„Olympia, und das Glück der Stadt ist gemacht“. Dieser Ausspruch des stellvertretenden Leiters der Stadtexekutive Manchesters symbolisiert die Hoffnungen, die eine Stadt in Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele hegt. In der Regel benötigen städtebauliche Maßnahmen durch Bürokratisierung und Demokratisierung der zur Planung gehörigen Prozesse eine lange Planungs- und Bauzeit. Viele heute realisierte Projekte sind vor Jahrzehnten geplant worden. Durch den Zeitdruck im Zusammenhang mit Großereignissen, wie beispielsweise den Olympischen Spielen scheint, es jedoch möglich, auch groß angelegte Projekte der Stadtentwicklung innerhalb kürzester Zeit zu verwirklichen, da sich die Stadt zum Zeitpunkt des Ereignisses von ihrer „besten Seite“ zeigen möchte. Durch die Ausrichtung derartiger Projekte kann dieser Planungsakt um ein Vielfaches beschleunigt werden.
Die katalanische Provinzhauptstadt Barcelona ist ein Vorbild für eine erfolgreiche Stadtentwicklung durch große Projekte. Die Olympischen Spiele im Jahre 1992 brachten der Metropole Stadtentwicklungsimpulse, die der Stadt nachhaltig dienten. Um einen weiteren „Schub“ für die Stadtentwicklung zu erreichen, richtete die Stadt im Jahre 2004 ein neues internationales Festival aus, das so genannte Forum 2004.
Die Olympischen Spiele 2004 in Athen stellen das jüngste Ereignis dieser Art dar. Durch die Ausrichtung dieses großen Projektes ist die Hauptstadt Griechenlands in den Fokus des Interesses der stadtgeographischen Forschungen gerückt. Vor diesem Hintergrund muss die Frage erörtert werden, inwieweit Athen den Beschleunigungseffekt für die Stadtentwicklung durch die Ausrichtung der Olympischen Spiele genutzt hat. Hierbei ist vor allem interessant, welche Veränderungen die Agglomeration durch das Ereignis erfahren hat. Zudem müssen die wirtschaftlichen Vorteile und Risiken dargelegt und die Finanzierung des Ereignisses untersucht werden.
Aus diesem Grund sollen zunächst die Begriffe der „Stadtentwicklung“ und die „Politik der großen Projekte“ bzw. die „Festivalisierung der Politik“ erörtert werden, um anschließend die Olympischen Spiele als großes Ereignis zu betrachten. In Kapitel 4 wird schließlich auf die Veränderungen in Athen im Zuge der Olympischen Spiele 2004 eingegangen. Hierbei sollen die Veränderungen der Verkehrsinfrastruktur, der urbanen Räume und der Wirtschaft untersucht werden. Zudem soll die wirtschaftliche Grundlage des großen Projektes erfasst und analysiert werden.
Inhalt
1 Einleitung
2 Stadtentwicklung durch große Projekte
2.1 Die Theorie der Stadtentwicklung
2.2 Die Theorie der Festivalisierung
2.2.1 Merkmale großer Projekte
2.2.2 Die Rolle der Großprojekte in der Politik
2.2.2.1 Argumente für die Politik der Festivalisierung
2.2.2.2 Argumente gegen die Politik der Festivalisierung
3 Die Olympischen Spiele als Großereignis
3.1 Die Olympischen Spiele in München im Jahre 1972
3.2 Die Olympischen Spiele in Barcelona im Jahre 1992
4 Die Auswirkungen der Olympischen Spiele auf die Stadtentwicklung Athens
4.1 Die Untersuchungsmethode
4.2 Die Entwicklung Athens bis zu den Olympischen Spielen
4.3 Hypothesenformulierung
4.4 Untersuchung der Hypothesen
4.4.1 Hypothese 1: Infrastruktur
4.4.2 Hypothese 2: Integration benachteiligter Stadtgebiete
4.4.3 Hypothese 3: Finanzierung
4.4.4 Hypothese 4: Tourismus und Image
4.4.5 Hypothese 5: Ökonomische Entwicklung
4.5 Evaluation der Ergebnisse
5 Fazit
Literatur
Anhang
1 Einleitung
„Olympia, und das Glück der Stadt ist gemacht“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 8). Dieser Ausspruch des stellvertretenden Leiters der Stadtexekutive Manchesters symbolisiert die Hoffnungen, die eine Stadt in Zusammenhang mit der Ausrichtung der Olympischen Spiele hegt. In der Regel benötigen städtebauliche Maßnahmen durch Bürokratisierung und Demokratisierung der zur Planung gehörigen Prozesse eine lange Planungs- und Bauzeit. Viele heute realisierte Projekte sind vor Jahrzehnten geplant worden. Durch den Zeitdruck im Zusammenhang mit Großereignissen, wie beispielsweise den Olympischen Spielen scheint, es jedoch möglich, auch groß angelegte Projekte der Stadtentwicklung innerhalb kürzester Zeit zu verwirklichen, da sich die Stadt zum Zeitpunkt des Ereignisses von ihrer „besten Seite“ zeigen möchte. Durch die Ausrichtung derartiger Projekte kann dieser Planungsakt um ein Vielfaches beschleunigt werden.
Große Projekte und Ereignisse werden daher immer häufiger als Mittel der Stadtentwicklung genutzt. Die Bewerbungen für Olympische Spiele und Weltausstellungen nehmen seit den achtziger Jahren stetig zu. Diese Tatsache und die Variationsbreite der Großereignisse zeigen die zunehmende Bedeutung dieser Art von Stadtpolitik. Leipzig bewirbt sich für die Olympischen Spiele 2012, Berlin richtet die Leichtathletik-Weltmeisterschaften aus, Münster möchte die europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2010 werden, Hannover führte die Weltausstellung im Jahre 2000 durch, und München veranstaltet die Bundesgartenschau im Jahre 2005. Die katalanische Provinzhauptstadt Barcelona ist ein Vorbild für eine erfolgreiche Stadtentwicklung durch große Projekte. Die Olympischen Spiele im Jahre 1992 brachten der Metropole Stadtentwicklungsimpulse, die der Stadt nachhaltig dienten. Um einen weiteren „Schub“ für die Stadtentwicklung zu erreichen, richtete die Stadt im Jahre 2004 ein neues internationales Festival aus, das so genannte Forum 2004.
Alle Ereignisse verfolgen das gemeinsame Ziel, die Veranstaltung als Mittel der Stadtentwicklung zu nutzen und die Stadt sowie das Land in der Welt zu präsentieren.
In den vergangen Jahren hat es immer wieder Untersuchungen bezüglich der Stadtentwicklung bei verschiedensten großen Projekten und Ereignissen gegeben. Die planungstheoretische Grundlage dieser Untersuchungen bildete dabei die Theorie der „Festivalisierung der Stadtpolitik“, die von den beiden Stadtsoziologen Hartmut Häußermann und Walter Siebel Anfang der neunziger Jahre aufgestellt wurde. Da diese Theorie in den letzten Jahren keine Modifikationen erfahren hat, bildet sie ebenso die theoretische Grundlage für diese Arbeit (vgl. Huning und Peters 2004).
Die Olympischen Spiele 2004 in Athen stellen das jüngste Ereignis dieser Art dar. Durch die Ausrichtung dieses großen Projektes ist die Hauptstadt Griechenlands in den Fokus des Interesses der stadtgeographischen Forschungen gerückt. Vor diesem Hintergrund muss die Frage erörtert werden, inwieweit Athen den Beschleunigungseffekt für die Stadtentwicklung durch die Ausrichtung der Olympischen Spiele genutzt hat. Hierbei ist vor allem interessant, welche Veränderungen die Agglomeration durch das Ereignis erfahren hat. Zudem müssen die wirtschaftlichen Vorteile und Risiken dargelegt und die Finanzierung des Ereignisses untersucht werden.
