere Sinnesorgane bei der Informationsaufnahme und -verarbeitung simultan ansprechen. Ein Videofilm oder ein E-Learning-Programm mit Ton sind multimodal.
Die multimediale, -codale und –modale Aufbereitung zielt darauf ab, die Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Lerngegenstand zu optimieren (vgl. Weidenmann 2002b: 62).
Sie sollen das Bemühen maximieren, das die Lernenden für die Arbeit mit dem Inhalt aufbringen und die Anstrengung minimieren, die sie benötigen, um den Inhalt zu erfassen. (Cennamo 1993: 37 übersetzt durch Weidenmann 2002b: 62).
1.3.2 Interaktivität
Der Begriff Interaktivität wird ähnlich inflationär verwendet wie Multimedia. Beinahe jedes neu auf den Markt gebrachte Lernprogramm trägt die Attribuierung interaktiv, unabhängig davon wie „differenziert die Eingriffs- und Entscheidungsspielräume des Nutzers sind, welches Ausmaß und welche Qualität die Feedbackformen haben und wie kontextsensitiv die Hilfefunktionen sind“ (Haack 2002: 127), um einige Merkmale bereits an dieser Stelle zu nennen.
Der Begriff Interaktivität ist dem Interaktionsbegriff der Soziologie entlehnt. Dort kennzeichnet er „aufeinander bezogenes Handeln zweier oder mehrerer Personen“ oder die „Wechselbeziehung zwischen Handlungspartnern“ (Müller 1982: 350f). Unter Interaktion wird somit soziale Interaktion[8] verstanden.
Im Gegensatz dazu ist es im Bereich der Informatik seit den 1980er Jahren durchaus üblich auch dann von Interaktivität zu sprechen, wenn ein Mensch mit einem Computer ‚interagiert’[9].
Der Begriff Interaktivität lässt sich hier als Erweiterung des ursprünglichen Begriffs verstehen, der Eigenschaften des Computerprogramms beschreibt, die dem Benutzer eine Reihe von Eingriffs- und Steuerungsmöglichkeiten eröffnen. Als Charakteristika werden die aktive Rolle des Benutzers und die Freiheitsgrade der Auswahl betrachtet (vgl. Haack 2002: 128). (Zukunfts-)Szenarien der Virtuellen
Realität[10] zählen außerdem die Fähigkeit der wechselnden Dialogperspektive von Mensch und Computer hinzu.
Eine einheitliche Definition von Interaktivität gibt es nicht. Aus diesem Grunde spricht sich Ludwig J. Issing für einen weit gefassten Begriff von Interaktivität aus, indem er dessen verschiedene Dimensionen herausarbeitet (Issing 1998: 171):
Multimedia-Systeme können dem Lernenden ein Spektrum von Interaktionsmöglichkeiten zur Verfügung stellen:
1. Steuerung des Ablaufs des Informationsangebotes bzw. Programms
2. Auswahl der Inhalte und Bestimmung des eigenen Lernweges
3. Auswahl und Steuerung der Präsentationsform der Inhalte
4. ‚Dialog’ mit dem Computer mittels Datenein- und –ausgabe
5. Manipulation, Modellierung und Generierung multimedialer Daten und Objekte
6. Asynchrone und synchrone Kommunikation und Kooperation über das Netz mit anderen Menschen (z.B. Experten, Tutoren, anderen Lernenden).
Die meisten auf dem Markt befindlichen Lernprogramme bieten Interaktionsformen an, die sich nur in der 1. bis 3. Stufe bewegen. Von einer echten Interaktivität kann erst gesprochen werden, wenn
a. die Lernenden selbst kreativ sein dürfen und damit die Inhalte modifizieren bzw. selbst erstellen können;
b. das Programm nicht starr und statisch, sondern dynamisch und adaptiv auf die Aktionen der Lernenden reagiert;
c. die Lernenden selbst die Lernkontrolle über ihre Lernprozesse übernehmen können;
d. dem Lernenden vom Mediensystem bei Bedarf adaptive Hilfe bzw. Führung angeboten wird.
Es wird deutlich, dass Interaktivität als Schlüsselkomponente (vgl. Strzebkowski/Kleeberg 2002: 232) den Aspekt der Individualisierbarkeit von Lernprozessen fördert, indem es selbstgesteuertes Lernen ermöglicht. Selbststeuerung umfasst bei ‚echter’ Interaktivität weitaus mehr als bloß den individuellen Zugriff auf Informationen, nämlich die Involviertheit in das Lerngeschehen durch die Möglichkeit in Angebote einzugreifen, Veränderungen vorzunehmen und eine qualitative Rückmeldung (vom System/Tutor) zu bekommen. Dieser aktive Einbezug des Lernenden fördere motiviertes Lernen (vgl. Haack 2002: 129).
Daher lässt sich Interaktion nach Strzebkowski/Kleeberg ebenso folgendermaßen klassifizieren (Strzebkowski/Kleeberg 2002: 232f):
- Steuerungsinteraktionen (einfache, klassische Steuerungsfunktionen des Computers, vgl. Issing: Dimensionen 1.-3.)
- didaktische Interaktionen (erweiterte, komplexere Interaktionsformen, die den Erkenntnisprozess und das Erreichen von Lernzielen unterstützen, siehe Issing: Dimensionen 4.-6. und a.-d.)
Der Interaktivität wird ein hoher Stellenwert in Computerprogrammen eingeräumt (vgl. Kerres 2002: 23), weil man sich von ihr verspricht, dass sie das Postulat des aktiven, selbstgesteuerten und motivierten Lernens endlich erfülle.
1.3.3 Adaptivität
Adaptivität und Interaktivität sind eng miteinander verwoben. So ist ein interaktives System kaum denkbar ohne ein Minimum an Adaptivität, an Anpassung an den Lernenden (siehe Dimensionen b. und d. in den Ausführungen über ‚echte’ Interaktivität oben).
Das Konzept der Adaptivität beruht darauf, dass Lernende sich beobachtbar individuell, u. a. aufgrund unterschiedlicher kognitiver, affektiver und motivationaler Voraussetzungen, die sich im Laufe der Zeit verändern können, einem Lerngegenstand nähern und deshalb auch ein unterschiedliches, im Laufe der Zeit ebenso zu veränderndes, Ausmaß an Unterstützung benötigen (vgl. Leutner 2002: 115ff).
Als adaptiv werden nun solche Lernsysteme bezeichnet, „die sich selbständig an Nutzereigenschaften (wie Wissensstandard, Vorgehensweisen, Informationssuchverhalten) anpassen und entsprechend abgestimmte Hilfestellungen geben können (etwa in Bezug auf Aufgabenschwierigkeiten oder Hilfestellungen beim [.] Lernen)“ (Arnold, Kilian et al. 2004: 101). Werden dabei Verfahren der künstlichen Intelligenz[11] angewandt, so spricht man von so genannten Intelligenten Tutoriellen Systemen (ITS) (vgl. Leutner 2002: 124), deren zentrales Kriterium die Diagnosekomponenten[12] sind (vgl. Kerres 1998: 62). Berücksichtigt werden muss dabei allerdings, dass sich die Diagnose ausschließlich auf das Verhalten[13] der Lernenden beziehen kann (vgl. Niegemann, Hessel et al. 2004: 122) und somit der Versuch einen ‚Lehrer’ zu simulieren (bisher) unvollständig zu realisieren ist. Der Implementierungsaufwand sowie der Aufwand, den Unterstützungsbedarf der Lernenden regelmäßig zu diagnostizieren und das Ergebnis der Diagnose in geeignete, angepasste Lerneinheiten umzusetzen, sind sehr hoch (vgl. Leutner 2002: 118, Blumstengel 1998: online).
Ansätze, ein adaptives E-Learning zu realisieren, gibt es bereits jetzt. Mit zukünftigen technologischen Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz erhofft man sich einen qualitativen Sprung bei der Realisierung von Adaptivität in Lernprogrammen (vgl. Freibichler 2002: 198), denn durch angemessene Systemanpassungen (Adaptionen) könnten sowohl Benutzerfreundlichkeit (usability) als auch Lernerfreundlichkeit (learnability) von Lernumgebungen am Computer gesteigert werden (vgl. Leutner 2002: 116).
1.3.4 Zwischenfazit: Einfluss auf den individuellen Lernprozess
Medieneinsatz im Bildungsprozess ist ein sinnvolles didaktisches Mittel, sollte jedoch keine primäre Rolle beim Lernen erfüllen, sondern die Aktivitäten der Lernenden und die soziale Bedeutung des Lernprozesses nur unterstützen (vgl. Klimsa 2002: 16).
