Eine Semesterarbeit, die zu folgendem Schluss kommt:
Um ein abschließendes Urteil über diese Gattung der Komödie zu geben möchte ich Karl HOLL zitieren, welcher sagt: „ Alle diese Betrachtungen zeigen uns, daß die Rührkomödie zwar kein bedeutendes Lustspiel innerhalb der deutschen Literatur hervorbringt, daß sie aber als Spiegelung einer empfindsamen Zeit voll folgereicher sozialer Entwicklungen unverlöschlichen kulturhistorischen Wert besitzt.“ Hier wollte er vielleicht auch darauf anspielen, daß das rührende Lustspiel eine wichtige Rolle in der Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels inne hatte, denn bereits in der weinerlichen Komödie wurden Standesschranken übergangen und etwas `trauriges´ für das Bürgertum geboten.
Inhaltsverzeichnis
1. Herkunft, Einflüsse, Entstehung
1.1 Europäische Vorbilder
1.2 Anfänge und Entwicklung in Deutschland
1.3 Zusammenhang zur sozial-politischen Situation
2. Grundzüge, Eigenschaften, Hauptvertreter
2.1 Allgemeiner Charakter und Hauptvertreter
2.2 Themen, Sprache, Personen
3. Kritik und Verteidigung
3.1 Chassiron vs. Gellert
4. Schluß
Literaturverzeichnis
1. Herkunft, Einflüsse, Entstehung
1.1 Europäische Vorbilder
Als sich in Deutschland die sächsische Typenkomödie entwickelte, war in England und Frankreich bereits eine andere Form der Komödie entstanden. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts hatte sich in England die sentimental comedy herausgebildet. Autoren wie Addison, Steele oder Cibber hatten die Bühne zu einer Art Kanzel gemacht, von der sie das Bürgertum predigtartig auf die Wichtigkeit der Tugenden aufmerksam machen wollten. Richard Steele (1672-1729) beschrieb z.B. in seiner Komödie „The Tender Husband“ (1705) eine glücklich und zufriedene Familie mit einem positiv erscheinendem, herzlich-`zärtlichen´ Vater, und nicht etwa die lächerliche Darstellung eines `verweichlichten´ Ehemannes.
Auch Frankreich hatte Vorreiter für die Entwicklung einer neuen Gattung in Deutschland. Bereits bei Pierre de Mariveaux (1688-1763) kann man genaue Analysen der Personen in positiver Form finden - im Gegensatz zur Verlachkomödie. Auch in den Komödien von Destouches, der die sentimental comedy während eines Englandaufenthaltes kennengelernt hatte, gibt es eher moralisch vorbildliche Handlungen und Personen als Lasterhaftes. Selbst Voltaire ließ in seine Stücke „Enfant Prodigue“ und „Nanine“ Gefühlsregungen mit einfließen. Den Durchbruch der neuen Gattung Comédie larmoyante gab es durch Pierre Claude Nivelle de la Chaussée, der in den 30er und 40er Jahren fünf erfolgreiche Komödien dieser Art schrieb: „La Fausse Antipathie“ 1733, „Le Préjuge à la Mode“ 1735, „L`Ecole des Amis“ 1737, „Mélanide“ [1] 1741 und „Pamela“ [2] 1743. de la Chaussée und andere machten die Comédie larmoyante in Frankreich zur führenden Gattung im Theater zwischen 1730 und 1740.
1.2 Anfänge und Entwicklung in Deutschland
Wie auch in England und Frankreich enstand das weinerliche oder rührende Lustspiel in Deutschland nicht plötzlich, sondern seine Elemente tauchten immer öfter in satirischen Typenkomödien auf und wurden außerdem von verschiedenen Literaten gefordert.