Aus diesem Grund sollen zunächst die Begriffe der „Stadtentwicklung“ und die „Politik der großen Projekte“ bzw. die „Festivalisierung der Politik“ erörtert werden, um anschließend die Olympischen Spiele als großes Ereignis zu betrachten. In Kapitel 4 wird schließlich auf die Veränderungen in Athen im Zuge der Olympischen Spiele 2004 eingegangen. Hierbei sollen die Veränderungen der Verkehrsinfrastruktur, der urbanen Räume und der Wirtschaft untersucht werden. Zudem soll die wirtschaftliche Grundlage des großen Projektes erfasst und analysiert werden.
2 Stadtentwicklung durch große Projekte
2.1 Die Theorie der Stadtentwicklung
Aufgrund der Komplexität des Themas Stadtentwicklung in der allgemeinen Geographie soll an dieser Stelle lediglich ein kurzer Überblick zu dem Forschungsgegenstand verschafft werden. Stadtentwicklung wird auf zweierlei Arten betrachtet. Eine allgemeine Theorie der Stadtentwicklung kann weder von der Geographie noch von der Soziologie formuliert werden (vgl. Nutz 1998, S. 23). Der Kölner Stadtsoziologe Jürgen Friedrichs sagt dazu:
Stadtentwicklung ist ein komplexer Prozeß, der sich nicht als ganzes erklären läßt; erklären lassen sich nur einzelne Sachverhalte […] (in Nutz 1998, S. 23f).
Zum einen beschreibt der Begriff der Stadtentwicklung den zeitlichen Ablauf der Entwicklung einer Stadt von der Entstehung bis zur Gegenwart beziehungsweise in einem bestimmten Zeitabschnitt. Stadtentwicklung stellt die historische Genese einer Stadt zu einem bestimmten Stadttypus dar (vgl. Nutz 1998, S. 23). Stadtentwicklung ist der „ständige Wandel der sozialen und wirtschaftlichen sowie der baulichen und räumlichen Struktur der Städte“ (Leser 1997, S. 810). Auf der anderen Seite findet der Begriff in der Raumplanung Verwendung. Stadtentwicklung bedeutet in diesem Sinne eine Planung für eine zukunftsorientierte Konzeption zur weiteren Entwicklung einer Stadt (vgl. Leser 1997, S. 810). Vor allem die Chicagoer Stadt-soziologen beschäftigten sich Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals mit Theorien der Stadtentwicklung. Burgess, Hoyt sowie Harris und Ullman entwarfen die ersten Stadtstrukturmodelle, die sich mit Formen der geordneten Stadtentwicklung beschäftigen. Im Laufe des letzten Jahrhunderts sind verschiedene Leitbilder der Stadtentwicklung entstanden, die Stadtplanern als Grundlage für ihre Arbeit dienen. Die Gartenstadt, die funktionale Stadt, die Stadt der kurzen Wege sowie die kompakte Stadt sind Beispiele für Leitbilder der Stadtentwicklung.
Durch veränderte wirtschaftliche und politische Rahmen-bedingungen steht die Stadtentwicklung vielerorts vor neuen Herausforderungen bezüglich einer aktiven und flexiblen Stadtentwicklungspolitik. Wachstumsdruck, knappe Ressourcen und externe Belastungen der öffentlichen Haushalte, aber auch anhaltendes Verkehrswachstum, soziokultureller Wertewandel, Nutzungskonflikte sowie Engpässe auf den Wohnungsmärkten erfordern ein Überdenken der Prioritäten. Des Weiteren sind neue Organisations- und Verhaltensmodelle, ein gezielterer Einsatz städteplanerischer Instrumente und grundlegende Konzepte zur Sicherung sozial- und umweltverträglicher städtischer Lebensbedingungen notwendig.
Im Kontext der Nachhaltigkeitsdiskussion und veränderter Rahmenbedingungen entstand das Leitbild der nachhaltigen Stadt. Diesem Leitbild liegt das Ziel zugrunde, die allgemeinen Möglichkeiten, welche die räumliche Ballung von Menschen und ihrer Aktivitäten bietet, optimal auszuschöpfen und dabei wirtschaftliche Potenziale und die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen mit gesellschaftlicher Integration, persönlicher Freiheit, sozialer Gerechtigkeit und kultureller Entwicklung zu vereinen. Ein wichtiges Kennzeichen diese Leitbildes ist auch, dass es, anders als viele der Vorgänger, „kein festgeschriebenes räumlich-strukturelles Konzept besitzt“ (Fürst et al. 1999, S. 7). Es kommt daher dem politischen Willen entgegen, sich aktiv mit den Anforderungen sich verändernder Rahmenbedingungen auseinander zu setzen, ohne dabei langfristige soziale, ökologische und ökonomische Entwicklungsziele aus den Augen zu verlieren. Im Laufe der letzten Jahre hat das Thema der nachhaltigen Stadtentwicklung eine geradezu unübersehbare Vielfalt von Konzepten und Zielvorstellungen hervorgebracht, die hier nicht thematisiert werden können (vgl. Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit).
Letztlich wird die Entwicklung einer Stadt immer ein Produkt aus Raum und Zeit bleiben. Unterliegt einer der beiden Faktoren außergewöhnlichen Schwankungen oder Veränderungen, so gerät das Produkt unter erheblichen Druck (vgl. Nutz 1998, S. 25).
Vor allem wenn keine Zeit für die Entwicklung bleibt, entsteht eine Situation, die einer Streßsituation gleichkommt und sich im Raum massiv auswirken kann (Nutz 1998, S. 25).
Eine solche Stresssituation entsteht, wenn Planungsmechanismen einer Stadt nicht mehr mit der Veränderungsdynamik Schritt halten können. Sie kann jedoch beispielsweise durch die Austragung Olympischer Spiele künstlich herbeigeführt werden, da es bei dem Ereignis zumeist in kürzester Zeit zu Entwicklungen in der Stadt kommt, die unter „normalen“ Bedingungen ein Vielfaches der Zeit benötigt hätten. Die Stadtsoziologen Häußermann und Siebel haben dieses Phänomen der bewussten Stadtentwicklungspolitik unter dem Druck eines Großereignisses näher untersucht. Diese Politik der Festivalisierung sowie ihre Notwendigkeit sollen im Folgenden vorgestellt werden.
2.2 Die Theorie der Festivalisierung
Der Begriff der Festivalisierung, der von Walter Siebel geprägt wurde, umfasst auf komplexe Art und Weise die Thematik der Stadtentwicklung durch große Projekte (vgl. Siebel 1992, S. 62). Festivalisierung bezieht sich zudem auf Großereignisse, Big Events, Feste, Festivals oder Großveranstaltungen in der Stadt und im Land.
Bevor der Begriff genauer erläutert wird, muss das Fest, Großereignis oder Festival im Allgemeinen betrachtet werden. Der grundlegende Charakter eines Großereignisses liegt in der „Außeralltäglichkeit“ (vgl. Ibert 2004). Bei einem großen Projekt handelt es sich für die Bevölkerung und die Administrative um eine nicht alltägliche Situation, denn es macht außeralltägliche Anstrengungen notwendig. Dabei werden administrative Vorgehensweisen übergangen, um aufgrund der zeitlichen Abgrenzung des Ereignisses ungewöhnliche Lösungen zuzulassen. Finanzielle Sonderausgaben beispielsweise sind in einer außeralltäglichen Situation „viel weniger legitimationspflichtig als im Alltag“ (Ibert 2004).
