Betrachtet man die Stellung der europäischen Frau in der Frühen Neuzeit, also ungefähr im 16. und 17. Jahrhundert, und vergleicht dann diese Existenz, gefangen in Schweigen und Unterordnung unter den Mann, mit dem Geschehen auf den Theaterbühnen, im Falle dieser Hausarbeit mit dem Stück La hija del aire des Barockautors Calderón de la Barca, so ist die sich ergebende Ambivalenz höchst auffallend. Zum einen sieht man Frauen, die zwar gebildet sein konnten und im kleinen Kreis, etwa im eigenen Haushalt, ihre Meinung, wenn auch vorsichtig, äußerten, aber keine Autorität besaßen, dies auch öffentlich zu tun, zum anderen sieht man eine Frau, Semíramis, die es, zwar „nur“ auf der Theaterbühne, schafft, sich von vier Männern hintereinander zu emanzipieren, sich dabei aber auch noch ein Königreich aneignet und dies erfolgreich regiert.
In dieser Hausarbeit wird untersucht, mit welchen Grundlagen sich die Stellung der Frau zu dieser Zeit rechtfertigte, wie sich der damalige feministische Diskurs dazu äußerte, wie Semíramis in Calderóns Stück mit diesem Diskurs vereinbar ist, wie diese mujer varonil auf das frühneuzeitliche Publikum gewirkt haben muss und welche Intention Calderón mit dem Verfassen des Stückes verfolgt haben könnte. Gerade die letzten beiden genannten Punkte beruhen eher auf Annahmen als auf Fakten, vor allem, weil bis heute das Entstehungsjahr des Stückes nicht vollständig geklärt werden konnte und somit ein Bezug zu historischen Persönlichkeiten oder Begebenheiten nicht leicht fällt.
Dennoch soll am Ende zu einem Ergebnis gekommen werden, das entweder die These einiger Kritiker stützt, das Stück sei als Warnung zu lesen, den Frauen nicht zu viel Macht und Selbstständigkeit zuzugestehen, oder aber zeigen, dass Calderón die Bühne nutzte als „a laboratory where alternative ways of being could be tried out“ (McKendrick). Das würde bedeuten, dass er sich als Proto-Feminist der Situation der Frau bewusst war und seine männliche Autorität als Theaterautor nutzte, um eine Frau auf der Bühne zu zeigen, die mit Verstand zu handeln versteht.
Gliederung
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Die Stellung der Frau in der Frühen Neuzeit
2.2. Feministische Tendenzen in der Literatur der Frühen Neuzeit
2.3. Semíramis: Verkörperung der persona mixta
2.3.1. Semíramis als Hermaphrodit
2.3.2. Die Entwicklungsstufen von Semíramis als mujer varonil
2.3.3. Semíramis Entwicklung aus moderner psychologischer Sicht
2.4. Die Wirkung von La hija del aire auf lebensweltlicher Ebene
2.5. Intention des Autors: Calderón als frühneuzeitlicher Feminist oder warnende Instanz?
3. Schlussbemerkung
4. Bibliografie
1. Einleitung
Betrachtet man die Stellung der europäischen Frau in der Frühen Neuzeit, also ungefähr im 16. und 17. Jahrhundert, und vergleicht dann diese Existenz, gefangen in Schweigen und Unterordnung unter den Mann, mit dem Geschehen auf den Theaterbühnen, im Falle dieser Hausarbeit mit dem Stück La hija del aire des Barockautors Calderón de la Barca, so ist die sich ergebende Ambivalenz höchst auffallend. Zum einen sieht man Frauen, die zwar gebildet sein konnten und im kleinen Kreis, etwa im eigenen Haushalt, ihre Meinung, wenn auch vorsichtig, äußerten, aber keine Autorität besaßen, dies auch öffentlich zu tun, zum anderen sieht man eine Frau, Semíramis, die es, zwar „nur“ auf der Theaterbühne, schafft, sich von vier Männern hintereinander zu emanzipieren, sich dabei aber auch noch ein Königreich aneignet und dies erfolgreich regiert.