Wesentliche Elemente medialer Codierung von Inhalten sind Texte, Bilder und auditive Elemente (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 96), deren gleichzeitiger Einsatz Multimedia -Präsentation ermöglicht. Zur Wirkungsweise einzelner Elemente liegen eine Reihe von Ergebnissen vor, die im Folgenden skizziert werden.
Lineare Texte sind klassische Formen der Wissenspräsentation. An Computerbildschirmen lassen sie sich allerdings schwer lesen (vgl. Kerres 1998: 259, Weidenmann 2002a: 83). Abhilfe gibt es nur in Form der Bereitstellung von Druckversionen.
Ein Vorteil der digitalen Präsentation von Text im Computer ist die komfortable Suchfunktion (vgl. Arnold 2001: 89). Als Neuerung bietet der Computer ferner eine nicht-lineare Strukturierungsmöglichkeit von Text an, den so genannten Hypertext, der in dieser Form im Printbereich nicht zu realisieren ist (vgl. Arnold 2001: 90). Hierbei werden Informationen in nicht-hierachischer Form miteinander verknüpft, sodass
eine netzartige Struktur von Texteinheiten, die über so genannte Links (ähnlich den Querverweisen) aufgerufen werden können, entsteht. Nach Bush entspreche die Struktur des Hypertextes der Organisation des menschlichen Gehirns und könne somit eher in die bestehende Wissensstruktur integriert werden (vgl. Bush 1945 nach Tergan 2002: 105). Empirische Befunde stützen diese Annahme jedoch nicht (vgl. Tergan 2002: 105). Der Vorzug ist weiterhin, „einen Inhaltsbereich nicht in einer bereits vorab festgelegten traditionell linearen Form, sondern auf unterschiedlichen Pfaden zu erschließen“ (Tergan 2002: 100), sozusagen selektiv selbstgesteuert vorzugehen, wobei auch die Gefahr des ‚Sich-Verlaufens’ aufgrund der Strukturkomplexität besteht (vgl. Klimsa 2002: 13). Mehr dazu unter dem Stichpunkt Interaktivität auf Seite 19.
Eine Erweiterung des nicht-linearen Textes um Bilder oder auditive Elemente bezeichnet man als Hypermedia (vgl. Arnold 2001: 90). Bilder können in Lehr-Lern-Situationen als “visualisierte Argumente“ (Weidenmann 2002a: 88) verwendet werden. Zu Bildern liegen die meisten Forschungsergebnisse vor, da sie bereits in Printmedien lange Zeit zu Lernzwecken eingesetzt wurden (vgl. Arnold 2001: 93). Meistens dienen sie dabei der Illustration für die Rezeption von Texten (vgl. Weidenmann 2002a: 84). In zahlreichen Studien konnte die Effektivität von Bildern für diese Funktion nachgewiesen werden (ausführl. Zusammenfassung der Ergebnisse bei Weidenmann 1988). Zentrale Forschungsergebnisse über die Beschaffenheit von Bildern, damit sie den Lernprozess optimal unterstützen, sind (vgl. Weidenmann 2002a: 89ff, Arnold 2001: 94f):
- Realistische Bilder (z.B. Fotos) sind weniger geeignet als Abbildungen, die Wesentliches betonen und den Gegenstand aus didaktischer Perspektive darstellen.
- Unvollkommene skizzenhafte Bilder fördern eher die Diskussion und ein gedankliches Weiterarbeiten als perfekte Abbildungen.
- Beschriftungen sollten möglichst nah am betreffenden Detail liegen und/oder es sollen sprachliche Betrachtungshinweise (‚die ansteigende blaue Linie bedeutet…’) hinzugefügt werden.
Die Computertechnologie bietet erweiterte Möglichkeiten hinsichtlich der Integration von Bildern. So lassen sich bewegte Bilder, Animationen und Videosequenzen integrieren. Beispielsweise können bewegte Bilder dynamische Szenarien veranschaulichen und Animationen unterstützend bei der Darstellung von Dreidimensionalität[14] wirken (vgl. Arnold 2001: 99). Auch hier besteht die Gefahr der Überlastung der Lernenden, doch durch Interaktivität kann die Steuerung der bewegten Bilder in die Hände des Lernenden gelegt werden. Das heißt, sie können Animationen z.B. selbst anhalten oder die Geschwindigkeit regulieren (vgl. Weidenmann 2002a: 95f).
Die visuelle Unterstützung des Lernens kann aber nur dann erfolgreich sein, wenn der Lernende den Bildern Informationen entnimmt. Doch wie Forschungsergebnisse zeigen, wird der Informationsgehalt von Bildern meist unterschätzt und das visuelle Argument (siehe oben) von den Lernenden nicht extrahiert (vgl. Weidenmann 1988). Sie lernen mit diesen hypermedialen Lernprogrammen zwar lieber als nur mit Text, im Endeffekt aber schlechter (vgl. Weidenmann 1997: 14). Nach Weidenmann scheint diese Gefahr bei Bildschirmmedien besonders groß zu sein, weil „diese mit einem Unterhaltungswert verknüpft sind“ (Weidenmann 2002a: 89).
Die Einbeziehung der auditiven Modalität eröffnet attraktive Möglichkeiten. Durch gesprochene Sprache kann die Textmenge am Bildschirm merklich reduziert werden (Arnold 2001: 97), somit entfallen beispielsweise Blicksprünge zwischen Text und Abbildung, wodurch wiederum visuelle Suchprozesse vermieden werden (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 99). Laut einer Giessener Studie unter Ulrich Glowalla steigern sich die Bildbetrachtungszeiten erheblich, wenn statt geschriebenem gesprochener Text vorliegt, was zu einer intensiveren Auseinandersetzung mit den Bildern führt (vgl. Weidenmann 2002b: 52). Nach Pyter erleben die Lernenden die gleichzeitige Darbietung von Bild und gesprochenem Text als angenehm (vgl. Pyter 1994 nach Weidenmann 2002a: 94). Voraussetzung ist allerdings, dass Bild und Text semantisch kohärent sind, keine so genannte Text-Bild-Schere vorliegt (vgl. Wember 1976: 49).
Des Weiteren kann Ton genutzt werden zur Situierung, wodurch multimediale Simulationen besonders ‚echt’ wirken oder als Signal zur Kennzeichnung wiederkehrender Situationen.
Es lässt sich zusammenfassen, dass Multimedia durchaus neue Präsentationsmöglichkeiten eröffnet, doch über die motiviertere, effizientere Rezeption des multimedial Dargebotenen liegen bisher wenig gesicherte Erkenntnisse vor (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 96). Die Frühzeit des multimedialen Lernens war geprägt von Vorstellungen wie ‚viel hilft viel’ und ‚Multimedia ist abwechslungsreich und motiviert deswegen’. Die Überlegenheit von multimedialem Lernen wird gern mit folgender Abbildung begründet.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Erinnerungsleistung in Abhängigkeit von Sinneskanälen (Weidenmann 1997: 7)
Die Grundannahme ist hierbei, dass, wenn mehrere Sinnesmodalitäten einbezogen werden, sich ihre ‚Behaltenswerte’ addieren (Hören=20%, Sehen=30% à Hören und Sehen=50%). Doch die Zuordnungen von Behaltenswerten entbehren jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, weshalb es sich nach Ballstaedt um eine naive und völlig spekulative Summierungstheorie handle (vgl. Ballstaedt 1991).
Heute ist man skeptischer gegenüber der euphorischen Behauptung einer generellen Überlegenheit von Multimedia. Mehr als ein Neuigkeitseffekt, der regelmäßig zu kurzfristigen Lernvorteilen führt, wenn der Lernende mit einem neuen Lernmedium arbeitet, ist nicht zu verbuchen (vgl. Weidenmann 2002b: 58).