Im Folgenden soll der Begriff der Festivalisierung näher erläutert werden. Häußermann und Siebel stellen fest, dass Festivalisierung „ein Kind ökonomischer Stagnation, öffentlicher Finanzkrise und Deregulierung ist“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 14). Dabei unterscheidet man bei dieser Form der Planung zwei unterschiedliche Strategien. Zum einen gibt es die „Politik der tausend Blumen“, die an verschiedenen Orten Projekte ins Leben ruft, die beispielhaft für die Lösung der Probleme im Sinne der Nachhaltigkeit in der Region stehen. Sie sollen als Vorzeigemodell dienen für einen zukünftigen Aufschwung und dabei endogene Kräfte wecken, um den ökonomischen Niedergang zu stoppen (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 14). Siebel untersuchte zu dieser Strategie die Internationale Bauausstellung Emscher Park im nördlichen Ruhrgebiet, die als Beispiel für ein solches Projekt gilt (vgl. Siebel 1992a).
Die Auswirkungen der im Folgenden erläuterten zweiten Strategie, die die „Politik der großen Ereignisse“ verfolgt, bilden die Untersuchungsgrundlage der vorliegenden Arbeit. (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 14). Durch große Projekte wird in der Stadt ein allgemeiner „Lokomotiveffekt“ erwartet, der die Stadtentwicklung ankurbeln soll (vgl. Häußermann und Siebel 1994, S. 57; Siebel 1992, S. 62). Das Festival wird zu einem Mittel der Stadtpolitik. Häußermann und Siebel geben hierzu folgende Stellungnahme ab: „Nicht Stadtpolitik für ein Festival, sondern Festivalisierung der Stadtentwicklung“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 15). Diese Form der Stadtpolitik kann der Kommune und dem Land sowohl große Vorteile als auch negative Konsequenzen bringen. Die Politik der großen Ereignisse vermag katalytische Effekte für die Stadtentwicklung hervorzurufen, kann aber auch in einem finanziellen Fiasko enden oder die tatsächlichen Bedürfnisse der städtischen Bevölkerung überschatten beziehungsweise marginalisieren (vgl. Chalkley und Essex o. J.). In diesem Zusammenhang stellt sich zunächst die Frage, warum diese risikoreiche Politik verfolgt wird. Was also macht ein Großereignis so interessant, dass es für die Stadtpolitik unumgänglich zu sein scheint?
Um diese Frage beantworten zu können, wird im Folgenden zunächst auf die Merkmale eines großen Projektes eingegangen, um im Anschluss daran die Rolle der Festivalisierung in der Stadtpolitik zu analysieren.
2.2.1 Merkmale großer Projekte
Ein neuer Typus von Politik wird sichtbar: Die Politik der großen Ereignisse. Dabei werden kampagneartig Gelder, Menschen und Medien auf ein möglichst klar umrissenes Ziel hin mobilisiert (Häußermann und Siebel 1993, S. 8).
Neben dem in diesem Zitat angeführten Merkmal weisen Großereignisse noch weitere Besonderheiten auf. So finden sie in Regionen statt, die sich in einem Auswahlverfahren gegen andere Mitbewerber durchgesetzt haben. Daher unterscheidet man zwischen Weltausstellungen und Olympischen Spielen auf internationaler Ebene, der Ernennung zur Kulturhauptstadt auf europäischer Ebene oder die Ausrichtung von Bundes- bzw. Landesgartenschauen auf bundesdeutscher Ebene (vgl. Huning und Peters 2003).
Daneben bedarf ein Ereignis jahrelanger Vorlaufzeit, da viele infrastrukturelle Veränderungen und sonstige Entwicklungsmaßnahmen von Nöten sind, um sich über die regionalen Grenzen hinaus zu präsentieren. Die spanische Provinzstadt Sevilla beispielsweise hat bereits im Jahre 1976 verkündet, dass sie eine Weltausstellung in der Stadt ausrichten möchte. Nach dem Verfahren der Bewerbung Sevillas entwickelte man erst im Jahre 1987 einen Generalplan für die Stadt, der die Planung für die Weltausstellung und die Realisierung der weiteren Nutzung beinhaltete. Die Maßnahmen der Stadtentwicklung wurden in den letzten vier bis fünf Jahren vor der EXPO `92 in Sevilla durchgeführt. (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 379f).
Eine zusätzliche Eigenschaft eines Großereignisses ist, dass es nicht nur durch die Stadt allein finanziert, sondern auch durch zahlreiche andere Träger, wie das Land oder den Bund, subventioniert wird. Von den 100 Millionen DM der EXPO-Gesellschaft für die Weltausstellung in Hannover sollten beispielsweise 70 Millionen von Bund und Land übernommen werden, 20 Millionen sollten von der Wirtschaft und lediglich 10 Millionen von der Landeshauptstadt aufgebracht werden (vgl. Selle 1993, S. 182).
Genauso spielen auch die so genannten Public Private Partnerships seit der zweiten Hälfte der achtziger Jahre eine Rolle bei der Finanzierung der Vorhaben. Aufgrund von Kompetenz- und Kapazitätsproblemen auf planerischer Ebene sowie wegen Knappheit kommunaler Haushaltsmittel geht man die Partnerschaft mit privaten Investoren ein. Die Gebietskörperschaften dienen bei dieser Form „nur noch als Partner unter anderen“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 9f). Bestärkt durch die europäische Deregulierungspolitik, die die Rolle des staatlichen Einflusses auf die Wirtschaft herabsetzt, erhält man Zugang zu privatem Know-how und Kapital sowie demzufolge eine Entlastung des öffentlichen Haushalts (vgl. Heinz 1993, S. 5). Auf diesem Wege entstanden beispielsweise die Docklands in London. Hierbei wurden aus der öffentlichen Kasse 1,548 Milliarden und von privaten Unternehmen 9,144 Milliarden britische Pfund investiert (vgl. The LDDC History Pages o. J.).
Ein nächstes Charakteristikum von Großereignissen ist die Größe des Projektes, die Zeichen setzen und die Stadt über die Grenzen hinaus medial präsentieren soll. Sie richtet sich nach Investitionssumme, Bauvolumen, Besucherzahl oder Beschäftigten und fördert das Image der Stadt (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 9). Bei der Weltausstellung im Jahre 1992 in Sevilla beispielsweise wurde die im Rio Guadalquivir liegende Isla de Cartuja vollständig neu gestaltet und das Verkehrssystem den Bedürfnissen dieser Stadterweiterung angepasst. Innerhalb kürzester Zeit wurde ein 215 Hektar umfassendes Areal bebaut und in die Strukturen der Stadt eingegliedert (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 386-389).
Des Weiteren sind zum einen städtebauliche Brachen, die die Deindustrialisierung in einer Stadt zurückgelassen hat, beliebte Standorte für Großprojekte, zum anderen sind es „großräumig, entscheidende Umgestaltungen und Erweiterungen bereits vorhandener Anlagen“ (Meyer-Künzel 2001, S. 312). Zu diesen Brachen zählen beispielsweise alte Industrieflächen, militärische Anlagen, ehemalige Flughäfen, Schiffshäfen und Werftanlagen sowie stillgelegte Bahnhöfe, die ihre Bedeutung verloren haben. All diese freigewordenen Flächen bieten die Möglichkeit für „eine integrierte Stadtentwicklung“ (Zlonicky 2003, S. 73). Die Londoner Hafenanlagen sind durch die Entwicklung großer Containerschiffe in den sechziger und siebziger Jahren überflüssig geworden. Um diese neu entstandene innerstädtische Brachfläche zu nutzen, wurde im Jahre 1981 die London Docklands Development Corporation (LDDC) gebildet, die dafür sorgte, dass das ganze Areal zu einem Nutzungsmischgebiet wurde. Appartementhäuser für gehobenes Wohnen und Bürokomplexe prägen heute diesen zentralen Bereich in London (vgl. The LDDC History Pages o. J.).
