Die Familie als einen omnipotenten Begriff, als für die Forschung zeitlos brauchbares theoretisches Konstrukt anzunehmen, ist illusorisch. Tatsächlich herrscht große Uneinigkeit schon bei der Grunddefinition der Mitglieder einer Familie. Die Gründe dafür liegen größtenteils in der historischen bzw. kulturellen Variabilität des familiären Rahmens. Wer wann zur Familie zählt, kann nicht einmal von den Familienmitgliedern selbst stets so eindeutig bestimmt werden (vgl. Bien 2003, S.505), was sich demgemäß erschwerend in der Theoriekonstruktion niederschlägt. Ein Streitpunkt entsteht immer dann, wenn die gültige Begriffsdefinition nicht so recht zum jeweiligen Forschungsvorhaben passen will.
Allerdings hängt dies nicht unwesentlich mit der enormen Tragweite des Begriffs zusammen, denn, wie Bien (2003) zeigt, sind Familien ein mehrdimensionales System, welches sowohl zeitlich als auch räumlich strukturiert ist. Entsprechend konstatiert er, „dass mit dem Phänomen Familie ein Subsystem der Gesellschaft gemeint ist, das sich regional ausdifferenziert, strukturell und zeitlich-dynamisch variiert und daher extrem schwierig zu fassen und zu präzisieren ist“ (Ebd., S.504).
Trotzdem oder weil dies so ist, bleibt der Familienbegriff in der Kritik; er sei überkommen, zu Wert beladen und zu eng (Lenz 2003, S.486 u. 493). Dabei wird regelmäßig auf die Entstehungsgeschichte Bezug genommen (vgl. Hettlage 2003, S.518f) und mit dem Hinweis auf die Inkompatibilität bürgerlicher Konzepte (Lenz 2003, S.486) mit der heutigen Pluralisierung der Lebensformen, eine umfassende Korrektur gefordert.
Andere sehen den Modernisierungsbedarf eher aufgrund „allzu eng ausgelegte[m] Strukturfunktionalismus: [mit dem Familienbegriff] wird es dann problematisch, wenn funktionale Erfordernisse (Notwendigkeit von Pflege und Fürsorge des Kleinkindes) mit spezifischen strukturellen Vorgaben (verheiratete Eltern und unmündige Kinder in häuslicher Gemeinschaft mit der zentralen Funktion, Identitäten zu entwickeln oder ähnliches) verbunden werden“ (Herzer 2003, S.517).
Welche Relevanz der Begriff der Familie (noch) hat und inwieweit er Gültigkeit besitzt, oder ob gar, wie Diefenbach (2003, S.510) behauptet, des Wesentliche der Familie überhaupt nicht mehr zu klären sei, soll im Folgenden diskutiert werden.
INHALT
Einleitung
1. Der Geltungsbereich des Familienbegriffes
2. Die Kernfamilie- die elementare Familienstruktur
a) Die ödipale Phase
b) Latenzphase, Pubertät und Adoleszenz
c) Konsequenzen unzureichender Triangulierung
3. Diskussion
a) Die Semantik des Familienbegriffes
b) Ehe und Familie
c) Die Familie aus juridischer Perspektive- soziale versus biologische Elternschaft
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Die Familie als einen omnipotenten Begriff, als für die Forschung zeitlos brauchbares theoretisches Konstrukt anzunehmen, ist illusorisch. Tatsächlich herrscht große Uneinigkeit schon bei der Grunddefinition der Mitglieder einer Familie. Die Gründe dafür liegen größtenteils in der historischen bzw. kulturellen Variabilität des familiären Rahmens. Wer wann zur Familie zählt, kann nicht einmal von den Familienmitgliedern selbst stets so eindeutig bestimmt werden (vgl. Bien 2003, S.505), was sich demgemäß erschwerend in der Theoriekonstruktion niederschlägt. Ein Streitpunkt entsteht immer dann, wenn die gültige Begriffsdefinition nicht so recht zum jeweiligen Forschungsvorhaben passen will.
Allerdings hängt dies nicht unwesentlich mit der enormen Tragweite des Begriffs zusammen, denn, wie Bien (2003) zeigt, sind Familien ein mehrdimensionales System, welches sowohl zeitlich als auch räumlich strukturiert ist. Entsprechend konstatiert er, „dass mit dem Phänomen Familie ein Subsystem der Gesellschaft gemeint ist, das sich regional ausdifferenziert, strukturell und zeitlich-dynamisch variiert und daher extrem schwierig zu fassen und zu präzisieren ist“ (Ebd., S.504).
Trotzdem oder weil dies so ist, bleibt der Familienbegriff in der Kritik; er sei überkommen, zu Wert beladen und zu eng (Lenz 2003, S.486 u. 493). Dabei wird regelmäßig auf die Entstehungsgeschichte Bezug genommen (vgl. Hettlage 2003, S.518f) und mit dem Hinweis auf die Inkompatibilität bürgerlicher Konzepte (Lenz 2003, S.486) mit der heutigen Pluralisierung der Lebensformen, eine umfassende Korrektur gefordert.