Es lässt sich vorsichtig formulieren, dass es sich durchaus empfiehlt, mehrere Sinnesmodalitäten bei der Konzeption von multimedialen Lernangeboten einzubeziehen (Arnold, Kilian et al. 2004: 96). Doch bloßes Enrichment trägt nichts zum Lernen bei, sondern zieht Ressourcen des Lernenden vom eigentlichen Lernprozess ab (vgl. Weidenmann 1997: 14). „Demnach sollen rasche Bildsequenzen, gleichzeitige Angebote von Sprache und Bildern, Spezialeffekte usw. eine intensive Verarbeitung nicht fördern, sondern sogar erschweren.“ (Weidenmann 2002b: 57) Es wird von der so genannten Hemmungsthese gesprochen, die besagt, dass es bei sehr komplexem Material zu überlastungsbedingten Unterbrechungen der Verarbeitung kommt. Die Spitze des technisch Machbaren sollte nicht das Ziel sein. Mit folgender Äußerung rückt Weidenmann die Diskussion, die originär eine pädagogische war, zurecht:
Heute [ist] ein fragloser Optimismus verbreitet, dass die durch neue Technologien ermöglichte Vielfalt an Medien, Codes und Modalitäten das Lernen optimieren werde. Diese Orientierung läuft Gefahr, dass zugunsten der Oberfläche der medialen Angebote deren Struktur aus dem Blickfeld gerät. Die Geschichte der Lehr-Lern-Forschung ist aber als Lektion dafür zu lesen, dass es primär die Struktur, die implizite didaktische Strategie von Lernangeboten ist, die den Lernprozess maßgeblich beeinflusst. (Weidenmann 2002b: 59)
Wie bereits auf Seite 8 angeführt, wird der Interaktivität in E-Learning-Anwendungen eine sehr große Bedeutung im Lernprozess zugesprochen. Es wird angenommen, dass „[j]e höher die Qualität der Interaktivität in einem Lernprogramm, desto effektiver ist seine lernpsychologische Wirkung“ (Strzebkowski/Kleeberg 2002: 230).
Im Folgenden sollen deshalb die Möglichkeiten der Steuerungsinteraktion (siehe Interaktionen 1.-4. nach Issing 2002 Seite 10) anhand der Hypertextstruktur dargestellt und auf Veränderungspotentiale des individuellen Lernprozesses untersucht werden. Die Möglichkeiten der ‚echten’ Interaktionen (siehe Interaktionen 4.-6. nach Issing 2002 Seite 10) werden für diesen Moment zurückgestellt, da sie einerseits, wie bereits erwähnt, bisher wenig in E-Learning-Programmen realisiert sind und andererseits die Interaktion in Form von interpersonaler Kommunikation mit einbeziehen, die in dieser Arbeit erst in Abschnitt 1.4 thematisiert wird. An dieser Stelle soll es um einen Lernenden an einem lokalen, unvernetzten Computer gehen.
Kurz zur Wiederholung: Hypertext oder Hypermedia ermöglichen einen „flexiblen, selbstgesteuerten Zugriff auf Informationen“ (Tergan 2002: 99). Sie eröffnen den Lernenden die Möglichkeit einen Inhaltsbereich nicht in einer vorab bereits festgelegten traditionell linearen Form, sondern auf unterschiedlichen eigenen Pfaden zu erschließen (vgl. Tergan 2002: 100), d.h. der Lernende kann nicht nur vor- und rückwärts blättern, sondern „es besteht die Möglichkeit, die einzelnen Knoten[15] in selbstgewählter Reihenfolge aufzurufen“ (Kaltenbaek 2003: 46).
Dabei lassen sich nach Tergan drei grundlegende Formen des Informationszugriffes unterscheiden (vgl. Tergan 2002: 103f): Browsing, gezielte Suche mittels Suchalgorithmen und Folgen vorab definierter Pfade.
Nach Kuhlen entspricht Browsing einem Stöbern oder Herumschmökern in einer Datenbasis. Er unterscheidet zwischen ungerichtetem und gerichtetem Browsing. Bei ungerichtetem Browsing besteht kein konkreter Plan, eine bestimmte Information zu finden, vielmehr lassen sich die Lernenden von der Attraktivität des Angebotes leiten. Bei gerichtetem Browsing erfolgt die Exploration eines Hypertextes hingegen mit der Zielsetzung, eine bestimmte Information zu finden (vgl. Kuhlen 1991). Auch wenn diese Aktivität einen neuen Namen bekommen hat, der sie eng an das technische Medium Computer bindet, so ist diese Art des Stöberns nicht dem E-Learning vorbehalten, sondern auch bei „anders materialisierten Inhalten“ (Grotlüschen 2003: 170) beispielsweise Büchern, Illustrierten und Zeitschriften durchaus normal.
Hypertext ermöglicht die gezielte Suche mittels Suchalgorithmen und Schlüsselbegriffen nach Informationen und macht sie durch so genannte Filter, die den Suchraum einschränken, bequemer als in traditionellen Medien (vgl. Tergan 2002: 104).
Weiterhin ist es möglich als Nutzer eines Hypertextes vorab definierten Pfaden beispielsweise durch die ‚Weiter-Taste’ zu folgen. Diese Guided Tours (geführte Unterweisungen) bestehen aus fest verknüpften Informationsknoten, die eine bestimmte Reihenfolge der Verarbeitung vorgeben. In der Regel sind Abweichungen vom ‚Weg’ und Zurückspringen weiterhin möglich. Diese Form des Informationszugriffs soll ungeübte Nutzer bei der Orientierung und Navigation in komplexen Hypertextsystemen unterstützen. Mit dem aus der Nautik entlehnten Begriff der Navigation werden metaphorisch alle Such- und Orientierungsaktivitäten von Benutzern in Hypertexten beschrieben.
Diese oben beschriebenen Formen des Informationszugriffes ermöglichen nach Apel/Stang das Lernen mit Neuen Medien mittels zweier Lernstrategien: der explorativen und der leitfadenorientierten.
Die explorative Strategie findet zumeist Anwendung in nicht vollständig didaktisierten E-Learning-Programmen wie beispielsweise Simulationen, Enzyklopädien und Nachschlagewerken und kann drei unterschiedliche Effekte zur Folge haben:
- den ‚Segelschiff-Effekt’: Man steuert ein selbst definiertes Ziel an, landet direkt oder eventuell mit Umwegen, je nach Situation, am Ziel.
- den ‚Columbus-Effekt’: Man steuert ein selbst definiertes Ziel an, landet aber an einem anderen Punkt, der durchaus für den eigenen Lernfortschritt viel wichtiger sein kann.
- den ‚Titanic-Effekt’: Man steuert ein Ziel an, verliert die Orientierung und geht in der Flut der Informationen unter. (Apel/Stang 2001: 111f)
Die leitfadenorientierte Strategie orientiert sich an E-Learning-Programmen, die den Lernweg vorgeben. Es können folgende unterschiedliche Effekte eintreten:
- der ‚Fähren-Effekt’: Man wird zu einem vorgegebenen Ziel gesteuert und kommt ohne Umwege dort auch an.
- der ‚Ballon-Effekt’: Auf dem Weg zu dem vorgegebenen Ziel geht einem die Luft aus, da man das Interesse an dem strukturierten Weg verliert, und man landet unzufrieden an einem nicht gewünschten Punkt. (Apel/Stang 2001: 112)
Verdeutlichen soll die Darstellung der Navigationseffekte dreierlei: Zum einen besitzen die Effekte treffende Bezeichnungen, die einen zum Schmunzeln bringen, da wohl jede(r) diese Effekte sei es in einem E-Learning-Programm, beim Surfen im Internet oder beim Suchen einer Datei auf dem Computer so erlebt hat. Zum anderen, dass, obwohl das Lernziel klar ist, drei Ergebnisse willkürlich auftreten können, die von sehr befriedigend bis hin zu sehr frustrierend für den Lernenden ausfallen können. Insbesondere der ‚Titanic-Effekt’ ist unter dem Phänomen des Lost in Hyperspace (ausführl. siehe unten) berühmt geworden. Und schließlich, dass speziell der ‚Fähren-Effekt’ und der ‚Ballon-Effekt’ ein latentes Gefühl des Gesteuert-Werdens, der Fremdbestimmung aufkommen lassen.
Dem Postulat des aktiven, selbstgesteuerten und motivierten Lerners stehen insbesondere letztgenannte Navigations-Effekte im Hypertext gegenüber. Offensichtlich entstehen neue Anforderungen an die Lernenden im E-Learning, die, wenn sie nicht erfüllt werden, neue Gefahren nach sich ziehen.