Für die Organisation eines großen Ereignisses werden zudem Träger, Projektgruppen und Entwicklungsgesellschaften in Sonderorganisationen zusammengefasst, den so genannten Task Forces, die nur für das Großereignis gebildet werden. Laut Häußermann und Siebel wird der bereits vorhandenen Administrative die Verwaltung einer solchen Aufgabe oft nicht zugetraut, wodurch derartige Einrichtungen notwendig werden (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 9). Beispiele hierfür findet man bei nahezu jedem Großereignis. Für die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland beispielsweise wurde das so genannte Organisationskomitee FIFA Weltmeisterschaft 2006 unter der Leitung von Franz Beckenbauer ins Leben gerufen.
Des Weiteren beinhaltet die Organisation eines Großereignisses, neben der „horizontalen Integration“ möglichst vieler kreativer Kompetenzen aus unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens, immer auch eine „vertikale Integration“. Häußermann und Siebel bezeichnen diesen Aspekt der projektförmigen Planung als „Umsetzungsorientierung“ und drücken damit aus, dass die gesamte Organisation des Großereignisses von einer Institution geplant und durchgeführt wird (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 10).
[…] von der Ideenformulierung über die Planung, Finanzierung bis zu Bau, Marketing und Management wird das Projekt möglichst in einer Hand organisiert (Häußermann und Siebel 1993, S. 10).
Die eingesetzten Sonderorganisationen übernehmen die gesamte Planung vom Anfang der Idee bis zum Abschluss des Großereignisses.
Das stadtpolitisch entscheidende Kriterium eines großen Projektes ist vermutlich die Wettbewerbsorientierung, so dass das Ereignis gezielt genutzt wird, um im internationalen Konkurrenzkampf der Städte um Investoren zu bestehen. Das Großereignis dient dazu, die Städte international bekannt zu machen und somit „Investitionen und Finanzflüsse von außerhalb in die Stadt zu lenken“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 10). Großveranstaltungen werden für Entwicklungs- und Investitionsmaßnahmen genutzt und zumeist von zusätzlichen Trägern mitfinanziert. Das Großereignis soll im Sinne der Nachhaltigkeit über „den eigentlichen Veranstaltungszeitraum hinaus“ (Huning und Peters 2003) spürbar bleiben.
Sicherlich gibt es große Projekte, Großereignisse oder Festivals schon seit langem. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es Weltausstellungen und seit 1896 Olympische Spiele. Häußermann, Siebel und Meyer-Künzel stellen jedoch einen Unterschied zu den frühen Großereignissen heraus, indem sie diese als „ephemer“ bezeichnen, da sie von nicht so langer Lebensdauer und kein Instrument einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik waren (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 16; Meyer-Künzel 2001, S. 33-83). Große Projekte dienten früher dazu, die Wirtschaftlichkeit und Macht des Landes über die Grenzen hinaus zu präsentieren. Die Folgen des Großereignisses spielten für die Bevölkerung und Stadt kaum eine Rolle. Häußermann und Siebel terminieren den Wandel der Stadtpolitik „von der Demonstration nationaler Macht und des technischen Fortschritts hin zu einem Instrument der Stadtpolitik“ auf die siebziger Jahre (Häußermann und Siebel 1993, S. 19). Seitdem nutzen Städte die großen Projekte als Motor für die Stadtentwicklung. Durch sie soll der Umbau der Stadt, der Ausbau der Infrastruktur und das Fördern der regionalen Wirtschaft beschleunigt werden (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 17). Das Ereignis soll Investitionen, Gewinne und Steuereinnahmen in die Stadt bringen sowie den Tourismus fördern und neue Arbeitsplätze schaffen. Hinter „Spiel und Spaß“ stehen „handfeste stadtpolitische Überlegungen“, so dass solche „Inszenierungen zum Kristallisationspunkt der Stadtentwicklung werden“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 8). Im Folgenden soll nun herausgestellt werden, warum sich die Stadtpolitik der Großprojekte als Instrument der Stadtentwicklung bedient.
2.2.2 Die Rolle der Großprojekte in der Politik
Städtekonkurrenz ist, ähnlich wie die Großereignisse, keine neue Erscheinung. Der Wettbewerb zwischen den Städten um die Ansiedlung von neuen Investoren hat sich in Folge der Globalisierung und der Öffnung des europäischen Marktes jedoch stark intensiviert. Selle führt in diesem Zusammenhang den ersten Halbsatz des kommunistischen Manifests an, der von einem nicht-kommunistischen „Gespenst in Europa“ berichtet, und zwar dem „Gespenst der Städtekonkurrenz“ (vgl. Selle 1996, S. 253).
Nun tritt Stuttgart mit Mailand, Hannover mit Barcelona, Hamburg mit Rotterdam und Köln mit Lyon unmittelbar in Konkurrenz um japanische, amerikanische und andere internationale Investoren (Häußermann und Siebel 1993, S. 13).
In Bezug auf die zunehmende Städtekonkurrenz werden in einer Zeit, in der harte Standortfaktoren flächendeckend vorhanden sind, weiche Standortfaktoren, wie das kulturelle Angebot und gute Freizeitmöglichkeiten, immer wichtiger.
Wie bereits zuvor erwähnt, ist nach Häußermann und Siebel der Beginn dieser Entwicklung in den siebziger Jahren anzusiedeln. In dieser Zeit begannen die Arbeitslosenzahlen zu steigen und aufgrund weniger Neuinvestitionen in der Stadt und einsetzender Suburbanisierung kam es zu einer Knappheit der öffentlichen Mittel. Auf der anderen Seite expandierten die Dienstleistungen und wandelten den Lebensstandard der Mittelschicht. Das hatte den Zwang von teurem Umbau in den Städten zu Folge, um die zahlungskräftige Bevölkerung in der Stadt zu halten. Man benötigte ein Instrument für die Stadtentwicklung, das es ermöglichte, trotz finanzieller Engpässe Stadtentwicklungsmaßnahmen in der Stadt zu realisieren. Zudem musste die durch Deregulierung und Privatisierung zurückgeschraubte rechtliche Kompetenz der öffentlichen Träger überspielt werden (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 12-14). Durch die veränderte weltpolitische und ökonomische Lage mussten Strategien für „das Wachstum unter der Bedingung der Stagnation entwickelt werden“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 13). Das nicht vorhandene Kapital erscheint durch exogene Investitionen mit Hilfe der Durchführung eines großen Projektes als „Patentlösung“ mobilisierbar (vgl. Siebel 1992, S. 62). Damit ist die Möglichkeit gegeben, neue Entwicklungen zu beschleunigen, Innovationen zu aktivieren und somit Wachstum zu erzeugen. Schon seit langem ausstehende Infrastruktur- und Entwicklungsmaßnahmen für Stadt und Region können im Zuge des Projektes realisiert werden. Dadurch hofft man, sich gegenüber anderen Städten hervorzuheben, da andernfalls die Städte aufgrund der Globalisierung und der damit verbundenen intensivierten Städtekonkurrenz für die Investoren „unsichtbar“ blieben. Vor allem kleinere Städte sind gegenüber den bekannten Weltmetropolen und großen Hauptstädten benachteiligt (vgl. Siebel 1992, S. 62).
Ebenso zeichnet sich noch eine andere „Unsichtbarkeit“ ab. Städte verschwinden in dem „Siedlungsbrei“ der großen Agglomerationen wie zum Beispiel dem Ruhrgebiet oder „dem Siedlungsband entlang der amerikanischen Ostküste von Boston bis Washington“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 15). Dieser Unsichtbarkeit möchte die Stadtplanung entgegenwirken, indem sie durch das große Ereignis einige Gebiete der Agglomeration für die Welt sichtbar macht, um somit sowohl die Identifikation der Bürger mit der Stadt zu erhalten, als auch ein Image für die Weltöffentlichkeit zu bilden. Die Präsenz der Medien in der heutigen Zeit intensiviert dieses Vorhaben (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 15). Häußermann und Siebel beschreiben die Rolle der Medien mit folgender Metapher:
Das ganze Jahr über an jedem Tag ein Jongleur in der Stadt wird vielleicht Kinder begeistern, aber sonst nicht weiter auffallen. 365 Jongleure an einem Nachmittag auf dem Marktplatz ergeben dagegen ein Medienereignis […] (Häußermann und Siebel 1993, S. 15).
