Nach der Niederlage der faschistischen Wehrmacht bei Stalingrad gründeten ins sowjetische Exil geflohene deutsche Kommunisten gemeinsam mit kriegsgefangenen deutschen Soldaten in Krasnogorsk (unweit von Moskau) am 12. und 13. Juli 1943 das „Nationalkomitee Freies Deutschland“. Damit wurde der Vorschlag des Politbüros des Zentralkomitees der KPD über die Bildung eines deutschen Komitees zum Kampf gegen Hitlerkrieg und Nazityrannei“ in die Tat umgesetzt. Unter dem Titel „Manifest des Nationalkomitees ‚Freies Deutschland’ an die Wehrmacht und das deutsche Volk“ wurde auf der Gründungsversammlung des NKFD ein programmatisches Dokument beschlossen, in dem die politischen Ziele formuliert wurden: Der Krieg solle sofort beendet werden, der Hitlerfaschismus gestürzt und eine demokratische Regierung in Deutschland errichtet werden. Die Propaganda des NKFD richtete sich in erster Linie an die deutschen Soldaten und wurde mit einem enormen Aufwand betrieben. Massenhaft wurden Flugblätter über den deutschen Linien abgeworfen, aus den Schützengräben der Roten Armee sprachen die Frontbevollmächtigten des NKFD per Lautsprecher direkt an die Angehörigen der Wehrmacht. Mit der Wochenzeitung „Freies Deutschland“ schuf sich das NKFD ein eigenes Organ. Am 20. Juli 1943 nahm der gleichnamige Radiosender den Betrieb auf. Von den ehemaligen Aktivisten des NKFD ist eine Fülle von autobiographischen Aufzeichnungen überliefert, die nahezu ausschließlich in der DDR publiziert wurden. Dieser Umstand ist darin begründetet, dass das die vormaligen Mitglieder des Nationalkomitees in Westdeutschland als Verräter verunglimpft wurden. Bis heute wird dieses Bild von rechten Kreisen aufrechterhalten. Im Folgenden sollen zwei unterschiedliche autobiographische Quellen ehemaliger aktiver des NKFD kritisch untersucht werden. Zum einen die Tagebuchaufzeichnungen „Memento Stalingrad“ des Dichters Erich Weinert, dem späteren Vorsitzenden des NKFD. Zum anderen Bernt von Kügelgens Autobiographie „Die Nacht der Entscheidung“.
Die folgende – eine für die Geschichtsschreibung des NKFD zentrale Frage – soll an die beiden Quellen gestellt werden: Hatte die antifaschistische Propagandaarbeit des Nationalkomitees Erfolg? Zunächst soll der Forschungstand skizziert werden. Zum besseren Verständnis der Quellen werden die Biographien Weinerts und Kügelgens kurz dargestellt werden, um dann die oben gestellten Fragestellungen an die beiden Quellen zu stellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Forschungstand
3. Zur Biographie Erich Weinerts und Bernt von Kügelgens
4. Die Quellen
5. Die Propagandaarbeit in den beiden Quellen
6. Zusammenfassung
7. Literatur- und Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Nach der Niederlage der faschistischen Wehrmacht bei Stalingrad gründeten ins sowjetische Exil geflohene deutsche Kommunisten gemeinsam mit kriegsgefangenen deutschen Soldaten in Krasnogorsk (unweit von Moskau) am 12. und 13. Juli 1943 das „Nationalkomitee Freies Deutschland“[1]. Damit wurde der Vorschlag des Politbüros des Zentralkomitees der KPD über die Bildung eines deutschen Komitees zum Kampf gegen Hitlerkrieg und Nazityrannei“[2] in die Tat umgesetzt. Unter dem Titel „Manifest des Nationalkomitees ‚Freies Deutschland’ an die Wehrmacht und das deutsche Volk“ wurde auf der Gründungsversammlung des NKFD ein programmatisches Dokument beschlossen, in dem die politischen Ziele formuliert wurden: Der Krieg solle sofort beendet werden, der Hitlerfaschismus gestürzt und eine demokratische Regierung in Deutschland errichtet werden.[3] Die Propaganda des NKFD richtete sich in erster Linie an die deutschen Soldaten und wurde mit einem enormen Aufwand betrieben. Massenhaft wurden Flugblätter über den deutschen Linien abgeworfen, aus den Schützengräben der Roten Armee sprachen die Frontbevollmächtigten des NKFD per Lautsprecher direkt an die Angehörigen der Wehrmacht. Mit der Wochenzeitung „Freies Deutschland“ schuf sich das NKFD ein eigenes Organ.