Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten grundlegend verändert. Während Subjektivierung, Entgrenzung und Vermarktlichung den Charakter der Arbeit schrittweise ändern, haben die daraus resultierenden neuen Rahmenbedingungen auch Einfluß auf die Organisationen der Arbeitnehmer: die Gewerkschaften. In dieser Arbeit wird zunächst Produktionsweise der vergangenen Jahrzehnte dargelegt, dann auf die traditionelle Politik der bundesdeutschen Gewerkschaften eingegangen, um anschließend die Folgen der Veränderungen in der Arbeitswelt für die Gewerkschaften darzustellen. Die aus Sicht des Autors verschärften Bedingungen für Arbeitnehmer setzen die Frage nach einer wirklichen Humanisierung der Arbeit (wieder) auf die Tagesordnung. Deshalb habe ich dem Kapital „Folgen für die Gewerkschaften“ einen Beitrag „Humanisierung der Arbeit“ nachgestellt.
Inhalt:
1. Einleitung
2. Quellenlage und Definitionen
3. Fordismus und Taylorismus
4. Die bundesdeutschen Gewerkschaften
5. Veränderte Rahmenbedingungen
6. Folgen für die Gewerkschaften
7. Humanisierung der Arbeit
8. Fazit
9. Bibliographie
1. Einleitung
Die Vorlesung „Wandel von Arbeit und Organisation“ hat im Wintersemester 2002/ 03 aus „einer eher betriebs- und industriesoziologischen Perspektive [...] ein Überblick über die Entwicklung von Arbeit und Organisation gegeben.“[1] Unter der Anleitung von Prof. Dr. Karin Lohr wurden die Themen Industriegesellschaft, Arbeitswelt, Betrieb, Gewerkschaften und Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft behandelt. Als Schwerpunkt rückte immer wieder die Frage der Veränderungen für die Arbeitnehmerschaft ins Zentrum. In dieser Arbeit möchte ich zunächst die Produktionsweisen der vergangenen Jahrzehnte darlegen, auf die bundesdeutschen Gewerkschaften eingehen, und anschließend die Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und die Folgen dieser Veränderungen für die Gewerkschaften und die Arbeitswelt darstellen. Die aus meiner Sicht verschärften Bedingungen für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen setzen die Frage nach einer wirklichen Humanisierung der Arbeit (wieder) auf die Tagesordnung. Deshalb habe ich den „Folgen für die Gewerkschaften“ ein Kapitel „Humanisierung der Arbeit“ nachgestellt.
2. Quellenlage und Definitionen
Umfang und Inhalt der Quellen sind insgesamt sehr befriedigend. Das Thema betreffende Sekundärliteratur ist ausreichend vorhanden. Oft sind die als Standardliteratur geltenden Werke aktuell genug[2]. Wie diese Arbeit zeigen wird, haben gerade in den letzten zehn Jahren Veränderungen stattgefunden, die nachhaltigen Einfluss auch auf die Arbeitsverhältnisse und die deutschen Gewerkschaften haben. Besonders hilfreich waren daher Rückgriffe auf Texte der im engeren Sinne sozialwissenschaftlichen Forschung.
Die in der vorliegenden Hausarbeit getroffenen Aussagen beziehen sich jedoch auch auf in der Vorlesung getroffene Feststellungen und dem Studium diverser Publikationen gewerkschaftlicher Gliederungen, marxistischer Theoretiker sowie einiger Presseerzeugnisse. Als hier zu behandelnde bundesdeutsche Gewerkschaften gelten die traditionell im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) organisierten Gewerkschaften. Verbände, die nicht den Charakter von Massenorganisationen haben, sondern ein eher ständisches Modell repräsentieren (wie der Deutsche Beamtenbund) oder vorrangig religiöse Anliegen haben (z.B. die Gemeinschaft christlicher Lehrer und Erzieher), bleiben unberücksichtigt.
3. Fordismus und Taylorismus
Der Begriff Fordismus bezeichnet im sozialwissenschaftlichen Sinne mehr eine Regulations- und Akkumulationsweise als eine Produktionsform. Oft werden die politischen und sozialen Strukturen ebenso darunter subsumiert. Das Fließband und seine an ihm arbeitenden Arbeiter sind das Zeichen der Zeit. Die unter dem Unternehmer Henry Ford „standardisierte Massenproduktion“[3] hat auch einen Typ des Massenkonsums hervorgerufen. Ideologische Begleitung für die Hochzeit des Fordismus war: die Idee des starken Konsumenten, der Massenkaufkraft und der Nachfragestimulierung. Keynesianismus und Wohlfahrtstaat prägten vor allem die 1970er in Westeuropa. Der massiven Entfremdung im Betrieb wurde der sichere Sozialstaat entgegengesetzt, was lange Zeit für relativen Wohlstand und sozialen Frieden sorgte. Nicht zuletzt durch die in deutschsprachigen und skandinavischen Ländern einmalige Form der Sozialpartnerschaft, sowie politischer und personeller Nähe zur (oft regierenden) Sozialdemokratie stand der Fordismus trotz seiner gesamtgesellschaftlichen Nachteile auf sicheren Füßen.