Damit eine Stadt sichtbar wird, muss sie sich medial präsentieren, um sich von den international sichtbaren und konkurrenzfähigen Metropolen, wie London, Paris und New York abzuheben. Größere Bauwerke und „weitreichende Bilder sind notwendig“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 15), und alle Kräfte müssen zusammengerafft werden, damit man für den Moment des Großereignisses „so hoch springt, dass der japanische Investor“ die Stadt „wenigstens einmal zu Gesicht bekommt“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 15). Infolgedessen werden für das Ereignis große Projekte realisiert, „die zum Wahrzeichen für Fest und Stadt werden“ (Meyer-Künzel 2001, S. 14) und repräsentativ sind für eine neue moderne Architektur.
Die alltägliche Politik mit den Problemen wie Arbeitslosigkeit und Sozialpolitik bleibt ebenfalls unsichtbar für die breite Öffentlichkeit. Nach vier oder fünf Jahren sollte ein sichtbarer Erfolg vorzuweisen sein, denn um eine Wahl zu gewinnen, muss man gute Leistungen vorzeigen können (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 24; Wachten 1996, S. 89). In Hinblick auf die Legislaturperiode und eine mögliche und zugleich gewollte Wiederwahl setzen Kommunalpolitiker auf ein großes Projekt, das die Politik für die Bürger greifbar und erfahrbar machen soll.
Nachdem diejenigen Faktoren erörtert wurden, die das große Projekt zum Thema der Stadtpolitik gemacht haben, sollen nun im Folgenden die positiven Effekte des Events für die öffentliche Hand herausgestellt werden. Die Gründe für das Angehen eines großen Projektes „scheinen überwältigend zu sein“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 21).
2.2.2.1 Argumente für die Politik der Festivalisierung
Auseinander strebende Interessen in der Stadt machen es der Administrative immer schwieriger, eine konsensfähige Politik zu betreiben. Diese divergierenden Meinungen und Wünsche verschiedenster Gruppierungen nehmen der Bevölkerung die „generalisierte Identifikation mit der spezifischen Stadt“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 23). Durch das Großereignis können diese Interessen gebündelt werden, da es der Politik die Möglichkeit gibt, eine handlungsfähige Mehrheit zu mobilisieren und somit die politischen Vorgehensweisen zu legitimieren. Für die Olympischen Spiele im Jahre 1972 in München arbeiteten beispielsweise die von der SPD regierte Stadt mit Jochen Vogel als Bürgermeister und das traditionell von der CSU regierte Land zusammen (vgl. Geipel et al. 1993). Eine solche Koalition wäre unter alltäglichen Bedingungen höchst schwierig, wenn nicht gar undenkbar. Die projektorientierte Planung ist somit die „Inszenierung von ‚Gemeinsinn’“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 23). „Das Großprojekt soll die Handlungsfähigkeit von Politik beweisen und heterogene Interessen zu Mehrheiten zusammenbinden […]“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 27). Die Akzeptanz und Identifikation mit dem Projekt ist auch für das Gelingen von entscheidender Bedeutung, denn ohne sie würden zu viele Interessenskonflikte den Erfolg behindern oder sogar die Durchführung des großen Projektes zum Scheitern bringen. Nur wenn eine breite Mehrheit hinter dem Projekt steht, können die Veränderungen in der Stadt angenommen und somit das Ereignis zum Erfolg werden. Die Bevölkerung muss jedoch ausschließlich – ganz nach dem Prinzip des amerikanischen Wahlkampfs – begeistert werden, denn ein demokratisches Mitspracherecht würde das Ereignis, wie bereits erwähnt, zum Scheitern verurteilen (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 30).
Wenn eine Stadt, der eine Weltausstellung zugesprochen wurde, zögert und die Auswirkungen abzuwägen beginnt, sich für demokratische Planung einsetzt, die Umwelteffekte einbezieht oder danach fragt, wer denn die Arbeitsplätze erhält, dann läuft sie Gefahr, die Ausstellung an die nächste Bewerberstadt zu verlieren (Giloth und Shlay 1993, S. 36).
Häußermann und Siebel stellen fest, dass Planung durch große Projekte auch ein organisiertes Wegsehen von sozialen Problemen ist. Der kanadische Soziologe Harry Hiller konstatierte im Zuge der Untersuchungen zu den Olympischen Winterspielen in Calgary, dass durch die großen Ereignisse mit Hilfe von Themen, die „niemandem wehtun“, wie beispielsweise Sport, „positive Gefühle“ in der Stadt aufrecht erhalten werden sollen (in Häußermann und Siebel 1993, S. 28). Vor der EXPO 2000 in Hannover waren ein Drittel der Bevölkerung des Großraums Hannover gegen die Weltausstellung, ein weiteres Drittel enthielt sich der Stimme und nur das letzte Drittel sprach sich für das große Projekt aus (vgl. Selle 1996, S. 254). Vielleicht ist dieser geringe Konsens ein Grund unter anderen für die niedrigen Besucherzahlen zu Beginn der EXPO 2000.
Große Projekte konzentrieren Ressourcen auf das geplante Ereignis hin. So können Gelder, Medien und sowohl private als auch öffentliche Akteure für das Vorhaben gewonnen und laut Selle die „wesentlichen Entwicklungsimpulse in Stadt und Region“ ausgelöst werden (vgl. Selle 1996, S. 253). Große Projekte wirken dabei als eine Art „Brennglas“ für die städtische und regionale Entwicklung, indem alle vorhandenen Kräfte der Region mobilisiert werden, um das Ereignis zu realisieren. Somit können auch zahlreiche Handlungen der Stadtentwicklung gebündelt werden, die im Alltag politischer Arbeitsweisen eher „fragmentiert“ durchgeführt werden (vgl. Ehrenberg und Kruse 2000, S. 299-301). Das Großereignis gilt als Motor der Stadtentwicklung und der Realisierung verschiedenster Projekte, die bereits lange geplant sind. Dafür werden laut Siebel nicht nur vorhandene Potentiale ausgeschöpft und gebündelt, sondern auch neue „schlafende Kräfte“ geweckt. Das große Projekt erzeugt eine Art Aufbruchstimmung in der Region, die die Innovation der Stadtentwicklung fördert (vgl. Siebel 1992, S. 62).
Die projektorientierte Politik belebt auch die öffentlichen Arbeitsweisen und Strukturen: „Die Festivalisierung der Politik ist […] eine […] Innovationsstrategie der politischen Administrationen, eine Art Eigendoping“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 22). Der Beteiligungszwang von öffentlichen und privaten Instanzen beziehungsweise Bürgern und Bürgerinnen macht die Planung in der Alltagssituation schwerfällig, und eben diese Schwerfälligkeit bezeichnen Häußermann und Siebel als Handlungsunfähigkeit der öffentlichen Verwaltung (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 22). In der Regel geben nach Venturi demokratische Verfahren den „Minoritäten und kleineren Gruppen ein Vetorecht“, welches die Möglichkeit bietet „Entscheidungen so weit hinauszuzögern, bis die Fristen“ für eine reibungslose Planung und Durchführung „politisch und […] ökonomisch untragbar werden“ (Venturi 1993, S. 57). Wie schon erwähnt werden die alltäglichen bürokratisch demokratischen Verfahren des Planungsrechts für den Zeitraum der projektorientierten Planung außer Kraft gesetzt, so dass Großereignisse als „Zeitmaschinen der Planung“ gelten (vgl. Geipel et al. 1993, S. 296). Durch den Zeitdruck und die Verfolgung der besonders prestigeträchtigen Ziele wird die Administrative mobilisiert und Handlungskompetenz gegenüber der Weltöffentlichkeit demonstriert. Simons greift hierfür ein Zitat von Häußermann und Siebel auf, durch das dieses Beleben der administrativen Strukturen besonders deutlich wird: „Projektpolitik bedeute den Umstieg vom Tanker, der auf langfristigem Kurs stetig seine Bahn ziehe, in das wendige Motorboot“ (in Simons 2004).