Andere sehen den Modernisierungsbedarf eher aufgrund „allzu eng ausgelegte[m] Strukturfunktionalismus: [mit dem Familienbegriff] wird es dann problematisch, wenn funktionale Erfordernisse (Notwendigkeit von Pflege und Fürsorge des Kleinkindes) mit spezifischen strukturellen Vorgaben (verheiratete Eltern und unmündige Kinder in häuslicher Gemeinschaft mit der zentralen Funktion, Identitäten zu entwickeln oder ähnliches) verbunden werden“ (Herzer 2003, S.517).
Welche Relevanz der Begriff der Familie (noch) hat und inwieweit er Gültigkeit besitzt, oder ob gar, wie Diefenbach (2003, S.510) behauptet, des Wesentliche der Familie überhaupt nicht mehr zu klären sei, soll im Folgenden diskutiert werden.
1. Der Geltungsbereich des Familienbegriffes
Die Debatte um die Aktualität oder universelle Gültigkeit der Familienbegriffsdefinition, die Lenz (2003a) mit seiner Stellungnahme dazu wohl beabsichtigte, ist eine Diskussion, die von den verschiedensten Standpunkten aus geführt werden kann und auch wird. Das Positive daran ist die Vielfalt der eingehenden Beiträge und die dadurch gewährleistete Verhinderung einer einseitigen normativen Betrachtung. Prinzipiell kann jeder vergesellschaftete Mensch, gleich ob wissenschaftlich ambitioniert oder nicht, seinen Beitrag leisten, da jeder Mensch als soziales Wesen persönliche Erfahrungen mit Familie(n) gemacht hat. Vergegenwärtigt man sich diesen Sachverhalt, sollte klar werden, dass nicht nur eine Deutung jenes Begriffes, der naturgemäß so viele Ausprägungen aufweist, zu erwarten ist. Faktisch gibt es mindestens genauso viele subjektive Sinngaben zur Bezeichnung der Familie, wie es eben individuelle Erfahrungen im Umgang mit dieser geben mag. Die Semantik der Familie unterscheidet (oder gleicht) sich, mit anderen Worten, wie ein Mensch vom anderen.
Einerseits liegt die hier genannte Problematik an der unzureichenden Eindeutigkeit der Sprache selbst[1], andererseits aber, und das ist der entscheidende Punkt, ist das signifié des Wortes Familie so ungeheuer mannigfaltig, weil es den jeweiligen Bedeutungs zusammenhängen entsprechen muss. Das heißt, das Einsatzgebiet oder der Verwendungszweck begrenzt schon die Bedeutung des Wortes Familie bzw. reduziert, bedingt durch seine Kontextbezogenheit, das Bezeichnete auf die relevanten Daten. Es hängt also von der Intention des Benutzers ab, welche Geltung der Begriff erfährt. Insofern kann sich bspw. ein Wirtschaftssoziologe auf den ökonomischen Status von Familien orientieren, zu dessen Erfassung ein getrennt lebender Vater, der pünktlich seine Alimente zahlt, ebenso eingerechnet wird, wie der Vater, der in seiner Familie ständig präsent ist. Demgegenüber wird der Familiensoziologe diesbezüglich weitaus mehr differenzieren müssen, wenn er die aktuellen Entwicklungen in der Bevölkerung kartographisieren will.
Es lässt sich also festhalten, dass der Verweisungszusammenhang des Familienbegriffs mit dem Kontext variiert, d.h. subjektiv gefärbt sein wird. Das wiederum erklärt den immer wiederkehrenden Diskussionsbedarf, besonders in dem Fall, wenn traditionelle Lebensformen bzw. Lebensgemeinschaftsformen in einer Gesellschaft (leicht) rückläufig sind und sich neben ihnen nun neue finden lassen.
Es soll im weiteren Verlauf versucht werden, den Geltungsbereich des Familienbegriffes Perspektiven übergreifend zu klären. Allerdings wird nicht von der existierenden Definition ausgegangen, weil diese schon den Rahmen festlegt, in dem der Begriff seinen Bezug findet. Diese Herangehensweise würde unweigerlich dazu führen, dass das zu Bezeichnende je nach Relevanz der im Rahmen einer Untersuchung gemachten Feststellungen und daraus resultierenden möglichen Einführung neuer, anderer Begrifflichkeiten zergliedert werden würde. Es fände also lediglich eine Umverteilung und Umkategorisierung des durch Familie bezeichneten Explanandums statt, die, ohne die Elementarstruktur wirklich zu extrahieren, das Definitionsproblem noch komplexer gestalten würde. M. E. beziehen sich gerade Kritiker wie Lenz (2003a,b) genau darauf, den ursprünglichen Familienbegriff zu „erweitern“, indem sie ihn unterteilen (Ebd., S.495). Stattdessen soll hier sozusagen bei „Null“ angefangen und damit die berechtigte und unbedingte Zurechenbarkeit sozialer Phänomene zum sprachlichen Zeichen „Familie“ geleistet werden. Dieses Vorgehen kommt der Entstehung des Begriffes näher, nur, dass es nun zu einem Zeitpunkt geschieht, an dem auf eine breite Wissensbasis zurückgegriffen werden kann, sei es aus der Entwicklungspsychologie oder den empirischen Daten gesellschaftlicher Entwicklung.