In dieser Hausarbeit möchte ich untersuchen, mit welchen Grundlagen sich die Stellung der Frau zu dieser Zeit rechtfertigte, wie sich der damalige feministische Diskurs dazu äußerte, wie Semíramis in Calderóns Stück mit diesem Diskurs vereinbar ist, wie diese mujer varonil auf das frühneuzeitliche Publikum gewirkt haben muss und welche Intention Calderón mit dem Verfassen des Stückes verfolgt haben könnte. Gerade die letzten beiden genannten Punkte beruhen eher auf Annahmen als auf Fakten, vor allem, weil bis heute das Entstehungsjahr des Stückes nicht vollständig geklärt werden konnte und somit ein Bezug zu historischen Persönlichkeiten oder Begebenheiten nicht leicht fällt.[1] Dennoch möchte ich am Ende zu einem Ergebnis kommen, das entweder die These einiger Kritiker stützt, das Stück sei als Warnung zu lesen, den Frauen nicht zu viel Macht und Selbstständigkeit zuzugestehen, oder aber zeigen, dass Calderón die Bühne nutzte als „a laboratory where alternative ways of being could be tried out“ (McKendrick (2004, 23)).
Das würde bedeuten, dass er sich als Proto-Feminist der Situation der Frau bewusst war und seine männliche Autorität als Theaterautor nutzte, um eine Frau auf der Bühne zu zeigen, die mit Verstand zu handeln versteht.
2. Hauptteil
2.1. Die Stellung der Frau in der Frühen Neuzeit
Die Situation der Frauen in der Frühen Neuzeit beruhte vor allem auf zwei Grundlagen und ihre dem Mann untergeordnete Stellung war somit gleich doppelt besiegelt. Zum einen galt für Frauen das Naturrecht, hier vor allem das göttliche Recht, zum anderen das Positivrecht, das ihre Stellung durch soziale Normen, auch geprägt durch philosophische Schriften, regelte.
Das göttliche Recht, basierend auf der Bibel, legt den Grundstein für die zutiefst gespaltene Persönlichkeit der Frau, die meiner Meinung nach auch Semíramis verkörpern soll. Zum einen weisen die beiden Schöpfungsgeschichten in der Bibel der Frau unterschiedliche Stellungen zu. Während in Genesis 1 Gott den Menschen zu seinem Bilde schuf; „zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau“ (1.Mose,1.27-28), somit also Mann und Frau zur gleichen Zeit entstanden, auf gleicher Ebene stehen und beide das Abbild Gottes darstellen, so schildert die zweite Schöpfungsgeschichte die Frau als Gehilfin des Mannes, „die um ihn sei“ (1. Mose,2.18), die aus der Rippe des Mannes entstanden ist und noch dazu den Sündenfall und die Vertreibung aus dem Paradies zu verschulden hat. Daraus wurde die Unterlegenheit der Frau in der Gesellschaft abgeleitet. „The manner of her creation revealed her ontological inferiority, her punishment after the loss of paradise her political subordination in historical time” (Jordan (1991, 22)). So konnte man zwar das Patriarchat rechtfertigen, aber die spirituelle Gleichstellung von Mann und Frau, die sich aus der 1. Schöpfungsgeschichte lesen lässt, konnte damit nicht aufgehoben werden. So entfaltete die Frau eine zweigeteilte Identität. Zum einen besaß sie eine unsterbliche Seele, die, wie auch beim Mann, erlöst oder verdammt werden konnte, zum anderen lebte sie ein reales Leben in einer männlichen Welt, wo sie als Unterlegene und Untergebene angesehen wurde (Jordan (1991, 23)). Der gespaltenen Identität der Frau war man sich in der Renaissance durchaus bewusst und bezeichnete die Frau als persona mixta, „her natural and political self balanced by her spiritual self“ (Jordan (1991, 23)).
[...]
[1] „There is some controversy surrounding the date of composition. Gwynne Edwards, who has provided the most workable edition and comprehensive study of the La hija, dates it from around 1652 or 1653. […], other critics, notably Alan Paterson, provide compelling reasons for dating the composition of the play much earlier, at around 1625 to 1630.” (Quintero (2001, 176)).
- Citation du texte
- Claudia Ballhause (Auteur), 2007, Frühneuzeitlicher Feminismus in "La hija del aire" von Calderón de la Barca, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/71967
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