Konsens ist, dass das Verstehen von Hypertextstrukturen[16] ein höheres Maß an Kompetenz voraussetzt als linear sukzessiv strukturierte Dokumente (vgl. Apel/Stang 2001: 110). Diese Kompetenz ist insbesondere bei Novizen schwach ausgebildet. Die Konfrontation eines Neulings mit einer Hypertext-/Hypermediastruktur kann schnell zu kognitiver Überlastung und Desorientierung führen. Unter kognitiver Überlast (Cognitive Overload) versteht man die Tatsache, dass aufgrund der Vielzahl von Handlungsalternativen in einer gegebenen Situation (z.B. Angebot mehrerer Links anstelle von Blättern auf eine klar bestimmte Folgeseite) ein Teil der Aufmerksamkeit des Benutzers dafür aufgewendet werden muss. Das kann dazu führen, dass sich die Lernenden überwiegend mit der Handhabung der Benutzeroberfläche beschäftigen und nicht mit den Inhalten (vgl. Blumstengel 1998: online). Somit werden Ressourcen für die tiefere Informationsverarbeitung abgezogen (vgl. Arnold 2001: 91). Cognitive Overload begünstigt den Verlust der Orientierung im Hypertext. Beim so genannten Lost in Hyperspace -Phänomen kann der Lernende die Organisationsstruktur der Datenbasis nicht mehr erfassen und verirrt sich förmlich in der Struktur[17], sodass Lernen unmöglich wird (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 99). Als Vermeidungsstrategie hat sich Nachstehendes gezeigt: Werden Lernende vor die Wahl gestellt, einen Hypertext selbst zu explorieren oder einem vorab definierten Pfad zu folgen, entscheiden sich die meisten für die letztgenannte Möglichkeit (vgl. Tergan 2002: 109). Das Potential, das Hypertext für selbstgesteuertes Lernen bietet, wird bisher in den seltensten Fällen adäquat benutzt.
Somit könnte man davon sprechen, dass sich das Konzept der Interaktivität, nämlich des mit Wahlfreiheiten ausgerüsteten aktiven Lerners (siehe Seite 9, vgl. Haack 2002: 128) umkehrt. Stattdessen werden die Lernenden auf vollständig standardisierten und formalisierten Wegen durch das Programm geschleust (vgl. Zimmer 2002a: 304ff, ). Das kann schnell zu einem Lernverhinderungsgrund werden (vgl. Wittpoth 2001: 221).
Nicht das nach eigenen Interessen und Vorlieben ‚Erforschen’ des Hypertextes, sondern passives ‚Durchklicken’ ist das Ergebnis, wobei davon auszugehen ist, dass eine Verhaltensaktivität nicht immer zugleich auch eine kognitive Aktivität nach sich zieht (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 104).
Abhilfe zum Problem des Lost in Hyperspace und des Cognitive Overload wird in der Ausstattung der Lernenden mit Medienkompetenz und in der Bereitstellung vielfältiger Navigations- und Orientierungshilfen im E-Learning-Programm gesucht. So führen personifizierte Figuren, so genannte Guides durch die Lerneinheiten, dienen grafische Übersichtskarten (Site Maps) der Standortbestimmung und können Lesezeichen (Bookmarks) gesetzt werden, um den Bearbeitungsstand zu speichern und später erneut an dieser Stelle einzusteigen (vgl. Kaltenbaek 2003: 46, Arnold 2001: 91, Arnold, Kilian et al. 2004: 52). Kritisch merkt Schulmeister dazu an, dass die Rede vom Lost in Hyperspace ein pädagogischer Mythos sei, der den Einbau von Lernerfolgskontrollen und strikten Navigationsformen Vorschub leisten soll (vgl. Schulmeister 1996: 270). Nach Weidenmann bestehe die „Gefahr des ‚gläsernen Lerners’, denn es sei ein leichtes, z.B. bei betrieblichen Lernprogrammen, jeden Schritt des Lerners in einer Datei zu speichern, die nur Vorgesetzten zugänglich wäre“ (Weidenmann 1997: 16).
Es zeichnet sich ab, dass die Potentiale von Interaktivität der Neuen Medien (zumeist) nicht in der Selbststeuerung des Lernens liegen, sondern die Mensch-Maschine-Interaktion allenfalls in der Organisation des Lernprozesses für den Einzelnen eine Reihe von Vorteilen bietet. Für den Lernprozess müssen die Lernenden sich nicht mit anderen Personen abstimmen, sie können jederzeit selbst entscheiden, wann, wo, und wie lange sie mit einem multimedialen Lernangebot arbeiten (vgl. Weidenmann 1997: 15). Außerdem kann der Nutzer selbst entscheiden, welchen Inhalten, natürlich aus einem begrenzten Angebot, er sich widmet (vgl. Kaltenbaek 2003: 46). Das heißt, Interaktivität trägt zur Flexibilisierung der Lernorganisation bei und bietet demnach sowohl für den einzelnen Lernenden als auch für Betriebe, die Weiterbildung per E-Learning anbieten, einen Nutzen (siehe Seite 38 und ausführl. ab Abschnitt 2.1.1). Manche knüpfen die Hoffnung auf „‚wirkliche’ Interaktivität“ (Wittpoth 2001: 221) an Formen des internetgestützten kooperativen Lernens (siehe Interaktionsmöglichkeit 6. von Issing 2002 Seite 10). Dieses Potential wird in Abschnitt 1.4 kritisch geprüft.
Das Konzept der Adaptivität trägt der Tatsache Rechnung, dass Lernende (von Novizen bis Experten) unterschiedlichen Unterstützungs- und Strukturierungsbedarf benötigen. Dieser sollte optimal angepasst sein, da zuviel Unterstützung den Lernprozess von Experten behindern („when teaching kills learning“ Clark 1987 nach Leutner 2002: 115, 124) und zuwenig bei Novizen zu Desorientierung und kognitiver Überlast (ausführl. siehe Seite 19) führen kann (vgl. Leutner 2002: 115). Die Diagnose des jeweiligen Bedarfs und die Umsetzung des Ergebnisses der Diagnose in Lehrtätigkeiten übernimmt dabei das System (vgl. Leutner 2002: 118). In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass die sukzessive Freigabe von Programmumfang sowie die adaptive Antwortzeitbegrenzung und Aufgabenschwierigkeit sich als lernförderlich erweisen (vgl. Leutner 2002: 120, Schulmeister 2002: 202).
Auch wenn die Lernförderlichkeit solch adaptiver Systeme erwiesen ist, stellt sich doch die dringliche Frage, auf was die Diagnosefähigkeit des Systems beruht.
Adaption ist nichts anderes als der Versuch, Lerner-Parameter in ein System zu programmieren, sodass es auf eine Handlung des Lernenden eine Antwort liefert (Feedback). Die Adaptivität wird somit geplant durch den Programmierer. Der so programmierte ‚intelligente’ Tutor kann folglich ausschließlich auf erwartetes Verhalten, „nicht jedoch auf individuelle Probleme eingehen, die in der Diagnostik-Komponente gar nicht erkannt werden können, gar auf Probleme, die außerhalb der kognitiven Domain liegen, wie Konzentration, Motivation[18] etc.“ (Schulmeister 2002: 202). Das Bestreben nach Verfeinerung der einzelnen Lernschritte führt unweigerlich zu einem dichteren System, dass sich „je detaillierter die Diagnose, um so eher […] von wahren psychologischen Lernprozessen [entfernt]“ (Schulmeister 2002: 202) und dem System die Kontrolle über den Lernprozess überlässt. Es wird deutlich, dass das eigentliche Ziel von Adaptivität, nämlich individualisierte Anpassung und Unterstützung von Lernprozessen, im Ergebnis zu erhöhter Kontrolle über die Lernenden führt. Das dreht zugleich die Adaptionsrichtung um. Sollte der Computer sich per definitionem an den Lernenden anpassen, so stellt es sich tatsächlich so dar, dass der Lernende sich den Instruktionen des Computersystems unterwirft/unterwerfen muss.
Diese durch das Programm gewählte strikte Vorgabe von Inhalten und Präsentationsformen steht im Widerspruch zur pädagogischen Grundhaltung der Selbstbestimmung des Lernens und der Selbststeuerung des Lernprozesses und wirft es somit sogar hinter ‚traditionelle’ pädagogische Errungenschaften zurück (siehe Seite 3).
Es wird deutlich, dass Neue Medien, insbesondere die Merkmale Multimedialität, Interaktivität und Adaptivität einen Einfluss auf den Bildungsprozess haben. Es wurde aber auch deutlich, dass diese Veränderungen nicht zu hoch und auch nicht ausschließlich positiv zu bewerten sind.