Eine weitere Chance der Stadtentwicklung bietet die mediale Präsenz der Stadt für den Zeitraum des Ereignisses. Dadurch wird die Stadt in der Welt bekannt und erlangt die Aufmerksamkeit von Investoren. Häußermann und Siebel stellen heraus, dass das Projekt die Wirkung auf die Standortqualität und das Image der Städte verändern und dadurch Investitionen von überregional bis international agierenden Investoren bewirken soll (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 14). Ebenso soll dieser Zugewinn an Bekanntheit den Tourismus in der Region verstärken und so zusätzlich die Wirtschaftskraft fördern. Die Auswirkungen für die EXPO im Jahre 1986 in Vancouver wurden beispielsweise laut Zehner von Birklhuber untersucht. Sie fand heraus, dass das Ereignis Ausstrahlungseffekte für den Tourismus in der ganzen Region hatte. Das Passagieraufkommen für Flüge nach Montreal und Ottawa nahm um 25% zu, für Flüge nach Seattle und New York um 50% (in Zehner 2001, S. 163). Um das Image der Stadt und die Qualität des Standortes zu präsentieren, werden neben der Planung für das Veranstaltungsgelände noch andere städtebauliche Maßnahmen getroffen. So entstehen Parkanlagen, Fußgängerzonen und Promenaden, damit sich der Besucher des Ereignisses wohl fühlt und die Stadt nachhaltig verschönert wird (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 15).
Wie bereits angesprochen, werden diese Stadtentwicklungs-maßnahmen nicht aus einer Hand bezahlt, sondern oftmals steht ein kompliziertes Finanzierungssystem dahinter. Die Städte, die sich für ein solches Großereignis bewerben, zählen häufig nicht zu den finanzkräftigen Metropolen oder bedeutenden Hauptstädten der Welt. Sie sind meist aufstrebende Provinzstädte, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 312). Diese Gelder stammen von zahlreichen Investoren aus Stadt und Land, sowie aus öffentlichen und halböffentlichen Institutionen. Alle Geldgeber sehen in dem großen Projekt die Möglichkeit, einen Gewinn zu erzielen oder langfristig den Standort zu verbessern und zu sichern. „Öffentliche Finanzquellen“ werden gar nicht erst „angezapft“ ohne den Aufhänger des großen Projektes. Die privaten und überregionalen Mittel sind nur für ein solches Projekt reserviert (vgl. Huning und Peters 2003).
2.2.2.2 Argumente gegen die Politik der Festivalisierung
Ein großes Projekt hat aber nicht nur positive Seiten, sondern ist neben diesen mit Risiken verbunden, und in der Regel profitieren nicht alle Beteiligten. „Den einen ist die EXPO ein Dukatenesel, den man nur zu reiten wissen muß, den anderen ein Elefant, der alles platt tritt“ (Häußermann und Siebel 1993, S. 17). Die Verteilung des Erfolges eines Großereignisses ist in vielen Fällen nicht gerecht und geschieht auf Kosten von marginalisierten Bevölkerungsschichten. So müssen nicht nur wirtschaftliche Folgen berücksichtigt werden, sondern ebenso soziale und ökologische. Oft kommt es zu einer Preissteigerung im Bauwesen, bei den Mieten und Immobilien zu Lasten der ökonomisch schwachen Bevölkerung (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 18).
Des Weiteren ist bei einem großen Projekt in der Regel das Interesse seitens der Bürger höher als bei kleineren Vorhaben. Die Planung ist durchschaubar und nachvollziehbar. Klare Ziele sind umrissen und das Projekt findet oft Erwähnung in der Presse. Leider bemängelt man jedoch bei der projektorientierten Planung die „fehlende Transparenz und unzureichende Legitimität“ (Huning und Peters 2003). Die Wünsche der privaten Investoren und überregionale Interessen werden gegebenenfalls ohne Berücksichtigung der regionalen oder lokalen Ebene umgesetzt (vgl. Huning und Peters 2003). Wie bereits erwähnt ist für Häußermann und Siebel die Politik der großen Ereignisse ein „Organisiertes Wegsehen“ von sozialen Problemen. Die Politik der Festivalisierung erwirkt das Aussetzen von langfristigen demokratischen Prozessen, um die Stadtentwicklung in kurzer Zeit zu realisieren. Dem Einwand Venturis, dass normalerweise durch demokratische Verfahren die Planung hinausgezögert werde, kann man entgegnen, dass langwierige demokratische Prozesse nicht nur dafür da sind, wichtige Entwicklungen zu verhindern oder unnötig zu erschweren. Sie dienen vielmehr dazu, die Beteiligung aller Bevölkerungsgruppen in gleichem Maße zu gewährleisten und jedem seine demokratischen Rechte im Sinne der Partizipation an Planungsentscheidungen zuzugestehen. Die Tatsache, dass im Zusammenhang mit der Politik der Festivalisierung Instrumente teils neu geschaffen oder bewusst ausgehebelt werden, birgt ein großes Risiko. Die Task Forces beispielsweise sind außerhalb der öffentlichen Verwaltung angesiedelt und entziehen sich somit den Mechanismen demokratischer Rechenschaftslegung. Entscheidungen werden weniger demokratisch und institutionalisiert, sondern eher absolutistisch und personalisiert getroffen. Damit wird gerade denen, die sowieso schon gesellschaftlich marginalisiert sind und nicht im Zentrum der Macht Gehör finden, noch weniger Möglichkeiten bleiben, ihre Interessen zu artikulieren. Ihr Mitspracherecht wird mit dem Argument übergangen, allgemeine Entwicklungsimpulse für die Stadt kämen allen zugute. Dennoch wird dem Großteil der Bevölkerung bewusst das Recht zumindest in Teilen vorenthalten, das eigene Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. In der Regel sind sie dann auf zivilgesellschaftliche Formen des Widerstands, wie beispielsweise den Bürgerbewegungen angewiesen. Diese sind aber zumeist ebenso wie die Task Forces wenig demokratisch legitimiert. Folgt man dieser Argumentation, kann Festivalisierung mit „Entdemokratisierung“ von Planungsprozessen gleichgesetzt werden (vgl. Ehrenberg und Kruse 2000, S. 314f). In Barcelona beispielsweise macht man der Stadtregierung mittlerweile den Vorwurf, sie wolle die Stadt in ein „Ressort“ für die wohlhabenderen Schichten verwandeln und gehe dabei achtlos über die Interessen sozial Schwächerer hinweg. Die sozialen und ökologischen Entwicklungsziele im Sinne der Nachhaltigkeit werden somit von den ökonomischen Zielsetzungen regelrecht überschattet.
Die zuvor bereits erwähnte Mobilisation des administrativen Apparates hat ebenso nicht nur Vorteile. Die Einrichtung von Sonderorganisationen für das große Projekt schafft zwar die Bündelung von Kreativität und Kompetenz in einer Organisation, dient aber gleichsam auch als Selektionsinstrument der Stadtpolitik. Sie „polarisiert“ die Stadtverwaltung nach der Qualität des Personals in „Lahme für den Alltag und Brillante“ für das große Projekt (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 22).