[4] Am 20. Juli 1943 nahm der gleichnamige Radiosender den Betrieb auf.[5] Von den ehemaligen Aktivisten des NKFD ist eine Fülle von autobiographischen Aufzeichnungen überliefert, die nahezu ausschließlich in der DDR publiziert wurden.[6] Dieser Umstand ist darin begründetet, dass das die vormaligen Mitglieder des Nationalkomitees in Westdeutschland als Verräter verunglimpft wurden[7]. Bis heute wird dieses Bild von rechten Kreisen aufrechterhalten.[8] Im Folgenden sollen zwei unterschiedliche autobiographische Quellen ehemaliger aktiver des NKFD kritisch untersucht werden. Zum einen die Tagebuchaufzeichnungen „Memento Stalingrad“[9] des Dichters Erich Weinert, dem späteren Vorsitzenden des NKFD. Zum anderen Bernt von Kügelgens Autobiographie „Die Nacht der Entscheidung“.[10]
Die folgende – eine für die Geschichtsschreibung des NKFD zentrale Frage – soll an die beiden Quellen gestellt werden: Hatte die antifaschistische Propagandaarbeit des Nationalkomitees Erfolg? Zunächst soll der Forschungstand skizziert werden. Zum besseren Verständnis der Quellen werden die Biographien Weinerts und Kügelgens kurz dargestellt werden, um dann die oben gestellten Fragestellungen an die beiden Quellen zu stellen.
2. Forschungstand
Die Geschichte des NKFD ist nur wenig erforscht. Dieser Umstand mag darin begründet liegen, dass die Angehörigen des Nationalkomitees – wie eingangs erwähnt – jahrzehntelang als „Verräter“ galten. Die (unvollständige) „Bibliographie zum Nationalsozialismus“[11] weist jedenfalls nur ein paar Dutzend Publikationen zum NKFD aus.[12] Zu einigen Einzelaspekten der Geschichte des Nationalkomitees – wie zum Beispiel zum Radiosender „Freies Deutschland“ liegen nach Kenntnisstand des Autors überhaupt noch keine Monographien vor. Vor allem Bodo Scheurig hat in Deutschland zur Geschichte des NKFD publiziert. Seine Abhandlung „Freies Deutschland“[13] soll hier zum Vergleich mit den Aussagen Weinerts und von Kügelgens herangezogen werden. Ergänzend wurde in dieser Ausarbeitung Schoenhals’ Buch „The Free Germany Movement“[14] genutzt.
3. Zur Biographie Erich Weinerts und Bernt von Kügelgens
Der Dichter und Schriftsteller Erich Weinert[15] wurde am 4. August 1890 in Magdeburg geboren. Schon früh wirkte Weinert beim Kabarett als Autor und Schauspieler in Leipzig mit. Gedichte von ihm wurden erstmal 1920 veröffentlicht. Zunehmend politisierte Weinert sich und sein künstlerisches Werk. Ab dem Jahr 1924 wurden seine Gedichte in der „Roten Fahne“, dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) publiziert. Weinert schrieb Szenen für Agitproptruppen und Texte für Agitationslieder, die von Hanns Eisler vertont wurden. 1929 trat der Schriftsteller in die KPD ein. Bereits gegen Ende der Weimarer Republik war er wegen seines Engagements Repressionen ausgesetzt. Nach der Machtergreifung der Faschisten wurde Weinert ausgebürgert, er floh zunächst in die Schweiz, dann nach Paris und Moskau um sich schließlich den „Internationalen Brigaden“ in Spanien anzuschließen. Nach Internierung im französischen St. Cyprien kehrte er in die Sowjetunion zurück, wo er sich zunächst Übersetzungsarbeiten widmete. Seit dem Angriff Deutschlands auf die Sowjetunion arbeitete Weinert für die Politische Verwaltung der Roten Armee und beteiligte sich beim Aufbau eines Propagandaapparats zur ideologischen Bekämpfung der Wehrmacht. Er verfasste zahlreiche Flugblätter, die über den deutschen Linien von Flugzeugen abgeworfen wurden oder unter den deutschen Kriegsgefangenen verbreitet wurden. Gemeinsam mit Walter Ulbricht, Willi Bredel und anderen Antifaschisten ging Weinert im Dezember 1942 an die Front nach Stalingrad. Dort entstand das in dieser Ausarbeitung behandelte Tagebuch „Memento Stalingrad“. Nach der Gründung des NKFD übernahm Weinert dessen Vorsitz. Am 2. Januar 1946 kehrte er nach Berlin zurück und setzte seine schriftstellerische und verlegerische Tätigkeit in der SBZ und DDR bis zu seinem Tod am 20. April 1953 fort.