Im Einzelnen zeigt sich:
- Die Erlebnisqualität nimmt durch Multimedia zu, jedoch lässt sich kein erhöhter Lernerfolg messen. Statt nachhaltiger Veränderung tritt allenfalls ein kurzzeitiger Neuigkeitseffekt auf, öfter eher eine Überlastung der Lernenden.
- Die Selbststeuerung durch Interaktivität ist möglich, doch nur, wenn dazugehörige Kompetenzen von den Lernenden beherrscht werden. Andernfalls ‚bestimmt der Computer, wo es langgeht’. Interaktive Werkzeuge bieten statt revolutionärer Funktionalitäten altbekannte Phänomene in digitalisierter Form z.B. Browsing.
- Adaptivität ist weit davon entfernt alle für das Lernen relevanten Komponenten zu diagnostizieren und in Hilfestellungen umzusetzen. Es bewegt sich auf einem mechanistischen, instruktiven Level, das, je detaillierter nach Verhaltenskomponenten gefahndet wird, desto stärker den Lernenden steuert und kontrolliert, wobei ethische Werte der Selbstbestimmung vernachlässigt werden.
Die systematischen Veränderungen des Lerngeschehens bestehen nicht in der multimedialen, interaktiven und adaptiven Gestaltung von E-Learning-Programmen. Russel behält mit seiner Einschätzung „no significant difference“ (Russell 1996) weiterhin Recht. Neben diesen ernüchternden und teilweise bedrohlichen Feststellungen innerhalb der E-Learning-Programme treten weitere bisher ungenannte Probleme beim E-Learning auf: Wer allein vor dem Computer sitzt und lernt, der fühlt sich sozial isoliert und bricht frustriert den Lernprozess schneller ab (Hara/Kling 2000: online). Große Hoffnung zur Behebung dieses Problems wurde in die Integration des vernetzenden Internets in den Lernprozess gelegt. Doch wird das Internet, ausgestattet mit neuen Kommunikations- und Informationsmöglichkeiten, diesen Erwartungen gerecht oder bringt es neben Nutzen auch zusätzlichen Aufwand und Gefahren mit sich? Die Veränderungspotentiale der Merkmale Kommunikation und Information auf den Lernprozess soll in den folgenden zwei Abschnitten ermittelt und erörtert werden.
1.4 Konstitutive Merkmale des Internets
Heute ist das Internet ein offenes Netzwerk, das Ende 2005 55,1 % der Deutschen nutzten[19] (vgl. Tns Infratest/Initiative D21 2005: 10). Jeder kann seinen eigenen Computer an das Internet anschließen und es gibt keine zentrale Stelle, die das Internet besitzt, kontrolliert oder verwaltet (vgl. Döring 1999: 19). Damals, bei der Entwicklung war das anders. Das Internet ist ein „Kind des Kalten Krieges“ (Peuke/Wolf 2003: 25) und wurde vom US-Militär geplant, um im atomaren Kriegsfall die innerstaatliche Kommunikation der Vereinigten Staaten von Amerika aufrecht zu erhalten. Es wurde ein mediales Netzwerk geschaffen, dass weder zentraler Steuerung noch hierarchischer Ordnung bedurfte, was den Vorteil hatte, dass Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten auch nach einem Angriff auf zentrale Kommandostellen weiterhin zur Verfügung standen. Aus dieser ehemals militärischen Konzeption entstand das Internet, das heute noch nach den gleichen Prinzipien der Dezentralisierung und der Netzstruktur funktioniert und Kommunikation und Informationsaustausch ermöglicht.
Es gibt keine einheitliche Definition des Internets. Aus diesem Grunde soll stellvertretend eine in der Nutzergemeinschaft entstandene Definition herangezogen werden.
Das RFC-Dokument 1462[20] (Network Working Group 1993: online) nennt ergänzend zur technischen Definition (a) zwei weitere Definitionen (b, c):
a. The internet is a network of networks based on TCP/IP protocols[21].
b. The internet is a community of people who use and develop those networks.
c. The internet is a collection of resources that can be reached from those networks.
Diese Definition stellt deutlich auf die Menschen ab, die durch ihren interaktiven Beitrag dem technischen Gerüst erst einen (flexiblen) Inhalt geben, der universell zur Verfügung steht (siehe Seite 6).
Im Internet gibt es eine Reihe von Netzwerkdiensten wie zum Beispiel E-Mail, World Wide Web (WWW, dt. W elt w eites Netz w erk ) und Chat, die Kommunikation ermöglichen und große Archive mit Informationen bereitstellen. Diese stellen aber keine dezidiert didaktischen Medien dar (vgl. Döring 2002: 249). Vielmehr muss ihr Einsatz in Lehr-Lern-Szenarien etwa in Form von Lernberatung per E-Mail oder Materialbereitstellung per Download im WWW zielorientiert und situationsabhängig geplant werden, da nur dann die Potentiale der einzelnen Dienste den kooperativen Lernprozess erst ermöglichen und bestenfalls positiv unterstützen.
Im Folgenden wird eine Auswahl zur Verfügung stehender Dienste, die computervermittelte Kommunikation und Informationsdistribution ermöglichen, nacheinander charakterisiert und im Hinblick auf ihren Einsatz im Lehr-Lern-Prozess beschrieben. Mögliche Auswirkungen auf den individuellen und kooperativen Lernprozess schließen sich im darauf folgenden Abschnitt an.
1.4.1 Kommunikation
Alle computervermittelte Kommunikation hat gemeinsam, dass keine direkte Verbindung zwischen Sender und Empfänger existiert (vgl. Kerres 2002: 26). Wirklich neu und ausschließlich typisch für die Kommunikation per Computer ist das nicht, denn „Medien hatten stets eine Funktion als unterstützendes Werkzeug der Kommunikation, etwa in Form des Briefes oder des Telefons, aber auch in der pädagogischen Kommunikation in Form der Wandtafel oder des Tageslichtprojektors“ (Peuke/Wolf 2003: 113). Das Revolutionäre ist in der Multilateralität (siehe Seite 6) der Neuen Medien zu sehen, die erstmals eine „kollaborative Massenkommunikation“ (Döring 1999: 233, vgl. Rafaeli/LaRose 1993) über große räumliche und zeitliche Distanzen ermöglicht.
Computervermittelte Kommunikation lässt sich nun unterscheiden nach dem Kriterium der Zeitlichkeit (vgl. Peuke/Wolf 2003: 116). So lassen sich zeitgleiche (synchrone) und zeitversetzte (asynchrone) Kommunikationsmöglichkeiten trennen. In dieser Arbeit von Interesse sind im Bereich der synchron verlaufenden Kommunikationsangebote die Chats und im Bereich der zeitversetzten E-Mails und (Diskussions-) Foren, da sie die am häufigsten eingesetzten Werkzeuge im E-Learning darstellen (vgl. Grotlüschen 2003: 95).
Ein so genannter Chatroom wird mittels spezieller Programme im WWW geschaffen. Die Nachbildung einer Raummetapher (häufig wird auch von einem Chat-Café gesprochen) ist "[e]ine naheliegende Reaktion auf den zunächst noch ungewohnten, ungegliederten und unstetigen virtuellen Lernraum[. Es] sind [.] Versuche, Vorstellungen von gewohnten realen Lernräumen in den virtuellen Raum zu übertragen" (Peters 1999: 19). In diesem Raum kann mittels schriftlichem Dialog Kommunikation betrieben werden (chat zu dt. schwatzen).
Die folgende Abbildung zeigt einen fiktiven Chat und soll einen Eindruck der sich anschließenden Beschreibung seiner Besonderheiten vermitteln.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Fiktives Chat-Beispiel
Im Chat findet ein zeitgleicher Austausch aller Partizipierenden (many-to-many, siehe Seite 6) statt. Diese Form der Kommunikation zieht eine Einschränkung der zeitlichen Souveränität[22] nach sich, bietet aber Vorteile der unmittelbaren Rückkoppelung (vgl. Döring 1999: 34) durch beispielsweise direkte Nachfrage- und Rückmeldemöglichkeiten.
Die schriftliche Kommunikation im Chat erfordert schnelles Agieren und Reagieren. Das bedeutet, dass nicht nur schnelles Tippen, sondern auch zügiges Rezipieren und erneutes Produzieren von Botschaften erforderlich ist (vgl. Döring 1999: 137). Dabei entstehen zumeist mehrere parallel ablaufende, ineinander verschachtelte Diskussionsstränge, die es schnell zu unterscheiden gilt.