Adam Daniel Richter spricht in seinen „ Regeln und Anmerkungen über die lustige Schaubühne“, welche 1741 im 7. Band Gottscheds „Critischer Beyträge“ erschienen, als erster in Deutschland von einer „tugendhaften Komödie, [welche eine] innerliche, angenehme Bewegung des Gemüths über die empfundenen Vollkommenheiten [bewirken solle]“.[3] Johann Elias Schlegel meinte, daß auch leidenschaftliche Stoffe zu den Inhalten der Komödie gehören sollten. In seinen „Gedanken zur Aufnahme des dänischen Theaters“ (1747) erwähnt er fünf Dramentypen, wobei sich eine dadurch von den anderen unterscheidet, daß seine Handlungen „theils die Leidenschaften, theils das Lachen erregen“, und weiter begründet er: „[...] die allerschönste Ausführung der Charaktere ist vergeblich, wenn dadurch nur der Verstand, und nicht zugleich das Herz eingenommen wird“.[4]
1.3 Zusammenhang zur sozial-politischen Situation
Im Gegensatz zur Frühaufklärung wurden in der Zeit, in der das rührende Lustspiel aufkam die Tugend- und Moralvorstellungen nicht mehr rein rational, sondern immer mehr emotional fundiert. In einer von Rationalismus, Verstand und Vernunft beherrschten Epoche stieg das Verlanden nach Gefühl und Sentimentalität - u.a. angetrieben durch die Religion. Auch der sozial-politische Aufstieg des Bürgertums steht im Zusammenhang zur Entwicklung des weinerlichen Lustspiels. Dieser Aufstieg des bürgerlichen Mittelstandes wird vorrangig durch seine wirtschaftlichen Erfolge erreicht. Das Selbstbewußtsein der Bürger im 18. Jahrhundert wird zusätzlich gestärkt durch die „moralischen Wochenschriften“. Dieser Zeitschriftentypus der Aufklärung entstand zu Anfang des Jahrhunderts in England, erreichte jedoch schnell Deutschland, wo er besonders beliebt war. Durch Kritik an Kultur und Lebensstil der Aristokratie und vor allem aufklärerische Themen forderten die moralischen Wochenschriften die Bürger auf, ihre menschlichen Qualitäten zu entfalten.
Diese erstarkten Bürger wollten von nun an auch im Theater anders dargestellt werden. Sie wollten nicht mehr länger nur Objekt der Komik sein, sondern Objekt der Sympathie und der Bewunderung seiner Tugenden. Man wollte dem verschwenderischen, fast hedonistischen Leben des Adels ein betont sittliches Empfinden gegenüber stellen.
Zusammenfassend könnte man sagen, daß das rührende Lustspiel die bürgerliche Mittelstandsbewegung des 18. Jahrhunderts wiederspiegelt.
2. Grundzüge, Eigenschaften, Hauptvertreter
2.1 Allgemeiner Charakter und Hauptvertreter
Das rührende Lustspiel soll im Gegensatz zur sächsischen Typenkomödie nicht mehr Reaktionen des Verlachens und Verspottens, sondern die Erregung von Empfindungen wie Rührung und Mitleid hervorrufen - die Erregung des spöttischen Lachens findet nur noch geringfügig durch die Nebenrollen statt.
Inhaltlich haben die Tugenden die Vernunft abgelöst, welche nicht mehr den Verstand, sondern vielmehr das Herz ansprechen sollten. Die Komödie ist nicht der Spiegel zu vermeidender Laster, sondern eine Vorführung der positiven Tugenden: das Prinzip `die Tugend siegt´ soll erläutert werden. Es soll gezeigt werden, daß tugendhaftes, durchdachtes und religiöses Verhalten zu Glück und Zufriedenheit führt; Empfindung wird neben der Vernunft zur Entscheidungskompetenz aufgewertet. Der hier dargestellte Tugendethos bezieht sich jedoch vorrandgig auf eine privat-menschliche Moralität und nicht in erster Linie auf das öffentlich-politische Verhalten.
Inhalte der moralischen Botschaften waren z.B.: „die Vorzüge einer vernünftigen Religion“, „die Grundsätze einer vorbildlichen Ehe“, „die angemessene Einstellung zu Geld und Handel“, die negativen Folgen von „Habgier, Geiz, Egoismus, Hochmut und Eitelkeit“, sowie die positiven Folgen von „selbstlosen Taten, Bescheidenheit und Emotionalität“.[5] Die Schlüsselworte des rührenden Lustspiels sind Herz, Seele, Liebe, Gefühl, Leidenschaft, Rechtschaffenheit und besonders Tugend, Empfindung und Zärtlichkeit.
[...]
[1] De la Chaussées berühmtestes Werk, daß auch als Musterbeispiel für die Comédie larmoyante bezeichnet wird.
[2] Nach dem Roman von Richardson.
[3] Zitiert nach Horst Steinmetz: Die Komödie der Aufklärung. Stuttgart 1966, S. 46.
[4] Zitiert nach Eckehard Catholy: Das deutsche Lustspiel: von der Aufklärung bis zur Romantik. Stuttgart 1972, S. 42.
[5] Horst Steinmetz: Das deutsche Drama von Gottsched bis Lessing: ein historischer Überblick. Stuttgart 1987, S. 67 f..
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