[...]
[1] Im Folgenden als „NKFD“ abgekürzt.
[2] Vgl. „Aus dem Vorschlag des Politbüros des ZK der KPD zur Bildung eines deutschen Komitees zum Kampf gegen Hitlerkrieg und Nazityrannei vom 27. Mai 1943“, abgedruckt in: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung (Bd.5), hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Berlin (Ost) 1966, S. 574f.
[3] Vgl. „Manifest des Nationalkomitees ‚Freies Deutschland’ an die Wehrmacht und das deutsche Volk“, abgedruckt in: Verrat hinter Stacheldraht? Das Nationalkomitee „Freies Deutschland“ und der Bund deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943 – 1945, hrsg. von Bodo Scheurig, München 1965, S. 77ff.
[4] Zur Zeitung „Freies Deutschland“ siehe: Petrick, Birgit: ‚Freies Deutschland’ – die Zeitung des Nationalkomitees ‚Freies Deutschland’. Eine kommunikationsgeschichtliche Untersuchung., München u.a, 1979.
[5] Vgl. dazu: Clemens, Dominik: „Deutschland muss leben, deshalb muss Hitler fallen“. Der Radiosender des Nationalkomitees „Freies Deutschland“. Ein Überblick., unveröffentlicht.
[6] Diese Feststellung trifft auch für Quelleneditionen zu, die ebenfalls fast ausschließlich in der DDR publiziert wurden.
[7] Dieses Bild wurde auch publizistisch gestützt. Als Beispiel soll hier nur Strassner, Peter: Verräter: das Nationalkomitee Freies Deutschland, Keimzelle der sogenannten DDR, München 1960 angeführt werden.
[8] In einem Artikel der rechten Wochenzeitschrift „Das Ostpreussenblatt“ heißt es, die Kommunisten im NKFD seien „keine Widerständler, sondern ganz einfach Verbrecher gewesen“. Siehe dazu Boeselager, Philip Freiherr v.: NKFD und Bund deutscher Offiziere. Gehörten die beiden Organisationen zum Widerstand?, in: Das Ostpreussenblatt v. 23. 9. 2000.
[9] Weinert, Erich: Memento Stalingrad. Ein Frontnotizbuch, Berlin (Ost) 1951. Die in diesem Buch beschriebenen Ereignisse liegen vor der Gründung des NKFD, können jedoch trotzdem herangezogen werden, da die Bedingungen und Probleme unter denen die antifaschistische Propaganda betrieben wurde vergleichbar mit denen zur Zeit des NKFD waren.
[10] Kügelgen, Bernt von: Die Nacht der Entscheidung. Erinnerungen an Familie und Jugend, Berlin (Ost) 1983.
[11] Ruck, Michael: Bibliographie zum Nationalsozialismus, Bd. 1, Darmstadt 2000.
[12] Vgl. ebenda, S. 695ff.
[13] Scheurig, Bodo: Freies Deutschland. Das Nationalkomitee und der Bund Deutscher Offiziere in der Sowjetunion 1943 – 1945, Köln 1984.
[14] Schoenhals, Kai P.: The Free Germany Movement. A case of patriotism or treason?, New York u. a. 1989.
[15] Alle Angaben wurden vom Autor zusammengestellt nach: Preuß, Werner: Erich Weinert. Bildbiographie. Berlin (Ost) 1970.
- Citar trabajo
- Dominik Clemens (Autor), 2003, Deutsche an der Seite der Roten Armee - Die Tätigkeit deutscher Antifaschisten in der Sowjetunion in autobiographischen Quellen., Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72290
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