Die von Taylor 1912 in den „Prinzipien wissenschaftlicher Betriebsführung“ veröffentlichten Grundsätze ergänzten sich mit der von Ford in seinen Chicagoer Autowerken erstmalig erprobten Mechanisierung der Arbeit. Trennung von Hand- und Kopfarbeit, Anpassung und Festlegung von Arbeitspensum sowie nicht zuletzt die Vermeidung von direkten Klassenauseinandersetzungen durch Einsetzen einer „Dienstklasse“ (K. Renner 1935) in Form von Experten, Ingenieuren und Betriebsleitern. Die Kombination aus beidem – Fabrikregime und soldatisches Funktionieren einerseits, Sozialpartnerschaft, sicherere Löhne und regulierender (Wohlfahrts-) Staat andererseits – sorgte mehrere Jahrzehnte für eine funktionierende Wirtschaftswelt, vornehmlich im postfaschistischen Westeuropa.
In den 1970er Jahren war das Festhalten an tayloristischen Strategien der Arbeitsorganisation mit der Kontrolle relativ gering qualifizierter Massenarbeiter das vorherrschende Paradigma industrieller und administrativer Arbeit. Da wo arbeitsorganisatorische Maßnahmen (der Gewerkschaften) den heiklen Bereich der Kontrolle über den Arbeitsprozess berührten, war die Innovationsbereitschaft der Unternehmensleitungen schnell erschöpft. All das, was an subjektiven Eigenwilligkeiten der Einzelnen den fließenden Ablaufprozess und dessen Kontrollierbarkeit hätte stören können, wurde nach Möglichkeit (durch Automatisierung) eliminiert bzw. hierarchisch diszipliniert. Diese Situation hat sich im Laufe der 1980er Jahre mit dem Nachdenken des Managements über flexiblere Produktionsstrukturen verändert.
4. Die bundesdeutschen Gewerkschaften
Die Veränderungen in der Arbeitswelt beeinflussten auch die Politik und die Außenwirkung der großen deutschen Gewerkschaften. Das betrifft gerade den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der mit fast 8 Millionen Mitgliedern einer der größten Gewerkschaftsdachverbände weltweit, und der größte in Europa ist. Von den 1949 an der Gründung beteiligten oder später hinzugekommenen insgesamt fünfzehn Einzelbranchengewerkschaften sind durch Fusionen bis 1995 zwölf und nach der ver.di - Gründung 2001 acht übrig geblieben. Hatte der DGB kurz nach der Wiedervereinigung durch den Mitgliederzuwachs im Osten Deutschlands noch 11 Millionen Mitglieder, so ist die Mitgliederzahl seitdem rückläufig[4].
Nach dem Krieg bewusst als Einheitsgewerkschaften gegründet, sollte eine Gewerkschaft für einen Betrieb bzw. eine Branche verantwortlich und die einzig legitime Arbeitnehmervertretung sein, im Idealfall den Betriebsrat gleich als führendes Mitglied wissen. Der DGB entwickelte sich zu einem wichtigen Machtfaktor in der Auseinandersetzung um Mitbestimmung und Interessensausgleich und zu einem wichtigen Standbein des Wirtschaftswunders.
Maßgebliche Bedeutung für das Modell des deutschen Sozialstaats, seines relativen sozialen Friedens und der Idee des rechtlich verankerten Ausgleichs, hatte der Konflikt um das Montanmitbestimmungsgesetz und um eine betriebliche Verfassung durch garantierte und geschützte Betriebsräte. Am 22. Mai 1950 legte der damalige DGB-Vorsitzende Hans Böckler den „Gesetzesvorschlag für die Neuordnung der deutschen Wirtschaft“ vor. Danach sollten „in allen Unternehmen mit mehr als 300 Beschäftigten ... die Aufsichtsräte ... zu Hälfte mit Vertretern der Gewerkschaften besetzt werden“[5].
Weil den Gewerkschaften schon ab „1950 ein wieder voll ausgebildetes System von wirtschaftlichen Interessenverbänden gegenüber“[6] stand, sah sich der DGB in der Folge veranlasst, zwischen Kompromiss und Machtdemonstration zu pendeln. Lange Zeit konnte er sich damit erfolgreich behaupten - im Gegensatz zu den Richtungsgewerkschaften in vielen anderen europäischen Ländern.[7] Kooperation beim Aushandeln von Löhnen und Gehältern – im europäischen Vergleich hat die BRD auffallend wenige Streiktage[8] - und eine weitgehende personelle und politische Übereinstimmung mit der SPD führten zu einer Politik von Korporatismus und Sozialpartnerschaft.
[...]
[1] HU Berlin: Kommentiertes Vorlesungsverzeichnis. Institut für Sozialwissenschaften. HU Berlin, Institut für Sozialwissenschaften, Wintersemester 2002/ 03, S.16
[2] Besonders hilfreich war der Sammelband: Minssen, Heiner: Begrenzte Entgrenzungen. edition sigma, Berlin, 2000
[3] Ofner, F.: Macht in Arbeitsbeziehungen. In Minssen, Heiner: Begrenzte Entgrenzungen. edition sigma, Berlin, 2000, S. 102
[4] 2000 sind es nur noch 7,8 Millionen Mitglieder
[5] Schneider, Michael. Kleine Geschichte der Gewerkschaften. 2. Auflage, Dietz GmbH, Bonn 2000, S.271
[6] ebenda, S.273
[7] In Frankreich beispielsweise ist der Anteil der gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer nicht nur geringer als in der BRD – etwa 8 Prozent aller abhängig Beschäftigten sind Gewerkschaftsmitglieder – die Gewerkschaftsbewegung ist noch dazu auf drei verschiedene Dachverbände aufgeteilt.
[8] vergleiche auch: www.indymedia.de
- Citar trabajo
- Hannes Heine (Autor), 2002, Der Wandel in der Arbeitswelt und die Krise der Gewerkschaften, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72592
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.