Oft werden deshalb verschiedene Farben und spezielle Textzeichen z.B. Emoticons oder Akronyme verwandt. Emoticons sind aus Sonderzeichen zusammengesetzte Bilder (Icons), die zum Ausdruck von Gefühlen (Emotions) wie Lächeln :-) , Ironie ;-) usw. verwandt werden. Akronyme reduzieren einen Satz auf die Anfangsbuchstaben seiner wichtigsten Worte oft in Verbindung mit Zahlen z.B. LOL für Laugh Out Loud oder 4U für For You (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 160). Die Ausdrucksformen im Chat erweisen sich als spontan und äußerst umgangssprachlich, selbst der Name unter dem man im Chat agiert ist meist phantasievoll. Ein Chat hebt sich durch viele Faktoren vom klassischen Kommunikationsprozess ab. Aus diesem Grund bedarf es gewisser Übung, um in einer Chatgemeinschaft ‚mitreden’ zu können. Scherzhaft wird vom Chat auch als „umständliche Form des Telefonierens“ (Döring 1999: 95) gesprochen.
Aufgrund seiner „sozial-expressive[n] Ausrichtung“ (Döring 1999: 422) wird dem Chat insbesondere eine soziale Funktion zugeschrieben (vgl. Peuke/Wolf 2003: 124).
Für die Konstitution einer internetbasierten Lerngruppe[23] ist dabei Verschiedenes zu bedenken. Handelt es sich um Anfänger, sollten alle Personen die Textzeichen (zumindest ansatzweise) sowie die neuen Dialogmechanismen kennen lernen, um den Überblick über einen Chat wahren zu können. Dazu bedarf es tutorieller Unterstützung, die am Anfang permanent, mit wachsender Kompetenz der Lernenden aber sukzessive reduziert geleistet werden sollte (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 152). Hinsichtlich der Gruppengröße zeigen Untersuchungen, dass große Gruppen sich positiv auf Kreativitätsprozesse auswirken, aber auch Prozessverluste aufgrund geringeren Verantwortlichkeitsgefühls der einzelnen Gruppenmitglieder steigen. Ergebnisse der Kleingruppenforschung, die die maximale Beteiligung und Einbeziehung der Gruppenmitglieder bei fünf Personen ermittelt haben, bestätigen sich auch in internetbasierten Kontexten (vgl. Blakowski/Hinze 2001: 9 nach Arnold, Kilian et al. 2004: 153f). Inhaltlich lassen sich demnach am besten thematische Nachfragen und organisatorische Koordinations- und Abstimmungsprozesse (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 154) realisieren. Der Einsatzbereich des Chats ist überwiegend in der Stärkung der Gruppenwahrnehmung (Community Awareness) und Kohärenz zu suchen (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 160).
Die E-Mail (elektronische Post) ist wohl der am meisten genutzte und bekannteste Internetdienst (vgl. Döring 1999: 36, Peuke/Wolf 2003: 116). Sie erlaubt einen zeitversetzten Nachrichtenaustausch zwischen einzelnen Personen (one-to-one). Den Nutzern entstehen dadurch mehr Freiheitsgrade hinsichtlich Ort und Zeit. Sowohl Sender als auch Empfänger können den Zeitpunkt ihrer Kommunikationsaktivitäten selbst bestimmen und müssen sich nicht auf einen gemeinsamen Termin einigen (vgl. Döring 1999: 87). Die E-Mail ist weitaus weniger aufdringlich als das Telefon. Vorteilhaft ist weiterhin, dass das Versenden von E-Mails sehr preisgünstig ist und der Text in digitaler Form vorliegt, was die Archivierung und Weiterverarbeitung z.B. in kooperativen Lerngruppen erheblich erleichtert (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 158). Folglich entsteht daraus eine weitere Wissensquelle. Findet individuelles Lernen statt, speisen sich die Informationen ausschließlich aus den Lernmodulen. Beim kooperativen Lernen fungieren die Lernpartner zusätzlich als Wissensquelle (vgl. Dittler 2002: 164).
In Lernsituationen kann insbesondere die zeitliche Verschiebung dazu genutzt werden, um über Fragen und Antworten gründlicher nachzudenken sowie gemeinsam erstellte Dokumente zu überarbeiten. Nachteil ist die fehlende Unmittelbarkeit sowie die Unsicherheit über Antwortenzeiten und -taktung.
Viele Gruppen, Vereine, Zeitschriften oder auch E-Learning-Anbieter stellen im Internet ‚Räume’ zum Diskutieren[24] für eine breite Masse an Nutzern bereit. Diese so genannten (Diskussions-)Foren funktionieren folgendermaßen: Meist laden die Administratoren der Foren zu einem Gespräch über ein bestimmtes Thema ein. Die jeweiligen Beiträge werden untereinander sortiert. Kriterien können dabei die zeitliche oder eine stark inhaltlich strukturierte Sortierung sein. Bei letzterer entsteht eine Baumstruktur, die es den Teilnehmer/innen ermöglicht, auf einzelne Beiträge des Diskussionsstrangs (Thread) direkt zu reagieren. Ähnlich wie im Chat ist es auch in Foren üblich, dass man sich einen Nickname (dt. Spitzname) zulegt, der u. a. den Teilnehmer/innen ermöglicht anonym zu bleiben (vgl. Peuke/Wolf 2003 120f).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Beispiel eines Diskussionsforums mit Baumstruktur
Die Distribution der eingesandten Beiträge kann über zwei unterschiedliche Strategien erfolgen. Erstere wird als Push-Strategie bezeichnet und bedeutet, dass die Teilnehmerin/innen die Beiträge in ihr E-Mail-Postfach ähnlich eines Rundschreibens zugesandt bekommen[25]. Die Pull-Strategie hingegen meint, dass Teilnehmer/innen sich die Beiträge im Diskussionsforum ‚abholen’ müssen. Die Vorteile der Push-Strategie in einer Lerngruppe liegen auf der Hand. Die Lernenden erhalten die Nachrichten automatisch und können nicht vergessen sie abzurufen. Bei der Pull-Variante hingegen bestimmen die Lernenden selbst, wann sie welche Nachrichten ansehen wollen d.h. die Verantwortlichkeit und Initiative liegt in den Händen der Lernenden.
Die Kommunikationswerkzeuge E-Mail und Diskussionsforum legen ihren Schwerpunkt anders als der Chat auf das Informieren und auf die kooperative (zeitversetzte) Wissensproduktion und zeichnen sich deshalb durch eine eher „sachlich-instrumentell[e] Ausrichtung“ (Döring 1999: 422) aus.
1.4.2 Information
Die Informationskomponente des Internets weist ein großes Potential für die Gesellschaft im Allgemeinen und für Lerngruppen im Speziellen auf.
Das Internet wurde Ende 2005 fast so häufig genutzt wie der Fernseher und intensiver als andere ‚alte’ Medien wie Radio und Print. Obwohl Printmedien immer noch das vorrangige Informationsmedium darstellen, nennen fast 90% der Onliner[26] „sich informieren“ als einen der wichtigsten Gründe das Internet zu benutzen (vgl. Tns Infratest/Initiative D21 2005: 67). Vorteile des Internets als Informationsquelle liegen in der Offenheit und Vielfalt des Angebots begründet. Die Offenheit macht das weltweite Wissen für jeden universell verfügbar, die leichten Veröffentlichungsmöglichkeiten[27] erzeugen eine enorme (interaktive) Vielfalt (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 38, Arnold 2001: 24).
Die Vision von Bill Gates „information at your fingertips[28]“ scheint genauso erfüllt zu sein wie Demokratisierungsbestreben, die bisher durch traditionelle Massenmedien laut Verfechtern der Neuen Medien verhindert wurden (vgl. Tsagarousianou, Tambini et al. 1998: 3).
Die Charakteristika Offenheit und Vielfalt lassen sich durchaus für den Lernprozess instrumentalisieren, denn mit der Integration von Internet ergeben sich für den einzelnen Lernenden bequeme Recherche- und Publikationsmöglichkeiten und für die Lerngruppe schnelle Informationsaustauschmöglichkeiten. Und tatsächlich wird das Internet zum Lernen genutzt. Laut Tns Infratest und Initiative D21 geben 31,6% der Onliner als Motiv der Internetnutzung an, sie würden das Internet nutzen, um zu lernen/sich zu bilden. Häufiger noch wird es verwandt um sich zu informieren (87,5%) und einzukaufen (54,8%).