Anders gesagt, es wird nicht mehr von einem Zeichen (signifiant) ausgegangen, das längst einen Sinn (signifié) besitzt, sondern das Wort Familie soll als leer betrachtet, d.h. vorerst keine Bedeutung haben. Im Folgenden werden Sachverhalte expliziert und gegebenenfalls zum Begriff subsumiert. Mit dieser Methode sollte der Familienbegriff von allen „überschüssigen“ Verweisungen befreit werden und alles, was darüber hinausgeht, kann neu verhandelt werden[2]. Das Ziel ist eine Minimaldefinition, die durch die Erfüllung des Kriteriums der Irreduzibilität Allgemeingültigkeit erlangen soll und die dann als Basis zur kontextabhängigen Erweiterung dienen kann.
2. Die Kernfamilie- die elementare Familienstruktur
Die grundlegendste aller Fragen ist immer die nach der Funktion einer Institution. Was leistet dieses Arrangement? Welche Umstände haben zu ihrer Entstehung geführt?
Ausgehend davon, dass Evolution eben auch in der kulturellen Entwicklung einer Gesellschaft stattfindet, lässt sich folgern, dass die vorfindbaren Reproduktions- arrangements sich in der Geschichte einer Gesellschaft bewährt haben, sozusagen das optimale Werkzeug zur Aufgabenbewältigung bilden. Das Überwinden der prähistorischen Horde als Aufzuchtsgemeinschaft führte zur Entstehung erster fortschrittlicher Kulturprodukte, diese wiederum erlaubten irgendwann neuartige Aufzuchtsgemeinschaften usw., dementsprechend behauptet Lipp (2003), „dass es die Familie (Protofamilie) und keine andere Einrichtung ist, der im Evolutionsprozess in Fortführung der angestammten Leistung der biotischen Reproduktion konsequent auch der Primat der Prokreation, des ‚Ins-Leben-Setzens’ von Kultur zufiel“ (Ebd., S.532). Letztendlich bedingen sich Kulturentwicklung und Aufzuchtsverhalten gegenseitig, sind interdependent. Jener Tatsache ist es auch zu verdanken, dass es so unterschiedliche Familien- organisationsformen gibt, wie Kulturkreise[3]. Neben dieser einen Leistung der Familie, der Kulturentwicklung, verrät diese Aussage noch einen zweiten Aspekt: die damit verbundene Dynamik. Die Familie als Ort der Sozialisation ist kein starres Gebilde, sie hat vielmehr auch einen prozesshaften Charakter, der mehr oder weniger stark Kultur gebunden neue Formen hervorbringt[4].
Bourdieu (1998) verdeutlicht die Gesellschafts-konstituierende Funktion von Familie, aber auch für die Familie, als strukturierende Struktur wie strukturierte Struktur (Ebd., S.129). „Damit sind also nicht die Verhältnisse der gesellschaftlichen Teilsysteme untereinander für die Familie funktional, sondern das Verhältnis von Gesellschaft und Individuum und seine gesellschaftliche Integration als Person“ (Eggen 2003, S.513). Bei einer komplexen hochkultivierten Gesellschaft lassen sich die Kausalzusammenhänge freilich nur sehr schwierig aufdecken, was jeweils für bestimmte Phänomene Ursache und was Wirkung ist, verwischt.
Zur weiteren Begriffsbestimmung soll der Einfluss der Gesellschaft auf die Familie nicht weiter interessieren, vielmehr gilt die Aufmerksamkeit der Familie als strukturierende Struktur: Inwieweit lässt sich diese Institution in abstractum reduzieren, ohne dass sie von ihrer Funktionalität einbüßt? Welche ist die minimalste Funktionseinheit „Familie“, die diese Aufgaben erfüllt?
[...]
[1] Vgl. dazu u.a.: Locke (1988); Leibniz (1961); Benjamin (1989)
[2] Freilich muss sich evidenterweise weiterhin an gewissen Grundprämissen orientiert werden, die nicht in Frage gestellt werden können bzw. bei denen eine Infragestellung nicht sinnvoll wäre. So wird die Familie weiterhin als Institution verstanden, deren Quelle die Interaktion ist und die gegenüber der Gesellschaft einen Raum der Privatsphäre, d.h. einen Ort der Ausgrenzung nicht Zugehöriger darstellt.
[3] Um nur einige zu nennen: Matrilinearität, Matriarchad, Patriarchalismus, Polygamie usw.
[4] Dieses Faktum gilt es zu berücksichtigen beim Versuch einer endgültigen Definition.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Matthias Alff (Autor:in), 2004, Hat die Triade ausgedient? Zum Reduktionsproblem des Familienbegriffes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72690
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