Die Folgen und die Nachwirkungen besonders der ökonomischen Auswirkungen und des Arbeitsmarktes sind schwer vorhersehbar und schlecht kalkulierbar, denn es besteht immer eine große Abhängigkeit von der Konjunktur. Ebenso sind die Kosten des großen Projektes schwer vorhersehbar, da die lange Vorlaufzeit viele Unwägbarkeiten in sich birgt, wie zum Beispiel den Konkurs eines am Projekt beteiligten Bauunternehmens. Öffentliche Investitionen können die private Dynamik auch behindern, und so schreibt Novy im Rahmen der Großprojekte von einem „Crowing out“ Effekt, der den privaten Boom behindert und Ressourcen verzehrt (vgl. Novy 1991, S. 46). In diesem Zusammenhang sprechen Häußermann und Siebel von einem „Oaseneffekt“ der Großereignisse, der sämtliche Investitionen in der Stadt an sich bindet und anderen „kleinteiligen, ökologischen und sozialen Maßnahmen“ die Gelder entzieht (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 28).
Neue Bauprojekte und städtische Verschönerungen, durchgeführt im Rahmen des großen Projektes, wie Parkanlagen, neue Sportanlagen oder Kongresszentren, beleben die Stadt und verändern sie nachhaltig. Dabei müssen aber die Unterhaltungskosten bedacht werden, die über Jahre hinweg den öffentlichen Haushalt belasten. Schlimmstenfalls können diese Kosten ein Stilllegen der Anlagen bewirken und damit eine erneute Brache in der Stadt schaffen. Häufig werden auch Investitionen für solche baulichen Projekte getätigt, die nach dem Großereignis nicht länger benötigt werden. Im Rahmen von Olympischen Spielen beispielsweise werden Stadien gebaut, für die nach dem Ereignis kein Bedarf mehr besteht.
Die hohen Kosten, die durch ein großes Projekt entstehen, legitimeren sich nur durch das Gelingen des Ereignisses.
[…] Großprojekte entwickeln […] häufig eine unaufhaltsame Eigendynamik, die Gegenstimmen überrollt, Gegenargumente gar nicht erst zulässt und auch bei absehbarem Scheitern eines Projektes keine Ansatzpunkte für einen geordneten Rückzug bietet, wenn das Projekt erst einmal angelaufen ist. Dies gilt um so stärker, je höher der finanzielle Aufwand ist (Huning und Peters 2003).
Es gibt kaum Alternativen bei der Planung und Durchführung, denn die Fokussierung auf das Ziel hin ermöglicht nur eine geringe Modulation des ursprünglichen Plans, da viel auf dem Spiel steht. Der Zeitdruck, der bei einem Großereignis besteht, verstärkt diesen Handlungszwang weiter. Zudem sind Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt zumeist nur von kurzer Dauer, da viele neu geschaffene Arbeitsplätze wie Kartenverkäufer, Kellner oder Bauarbeiter nach dem Ereignis wieder wegfallen (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 18). Der Nutzen, den ein Großereignis mit sich bringt, ist genauso schwer zu kalkulieren wie die Kosten. Durch die „Langfristigkeit“ des Ereignisses kann man erst Jahrzehnte nach dem Projekt die Auswirkungen auf die Stadtstruktur erkennen, denn die Entwicklungen, die sich durch die Stadterweiterung und den Umbau der Stadt vollziehen, sind schwer abzuschätzen. So können sich zunächst für gut befundene Eingriffe nach Jahren als negativ für die Entwicklung der Stadt oder der Region herausstellen (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 18).
„Bewertungsoptimismus“ beziehungsweise bewusste Täuschung bei Kostenkalkulationen vor einem Großereignis führen nicht selten dazu, „dass die realen Kosten“ am Ende „höher sind als die Schätzungen“ (Flyvbjerg et al. 1993). Sowohl der Bauingenieur als auch der Träger wollen das ihnen anvertraute Projekt realisieren, so dass man davon ausgeht, dass die Durchführung des Projektes keine Komplikationen aufwirft. Die Täuschung besteht darin, dass der Öffentlichkeit und möglichen Investoren das Gefühl vermittelt wird, dass es beispielsweise keine Konflikte, keine Verzögerungen und keine Änderungen in der Sicherheitspolitik gibt (vgl. Flyvbjerg et al. 1993). Da die Umsetzung eines Projektes aber zumeist nicht nach Plan läuft, steigen die Kosten in die Höhe, so dass am Ende die fiskalische Belastung hoch ist und die Bürger für die Täuschung mittels Steuererhöhungen bezahlen müssen. Zudem sind die Kosten für ein solches Projekt in der Regel schon von vornherein hoch, da allein die Architektur der weitreichenden Bauten immense Summen kostet.
Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten für die Sicherheit bei einem großen Ereignis.
Je explosiver die Spannungen in verschiedenen Teilen der Welt sind, desto höher wird das ‚Sicherheitsrisiko’ bei solchen Spektakeln, und desto intensiver müssen die Gast-Stars oder Aussteller durch räumliche Abgrenzung und bauliche Sicherheitsmaßnahmen geschützt werden (Häußermann und Siebel 1993, S. 29).
Die Kosten für die Reduktion des Sicherheitsrisikos muss der Ausrichter des Ereignisses zahlen. Die Stadt und das Land wollen sich in der Zeit positiv präsentieren, um in der Welt ein besseres Image zu erlangen. Ein negatives Ereignis, ausgelöst durch eine Lücke im Sicherheitsapparat, wäre dafür nicht dienlich. Aber je bedeutender ein großes Ereignis ist, je mehr Medien sich also dafür interessieren, desto anfälliger werden die Austragungsstätten für eine solche Störung (vgl. Häußermann und Siebel 1993, S. 29). Die Spannungen auf der Welt könnten auch unvorhergesehene Kosten für ein großes Projekt verursachen. In der langen Zeit der Vorbereitung kann sich weltpolitisch vieles verändern. Die Olympischen Winterspiele im Jahre 2002 in Utah waren beispielsweise das erste Großereignis nach dem 11. September 2001, und somit stiegen die Kosten für die Sicherheit deutlich.
Es gibt gute Gründe, die für die Nutzung von Großereignissen für die Stadtentwicklungspolitik sprechen. So erreicht man beispielsweise mit der Festivalisierung der Stadtpolitik einen Entwicklungsschub für die Stadt, Investitionen werden schneller getätigt, überregionales Kapital wird mobilisiert, es erfolgen zeitlich schnellere Strukturveränderungen und die Stadt kann sich positiv in der Welt präsentieren. Es gibt jedoch Kritikpunkte, wie die Entdemokratisierung, Personalisierung von Planungsprozessen, Ausgrenzung von Minderheitsinteressen und auch soziale, finanzielle und organisatorische Risiken. Die vorliegende Arbeit hat jedoch nicht den Anspruch, die Bewertung der Maßnahmen vor dem Hintergrund dieser Kontroverse vorzunehmen, da dies den Rahmen dieser Untersuchung übersteigen würde und die öffentliche Diskussion bezüglich der Bewertung der Auswirkungen so kurz nach dem Ereignis der Olympischen Spiele in Athen noch nicht abgeschlossen ist. Diese Untersuchung erfolgt vielmehr unter der Fragestellung, inwieweit das Ereignis der Olympischen Spiele 2004 die Stadt Athen städtebaulich verändert hat und welche politischen Ziele damit verwirklicht wurden.
3 Die Olympischen Spiele als Großereignis
Im Folgenden soll das Festival „Olympische Spiele der Neuzeit“ vorgestellt und zudem anhand von Beispielen mögliche Erfolge in der Stadtentwicklung durch Olympische Spiele herausgestellt werden.