Allerdings wird noch immer mehr mit klassischen Printmedien (44,5%) gelernt als mit dem Internet (vgl. Tns Infratest/Initiative D21 2005: 67). Aber wie lange noch, lässt sich nun davon ausgehen, dass das Internet die Printmedien in naher Zukunft verdrängen wird? Eine Untersuchung der Stiftung Lesen verneint dies. Vielmehr zeigte sich bei der Betrachtung des Nutzerverhaltens, dass Synergieeffekte zwischen Internetnutzung und Nutzung anderer (Massen-)Medien auftreten. Demnach ist ein Internetnutzer allgemein ein starker Mediennutzer (vgl. Stiftung Lesen 2002 nach http://www.heise.de/newsticker/meldung/13432, Zugriff am 05.06.2005).
1.4.3 Zwischenfazit: Einfluss auf den kooperativen Lernprozess
Das Internet birgt Potentiale in Form von zeit- und ortsunabhängiger sowie effizienter Kommunikation und Information. Seine Funktionen ermöglichen einen kooperativen Lernprozess via Computer und sollen im Folgenden auf ihre Einflussmöglichkeiten auf individuelle und kooperative Lernprozesse untersucht werden.
Kommunikation via Internet zeichnet sich dadurch aus, dass zwischen die kommunizierenden Personen ein Objekt geschoben ist, ihr Verhältnis entpersonalisiert wird (vgl. Grotlüschen 2003: 73). Deshalb gilt, dass„ [i]n einem Seminar, in dem die Teilnehmer sich nur virtuell erleben, [.] die Kommunikationsmöglichkeiten eine entscheidende Klammer“ (Seppmann 2001a: 97) bilden. Inhaltlich gesehen nimmt der Chat eine soziale Funktion ein und E-Mail und Forum dienen primär der effizienten interpersonellen Information, wobei die E-Mail dyadisch funktioniert bzw. wenige, bekannte Personen kontaktiert, wohingegen das Forum ein disperses großes Publikum anspricht.
Eine Besonderheit, die jedem hier genannten Kommunikationswerkzeug zuteil wird, ist die Schriftlichkeit. Bei der computervermittelten Kommunikation treten die Menschen durch „Tippen-auf-der-Computertastatur und Lesen-vom-Monitor“ (Döring 1999: 86, Herv. i. O.) miteinander in Kontakt.
Arnold et al. merken dazu für Lernprozesse an:
Für Lernende ist die Erfahrung meist neu, dass sie sich in virtuellen Lernsituationen - anders als in ‚Face-to-Face’-Situationen[29] - durch schriftliche Beiträge ‚sichtbar' machen müssen. Erst diese Sichtbarkeit führt zur Gruppenwahrnehmung und -bildung. (Arnold, Kilian et al. 2004: 159)
Sie verweisen dabei auf die Notwendigkeit der Textproduktion, wodurch übrigens auch das Internet per definitionem (siehe Seite 24) erst lebendig wird, und die, wenn sie ausbleibt, eine Menge an Problemen und Gefahren für den einzelnen Lerner wie auch für die gesamte Lerngruppe nach sich zieht.
Ein Chat ist nur interessant, wenn die Teilnehmer/innen auch etwas ‚sagen’ und ein Forum lebt von seinen Beiträgen. Untersuchungen zeigen allerdings, dass allein die Option der Kommunikationswerkzeuge nicht impliziert, dass Lehrende sie gebrauchen und Lernende sie aktiv und produktiv nutzen (vgl. Döring 2002: 250). Scheinbar gibt es eine Reihe von Hindernissen und Gründen sie nicht zu benutzen.
Ein bedeutender Grund ist die Kanalreduktion. Im Internet können begrenzt paraverbale sowie nonverbale Botschaften ausgetauscht werden (vgl. Döring 1999: 34, Peuke/Wolf 2003: 117). Insbesondere im Chat kann es „[d]urch tendenzielle Aufhebung vertrauter Dialogmechanismen, wie Sprecher/Hörer-Rollenwechsel und Regeln der sozialen Interaktion, wonach zu einem Zeitpunkt nur eine Person spricht und zu einem Zeitpunkt nur ein Thema behandelt wird“ (Hesse/Friedrich 2001: 26), zu erhöhter kognitiver Belastung und Missverständnissen in Sprechreihenfolge und Interpretation von Äußerungen führen. In FTF-Situationen wird die Sprechreihenfolge meist durch Blickkontakt festgelegt (vgl. Seppmann 2001c: 104, Hesse, Garsoffsky et al. 2002: 288f). Das ist im Chat nicht möglich und führt dazu, dass mehrere ‚Dialoge’ gleichzeitig und ineinander verschachtelt ablaufen, was die Übersichtlichkeit auf dem Bildschirm minimiert (siehe Abbildung Seite 26). Kanalreduktionsmodelle gehen davon aus, dass aufgrund des Fehlens paraverbaler Kommunikationsakte soziale Bedürfnisse vernachlässigt werden und im Hinblick auf kooperatives Lernen sich eingeschränkte Lernvorteile gegenüber Einzellernsituationen ergeben. Nach diesem Modell entwickelt sich bei computervermittelter Kommunikation keine soziale Präsenz und keine Gruppenkohäsion (vgl. Hesse, Garsoffsky et al. 2002: 286). Abhilfe sollen Community Awareness -Werkzeuge wie beispielsweise persönliche Kurzportraits zur Verringerung der Anonymität oder eine ‚ who is online ’-Funktion schaffen, die anzeigt, wer zum gleichen Zeitpunkt innerhalb eines E-Learning-Moduls arbeitet (vgl. Arnold 2001: 120).
[...]
[1] Während Lesen, Schreiben und Rechnen als die klassischen Kulturtechniken gelten, wird Medienkompetenz heute als „vierte Kulturtechnik“ (Heuer 2001: 18) gesehen. Fehlt sie, spricht man von Media Illiteracy. Perspektivisch wird Medienkompetenz eine immer wichtigere Rolle spielen; „denn sie eröffnet bessere Chancen für berufliches und privates Vorankommen“ (Schröder 2002: online). Aus diesem Grunde ist es eine politische Aufgabe der gesamten Gesellschaft Medienkompetenz zu fördern (vgl. Schröder 2002).
[2] Hier rekurriert Nolda auf die Werbung, dessen Slogans man entnehmen kann, dass neu als Synonym für gut oder besser steht.
[3] Als Neue Medien werden heute meist Medien bezeichnet, die auf Daten in digitaler Form zugreifen wie beispielsweise E-Mail, WWW (Internet), DVD und CD-ROM. Der Begriff als solches ist nicht neu, sondern wurde im Wandel der Zeit anfänglich für Radio, Fernsehen und Videotext benutzt (vgl. Wikipedia), die nun per definitionem zu den ‚alten’ Medien gehören dürften.
[4] An dieser Stelle ist i.w.S. sowohl Mensch-Computer-Interaktion als auch Mensch-Computer-Mensch-Interaktion gemeint. Eine differenzierte Betrachtung wird in Abschnitt 1.3.2 ab Seite 10 verfolgt.
[5] Der Begriff ist bewusst gewählt. Ohne die Terminologiediskussion erneut zu entfachen, soll Selbstbestimmung als im strategischen Sinne an die alten Ideale von Emanzipation und Mündigkeit anknüpfend verwendet werden (vgl. Dietrich 2001: 23). Selbstgesteuertes, selbstorganisiertes, selbstgestaltetes, selbstsorgendes usw. Lernen hebt auf einzelne Aspekte des Gesamtkonzeptes ab (vgl. Faulstich 2002: 62) und kennzeichnet m.E. die operative Ebene. Insbesondere selbstgesteuertes Lernen ist zurzeit sehr populär, da politisch stark eingebunden.
[6] Zimmer geht sogar von einer subtileren Form aus. Da die Lernenden immer nur in einem Rahmen interagieren können, den andere Menschen programmiert haben, spricht er von der Möglichkeit der „fremdbestimmte[n] Selbststeuerung des Lernen“ (Zimmer 2001: 137).
[7] Zu nennen wären insbesondere Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus. Die Dissertation von Andrea Blumstengel liefert einen guten Überblick (vgl. Blumstengel 1998).
[8] Natürlich findet in kooperativen E-Learning-Szenarien auch soziale Interaktion statt. Diese wird in Abschnitt 1.4 ab Seite 23 behandelt.
[9] Ben Shneiderman gilt als einer der ersten Informatiker, der die besondere Bedeutung der grafischen Benutzeroberfläche, also der Mensch-Computer-Schnittstelle, erkannte. Er glaubte, durch Verbesserung dieser die Wirksamkeit und Popularität der Computer erhöhen zu können (vgl. Shneiderman 1998).
[10] „Als Virtuelle Realität (VR) wird die Darstellung und gleichzeitige Wahrnehmung der Wirklichkeit und ihrer physikalischen Eigenschaften in einer in Echtzeit computergenerierten Virtuellen Umgebung bezeichnet.“ (Wikipedia, vgl. Kerres 2002: 23). Zur Darstellung virtueller Welten werden spezielle Ausgabegeräte wie beispielsweise eine Großbildleinwand, spezielle LCD-Brillen und Datenhandschuhe benötigt. Aufgrund der Kostenintensität ist die VR bisher wenig verbreitet. Ein sehr bekanntes Einsatzgebiet ist die Pilotenausbildung in Flugsimulatoren.
[11] Englisch Artificial Intelligence (AI) bezeichnet ein Teilgebiet der Informatik mit interdisziplinärem Charakter. Ziel der AI ist die Entwicklung von Maschinen mit intelligentem Verhalten (vgl. Wikipedia).
[12] Diagnoseinstrumente können nach Schulmeister aus mehreren Komponenten bestehen, die z.B. das Wissen eines Fachgebietes (domain model), das Benutzerverhalten des Lernenden (student model) sowie die geeignete pädagogische Strategie (tutor model) ermitteln und eine adäquate Benutzerschnittstelle (interface) zur Verfügung stellen (vgl. Schulmeister 1997: 182).
[13] Selbst über Verhalten kann das System wesentliche Faktoren nicht feststellen. Beispielsweise registriert der Computer zwar, dass der Benutzer seit fünf Minuten keine Aktion mehr unternommen hat. Dies kann jedoch vielfältige Ursachen haben: Der Lernende denkt intensiv nach, sucht nach weiteren Informationen im Internet oder holt sich einen Kaffee. Das System kann zwischen den Ursachen nicht unterscheiden. Genauso wenig kann das System feststellen, ob immer die gleiche Person vor dem Computer sitzt und die Antworten eingibt. Das wäre jedoch für eine systematische Fehlerdiagnose wichtig. „Mechanistische Entscheidungen des Programms aufgrund so eingeschränkter Informationen können oft frustrierende Auswirkungen haben, weil die Reaktionen des Systems für den Lernenden nicht nachvollziehbar sind.“ (Blumstengel 1998: online)
[14] Zur Veranschaulichung seien beispielhaft medizinische E-Learning-Programme, die den menschlichen Organismus in 3D darstellen oder CAD-Programme der Architekten, die konstruierte Gebäude virtuell begehbar machen, genannt.
[15] Genauer handelt es sich um Informationsknoten (engl. node), einem spezifischen Begriff zur Bezeichnung der Art der Repräsentation von Informationen in Hypertext-/Hypermediasystemen. Informationsknoten sind unterschiedlich kodierte Informationen wie z.B. Text, Grafik, Video, die durch Verweise, so genannte Links, miteinander verbunden sind.
[16] Das Schreiben von Hypertexten ist am Anfang übrigens ebenso ungewohnt, da die Autoren ihre ‚lineare Denkweise’ überprüfen und revidieren müssen (vgl. Reinmann-Rothmeier, Vohle et al. 2003: 48).
[17] Die Links, die die netzartige Struktur herstellen, sind technische Verbindungen. Eine inhaltliche Begründung dieser Verknüpfung wird in der Regel nicht mitgeliefert (vgl. Apel/Stang 2001: 111). Somit weiß der Lernende vor dem Anklicken des Links nicht, was ihn erwartet und muss diese neue Information selbständig in sein vorhandenes Wissen integrieren. Diese zusätzlichen Anforderungen fördern das Verirren außerdem.
[18] Untersuchungen mit menschlichen Tutoren kamen zu dem Ergebnis, dass ein Großteil der Interaktionen aber gerade motivationalen Zwecken dient (vgl. Lepper/Chabay 1988 nach Schulmeister 2002: 217). Das macht die Beschränktheit von ITS umso deutlicher.
[19] Hierbei handelt sich um einen Durchschnittswert. Die Internetnutzung ist stark abhängig von Alter, Geschlecht, Bildung, Staatsangehörigkeit, Haushaltsnettoeinkommen, Beschäftigung, Art der Beschäftigung und Ortsgröße (vgl. Tns Infratest/Initiative D21 2005).
[20] RFC steht für Request for Comments. Die Dokumente, in diesem Fall Nummer 1462, pflegen den partizipativen Ansatz der Wissensproduktion, wie er im Internet üblich ist.
[21] Die Abkürzung TCP/IP steht für Transmission Control Protocol (TCP) und für Internet Protocol (IP). Der Vorgang funktioniert folgendermaßen: Die Daten werden in kleine Pakete zerlegt und über das Netz verschickt. Den Weg finden sie mit der individuellen IP -Adresse des Zielcomputers. Dort setzt der TCP -Paketauslieferungsdienst die Daten automatisch ab (vgl. Wikipedia, Peuke/Wolf 2003: 140).
[22] Problematisch wird dies insbesondere, wenn Mitglieder aus unterschiedlichen Zeitzonen per globalem Chat miteinander kommunizieren wollen.
[23] Es gibt viele Modelle zu Gruppenfindungsprozessen, wobei die meisten auf Tuckmanns Modell zurückgreifen. Nach ihm läuft der Prozess der Gruppenfindung in fünf Phasen ab (vgl. Tuckmann 1965): Forming, Storming, Norming, Performing und Adjourning (Orientierungsphase, Konfliktphase, Phase der Regulierung, Arbeits- und Durchführungsphase, Auflösung der Gruppe). Man geht davon aus, dass bei internetbasierten Gruppenfindungsprozessen die Prozesse ähnlich verlaufen, jedoch sowohl die sozialen Findungsprozesse als auch die Aufgabenkoordination länger dauern als in Präsenzgruppen (vgl. Arnold, Kilian et al. 2004: 154).
[24] Es gibt Diskussionsräume im Internet, in die sich Teilnehmer/innen nach Anmeldung mit (Spitz-) Namen einschreiben können, so genannte offene Diskussionsforen und es gibt passwortgeschützte, in die sich nur eine begrenzte Gruppe von Teilnehmer/innen einschreiben kann. Für Lernzwecke wird zumeist die letztere Methode angewandt.
[25] Sämtliche E-Mails sind demnach auch Push-Medien.
[26] Die Studie hat unterschieden zwischen Nutzern des Internets (Onliner), Nichtnutzern mit der Absicht, innerhalb der nächsten zwölf Monate das Internet zu nutzen (Nutzungsplaner) und Nichtnutzern ohne Nutzungsplanung (Offliner) (Tns Infratest/Initiative D21 2005: 9).
[27] Die zugangsfreien Veröffentlichungsmöglichkeiten ziehen neue Probleme nach sich. Insbesondere die Glaubwürdigkeit der Quellen im Internet stellt sich als Problem dar. Es zeichnen sich jedoch zwei Trends ab. Erstens gehen immer mehr traditionelle Printmedien auch online und zweitens je wichtiger das Internet als Informationsmedium wird, desto stärker werben Online-Angebote, die sowohl zueinander als auch zu Printmedien in Konkurrenz stehen, um das Vertrauen der Leser (vgl. Husmann 2006: 70).
[28] Das ist eine von vielen Visionen von Bill Gates, an denen sich die Marketing-Konzepte von Microsoft orientieren. Diese Vision wurde vermutlich 1990 in einem Vortrag von Bill Gates vorgestellt.
Dahinter steht das Konzept der Realisierung der Informationsgesellschaft mit dem ‚Nebeneffekt’ der Versorgung aller Privathaushalte mit Personal Computern von Microsoft (vgl. http://www.microsoft.com/billgates/speeches/industry&tech/iayf2005.asp, Zugriff am 11.11.2005).
[29] Face-to-Face (FTF) kennzeichnet die klassische Präsenzkommunikation, in der man sich von Angesicht zu Angesicht ‚gegenübersteht’.
- Arbeit zitieren
- Anne Cathérine Spindler (Autor:in), 2006, E-Learning: Akzeptanz und Nutzerverhalten - Qualitative Analyse eines Modellprojektes mit mithelfenden Familienangehörigen im Handwerk (Handwerkerfrauen), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72725
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