Die Olympischen Spiele der Neuzeit sind eine Erfindung von Baron Pierre de Coubertin. Der Franzose griff die Idee des antiken Griechenlands auf und führte Ende des 19. Jahrhunderts die Olympischen Spiele als internationales Sportereignis ein. Seine Vorstellung bestand darin, dass alle Nationen im friedlichen Wettstreit miteinander konkurrieren sollten. Im Jahre 1894 lud Coubertin eine Reihe einflussreicher Männer nach Paris ein, um mit ihnen die Olympischen Spiele der Neuzeit zu planen und gleichzeitig das Internationale Olympische Komitee (IOC) ins Leben zu rufen (vgl. Krüger 1993, S. 65). Im Jahre 1896 fanden, nach dem Beschluss der Versammlung in Paris, die ersten Olympischen Spiele in Athen statt. 295 Männer aus dreizehn Nationen nahmen an 42 Entscheidungen teil, und 750.000 Zuschauer besuchten das Athener Stadion während der Spiele (vgl. Krüger 1993, S. 66f). Die Olympischen Spiele feierten nach anfänglichen Schwierigkeiten mit den enttäuschenden Spielen 1900 in Paris und 1904 in Saint Louis einen regelrechten Triumphzug im 20. Jahrhundert (vgl. Krüger 1993, S. 67). Bei den Olympischen Spielen im Jahre 2000 in Sydney waren nunmehr 11.000 Athleten aus 200 Nationen beteiligt, die in insgesamt 300 Disziplinen gegeneinander antraten. Millionen von Zuschauern erlebten das Spektakel live in Sydney mit und aufgrund des Fortschritts in der Fernsehtechnologie konnten drei Milliarden Menschen auf der ganzen Welt das Großereignis im Fernsehen verfolgen (vgl. Haschke 2004, S. 234).
Dieses weltweite Interesse bringt viele Städte dazu, vor allem seit dem Erfolg der Olympischen Spiele von Los Angeles im Jahre 1982, sich für das Ereignis zu bewerben, um die vielen Vorteile des Ereignisses für eine Stadt zu nutzen. So sind die Olympischen Spiele in München im Jahre 1972 und in Barcelona 1992 Paradebeispiele für die erfolgreiche Ausrichtung eines Großereignisses, bei denen die positiven Effekte die negativen Aspekte überwiegen. Das Augenmerk liegt hier auf den positiven Beispielen für die Ausrichtung der Olympischen Spiele, da herausgestellt werden soll, welche katalytischen Wirkungen ein Großereignis auf die Stadtentwicklung haben kann. Bei der Betrachtung eines solchen Großereignisses und dessen Auswirkungen auf die Stadtstruktur stellt sich die Frage, in welcher Situation sich die Stadt vorher befand und wie das Großereignis das Stadtbild verändert hat.
3.1 Die Olympischen Spiele in München im Jahre 1972
Die Olympischen Spiele in München gelten als eines der ersten Beispiele dafür, dass Stadtentwicklungsmaßnahmen durch die Ausrichtung eines großen Projektes realisiert werden können (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 429). Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs München als einzige Großstadt in Deutschland. Nicht nur die Bevölkerung der Stadt stieg an, sondern auch die Industriearbeitsplätze nahmen zu (vgl. Geipel et al. 1993, S. 279). Von der Teilung Deutschlands profitierte München durch Zuwächse in allen Sektoren. Große Industrien wie Siemens und die Filmindustrie UFA-Babelsberg siedelten sich im Großraum München an, da die konservative Wählerschaft „ein sicheres Investitionsklima und eine zufriedene Arbeiterschaft verhieß“ (Geipel et al. 1993, S. 280). Die Folge dieses Aufschwungs war die zunehmende Zahl an Arbeitskräften im Großraum München, die nicht nur Wohnungen, sondern auch infrastrukturelle Veränderungen benötigten. Es kam rasch zu einer Knappheit an Wohnraum und einem Zuwachs des täglichen Pendlerverkehrs. Diesen stadtpolitischen Anforderungen musste die Kommune durch ein neues Wohnungsprogramm und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs gerecht werden. Aus diesem Grund wurde im Jahre 1963 ein Stadtentwicklungsplan aufgestellt, der Ordnung in den Wachstumsprozess der Stadt bringen sollte (vgl. Geipel et al. 1993, S. 280f).
Leitgedanke dieser Planung ist die auf ein hochentwickeltes Zentrum hin orientierte, entlang den Strecken der Massenverkehrsmittel sternförmig […] mit ihrem natürlichen Umland organisch verbundene Metropole mit Weltstadtcharakter (Geipel et al. 1993, S. 282).
Die Stadt sollte demnach durch den öffentlichen Nahverkehr mit dem Umland verbunden werden, indem die Trassen zentral auf die Innenstadt ausgerichtet in die Vororte führen sollten. Wegen der zunehmenden Kritik an dem städtebaulichen Leitgedanken der autogerechten Stadt versuchte man, den Pkw-Verkehr weitgehend um die Innenstadt zu führen, indem man den Bau eines Altstadtrings realisierte und das historische Straßenkreuz im Zentrum Münchens zur Fußgängerzone machte. Zudem erfolgte die Planung für den Autobahnring um München, der den Fernverkehr weiträumig um die Stadt herum lenken sollte. Daneben wollte man der wachsenden Bevölkerung die Möglichkeit zur aktiven Freizeitgestaltung geben. Hierfür kam im Jahre 1969 ergänzend zum Stadtentwicklungsplan der Grünflächennutzungsplan hinzu, der die Erweiterung der bestehenden Grünflächen durch weitere Parkanlagen und Sportflächen nahe der Großwohnsiedlungen vorsah (vgl. Meyer-Künzel 2001, S. 409). Für all diese Vorhaben war ein Zeitraum bis 1990 vorgesehen (vgl. Geipel et al. 1993, S. 296).
Als im Oktober 1965 der damalige Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Deutschland (NOK) Willy Daume dem Münchener Oberbürgermeister Hans Jochen Vogel den Vorschlag machte, die Olympischen Spiele in München auszutragen, sah dieser die Chance, die anstehenden Projekte in kürzester Zeit zu realisieren (vgl. Geipel et al. 1993, S. 280). Außerdem hegte er die Hoffnung, dass durch das Projekt zusätzliche Mittel in die Stadt kämen, so dass die Kommune nicht die erwarteten Kosten für die Stadterweiterung allein aufbringen müsste. Daneben gab es jedoch ein Problem bei der Konsensbildung in der Region. Die unterschiedlichen Interessen der von der SPD regierten Stadt und des von der CSU regierten Umlandes hätten die Realisierung des Stadtentwicklungsplans stark erschwert oder gar nahezu unmöglich gemacht. Die Olympischen Spiele boten die Chance, diese Gegensätze zu überwinden.
Über das […] gemeinsame Ziel erfolgreicher Olympischer Spiele konnten SPD-Stadt und CSU-Staat erstmalig und so erfolgreich wie später nie mehr gemeinsam agieren (Geipel et al. 1993, S. 284).
Das beste Beispiel dafür ist der neue Münchener Flughafen. Die Planung dieses Projektes fällt in den Zeitraum vor den Olympischen Spielen, in die Zeit, in der die beiden Parteien miteinander kooperierten und planten. Die Realisierung sollte nach den Spielen beginnen. Als das Ereignis vorüber war, wuchs der Widerstand so sehr, dass das Projekt erst 20 Jahre später im Jahre 1992 fertig gestellt wurde (vgl. Geipel et al. 1993, S. 284).
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- Benedikt Laumann (Author), 2005, Stadtentwicklung durch große Projekte - Das Beispiel Olympische Spiele 2004 in Athen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/72159
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